Eintracht Frankfurt - Bayern München

DFB-Pokal 1973/1974 - Halbfinale

3:2 (0:0)

Termin: 13.04.1974
Zuschauer: 62.000
Schiedsrichter: Heinz Aldinger (Waiblingen)
Tore: 1:0 Bernd Hölzenbein (49.), 1:1 Uli Hoeneß (60.), 1:2 Paul Breitner (62., Elfmeter), 2:2 Thomas Rohrbach (68.), 3:2 Jürgen Kalb (90., Elfmeter)

 

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Eintracht Frankfurt Bayern München

 


  • Sepp Maier
  • Johnny Hansen
  • Georg Schwarzenbeck
  • Franz Beckenbauer
  • Paul Breitner
  • Jupp Kapellmann
  • Rainer Zobel
  • Uli Hoeneß
  • Conny Torstensson
  • Gerd Müller
  • Bernd Dürnberger

 

Wechsel Wechsel
  • Wilhelm Hoffmann für Conny Torstensson (63.)
Trainer Trainer
  • Udo Lattek

 

 

Kaiser ohne Contenance

Neunmal hat Bayern München seit dem Bundesligaaufstieg bei der Eintracht gastiert, vier Mal haben die Bayern den Kürzeren gezogen, drei Mal ein Remis erzielt und zwei Mal im Waldstadion gewonnen. In dieser Saison endeten die beiden Bundesligabegegnungen der Kontrahenten jeweils unentschieden – 2:2 in München und vor vier Wochen 1:1 in Frankfurt. Ein Remis ist heute zwar auch möglich, würde aber wortwörtlich keinen der beiden Vereine weiter bringen: Beim ersten Aufeinandertreffen der beiden Mannschaften im DFB-Pokal geht es um den Einzug ins Finale.

Die Eintracht kann in diesem Jahr bislang nicht ganz an die überraschen starken und erfolgreichen Leistungen der Hinrunde anknüpfen. In den letzten sieben Meisterschaftsspielen wurden nur die Essener geschlagen, das mit 6:0 allerdings deftig. Sonst stehen drei Niederlagen, eine davon beim Aufsteiger und Tabellenletzten Fortuna Köln, und drei Unentschieden zu Buche. Die Bayern, die neben Bundesliga und DFB-Pokal auch im Europapokal der Landesmeister mitmischen und dort ebenfalls im Halbfinale stehen, haben sich am letzten Wochenende im Olympiastadion ein 1:1 gegen Kaiserslautern geleistet. Borussia Mönchengladbach, der einzige Rivale, der den Bayern im Rennen um die Deutsche Meisterschaft noch gefährlich werden kann, liegt nun nur noch einen Zähler hinter dem Tabellenführer. Während die Gladbacher am Mittwochabend jedoch im Halbfinale des Europapokals der Pokalsieger beim AC Mailand eine 0:2-Niederlage kassierten, reisen die Bayern mit einem 1:1 aus Budapest und einer günstigen Ausgangsposition für das Erreichen des Landesmeisterfinales an. Trainer Lattek ist dennoch nicht zufrieden: "Wir haben zwar unser Ziel, nicht zu verlieren, erreicht. Aber dem Spielverlauf nach hätten wir drei Tore schießen können und ein gewisses Zittern wäre uns erspart geblieben." Torwart Maier ist denn auch der einzige Spieler, der nach dem Schlusspfiff die Arme hochgerissen hat. Der abergläubische Keeper hatte sich zuvor durchgesetzt und seine Ehefrau mit nach Budapest genommen, "weil die Agnes unser guter Stern ist. Wenn sie zuschaute, haben wir noch nie im Europacup verloren."

Gut, dass dies nur für europäische Pokalwettbewerbe gilt, denn das Endspiel im DFB-Pokal soll dem amtierenden Deutschen Meister verwehrt bleiben, wenn es nach dem Willen der Eintrachtspieler geht. Das bekräftigt Kapitän Grabowski auf die Frage des "Kicker", ob nach dem Ausrutscher bei Fortuna Köln und der Niederlage von Berlin die Luft raus sei: "Im Gegenteil, die Luft ist wieder drin. Gegen die Bayern ist das immer so, und jetzt im Pokal ganz besonders. Man merkte das im Training dieser Woche. Da ist plötzlich wieder Spannung drin. Jeder möchte am Samstag gern dabei sein und jeder will sich noch einmal zusammenreißen."

Die Bayern vermelden eine Reihe von verletzten Spielern - Breitner, Zobel, Hansen -, doch nachdem sie noch eine Stunde vor dem Spiel nicht mit ihrer Aufstellung herausrücken wollen, ist allen klar, dass die Gäste geblufft haben. Auf dem Rasen stehen dann auch fast alle, die zuvor als Ausfall gehandelt wurden, angeschlagen zwar, aber – sicher auch dank pharmazeutischer Produkte - einsatzfähig. Nur "Bulle" Roth, der schon in Budapest nach 52 Minuten für Dürnberger wegen einer Leistenzerrung verletzt das Feld räumen musste, fehlt.

Bei der Eintracht soll Thomas Parits und nicht wie erwartet Hölzenbein als Mittelstürmer fungieren, doch auch Lattek tut etwas Unerwartetes, in dem er nicht Breitner, den Grabowski schon des Öfteren vorgeführt hat, gegen den Kapitän der Frankfurter stellt, sondern den bissigen Kapellmann. Folgende "Pärchen" bilden sich: Reichel gegen Dürnberger, Körbel gegen Hoeneß, Grabowski gegen Kapellmann, Kalb gegen Torstensson, Rohrbach gegen Hansen, Hölzenbein gegen Zobel, Parits gegen Schwarzenbeck, Kliemann gegen Müller und Nickel gegen Breitner.


Grabowski und Kapellmann

Die erste Viertelstunde des Spiels hält aber nicht das, was die letzten Begegnungen der beiden Teams versprochen haben. Vor allem die Frankfurter Zuschauer fragen sich, wo das Feuer geblieben ist, mit dem Weises Elf vor vier Wochen den Bayern eine Halbzeit lang die Hölle heiß gemacht hat. Die Eintracht agiert überaus zurückhaltend, fast vorsichtig und überbrückt das Mittelfeld nur zaghaft, wobei erschwerend hinzu kommt, dass Kapellmann Grabowski einiges von seiner Wirkung nimmt.

In der Anfangsphase sorgen die direkten Gegenspieler Kliemann und Müller vor beiden Toren für die aufregendsten Momente. Ist es Müller, der in der 8. Minute aus 15 Metern einen gefährlichen Schuss auf Dr. Kunters Kasten abgibt, so ist es keine 60 Sekunden später auf der Gegenseite Kliemann, der Maier mit einem Gewaltschuss aus 25 Metern überrascht, aber nicht überwindet. Wieder eine Minute danach versetzt Müller seinen Bewacher Kliemann im Fünfmeterraum klassisch, doch auch dem Münchner bleibt der gewünschte Torerfolg versagt. In der 22. Minute ist es erneut Kliemann, dessen Versuch Maier neben dem Tor über die ausgestreckten Hände springen lässt. Der folgende Eckball verpufft jedoch einer Platzpatrone gleich wie alle bisherigen Angriffe der Gastgeber.


Hölzenbein düpiert Zobel

In der 31. Minute wird dann allerdings scharf geschossen: Nickel nimmt wenige Meter vor dem Tor die Kugel direkt aus der Luft, Maiers Reaktion erfolgt reflexartig mit einer blitzschnellen Fußabwehr und Beckenbauer drischt den Abpraller aus nur drei oder vier Metern über das eigene Tor ins Aus. Im Frankfurter Kasten kann sich Dr. Kunter fünf Minuten später ebenfalls auszeichnen. Als Müller acht Meter vor ihm völlig frei zum Schuss kommt, scheint die Gästeführung schon beschlossene Sache zu sein, doch katzengleich fischt Kunter den scharf nach unten gezogenen Ball mit dem linken Arm.

Doch auch wenn die Eintracht einen Rückstand vermeiden kann, muss sie sich doch den Vorwurf gefallen lassen, dass sie die Gäste das Spiel und vor allem das Tempo bestimmen lässt. Den Bayern kommt das nach den Anstrengungen von Budapest vor drei Tagen natürlich gelegen und Franz Beckenbauer lässt keine Gelegenheit aus, das Spiel langsam zu machen, um Kräfte zu sparen. Parits gelingt es einfach nicht, im Sturmzentrum für jenen Druck zu sorgen, der Schwarzenbeck in Verlegenheit bringen und "Kaiser" Franz aus der Reserve locken könnte.

"Das läuft ja saumäßig bei uns", schimpft Grabowski in der Halbzeit und Trainer Weise nimmt sich seine Elf zur Brust: "Wir müssen die Bayern schon bei der Ballannahme stören. Wir müssen ihren Spielfluss unterbrechen. Wir dürfen sie nicht entwickeln lassen. Beckenbauer, Breitner und Hoeneß darf man keine Zeit lassen, den Ball anzunehmen und ihre Ideen entwickeln zu lassen."


Hölzenbein zum 1:0

Mit Beginn der zweiten Halbzeit steht Parits nicht mehr auf dem Rasen, was die Zuschauer mit Applaus begrüßen. Anstelle des Österreichers stürmt nun Hölzenbein, auf dessen Platz im Mittelfeld der eingewechselte Weidle rückt. Selten hat wohl eine Umstellung der Mannschaft so schnell Erfolg gebracht, denn schon nach vier Minuten führt die Eintracht: Einen Fehler von Schwarzenbeck nach einen Pass von Kliemann nutzt Hölzenbein und schießt flach an Maier vorbei zum 1:0 ein. Schwarzenbecks abschließendes Tackling kommt zu spät.

Es ist nun eine andere Eintracht auf den Platz, eine, die das Aufbauspiel des Gegners im Ansatz stört und die für Druck nach vorn sorgt, wobei sich der schnelle Hölzenbein besonders hervortut. Jetzt ist den Gästen der Kräfteverschleiß der letzten Wochen und vom Mittwoch anzumerken. Als Folge der konditionellen Probleme gerät ihre Abwehr in Schwierigkeiten, die vorerst nur durch den fangsicheren Maier abgemildert werden. Der Eintracht aber fehlt wieder einmal der Torjäger, der die Chancen, die ihrer Überlegenheit entspringen, auch verwertet. Schiedsrichter Aldinger scheint übrigens nach der Fehlentscheidung seines Kollegen Biwersi im anderen Halbfinale vor zwei Tagen nicht bereit, dasselbe Risiko auf sich zu nehmen: Als Rohrbach nach einem Zweikampf mit Beckenbauer ebenso zu Boden geht wie wenig später Hölzenbein nach einer Attacke von Hansen, bleibt die Pfeife des Unparteiischen still.


Breitner zum 1:2

Der neu erwachte Offensivgeist bringt den Frankfurtern nicht das gewünschte zweite Tor, dafür aber Probleme in der vernachlässigten Abwehr. Körbel fälscht nach einer Stunde einen Schuss von Hoeneß so unglücklich ab, dass der Ball unerreichbar für den etwas zu weit vor seinem Gehäuse stehenden Dr. Kunter zum Ausgleich im Netz landet. Aber es kommt noch ärger: Zwei Minuten nach diesem Treffer legt Kliemann den Schweden Torstensson hinter der Strafraumgrenze und lässt Aldinger keine Wahl mehr. Und Breitner, der beim 1:1 am Samstag gegen Kaiserslautern einen Elfmeter verschossen hat, lässt Kunter keine Chance. Die Bayern führen 2:1, müssen allerdings nach Kliemanns Foul auf den exzellenten Konterstürmer Torstensson verzichten; Wilhelm Hoffmann kommt für den Schweden ins Spiel.

"Rings um mich tiefes Resignieren: Das Spiel ist gelaufen! Jetzt schaffen es die Bayern wieder! Schade!", schildert Richard Kirn die Stimmung auf den Rängen. Auf dem Spielfeld aber geht ein unübersehbarer Ruck durch die Frankfurter Reihen. So soll der Traum vom Finale nicht enden.


Maier hält Grabowskis Elfmeter

Schiedsrichter Aldinger hat seine anfängliche Scheu vor Elfmeterpfiffen abgelegt, In der Minute nach Breitners Tor entscheidet er zum zweiten Mal auf Strafstoß. Als Hölzenbein von Schwarzenbeck mit beiden Händen festgehalten wird, bleibt des Schiedsrichters Pfeife zwar seltsamerweise stumm, doch als Hölzenbein ohne Einwirkung Schwarzenbecks stürzt, folgt der Pfiff … Grabowski übernimmt die Verantwortung, doch sein Schuss in die rechte Torhälfte ist so ungenau, dass sich Torwart Maier, der sich die richtige Ecke ausgesucht hat, nicht einmal besonders anstrengen muss, um diesen Ball zu parieren.

Die Eintracht verliert den Mut nicht und legt die Zurückhaltung des ersten Durchgangs stürmenderweise völlig ab, ohne jedoch die eigene Defensive zu sehr zu entblößen. Müller bekommt von Kliemann eine zweite Haut verpasst und Hoeneß spürt den heißen Atem des bissigen Körbel im Nacken. Trinklein sieht seine Deckung geordnet und schaltet sich bei Gegenstößen nun immer öfter in die eigenen Angriffe mit ein. Das Spiel wird immer schneller und ob des gestiegenen Tempos auch unübersehbar hektischer. Grabowski wird stärker, zerrt an den Fesseln, die ihm Kapellmann angelegt hat, und bringt sie zum Zerreißen. In der 68. Minute kommt nach einem Flankenlauf Grabowskis Rohrbach an den Ball, der die die Konfusion in der Bayern-Abwehr nutzt und mit einem überlegten Schuss das 2:2 erzielt. Sieben Minuten später hat Rohrbach auch die erneute Führung auf dem Fuß, doch nachdem er allein vor dem Tor seinen Bewacher Hansen ausgespielt hat, streicht sein Schuss über den von Maier verlassenen Kasten.


Hansen foult Hölzenbein

Die Eintracht drückt, ist überlegen, doch das erlösende dritte Tor will nicht fallen. Die Uhr tickt der Schlussminute entgegen und man beginnt sich auf eine Verlängerung einzurichten, wie schon im Viertelfinale gegen den 1. FC Köln. Da schickt Grabowski noch einmal eine Vorlage in den Münchner Strafraum. Hölzenbein jagt ihr nach, Maier rast dem Stürmer entgegen und Hansen greift den Frankfurter von der Seite an. Hölzenbein stürzt in der ihm eigenen Art, verlängert allerdings die Flugzeit eigenmächtig. Schiedsrichter Aldinger steht in reichlicher Entfernung, sein Linienrichter auf Ballhöhe. Während der Linienrichter einen Eckball anzeigt, entscheidet Aldinger auf Strafstoß. Wer will es den Gästespielern verdenken, dass sie mit dieser Entscheidung in der 90. Minute alles andere als einverstanden sind?


Maier und Kalb

Jürgen Kalb, der in der vergangenen Bundesliga-Saison sechs Elfmeter hintereinander verwandelte, legt sich den Ball ungerührt der Aufregung um ihn herum zurecht. Da stürzt Maier aus dem Tor und korrigiert die Lage des Balles um wenige Zentimeter. Kalb legt das Leder wieder zurück, was Maier erneut auf den Plan und zurück aus seinem Tor ruft. Kalb lässt sich nicht erschüttern, auch nicht als Müller ebenfalls hinzu kommt und mit Schiedsrichter Aldinger und Kalb um die genaue Position des Elfmeterballes streitet. Weidle geht derweil zu Maier: "Der Jürgen schießt ihn doch rein, wetten?" "Zehn Mark", antwortet Maier und Weidle schlägt ein. Kalb läuft an, schießt mit dem rechten Fuß in die linke Ecke, die Maier wie zuvor bei Grabowski auch richtig erahnt hat. Doch dieses Mal kommt der Nationaltorwart nicht an den Ball, das Leder zischt an seinen Händen vorbei, prallt gegen den Torpfosten und von da ins Netz. "Mich hat das Gerede eigentlich mehr von meiner eigenen Aufregung abgelenkt als beunruhigt", lächelt Kalb.


Kalb trifft zum 3:2

Der Münchner Torhüter aber hat sich noch längst nicht beruhigt. Er läuft hinter dem Schiedsrichter her und überreicht ihm fast an der Mittellinie den Ball. Wenige Sekunden später ist das Spiel zu Ende, Maier jedoch noch lange nicht. Er legt sich mit Eintrachts Ersatztorwart Wienhold und den zum Schutz der Spieler hinzu geeilten Polizisten an. Maier, der Publikumsliebling, wird nun von den Zuschauern, die ihn zuvor für seine Paraden mit sportlichem fairem Beifall bedacht haben, ausgepfiffen.

"Ein 2:2 hätte dem Spielverlauf eher entsprochen", findet Udo Lattek, der den Schuldigen wie erwartet bereits ausgemacht hat: "Der Schiedsrichter und nicht die Eintracht hat das Spiel entschieden. Ansonsten war es ein brillantes Spiel und außerordentlich fair trotz der großen Bedeutung." "Zum Elfmeter will ich mich nicht äußern, aber es ist für jeden Schiedsrichter schwer, eine solche Entscheidung zu treffen. Die Schuld für eine Niederlage jedoch beim Schiedsrichter zu suchen, halte ich für zu billig", entgegnet Dietrich Weise ruhig und fügt hinzu: "In der ersten Halbzeit haben beide Mannschaften enttäuscht. Dies war vor allem unsere Schuld, weil wir es nicht verstanden, die Bayern aus dem Spielrhythmus zu bringen. Erst eine energische Ansprache in der Halbzeitpause legte dann die Energien frei und bescherte den 62.000 Zuschauern in der zweiten Halbzeit doch noch fünf Tore. Mit unserer Temposteigerung in den letzten 20 Minuten haben wir bewiesen, dass wir nicht wie beim Punktspiel stehend k.o. waren. Vor einer eventuellen Verlängerung hatte ich keine Angst."

"Im Mittelfeld wurde es zu eng", bemängelt Grabowski das Spiel in der ersten Halbzeit. "Meine Spieler schauten den bayerischen Balltänzen zu respektvoll zu. Die Münchner steigerten so ihre Spiellust. In der Pause musste ich eine kleine Ansprache halten. Wir mussten die Bayern attackieren, sie stören, in Bewegung halten, den Atem rauben. Die ganze Woche über stand bei uns im Mittelpunkt: wie konnten wir Beckenbauer fesseln, beschäftigen, so gut es ging, ausschalten." Weise frohlockt über seine Umstellung zur 2. Halbzeit: "Nur so konnten wir die Bayern packen. Wir forcierten das Tempo und schnürten die Bayern ein." Grabowski schaut schon in Richtung Finale, wo der HSV auf die Eintracht wartet: "Die Hamburger könnten wir packen." "Das ist der große Erfolg dieser Saison, den wir angestrebt haben", sagt Weise.

Grabowski dankt Jürgen Kalb, der den entscheidenden Strafstoß verwandelte. "Hätte mein Elfmeter-Pech die Entscheidung zugunsten der Bayern gebracht, ich weiß nicht, wie ich das hätte verdauen sollen", sagt Grabowski. Kalb erinnert sich, dass er vor dem Schuss völlig ruhig gewesen sei und erst nachher einen schlimmen Schrecken bekommen habe, als der Ball nur ganz knapp an den Händlern Maiers' vorbei flog. Weidle amüsiert sich über die Wette mit dem Maier-Sepp. Weidle erspart es sich aber, jetzt in der Bayernkabine bei Maier wegen der gewonnenen zehn Mark anzuklopfen …

Maier behauptet derweil gegenüber der Boulevardpresse; "Der Hölzenbein hat nach jedem Umfaller zu mir gesagt: Entschuldige, Sepp, aber ich hab’s probiert und es hat geklappt." "Beide Strafstöße gegen uns waren unberechtigt. Fotografen und selbst Frankfurter Balljungen haben gesehen, dass Hansen den Hölzenbein gar nicht berührt hat. Aber vielleicht wollte der Schiedsrichter keine Verlängerung mehr", vergallopiert sich selbst der Präsident der Bayern, Wilhelm Neudecker, in seiner ersten Erregung nach dem Spiel. "Profis müssen auch mit solchen Situationen fertig werden", bleibt Rainer Zobel kühl, während später im Mannschaftshotel Hansen allein in einer Ecke sitzt, auf den Teppich stiert und nervös mit dem linken Knie wippt. Bestimmt ein Dutzend Mal hintereinander hat er zuvor den Journalisten jene strittige Situation aus seiner Sicht geschildert: "Hölzenbein kam mit dem Ball, ich griff von der Seite an und stieß den Ball mit der Fußspitze zur Ecke, weil ich fürchtete, Sepp Maier käme zu spät. Dann ließ sich Hölzenbein zu Boden fallen ... Ich habe den Ball zur Ecke geschlagen und Hölzenbein dabei gar nicht berührt, der Schiedsrichter hat mir jedoch gesagt, ich hätte den Frankfurter umgerempelt." "Hansens gestreckter Fuß galt dem Ball. Darüber stolperte Hölzenbein. Wir müssen jetzt im Training üben, wie man Elfmeter schindet, wenn mal den Hölzenbein scharf anguckt, fällt er ja um", schimpft Trainer Lattek: "Deutschland kann stolz sein auf seine Schiedsrichter. Wir haben ein Elfmeter-Finale HSV - Eintracht im DFB-Pokal. Es ist bitter und makaber für eine Mannschaft, wenn sie in der letzten Minute durch solch einen Elfmeter besiegt wird, wenn ein so wichtiges Spiel durch solche Fehlentscheidungen entschieden wird. Wir sind Profis und können solche Entscheidungen nicht hinnehmen. Aber Schiedsrichter haben offensichtlich bessere Augen als andere Menschen", ereifert sich Lattek, der jedoch auch keinen Änderungsvorschlag parat hat: "Der allgewaltige DFB wird sich aber sicher etwas einfallen lassen . . ."

"Über den ersten Elfmeter will ich nicht sprechen, der zweite jedoch war klar", lässt sich Hölzenbein nach dem Spiel in der Kabine durch das ständige Nachfragen nicht beirren. "Es ist immer schwer zu entscheiden, zu richten. Ich wollte, die Spieler machten so wenig Fehler, wie es die Schiedsrichter tun", sagt Weise vermittelnd und versetzt sich versöhnlich in die Lage der Bayern: "Die spielerische und nervliche Belastung der Münchner war groß. Dennoch - das ist schon eine Klassemannschaft. Jetzt ist die Meisterschaft wieder problematisch geworden. Im Europapokal sehe ich die reellsten Chancen der Bayern."

"Wenn wir in der Nationalelf nicht den glorreichen DFB vertreten müssten, hätte ich keine Angst", moniert Lattek und fürchtet: "Aber so kann uns am Ende vielleicht die Kraft ausgehen. Ich habe Herrn Schön um die Befreiung meiner Leute vom Spiel gegen Ungarn gebeten. Aber Herr Schön hat gesagt, das könne er nicht verantworten", klagt Lattek, dem mit Kapellmann gegen Grabowski ein kluger Schachzug gelang. Das Lob kann ihn aber nicht besänftigen: "So viel Neues konnte ich gar nicht bringen. Wir mussten mit einer angeschlagenen Truppe hier antreten. Das schwere Spiel gegen Ujpest hinterließ seine Spuren. Ich bluffe nicht, wenn ich sage: Alle Spieler waren angeschlagen. Breitner und Zobel schleppten sich über 90 Minuten. In acht Tagen müssen wir nach Stuttgart. Dazwischen holt mir der glorreiche DFB die Hälfte meiner Spieler. Und in zehn Tagen wollen wir über das ausgeruhte Ujpest ins Europapokal-Endspiel! Sind wir da nicht überfordert?"

Vier Stunden später, auf dem Rhein-Main-Flughafen, ist der Grimm immer noch nicht verraucht und Franz Beckenbauer spuckt weiter Gift und Galle. In der nächsten Ausgabe der Stadion-Zeitung "Bayern-Echo", so kündigt er an, werde er dem DFB die Meinung sagen. Form und Inhalt des Artikels habe er schon im Kopf. Er werde über die Schiedsrichter schreiben "und dabei werde ich die Wörter Diebe und Verbrecher gebrauchen, jawohl, Diebe und Verbrecher! Die Offenbacher wurden bestohlen und wir wurden bestohlen." Die Journalisten staunen, ob dieses Ausbruches. Ein Kaiser ohne Kleider könnte nicht peinlicher wirken, als dieser "Kaiser" ohne Contenance. Die Journalisten stellen dem unbeherrschten Wüterich aber dennoch die Frage, aus welchem Grund der DFB gerade seiner Parade-Mannschaft Unangenehmes zufügen sollte? "Weil sich unser Präsident nicht auf der Nase herumtanzen lässt. Weil er der einzige ist, der seine Meinung sagen kann", schnaubt Beckenbauer: "Denn unser Klub ist gut geführt und wir haben keine Schulden. Unser Präsident kann es sich erlauben, den Mund aufzumachen. Wenn beispielsweise bei Hertha BSC Berlin jemand etwas sagt, wird gleich mit Lizenzentzug gedroht."

"Der Hansen hat den Ball ganz korrekt zur Ecke gespitzelt und dann so etwas! Selbst in der C-Klasse, wo es härter zugeht und kleinlicher gepfiffen wird, hätte das niemals einen Elfmeter gegeben", tobt Beckenbauer weiter und erhebt ungeheuerliche Vorwürfe gegen seine Nationalmannschaftskameraden, mit denen er in wenigen Wochen den Weltmeistertitel nach Deutschland holen soll: "Der Grabowski und der Hölzenbein sind doch auf so etwas spezialisiert, jedes Mal fallen die Schiedsrichter auf sie herein. Ich möchte gern wissen, zu wie vielen Elfmetern die Eintracht auf diese Weise schon gekommen ist. Für mich ist klar, die Frankfurter gewinnen auch den Pokal." "Frankfurt ist wohl ein heißes Pflaster für Schiedsrichter", vermutet Paul Breitner im Sinne seines Kapitäns und Wortführers.

Im Gegensatz zu Beckenbauers geistiger Ausfällen kann Breitner zu seiner Entschuldigung immerhin auf aktuelle körperliche Gebrechen verweisen: Eine Hautallergie, hervorgerufen durch eine Salbe, führte bei Breitner zu Fieberanfällen, Durchfall, Brechreiz und Schlaflosigkeit. "Zwei Tage konnte ich kein Auge zu tun", klagt er. Breitners Oberschenkel sind um Handbreite angeschwollen, aber auch Rainer Zobel hat sich mit einem Bluterguss, der die Wade dunkelblau färbt, über die Runden gequält: "Am Spielfeldrand sagte ich zu Herrn Lattek, ich kann nicht mehr, wie lange noch? Drei, vier Minuten, antwortete er. Gut, meinte ich, das halte ich auch noch durch." Präsident Neudecker und Trainer Lattek geraten darüber kurz aneinander. "Ich habe zum Trainer gesagt, es war ein Fehler, den Zobel nicht rauszunehmen. Er konnte nicht mehr, das sah doch jeder", erklärt Neudecker. Auf Latteks Gegenargumente erwidert Neudecker: "Ich bleibe dabei, das war Ihr Fehler, Herr Lattek, da brauchen Sie gar nicht schnoddrig zu werden, sonst schick’ ich Sie heim." Nach Hause fährt auch Willi Hoffmann, der aber laut Lattek nicht wiederzukommen braucht: "Das war sein Schlusskapitel bei uns", grollt der Trainer über seinen Linksaußen, der im Training stets so groß auftrumpft, aber im Spiel erneut maßlos enttäuschte. Der endgültig in Ungnade gefallene Schwabe trägt es nach außen mit Fassung: "Hier ist nichts mehr, was mich weiter hält."

"Wir sind mit unseren Kräften doch in letzter Zeit zu sehr beansprucht worden", schätzt Neudecker die Situation am Ende realistisch ein: "Der Sieg der Frankfurter war nicht unverdient, sie hatten einfach mehr zuzusetzen. Doch man kann darüber streiten, ob es notwendig ist, in der 90. Minute einen Elfmeter zu geben. Die Situation war ja wirklich nicht torreif." Der Kapitän von Kickers Offenbach, Siegfried Held, der als Beobachter auf der Tribüne gesessen hat, meldet sich ebenfalls zu Wort: "Beide Elfer waren für mich unberechtigt. Aber über Fouls kann man ja noch streiten. Bei uns wurde in Hamburg jedoch die Linie verlegt. Nun gibt es ein Schiedsrichter-Finale Aldinger - Biwersi." Die Offenbacher haben nämlich bereits am Donnerstagabend das andere Pokalhalbfinale beim Hamburger SV verloren, weil sie zum einen keinen Ball in des Gegners Tor brachten und zum anderen Schiedsrichter Biwersi ein Foul von Libero Schmidradner an dem zu enteilen drohenden Krobbach kurzerhand von außerhalb des Strafraums in den 16er verlegte und statt eines Freistoß einen Elfmeter als Strafe verhängte. Diesen verwandelte Hönig in einem enttäuschenden Spiel sicher zum einzigen Treffer der Partie.

Als die Offenbacher Mannschaft Schiedsrichter Biwersi am Tag nach der Niederlage im Flugzeug wieder traf, bestrafte sie den Unparteiischen mit demonstrativer Verachtung. "Ich bleibe dabei, dass wir durch diesen Herrn verschaukelt wurden", bekräftigt Vizepräsident Waldemar Klein und Präsident Hans-Leo Böhm droht sogar nebulös: "Ich weiß Dinge von Herrn Biwersi, die ihn in ein eindeutiges Licht setzen würden und die dem Deutschen Fußball-Bund ungeheuer schaden würden. Vorerst will ich darüber nicht reden." Anstatt seine Andeutungen mit Tatsachen zu untermauern, spekuliert Böhm einfach munter drauflos. Er nimmt Anstoß daran, dass nicht der Schweinfurter Hans Deckert, sondern Bundesligaspielleiter Baresel vom DFB als offizieller Spielbeobachter eingesetzt wurde. Baresel, dessen Integrität und Lauterkeit außerhalb des Bieberer Bergs von keinem infrage gestellt wird, ist Hamburger. "Als Baresel dann sagte, er müsse schnell zu den Schiedsrichtern, war mir schon einiges klar", bastelt Böhm an seiner Verschwörungstheorie weiter und kündigt an: "Wir werden vor einem Gericht klagen, denn durch das entgangene Wiederholungsspiel, das mögliche Finale und den Europacup entsteht uns ein Schaden von etwa einer halben Million Mark." Den Generalsekretär des DFB, Hans Paßlack, lassen die Fehlentscheidung des Schiedsrichters und die Fehleinschätzungen der Offenbacher unbeeindruckt. "Irren ist menschlich", kommentiert er Biwersis Elfmeterpfiff und erinnert die Kickers öffentlich: "Die Vereine sind dem DFB verpflichtet, erst dort alle Instanzen auszuschöpfen." "Wir werden so sorgfältig vorgehen, dass man uns keinen Verfahrensfehler nachsagen kann", kündigt Kickers-Geschäftsführer Willy Konrad an, der ein Angebot macht, über das in München nur gelächelt wird: "Ich schlage Bayern ein Spiel der Elfmeter-Geschädigten am Abend vor dem Finale vor. Das wird sicher ein Riesengeschäft."

Das Pokalendspiel findet am 17. August in Düsseldorf statt, was Bernd Hölzenbein freut: "Prima. Hannover, das erst vorgesehen war, hätte ja doch den Hamburger SV zu sehr begünstigt." Die Hamburger haben jedoch beim DFB gegen Düsseldorf als Endspielort Protest eingelegt, weil Düsseldorf von Hamburg 410 km, von Frankfurt aber nur 240 km entfernt liegt. Immerhin: Mit dem Endspielgegner sind die Hamburger einverstanden. Vizepräsident Ritschel sieht die Chancen seines HSV deutlich verbessert: "Wir hatten mit Bayern München als Endspielgegner gerechnet. Gegen Frankfurt glauben wir, den Pokal nach Hamburg holen zu können."

Wegen des Termins in der neuen Saison spielte bei der Eintracht Lizenzspielerobmann und Vizepräsident Ernst Berger mit dem Gedanken, ein Arrangement mit Hertha BSC in der Richtung anzuvisieren, dass Kliemann am 17. August seinem alten Verein noch einmal zur Verfügung steht und erst eine Woche später beim Bundesligastart für die Berliner aufläuft. "Aber wer soll die Verantwortung übernehmen, wenn Kliemann ausgerechnet da verletzt wird?", fragt Berger jedoch zu Recht und meint: "Wir müssen in der neuen Saison doch ohne ihn auskommen, da ist es besser, wenn gleich zu Beginn die neue Truppe zusammen ist."

"Klar ist der Wechsel erst, wenn das Geld von Hertha auf dem Tisch liegt, und bis Ende dieser Woche müssen wir endgültig wissen, wie wir mit Kliemann dran sind", stellt Schatzmeister Jakobi klar, "denn nur mit der Ablösesumme für den "Langen" können wir einen neuen Mann an Land ziehen." Den hat die Eintracht in Person des jungen Schalkers Klaus Beverungen auch schon im Auge: "Mit dem Spieler sind wir uns einig, mit dem Verein hoffen wir, einig zu werden", sagt Berger. Für Parits, der in den Überlegungen von Trainer Weise keine Rolle mehr spielt und wechselwillig ist, soll Ottmar Hitzfeld kommen. Berger will in den nächsten Tagen in die Schweiz reisen, um eine vorzeitige Vertragsentlassung durch den FC Basel zu erreichen. Bislang ist der Eintracht die Ablöseforderung für Hitzfeld jedoch zu hoch.

Im Gegensatz zu Beckenbauer und seinen Bayern hat es übrigens Dr. Kunter tatsächlich mit Dieben und Verbrechern zu tun gehabt: Als er am Samstagvormittag vor dem Frankfurter Esso-Hotel in seinen Porsche steigen wollte, fehlten die Hinterräder. Die radlose Hinterachse des Sportwagens hatten die nächtlichen Besucher einfach auf zwei Steinstöße gesetzt … (rs)


Epilog

Helmer Boelsen und Bert Merz notieren im Jahrbuch des Fußballs 1973/74:

Einige Tage nach dem Halbfinalspiel Hamburger SV gegen Kickers Offenbach trafen sich etliche Beteiligte und Interessierte in der Zeppelin-Allee in Frankfurt im Hause des DFB wieder. In der gediegenen Vorhalle stand ein Fernseh-Apparat, und darin spulte ein Video-Recorder ab, was Tage vorher im Hamburger Volksparkstadion zu sehen gewesen war. Und wenn die Szene der 37. Minute herankam, dann wurde das folgsame Gerät angehalten, zurückgedreht, einmal, zweimal, dreimal. Die Offenbacher hatten dieses Gerät in die repräsentative Villa einschleusen lassen, sie waren es auch vornehmlich, die jene Szene immer wieder betrachteten. Ein anderer Mann dagegen, Kriminalbeamter Hans Biwersi aus Saarbrücken, der lief zwar auch im Vorraum umher, aber er schaute ostentativ weg und verdrückte sich in den Seitenraum. Er wollte nicht sehen, was Millionen in Zeitlupe gesehen hatten, und was nun einzelne Personen wieder sahen: seinen Fehler. Hans Biwersi war Schiedsrichter der Partie in Hamburg. Er deutete in der 37. Minute auf den Elfmeterpunkt, HSV-Kapitän Franz-Josef Honig verwandelte den Strafstoß zum 1:0, und dabei blieb es bis zur 90. Minute. Das Foul aber, das Biwersi als "elfmeterreif" beurteilte, war außerhalb des Strafraums begangen worden. Der junge Peter Krobbach war in vollem Speed mit dem Ball am Fuß auf dem Weg zum Offenbacher Tor, da kam von der Seite her Offenbachs Libero Hannes Schmidradner angebraust und bremste den Sturmlauf abrupt. Aber er stellte die Hürde seines Beines, über die Krobbach purzelte, vor der Strafraumlinie auf. Das Fernsehen bewies es, und darum waren die Offenbacher vor den Kadi gezogen, um revidieren zu lassen, was ihnen da an Leid zugefügt war. Der Kadi aber in Gestalt des DFB-Richters Kirsch aus Koblenz wollte auch nicht sehen, wie die Technik den Schiedsrichter widerlegte. Dessen "Tatsachenentscheidung" wurde als unumstößlich angesehen. Zurückzunehmen gibt es da nichts, so schmerzlich das auch für Betroffene sein mag. Aber wäre diese schlichte Rechtsprechung nicht, die auch den groben Fehler eines Schiedsrichters einkalkuliert (sofern er nicht vorsätzlich begangen wird, was zu beweisen wäre), dann gäbe es wohl Woche für Woche vor den DFB-Gerichten und denen ihrer Regional- und Landesverbände Proteste von der Art zu verhandeln, wie ihn die Offenbacher an diesem Tage vorgebracht hatten. (..)

Das andere Halbfinalspiel hätte eigentlich auch sein Nachspiel vor dem Kadi haben müssen. Aber das wäre zwei Monate vor Beginn der Weltmeisterschaft, oder aber in der Endphase der Meisterschaft oder aber in der Endphase des Europapokals der Landesmeister eine heikle Angelegenheit gewesen. Der Kadi hätte nämlich die Stützen der Bayern und damit die Stützen der nationalen Fußballvertretung bestrafen müssen. Auch hier war ein Elfmeter Ursache allen Ärgers. Aber über ihn regten sich nicht erst nach dem Spiel Trainer und Vorstand auf, sondern noch während des Spiels die Akteure. Prominente Spieler. (..) Maier versuchte auch jetzt in Gemeinschaft mit Bomber Müller, den Schützen Kalb vor dem Schuss zu verunsichern, und als das nichts nützte, trug Maier provozierend den Ball hinter Schiedsrichter Aldinger her. Franz Beckenbauer gar verstieg sich schon auf dem Weg zu den Kabinen zu schweren Beschimpfungen gegen Schiedsrichter und Funktionäre und setzte sie noch auf dem Heimflug fort. Aber in besonnener Minute und nach Gesprächen mit besonnenen Männern kam die öffentliche Entschuldigung des damals gar nicht souveränen Kaisers, und der DFB verzichtete schließlich auf eine Verfolgung der Verfehlung.

Das Telefon von Schiedsrichter Aldinger steht in der Woche nach dem Pokalspiel der Eintracht gegen Bayern München nicht still. Er und seine Frau werden täglich bis in die Nacht hinein belästigt, beschimpft und sogar mit Mord bedroht, aber Aldinger stellt sich den Fragen des Boulevards und auch denen des ZDF im Aktuellen Sportstudio:

"Da saß er nun, Bayern Münchens Buhmann erster Klasse, Heinz Aldinger, im aktuellen Sportstudio des Zweiten Deutschen Fernsehens, neben sich Moderator Dieter Kürten, vor sich einen Monitor. Millionen Zuschauer an den Schirmen konnten dem Mann nun ins Gesicht sehen, auf das von keiner Büßerasche bestreute naturondulierte Haupthaar, der also Eintracht Frankfurt im entscheidenden Fußball-Pokalspiel den Sieg gegen Bayerns Mauler-Truppe mittels Elfmeterentscheidung 30 Sekunden vor Schluss sozusagen "zugeschanzt" hatte. Und siehe da, die Technik machte es möglich, was keiner der Bayern-Kicker zunächst wahrhaben wollte: Herr Aldinger, der wackere Schwabe, hatte richtig entschieden!

Aber es war nicht nur dies, dass Aldinger richtig sah und richtig sein Urteil fällte, es war eines der besten Interviews mit einem "Schwarzkittel", jenen Herren, die angeblich so oft die Spiele verlieren. Dieter Kürten bohrte, wollte Aldinger provozieren. Doch der Waiblinger blieb in jeder Frage-Situation ein Meister seines Fachs, integer, unangreifbar, souverän. Hinter allem, was er sagte, stand auch die Persönlichkeit Aldingers, keine Floskeln, keine Phrasen, kein böses Wort gegen Bayern München, und wer hätte ihm ein solches verübeln können, nach all den teilweise unflätigen Beschimpfungen? Bayern München müsste sich eigentlich bei ihm entschuldigen, es wäre nicht mehr als recht. Nach dem Interview Beifall von den Anwesenden für Heinz Aldinger. Münchens zweiter Pokal-K.o. hatte sich soeben vollzogen!" (D.L.)

 


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