Borussia Mönchengladbach - Eintracht Frankfurt

Bundesliga 1973/1974 - 25. Spieltag

0:0

Termin: Sa 09.03.1974, 15:30 Uhr
Zuschauer: 32.000
Schiedsrichter: Schiedsrichter: Herbert Lutz (Bremen)
Tore: ./.

 

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Borussia Mönchengladbach Eintracht Frankfurt

  • Wolfgang Kleff
  • Berti Vogts
  • Hans-Jürgen Wittkamp
  • Klaus-Dieter Sieloff
  • Rainer Bonhof
  • Horst Köppel
  • Dietmar Danner
  • Jupp Heynckes
  • Ulrich Stielike
  • Herbert Wimmer
  • Christian Kulik

 


 

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Trainer
  • Hennes Weisweiler
Trainer

 

 

Toppzuschlag für Nullnummer

Der Rückstand der auf Rang drei liegenden Eintracht auf den Tabellenführer aus München beträgt vor dem heutigen Spiel drei Punkte. Da anzunehmen ist, dass die Bayern gegen den Tabellenvorletzten aus Hannover im Olympiastadion einen sicheren Sieg einfahren werden, sollte heute ein Sieg her, damit nicht noch weiter Boden im Kampf um die Meisterschaft verloren geht. Der heutige Gegner, der Tabellenzweite aus Gladbach, steht jedoch vor einer ähnlichen Herausforderung, obwohl sein Rückstand auf die Münchner nur zwei Punkte beträgt.

Gladbach fehlt heute jedoch Henning Jensen wegen einer Muskelzerrung und Bernd Rupp wegen der Folgen einer Blinddarmoperation. Außerdem konnte die Elf von Hennes Weisweiler gegen die Eintracht in den letzten acht Jahren nur zwei Heimsiege erringen, zudem gelang den "Fohlen" seit dem 13. Mai 1971 kein Punktspieltor mehr gegen die Eintracht. Dreimal gewann die Eintracht zu Hause (3:0, 3:0 und 1:0) und einmal in Gladbach mit 2:0. Andererseits erlitt die Eintracht in der Rückrunde bereits zwei Auswärtsniederlagen in Stuttgart und beim HSV und holte aus den letzten beiden Spielen nur einen Punkt. Gladbach erzielte dagegen seit dem 26. Mai 1973 in jedem Heimspiel zumindest einen Treffer. Die letzte Mannschaft gegen die das nicht gelang war – Eintracht Frankfurt. Und hier schließt sich der Kreis.

Günter Wienhold, der Torwart der Frankfurter Eintracht, hat seinen Trainer gebeten, auf ihn im Spitzenspiel in Gladbach zu verzichten. Am Montag erwartet Wienholds Frau Annelie ihr erstes Kind und dabei werden Komplikationen befürchtet. Wienhold sieht sich der Nervenbelastung wegen der Sorgen um seine Frau nicht gewachsen. "Die Ärzte sagen, dass ein Kaiserschnitt vorgenommen werden muss. Da kann ich meine Frau doch nicht allein lassen. Ich bin deshalb sehr nervös - und was ist, wenn mir deshalb gegen die Borussen ein entscheidender Fehler passiert?" Trainer Weise zeigt Verständnis und wird Ersatzkeeper Dr. Kunter aufstellen, den Wienhold erst im Laufe der Vorrunde als Nummer 1 im Tor abgelöst hat. Annelie Wienhold unterstützt die Entscheidung ihres Mannes nicht: "Sicher, Günter hat die ärztliche Auskunft sehr mitgenommen, aber ich finde es nicht gut, dass er verzichtet. Gerade jetzt, wo er sich seinen Stammplatz erspielt hat." Aber Wienhold lässt sich nicht umstimmen: "Es geht schließlich um unser erstes Kind."

Trainer Weise nimmt für die bevorstehende Auseinandersetzung an seinem Team und am System weitere Änderungen vor. Gegenüber dem letzten Heimspiel müssen Kalb und Weidle weichen, der junge Kraus und der wieder genesene Nickel rücken in die Startformation. Nickel beginnt jedoch nicht wie erwartet als Mittelstürmer, sondern im Mittelfeld, so dass die Eintracht heute mit einem 4-4-2-System anstelle des bisherigen 4-3-3 spielt. Diese Elf soll also den Bökelberg erstürmen: im Tor Dr. Kunter, in der Abwehr mit Trinklein, Kliemann sowie den beiden Außenverteidigern Müller und Reichel, im Mittelfeld mit Körbel, Grabowski, Kraus und Nickel sowie im Sturm Rohrbach und Hölzenbein. Sieht so ein geplanter Sturmlauf auf die Tabellenführung aus oder gibt Weise der Devise "Sicherheit zuerst" den Vorzug? Die Partie wird eine Antwort darauf geben.

Wolfgang Kraus gibt recht schnell die Antwort auf die Frage, ob seine Nominierung gerechtfertigt ist: Nach dem allgegenwärtigen und erneut überragenden Kapitän Grabowski ist der kleine "Scheppe" in Frankfurts Vierer-Mittelfeld der beste Mann und zusammen mit den Verteidigern Müller und Kliemann gehört er zu den überzeugendsten Frankfurtern. Das ist aber auch schon das Positivste, was man aus der ersten Halbzeit berichten kann.

Abgesehen davon, dass in Anbetracht der Tabellensituation eigentlich beide Mannschaften auf Sieg spielen sollten, wenn sie den Bayern ernsthaft den Titel streitig machen wollen, hätte man wegen des Naturells dieser beiden Teams einen offenen Schlagabtausch erwartet, doch davon kann im ersten Durchgang beim besten Willen keine Rede sein. "Ein Punkt in Mönchengladbach, das wäre wie ein Sieg für uns", hat Weise vor dem Spiel gesagt und nun wird deutlich, was er damit gemeint hat. Das ist Sicherheitsfußball pur, was die beiden Mannschaften auf dem fast ausverkauften Bökelberg vor 32.000 Zuschauern zeigen. Der beste Saisonbesuch für die Fohlenelf spornt weder den Gast noch die Gastgeber zu attraktiverem Fußball an. Da wird der Ball – zwar mit hoher technischer Perfektion – in den eigenen Reihen hin und her bewegt, aber unterhaltsam ist das für das zahlende Publikum selbst zeitweise nur bedingt und auf Dauer schon gar nicht.

Apropos zahlendes Publikum: Das durfte – um der heutigen Partie beiwohnen zu können – einen Zuschlag auf die Eintrittskarte berappen. Toppzuschlag werden findige Verkäufer diesen Aufpreis nennen, der dafür fällig wird, dass ein bestimmter Gegner antritt, der einen gewissen Ruf genießt oder einen oberen Tabellenplatz innehat. Ein Anrecht auf eine bestimmte Qualität des gebotenen Spiels erwirbt der zahlende Zaungast mit diesem Zuschlag freilich nicht. Man stelle sich vor: Das Theater am Ort kündigt für eine Vorstellung den Auftritt von Curd Jürgens an, verlangt einen Aufpreis auf die Eintrittskarte und Curd Jürgens steht am Abend mehr oder weniger unbeteiligt als Statist auf der Bühne und spricht kein Wort. Nun könnte man einwenden, dass der Auftritt von Jürgens das Theater eine zusätzliche, üppige Gage kostet, die wieder eingespielt werden muss. Eben. Aber welchen Mehraufwand haben Bundesligavereine, wenn ein als hochklassig angepriesener Gegner antritt? Wer auch immer auf diese Idee mit dem Toppzuschlag für bestimmte Bundesligaspiele gekommen ist: Er gehört als abschreckendes Beispiel für andere Geldgeier, die leidenschaftlichen Fans noch ein paar Mark mehr abknöpfen wollen, geteert und gefedert und vom Hof gejagt.


Reichel versucht, den Schuss
von Heynckes zu blocken

Verständlicherweise sind die Fans auf den Rängen alles andere als begeistert vom langweiligen Spielverlauf: In der Offensive beider Mannschaften mangelt es an Akteuren, die das Risiko nicht scheuen und die Entscheidung suchen. Dabei steht mit Josef Heynckes in den Reihen der Fohlenelf, der nach Gerd Müller zurzeit erfolgreichste Mittelstürmer der Bundesliga. 22 Treffer hat Heynckes in dieser Spielzeit bereits erzielt, doch heute will ihm kaum ein brauchbarer Schuss auf das Frankfurter Gehäuse gelingen. Schon im Ansatz scheitern die Hausherren an der Vielzahl ihrer Fehlpässe, die durch die früh und energisch störenden Frankfurter provoziert werden. Außerdem halten bei der Borussia Spieler wie Danner, Wimmer, Köppel und Kulik den Ball zu lange. Keiner ist in der Lage, mit einem langen Pass die gegnerische Abwehr aufzureißen.

Aufseiten der Eintracht ist Bernd Hölzenbein mit neun Toren der erfolgreichste Schütze, doch der ist heute bei Bonhof in guten Händen. Bernd Nickel hat es trotz seiner langen Pause auf sieben Saisontreffer gebracht, doch Dr. Hammer wird noch einige Zeit benötigen, bis er wieder zu alter Stärke zurückgefunden hat. Wie Nickel hat auch Jürgen Grabowski sieben Treffer auf seinem Konto, doch Grabowski ist der einzige Offensivspieler auf dem Platz, der sich das Attribut stürmisch verdient. Grabowski ist Dreh- und Angelpunkt seiner Mannschaft und zeigt ein fehlerloses Spiel, dem zur Perfektion nur das entscheidende Tor fehlt.


Grabowski und Danner

Der Frankfurter Kapitän ist wieder einmal durch nichts aufzuhalten, weder durch seinen Gegenspieler Danner noch durch eine Verletzung, die er zwischenzeitlich an der Seitenlinie behandeln lassen muss. Gebremst wird Grabowski letztendlich nur von Weises Defensivkonzept, das andererseits dem ohnehin schussschwachen Gladbacher Sturm nur wenige Möglichkeiten gestattet. Jensen und Rupp fehlen auf Gladbacher Seite doch sehr und können in dieser Partie nicht annähernd adäquat ersetzt werden.

Dieser Umstand kommt allerdings dem Frankfurter Schlussmann Dr. Kunter zugute, der erstmals seit dem 23. Oktober 1973 das Eintrachttor hütet. Der "fliegende Zahnarzt" bekommt nicht mehr als ein halbes Dutzend Bälle auf seinen Kasten, die ihm keine allzu großen Schwierigkeiten bereiten. Natürlich merkt man dem Torhüter nach der langen Pause eine gewisse Unsicherheit beim Fangen an und er hat auch Glück, als ihm das Leder einmal unter dem Oberkörper durchrutscht und Jürgen Wittkamp bei den beiden besten Chancen der Gladbacher jeweils auf dem falschen Fuß erwischt wird. Zudem hat Bonhof heute kein Schussglück bei seinen Freistößen.

Im Kasten der Gladbacher macht auch Wolfgang Kleff alles andere als einen beschäftigten Eindruck. Kleff erhält noch weniger ernstgemeinte Bälle auf sein Gehäuse als sein Frankfurter Gegenüber. Dennoch fürchtet Gladbachs Trainer Weisweiler selbst gegen Spielende noch die Gefährlichkeit der Frankfurter Konter. Gegen Bremen wurde Bonhof – heute bester Mann bei den Fohlen – als Brechstange erfolgreich nach vorne geschickt, heute verzichtet Weisweiler auf diese Maßnahme. Tatsächlich gelingt den Gästen um ein Haar der Führungstreffer, doch Kleff kann Nickels Geschoß noch aus dem Torwinkel holen.


Stielike scheitet an Kunter

Da beide Mannschaften das Risiko eines entscheidenden Schlages scheuen, trennt man sich nach 90 ereignisarmen Minuten leistungsgerecht mit einem torlosen Unentschieden. Auf ihre Kosten gekommen sind die toppzuschlaggeschädigten Zuschauer trotz eines etwas besseren zweiten Durchgangs sicher nicht. Die Gladbacher und die Eintracht verharren zwar auf den Plätzen 2 und 3, doch da die Bayern den erwarteten Heimsieg gegen Hannover 96 (5:1) eingefahren haben, vergrößert sich der Rückstand auf den Tabellenführer für beide Verfolger um einen Punkt. Wenn zwei Unentschieden spielen, freuen sich die Bayern ... Rainer Bonhof auf Gladbacher sowie Jürgen Grabowski auf Frankfurter Seite werden zum vierten bzw. zum sechsten Mal in die "Elf des Tages" im "Kicker" berufen. Verdientermaßen, aber über einen doppelten Punktgewinn hätten sich beide wahrscheinlich mehr gefreut. Borussias Kassierer darf sich heute als einziger wie eine Sieger fühlen: Er hat rund 250.000 DM eingenommen.

Gladbach ist nun in fünf Spielen gegen die Eintracht ohne Torerfolg geblieben. "Die Eintracht ist unser größter Angstgegner in der Bundesliga", bestätigt "Berti" Vogts denn auch. "Ohne Jensen und Rupp waren wir einfach nicht gefährlich genug. Ohne diese beiden fehlte natürlich bei uns der Druck", findet Trainer Weisweiler, "denn Jensen und Rupp hätten sicherlich das Spiel so auseinandergezogen, dass Tore gefallen wären." "Die Eintracht hat diesen einen Punkt verdient gewonnen, denn sie hat sehr clever gespielt und unser Spiel schon bei der Ballannahme kaputtgemacht", lautet die Analyse von Gladbachs Manager Helmut Grashoff: "Das hat zwar nicht schön ausgesehen, war aber sehr erfolgreich."

Am nächsten Spieltag empfängt die Frankfurter Eintracht den Tabellenführer aus München und hat die Chance den Abstand auf zwei Punkte zu verkürzen. Bei einem Sieg und einer gleichzeitigen Niederlage der Gladbacher im Rhein-Derby beim 1. FC Köln könnten die Hessen sogar wieder auf Rang zwei vorrücken.


Annelie und Sascha Wienhold

Am Dienstag nach der Partie in Gladbach kommt Sascha Wienhold zur Welt, in aller Herrgottsfrühe um 4.55 Uhr im Offenbacher Stadtkrankenhaus. "So schwer habe ich mir das Vaterwerden nicht vorgestellt", sagt der Torhüter, der DFB-Trainer Derwall gebeten hatte, auf ihn beim Amateur-Länderspiel gegen England am Mittwoch in Bielefeld zu verzichten, obwohl es dort für die Amateure um den Einzug in die Endrunde der Europameisterschaft geht. "Eine Zentnerlast ist mir von der Seele gerutscht. Meiner Frau und dem Kleinen geht es nach der schwierigen Operation gut. Annelie ist zwar noch sehr mitgenommen, aber sie ist so glücklich wie ich." Ob man Wienholds Glück mit der Freude über ein eventuelles 8:0 über Bayern München vergleichen könne, will die "Bild" allen Ernstes von Wienhold wissen. "Nein, keinesfalls", antwortet dieser wenig überraschend, "abgesehen davon, dass wir die Bayern nie so hoch schlagen können."

Am Dienstagnachmittag reist Wienhold dann der DFB-Auswahl nach Bielefeld nach. "Ich wäre Herrn Derwall nicht böse, wenn er mich als Torhüter gegen England nicht einsetzt", sagt er, "genauso wenig meinem Frankfurter Trainer Herrn Weise, wenn er am Samstag Peter Kunter im Schlagerspiel gegen die Bayern mir vorzieht. Das Baby hat mich diese Woche ja wirklich mehr beschäftigt als der Fußball." (rs)

 


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