Eintracht Frankfurt - VfB Stuttgart |
Süddeutscher Pokal 1958/59 - Halbfinale, Wiederholungsspiel
5:0 (3:0)
Termin: 16.08.1959
Zuschauer: 28.000
Schiedsrichter: Hubbuch (Bruchsal)
Tore: 1:0 Erwin Stein (15.), 2:0 Erich Bäumler (38.), 3:0 Erwin Stein (41.), 4:0 Alfred Pfaff (56.), 5:0 Erwin Stein (81.)
Eintracht Frankfurt | VfB Stuttgart |
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Trainer | Trainer
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Rote Teufel vom Riederwald zauberten Eintrachtspiele ohne Schwere Eintracht Frankfurt — VfB Stuttgart 5:0 (3:0) Meister werden ist schwer, Meister sein noch schwerer, heißt es, wenn Sportler nach strahlenden Triumph in das obligatorische Leistungstal geraten. Die Frankfurter Eintracht beweist zur Zeit das Gegenteil. Sie spielt ihre Meisterrolle mit der Grandezza von Athleten herunter, denen sämtliche Herrlichkeiten der Welt schon an der Wiege prophezeit wurden. Der Titel ist für sie keine Bürde, sondern ein Treibsatz mehr. Seit die Silberschale im Schrank steht, haben die Riederwälder offenbar den letzten Rest an Schwere verloren. Ihre Angriffsweise ist in höchstem Maße ästhetisch und in höchstem Maße wirksam. Damit verband sie zwei Dinge, die sich bisher zu widersprechen schienen. Um es schlicht und einfach auszudrücken: die Riederwälder spielen nicht nur schön, sondern auch gut. Sie erfüllten damit genau die Vorstellung, die Sepp Herberger vom modernen Fußball hat. Der Sepp, der an Ort und Stelle seine Studien machte, schien erstmals nicht hintergründig, sondern verklärt zu lächeln. Für die Gäste aus Stuttgart mit ihren fünf Nationalspielern blieb bereits nach zwanzig Minuten nichts anderes übrig, als sich in der hohen Kunst des Verllerens zu üben. Einiges haben sie sich selbst zuzuschreiben. Es war eine perfekte Kateridee, den überkandidelten Waldner zum rechten Läufer und damit zum direkten Gegner des Alfred Pfaff zu machen Es war im höchsten Grade fahrlässig, den Deckungsspielern nicht rücksichtslose Mann-Deckung einzuschärfen, Es war nahezu einfältig, den ganzen Spielplan für Frankfurt auf die Offensive zu stellen. Es war manches faul am VfB, der sich durch sein 2:2 im ersten Spiel offenbar zu Illusionen verführen ließ, die in völliger Verkennung der Tatsachen wurzelten. Aber das war nicht das Entscheidende. Das Entscheidende war die Kunst der Eintracht, das ganze gegnerische Abwehrsystem mit einem einzigen Steilpaß in zwei ohnmächtige Teile zu zerlegen. Die Stuttgarter Deckung wurde nicht niedergekämpft, sie wurde auch nicht niedergespielt, sie wurde tranchiert wie eine Martinsgans, tranchiert mit hundert messerscharfen Steilpässen. Nicht, daß die einzelnen Abwehrspieler an sich versagt hätten, aber daß bei den Angriffsspielern der Eintracht die chancenbringende Vorlage schon dann kam, wenn andere Stürmer noch dreimal in die Quere spielen, das wollte ihnen einfach nicht in den Kopf hinein. Die Eintrachtstürmer müssen den Stuttgartern vorgekommen sein wie Falschspieler. Wenn die Freunde des deutschen Meisters dennoch mit einem Schimmer der Wehmut nach Hause wanderten, dann deshalb, weil Alfred Pfaff nicht ewig spielen kann. Der Alfred, wie er sich an diesem Tage vorstellte, ist vielleicht — mehr noch: ist höchstwahrscheinlich unersetzbar. Er tänzelte, ohne zu tändeln. Er glänzte und ließ glänzen. Er riß Witze und riß Löcher. Er war der Inbegriff der Riederwälder. Und es scheint, als habe er den Erwin Stein aus Griesheim sofort in sein Herz geschlossen. Ihn, den Neuen, bedachte Alfred Pfaff am großzügigsten mit seinen schußfertigen Vorlagen. Ihn hat er gar zu gern, ihn kann er leiden. Warum, ist klar. Der Griesheimer schoß drei Tore, eines davon effektvoller als das andere. Außerdem brachte er ein anscheinend angeborenes Gespür für die Absichten des Alfred mit. Pfaff brauchte seinen Scharfschützen nie vergebens zu suchen. Daß Stein darüber hinaus seine Tore schon ganz allein schießen kann, bewies der Griesheimer, als er Stuttgarts Stopper Hoffmann in rasendem Lauf durch Körpertäuschung aus dem Weg räumte und aus achtzehn Metern effektvoll in die Ecke traf. Er kann überhaupt eine ganze Menge. Er hob den Ball zur Mitte, den Bäumler zum zweiten Eintracht-Treffer einschoß und er zauderte nicht, als ihm — nach Steilpaß von Lindner — Sawitzki entgegenraste. Das war der dritte Eintracht-Treffer. Die Riederwälder scheinen ihren neuen Feigenspan schon gefunden zu. haben. Stein durfte auch schon den Elfmeter schießen, als Pfaff auf dem Wege an Sawitzki vorbei ins Tor niedergerempelt ins Gras sank. Er schoß ihn flach, hart und präzis wie alles, was er schießt. Dafür bugsierte Pfatt eine Freistoß durch die Mauer und am konsternierten Sawitzki vorbei in den Kasten. Freistöße schießt der Chef vorläufig noch selbst. Auf Stein waren auch die Bemühungen Lindners abgezielt, der in der rechten Verbindung endlich wieder Endspielform erreichte. Das Ganze, einschließlich der Deckungsarbeit, hatte so viel Schliff, daß die kleinen Ungehobeltheiten des Richard Kreß wieder stärker zum Vorschein kamen. Vielleicht jedoch handelte es sich nur um eine optische Täuschung. Weilbächer war der größte Außenläufer, wenn das Spiel auf die Eintracht zurollte, Stinka der größte, wenn es gegen Stuttgart rollte. Die übrige Abwehr einschließlich Eigenbrodt kannte keine Schwankungen. So hatten die Stuttgarter noch nicht einmal Gelegenheit, schön zu sein, geschweige denn gut. Sie kombinierten schon bald nicht mehr, um Tore zu erzielen, sondern um die Zeit totzuschlagen. Sie trafen zweimal das Gehölz (Geiger und Weise) und erhielten, nach einem Foul Weilbächers, einen Elfmeter zugesprochen, den Traumulus Waldner verpatzte. Auch er traf nur den Pfosten. An Loy selbst oder gar an die Löcher, die selbst der beste Tormann lassen muß, kamen sie kaum jemals heran. Ludwig Dotzert (aus 'Der neue Sport' vom 17.08.1959)
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