1. FC Nürnberg - Eintracht Frankfurt

Bundesliga 1967/1968 - 21. Spieltag

0:2 (0:1)

Termin: Sa 03.02.1968, 15:30 Uhr
Zuschauer: 30.000
Schiedsrichter: Ewald Regely (Berlin)
Tore: 0:1 Wolfgang Solz (22.), 0:2 Wilhelm Huberts (57.)

 


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1. FC Nürnberg Eintracht Frankfurt

  • Roland Wabra
  • Horst Leupold
  • Fritz Popp
  • Ludwig Müller
  • Ferdinand Wenauer
  • Karl-Heinz Ferschl
  • Zvezdan Cebinac
  • Heinz Strehl
  • Franz Brungs
  • August Starek
  • Georg Volkert

 


 

Wechsel
  • Heinz Müller für Zvezdan Cebinac (57.)
Wechsel
Trainer
  • Max Merkel
Trainer

 

 

Verdienter Lohn

Die Zeiten im Fußball ändern sich schnell, wie ein Blick auf die jüngere Vergangenheit der beiden Kontrahenten von heute zeigt. Vor Jahresfrist stand der Club Anfang Februar noch auf dem letzten Platz, die Eintracht punktgleich mit Braunschweig an der Tabellenspitze. Aktuell jedoch führen die Nürnberger mit sechs Punkten Vorsprung auf den Zweiten Borussia Mönchengladbach die Tabelle überlegen an und haben in dieser Saison bislang acht ihrer neun Heimspiele gewonnen (nur gegen 1860 gab es ein Unentschieden). Die Frankfurter dagegen liegen mit ihrem 15. Platz in bedrohlicher Nähe der Abstiegsränge.

Zu allem Überfluss bleibt auch die personelle Lage der Eintracht angespannt. Kunter, Keifler und Lutz fehlen weiterhin, zudem fahren die Riederwälder ohne den grippekranken Grabowski zum Tabellenführer 1. FC Nürnberg. Ersetzen soll ihn Bronnert, der es bislang lediglich auf drei Ligaeinsätze als Ein- beziehungsweise Auswechselspieler in dieser Saison gebracht hat. Hierzu schreibt Ludwig Dotzert in der Frankfurter Rundschau:

"Mit dem erkrankten Jürgen Grabowski fällt bei der Frankfurter Eintracht einer jener Spieler aus, die nicht zu ersetzen sind. Von den Behelfslösungen, die sich anbieten, wählten die Verantwortlichen Bronnert. Das ist ein überraschender Rückgriff in Zeiten, die bereits vergangen schienen. Aber Bronnert schoß im Freundschaftsspiel gegen den FSV Frankfurt zwei von drei Toren. Dieser Erfolg muß beeindruckt haben. Für Bronnert spricht des weiteren, daß an seinen glücklichen Tagen bisweilen sogar aus eigenen Fehlern noch Treffer herausspringen. Sein Erfolgsgeheimnis besteht in hohem Grade darin, daß er selbst nicht genau weiß, wo der Ball, den er erwischt, einschlägt, und da er es selbst nicht genau weiß, weiß es der Gegner erst recht nicht. Im Kreise der hochgezüchteten Eintracht-Techniker sorgt er für einen Stich ins Irrationale. Die Frankfurter, deren Angriffe manchmal zu akademisch wirken, können diesen Schuß Abenteurerblut durchaus vertragen.

Ob er gerade für das Spiel in Nürnberg gut ist, steht freilich auf einem anderen Blatt. Die Tore Bronnerts fallen meistens dann, wenn viele Frankfurter in des Gegners Strafraum eindringen. Er ist der Meister der unübersichtlichen Situationen. Wenn der Fall übersichtlich wird, wenn es ans Fußballspielen geht, wenn lange Strecken zu überwinden sind, dann hat Bronnert seine liebe Not. Allein in der Hälfte des Gegners — das hält er auf die Dauer nicht aus.

Bronnert? Warum nicht. Bronnert in Nürnberg? Dazu muß man Mut haben."

Der Club kann dagegen in Bestbesetzung antreten. Von den nominierten elf Spielern lehnt sich Außenstürmer Zvezdan Cebinac, der in den letzten Wochen deutliche Kritik seines Trainers Max Merkel einstecken musste, weit aus dem Fenster und verspricht, gegen die Eintracht sein "bestes Spiel im Clubdress" zu liefern.

Rund 30.000 Zuschauer haben ihre Plätze im Stadion am Dutzendteich eingenommen, als Schiedsrichter Ewald Regely aus Berlin die Partie anpfeift. Reichlich Aufmerksamkeit erregt schon in der Anfangsphase das Duell der Österreicher im Mittelfeld: Huberts, bei der Eintracht für den Spielaufbau zuständig, trifft dort auf seinen Landsmann Starek, der diese Rolle beim Club einnimmt und zumindest anfangs einen kleinen Punktvorsprung vor seinem Widerpart herausarbeitet. Doch die Pässe von Starek in die Offensive verpuffen meist - die Nürnberger Stürmer sind bei der Frankfurter Verteidigung in besten Händen und de facto zur Wirkungslosigkeit verdammt. Dennoch kommt der Club zur ersten Chance des Spiels. Doch der Schuss von Strehl in der 7. Minute nach einem Zuspiel von Leupold wird sichere Beute des Frankfurter Keepers Tilkowski.

Effizienter als die Gastgeber agieren die Frankfurter. In der 16. Minute hat Bronnert das 1:0 auf dem Fuß, als er sich gegen Ludwig Müller und Wenauer durchsetzt. Der Nürnberger Hüter Wabra kommt aus dem Tor, Bronnert geht auch an ihm vorbei und hat das leere Tor vor sich, schießt jedoch so schwach, dass der nachsetzende Wenauer noch vor der Linie klären kann.

In der vorderen Linie der Riederwälder zeigen sich Solz und Bechtold äußerst aktiv und stellen ihre Bewacher Leupold und Ferschl vor massive Probleme. Dies bindet die beiden anderen Abwehrspieler des Clubs. Der unermüdliche Kämpfer Ludwig Müller, der es eigentlich mit Bronnert zu tun hat, und Wenauer, Gegenspieler des zurückhängenden Lotz, müssen so häufig aushelfen, dass sie dem flügellahmen Angriffsspiel ihres Vereins keine neuen Impulse geben können.


Ludwig Müller kann Solz nicht stoppen

Im Gegensatz dazu haben die Frankfurter Abwehrspieler nicht nur ihre Gegner im Griff, sondern beweisen mit langen, sicheren Pässen aus der eigenen Hälfte auf die Flügel ein ums andere Mal ihre technischen und taktischen Fähigkeiten. Diesem weiträumigen und intelligenten Einsatz der Flügel verdankt die Eintracht auch den Führungstreffer, als Bechtold in der 22. Minute den Ball fast von der rechten Außenlinie nach innen zu Wolfgang Solz schlägt. Der 'Brasilianer' im Adlerdress täuscht Leupold und schießt volley so wuchtig zum 1:0 ein, dass dabei sein Schuh aufplatzt und dem Ball hinterher fliegt. Es ist der vierte Treffer von Solz und insgesamt der 600. in dieser Bundesligasaison.

Die Bemühungen des Clubs um den Ausgleich verpuffen ergebnislos. Zwar gewinnen die Nürnberger Spieler ein optisches Übergewicht, Frankfurt Abwehr ist jedoch in bestechender Form. Halbe Chancen ergeben sich allenfalls aus einer Flanke von Starek, die Tilkowski zur Ecke faustet, und einem Anspiel auf Cebinac, der den Ball aber vertändelt. So geht es mit der Gästeführung in die Pause.

Auch die zweite Hälfte sieht eine spielbestimmende Eintracht. Im Mittelfeld verschieben sich nun die Kräfteverhältnisse. Starek baut mehr und mehr kräftemäßig ab, in gleichem Maße wird Huberts stärker. Und als sich Solz in der 57. Minute auf dem Flügel durchsetzt, und fast von der Außenlinie flankt, kommen Strehl und Popp zu spät. Dafür ist Huberts in die Lücke gesprintet und erzielt das 2:0 für die Eintracht.


Huberts mit dem zweiten Treffer
für die Eintracht

Direkt nach diesem zweiten Treffer für die Gäste hat Merkel genug von seinem Rechtsaußen gesehen und straft den leicht angeschlagenen Cebinac für seine großen Worte vor dem Spiel mit der Auswechslung gegen Heinz Müller ab. Doch auch Müller geht es in der restlichen Spielzeit nicht besser als seinem Vorgänger, den Schämer fast komplett aus dem Spiel genommen hatte. Überhaupt hat die Eintracht-Abwehr mit Jusufi, Lindner, Blusch und Schämer wenig Probleme mit dem hochgelobten Club-Sturm. Wie Cebinac und Müller scheitern auch Strehl, Brungs und Volkert immer wieder an der gut gestaffelten Barriere vor dem Tor Tilkowskis. Kommt dennoch mal ein Ball auf den Frankfurter Kasten, wird er sichere Beute des Schlussmanns.

Ihren Unmut äußern Teile der Nürnberger Anhänger nun auf unbotmäßige Weise. Es fliegen zahlreiche Feuerwerkskörper in die Zuschauer und auf das Spielfeld, zudem wird mit Leuchtmunition geschossen. Mit dem Feuer auf den Tribünen entfacht sich auch die Glut bei der temperamentvolleren Fraktion der Nürnberger Elf. Auf dem Feld den Frankfurtern unterlegen, versuchen insbesondere Ludwig Müller, Starek und Volkert nun, spielerische Defizite mit körperlichem Einsatz zu überdecken. Im Kampf Mann gegen Mann kommt es zu vielen kleinen und auch größeren Fouls, die allerdings vom nachsichtigen Schiedsrichter nur selten geahndet werden. Aufmerksam ist der Mann in Schwarz dagegen in der 72. Minute, als er ein Tor von Ludwig Müller aufgrund eines vorangegangenen Fouls von Brungs an Tilkowski die Anerkennung verweigert.

Der bisherige Spielverlauf hat das Selbstbewusstsein der Eintrachtspieler allerdings so gestärkt, dass sie sich durch die Provokationen und Tritte ihrer Gegner nicht aus dem Konzept bringen lassen. So kommt der Eintrachtsieg beim Tabellenführer, der letztlich keine Überraschung, sondern die zwangsläufige Folge der spielerischen und taktischen Überlegenheit der Riederwälder ist, nicht in Gefahr. Auch können es die Adlerträger recht gelassen hinnehmen, dass Bronnert in der Schlussminute erneut eine "Hundertprozentige" auf dem Schussstiefel hat, aber überhastet erneut das von Wabra verlassene Gehäuse nicht trifft.

Für seine Verhältnisse recht souverän nimmt Nürnbergs Trainer Merkel die Niederlage auf: "Ja, es läuft nicht mehr. Da sind wir wieder soweit, wie vor einem Jahr. Es wird zu wenig aus der Bewegung heraus gespielt, die Pässe kommen zu langsam. Die Frankfurter haben verdient gewonnen. Das Resultat geht in Ordnung. Der Grundstein zu Frankfurts Sieg war Leupolds Fehler beim 0:1. Beide Tore fielen durch Unaufmerksamkeiten. Nur drei gute Leute habe ich bei uns gesehen: Wenauer, Ludwig Müller und Starek. Die anderen waren mehr oder minder weggetreten. Im Moment haben wir zu viele schwache Punkte. Wir bräuchten acht Ludwig Müller."

Naturgemäß zufrieden gibt sich Elek Schwartz: "Eine sehr schöne Leistung unserer Mannschaft. Aber es war insgesamt ein hartes Spiel, ein harter Kampf, fast Pokalstimmung. Konditionell haben wir gut ausgehalten. Die Nürnberger haben gut begonnen, aber dann wurden sie immer nervöser. Die Mannschaft hat sich glänzend geschlagen, wir hätten 3:0 gewinnen können, ja 4:0."

Weniger gelassen als Merkel sehen es rund 200 Nürnberger Fans, die Schiedsrichter Regely die Schuld an der Niederlage zuschreiben und ihn abpassen wollen. Letztlich unbemerkt und unbeschadet kann der Mann in Schwarz das Stadion durch einen rückwärtigen Ausgang verlassen.


Nachtrag: Der Grantler wird abgestraft

Club-Trainer Max Merkel hat nach der Partie gegen die Eintracht seinen nächsten Auftritt nicht in einem Stadion, sondern vor dem DFB-Sportgericht. Ihm wird zur Last gelegt, sich unsportlich benommen, Gegner geschmäht und Aufsichtspersonen Prügel angedroht zu haben. Vornehmlich beim Auswärtsspiel in Köln soll Merkel aus der Rolle gefallen sein, seinen FC-Trainerkollegen Multhaup beleidigt und angedroht haben, ihm und seiner Mannschaft in Nürnberg beim Rückspiel die Knochen zusammenzuschlagen. Nach mehr als sechsstündiger Verhandlung wird Max Merkel mit einer Geldstrafe in Höhe von 12.500 Mark belegt, der Anklagevertreter hatte eine Strafe in Höhe von 24.000 Mark gefordert. Von einem Lizenzentzug sah das Sportgericht ab. Ob Merkel Berufung einlegen wird, steht noch nicht fest. (fgo/rs)


 

 


 

 

 

(... aus dem Boulevard)

 

Pst - wenn Vater schlecht war


Christa Huberts mit ihrem
sechsjährigen Sohn Gert

Nicht nur der Charme ist österreichisch, auch ihre Aussprache. Sie erinnert ein wenig an Max Merkels Tonfall. Und Max Merkel hat in Frau Christa Huberts, der Frau des Frankfurter Mittelfeldspielers Willy Huberts, eine Verehrerin: „Nicht, weil er ein Landsmann von uns ist, nein, nein. Das ist doch ganz unwahrscheinlich, wie sich die Nürnberger unter seiner Führung gemausert haben.“ Die Bewunderung der Steiermärkerin für den Wiener geht natürlich nicht zu weit: „Ich glaube, dass die Eintracht heute in Nürnberg unentschieden spielt.“ Christa gesteht, dass sie früher nichts vom Fußball wusste: „Damals las ich die Zeltung nur von vorn bis zur Mitte, und als ich jemand mit Namen Willy Huberts kennenlernte, hatte ich keine Ahnung, dass sein Name als Spieler des Grazer AK mindestens jeden Montag In der Zeitung stand.“ Damals träumte sie vom eigenen Schuhsalon, in dem sie feine Damenschuhe mit ganz hohen Absätzen verkaufen konnte. Jetzt als Frau Huberts verkauft sie Schuhe — aber solche mit Stollen und Spikes. Und sie schlägt in der Zeitung zuerst den Sportteil auf. Als Frau Huberts muss sie sich auch mit den Kunden über Fußball unterhalten, Lob und Tadel für ihren Mann und seine Mannschaft hinnehmen. Als Frau Huberts hat sie gelernt, mit Bandagen und Moorbädern umzugehen, und weiß immer ganz genau, ob ihr Mann gut oder schlecht gespielt hat. „Wenn er schlecht war, ist er ganz ruhig, und wir müssen zu Hause auch ganz ruhig sein. Aber diesmal wird's kein stilles Wochenende, diesmal spielt die Eintracht bestimmt gut.“

 

 

 

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