Wuppertaler SV - Eintracht Frankfurt

Bundesliga 1973/1974 - 13. Spieltag

1:1 (1:1)

Termin: Sa 27.10.1973, 15:30 Uhr
Zuschauer: 19.000
Schiedsrichter: Elmar Schäfer (Neustadt)
Tore: 0:1 Jürgen Grabowski (8.), 1:1 Manfred Cremer (37.)

 

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Wuppertaler SV Eintracht Frankfurt

  • Manfred Müller
  • Manfred Cremer
  • Erich Miß
  • Emil Meisen
  • Manfred Reichert
  • Gustav Jung
  • Bernhard Hermes
  • Günter Pröpper
  • Jürgen Kohle
  • Willi Neuberger
  • Heinz-Dieter Lömm

 


 

Wechsel
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Trainer
  • Horst Buhtz
Trainer

 

Zu viel Respekt

Heute möchte die Macht vom Main nicht – wie in der letzten Saison - an der Wupper über dieselbe gehen. Der Wuppertaler SV gilt jedoch als heimstark und hat als Aufsteiger in der letzten Spielzeit eine sensationelle Runde hingelegt, die man als Tabellenvierter abschließen konnte. In dieser Saison sind die Ergebnisse der Wuppertaler durchwachsen, zu Hause hat man bisher jedoch nur gegen Gladbach beide Zähler abgeben müssen, Berlin, Bremen und Hamburg konnten dagegen bezwungen werden. Zudem haben die Wuppertaler am letzten Spieltag in Hannover einen Punkt entführen können.

Die Eintracht hat aus den letzen beiden Auswärtsspielen keinen Punkt holen können, die Niederlage in Bochum war dabei die erste Saisonniederlage überhaupt. Die Torflut, die in diesen beiden Auswärtsspielen über die Hessen herein gebrochen ist, erscheint auf den ersten Blick unerklärlich: 5:11 Tore ist die vernichtende Bilanz. Für die Eintracht ist der Auftritt an der Wupper bereits das vierte Spiel in 12 Tagen und Trainer Weise nimmt gegenüber der vorherigen Partie einige Veränderungen vor: Drei Spieler sind angeschlagen und können nicht spielen. Torwart Dr. Kunter fällt wegen einer Fingerverletzung aus, Nickel und Rohrbach haben Knöchelverletzungen. Im Tor steht anstelle von Dr. Kunter erstmals in dieser Saison Günter Wienhold, für Nickel und Rohrbach spielen Kalb und Parits. Die Eintracht beginnt in der Abwehr mit Vorstopper Kliemann, Libero Trinklein, den beiden Außenverteidigern Andree und Reichel, im Mittelfeld mit Hölzenbein, Körbel, Kalb und im Sturm mit Weidle, Grabowski und Parits im Zentrum.

Wieder einmal beweist der Coach der Gäste, dass er das richtige Gespür für seine Mannschaft hat: Das Frankfurter Mittelfeld dominiert Spiel und Gegner von Beginn an. Den Wuppertalern ist aber auch der Respekt vor dem scheinbar übermächtigen Gegner deutlich anzumerken, weil sie schnell begriffen haben, dass dies nicht mehr die Eintracht ist, die man in der letzten Saison im Stadion am Zoo zu Gast hatte. In den ersten Minuten spielen die Gäste vom Main ihre technische Überlegenheit voll aus und bringen die Wuppertaler Abwehr mit verwirrenden Positionswechseln aller zehn Feldspieler in einige Not.


Grabowskis Führungstreffer

Mit Jürgen Grabowski haben die Hessen zudem erneut den überragenden Akteur auf dem Platz in ihren eigenen Reihen. Eigentlich ist es schon fast überflüssig zu erwähnen, dass es natürlich der Frankfurter Kapitän ist, der seine Mannschaft gleich zu Beginn in Führung bringt. Es sind gerade einmal acht Minuten gespielt, als Grabowski einen Doppelpass mit Hölzenbein aus acht Metern Torentfernung mit hartem, aber nichtsdestoweniger gezieltem Schuss abschließt. Der Ball geht zwischen den Beinen des WSV-Keepers Manfred Müller hindurch ins Tor. Grabowski setzt so hinter den stürmischen Beginn seiner Mannschaft das erste sichtbare Ausrufezeichen. Es ist außerdem das 600. Frankfurter Bundesligator und das 400. der laufenden Saison.

Die Hausherren sind überfordert und wirken verwirrt, was dazu führt, dass sich die Wuppertaler Spieler sogar gegenseitig über den Haufen rennen. Am schlimmsten erwischt es dabei Verteidiger Cremer, der seinem Stürmer Gustl Jung bei einem Fallrückzieher im Weg steht. Cremer wird voll im Gesicht getroffen und muss blutüberströmt vom Platz, kann aber später weiter spielen.

In der Folge führt die Eintracht ihren Sturmlauf zwar fort, lässt aber in der Begeisterung über die eigene Spielstärke und Überlegenheit vor dem Tor des WSV die letzte Konzentration vermissen. Wie so oft im Fußball, wenn die überlegene Mannschaft es nicht versteht, ihre Dominanz in zählbaren Erfolgen auszudrücken, wird der Spielverlauf auf den Kopf gestellt, weil der Gegner plötzlich zuschlägt. Auch heute rächt es sich, dass die Eintracht nicht schon längst deutlicher in Führung liegt. Die Strafe naht in der 37. Minute in Person des zuvor so übel verletzten Cremer. Frankfurts Hintermannschaft wehrt einen Eckball mit dem Kopf zu schwach ab, Cremer erwischt den Ball an der Strafraumgrenze, nimmt ihn mit dem linken Fuß hoch und knallt dann mit rechts ein. "Unhaltbar", meint Frankfurts Torwart Wienhold, der zuvor durch Stellungsfehler für Unruhe gesorgt hatte: "Ich konnte den Ball überhaupt nicht sehen." Abwehrrecke Cremer, der es in der letzten Saison auf fünf Tore brachte, trifft zum Ausgleich und damit in dieser Spielzeit bereits zum vierten Mal. Kein gutes Zeichen für die Eintracht: In den bisherigen sieben Spielen, in denen Cremer sich als Torschütze feiern lassen konnte, verloren die Wuppertaler nur ein einziges Mal.

Nun zeigt sich allerdings, dass die Eintracht der Saison 73/74 eine andere, eine gefestigtere Mannschaft als in den Vorjahren ist, aber eben nicht die Elf, zu der sie einige in den letzten Wochen schon machen wollten. Eine Spitzenmannschaft sind die Männer vom Riederwald, doch ein Titelanwärter sind sie – noch – nicht. Die aufgrund der Leistungen in den letzten Wochen genährten Hoffnungen auf den ganz großen Wurf kommen einfach zu früh und schaden Weises Truppe eher, als dass sie ihr nützlich sein könnten. Die Erwartungen des Umfeldes scheinen die Mannschaft in den entscheidenden Momenten zu lähmen. Zudem sind Aufholjagden wie gegen Stuttgart und Köln zwar spektakulär, doch nicht ohne Auswirkungen - zu kräfteraubend sind solche Auftritte in einer langen Saison, als dass man sie beliebig wiederholen könnte. Darüber hinaus spielt die Eintracht in Partien wie in München oft an ihrem Limit, solche Leistungen darf man ernsthaft nicht konstant für die gesamte Saison erwarten.

Das Mittelfeld der Hessen bleibt zwar das Prunkstück des Frankfurter Spiels, doch in der Defensive hapert es. Im Verlauf der Begegnung merkt man gerade Wienhold die fehlende Spielpraxis an: In der 63. Minute lässt er bei einem Weitschuss von Neuberger das Leder zwischen den Beinen hindurch rutschen, und nur ein verzweifelter Sprung nach hinten verhindert den zweiten Wuppertaler Treffer. Libero Trinklein hat – wie schon beim Gegentor zu sehen - ebenfalls nicht seinen besten Tag erwischt. Das kann er besser, aber heute eben leider nicht zeigen. Außerdem muss die Elf vom Main im Laufe der zweiten Halbzeit auch den Belastungen der englischen Woche Tribut zollen. Die Akteure der Frankfurter lassen kräftemäßig nach und ihre Abwehr leistet sich unter Druck einige Ungenauigkeiten.

Gustav Jung wird dennoch mit Macht und Erfolg an einem Tor gehindert, wobei die Defensive der Eintracht auch zu unsauberen Mitteln greifen muss - zu groß ist der Substanzverlust bei den Gästen. Jungs Sturmkollege Pröpper – in der letzten Saison mit 21 Treffern der Torschützenkönig des WSV und in dieser Spielzeit auch schon wieder neun Mal erfolgreich – macht dagegen der Abwehrreihe der Gäste deutlich weniger Schwierigkeiten. Pröpper, dessen Spezialität Kopfbälle sind, wird das "Opfer" Uwe Kliemanns, einem wahren Turm in der Schlacht, der die fast ausschließlich hoch in den Strafraum geschlagenen Bälle fast schon magisch anzuziehen scheint.

Schiedsrichter Schäfer übersieht allerdings in der 75. Minute ein elfmeterreifes Foul an Gustl Jung, versagt aber auch der Eintracht einen möglichen Strafstoß. Mehr Kampf, mehr Hektik auf beiden Seiten — immer mehr Druck auf das Eintracht-Tor kennzeichnet die zweite Halbzeit. Der WSV geht zu einem regelrechten Powerplay über, wobei ihm allerdings die Konditionsmängel der Frankfurter zustatten kommen. Der Eintracht merkt man das schwere Dienstagspiel gegen Offenbach deutlich an. Den Hessen fehlt in dieser Phase neben Grabowski und Hölzenbein zudem ein dritter schneller Angreifer, um sich aus der Umklammerung der Gastgeber befreien zu können. Der schnelle Rohrbach ist von Weidle diesmal nicht gleichwertig zu ersetzen und Parits ist im Sturmzentrum zwar bemüht, wartet jedoch weiter vergeblich auf seinen ersten Saisontreffer.


Körbel gegen Meiser

Wuppertals Neuzugang Willi Neuberger ist unterdessen dabei, seinen großen Kredit bei den eigenen Anhängern zu verspielen. Zu oft wechseln sich beim ehemaligen Nationalspieler, der von der Bremer "Millionenelf" und der Weser an die Wupper kam, gute Aktionen mit zu langen und deshalb nicht zu übersehenden Kunstpausen ab. Es ist jedoch nicht Neuberger anzulasten, dass das Frankfurter Mittelfeld dem der Hausherren so deutlich überlegen ist. Bei Wuppertal ist einfach niemand in der Lage, den verletzten Stücke adäquat zu ersetzen. So bleiben die Angriffe des WSV trotz einer Bilanz von 20 Eckbällen ohne die letzte Konsequenz und das Spiel ohne weiteren Treffer und Sieger.

Die Hessen spielen damit zum dritten Mal in dieser Saison auswärts 1:1 und können mit Fug und Recht behaupten: Im Westen nichts Neues. Alle 1:1-Unentschieden holte die Eintracht nämlich im Westen der Republik – in Köln, in Bochum und nun in Wuppertal. Das am Ende leistungsgerechte Unentschieden hat in der Tabelle für beide Mannschaften keine Auswirkungen: Frankfurt bleibt 2. und der WSV auf Platz 11. Am nächsten Spieltag empfängt die Eintracht den FC Schalke 04, der in Frankfurt noch nie gewinnen konnte.

"Wir hatten anfangs zu viel Respekt vor der Eintracht", begründet Wuppertals Trainer Buhtz die Punkteteilung: "In der ersten halben Stunde hat mir meine Mannschaft überhaupt nicht gefallen." Trainer Weise ist dagegen sichtlich zufrieden: "Vielleicht haben wir sogar zu vorsichtig gespielt, aber wir wollten einen Punkt und den haben wir erreicht."

Vor den Tribünenausgang wartet unterdessen eine aufgebrachte Menschenmenge auf den Schiedsrichter. Glücklicherweise warten die Herren vergeblich, denn der Unparteiische wurde bereits unter Polizeischutz aus einem Geheimausgang des Wuppertaler Stadions geschleust. Schiedsrichter Schäfers schwache Leistung rechtfertigt die Rachegelüste der Zuschauer nicht. Einen Referee, der durch seine Fehlentscheidungen beide Mannschaften in Rage versetzt, beiden Mannschaften einen Elfmeter versagt und als Krönung noch einen Sanitäter (sic) des Feldes verweist, erlebt man andererseits auch nicht alle Tage. (rs)


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