VfB Stuttgart - Eintracht Frankfurt

Süddeutscher Pokal 1958/59 - Halbfinale

2:2 n.V. (2:2, 2:0)

Termin: 01.08.1959
Zuschauer: 30.000
Schiedsrichter: Handwerker (Ketsch)
Tore: 1:0 Weise (30.), 2:0 Blessing (43.), 2:1 Erwin Stein (77.), 2:2 Richard Kreß (85.)

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VfB Stuttgart Eintracht Frankfurt

  • Sawitzki
  • Eisele
  • Seibold
  • Hartl
  • Hoffmann
  • Blessing
  • Tagliaferri
  • Waldner
  • Weise
  • Strohmaier
  • Praxl

 


 

Trainer
  • Sepp Wurzer
Trainer

 

Eintracht — Mannschaft ohne Beispiel

Ludwig Dotzert berichtet vom packenden Pokalspiel in Stuttgart

VfB Stuttgart — Eintracht Frankfurt n. Verl. 2:2 (2:2, 2:0)

Vor dieser Eintracht versagt jede Vernunft, jede Faustregel und jede Erfahrung. Sie fuhr nach Stuttgart zum Pokalspiel mit einem Rekord auf der Liste, der in der Geschichte des deutschen Fußballs nur einmal, durch den Nürnberger Club des Jahres 1919, übertroffen ist. Sie überstand 36 Spiele, einschließlich der Endrunde um die Deutsche Meisterschaft, ungeschlagen. Sie wurde Deutscher Meister, ist strapaziert wie keine andere Mannschaft der Bundesrepublik, bürdet sich mit jedem Sieg in einem Pokalspiel nur neue Strapazen auf, verlor mit dem Ungarn Sztani und dem Endrunden-Schützenkönig Feigenspan zwei Spieler, mit denen noch vor wenigen Wochen viele Leute das ganze Eintracht-Mirakel zu erklären versuchten, und kennt keine Krise.

Dreizehn Minuten vor Schluß lag diese Mannschaft in Stuttgart noch 0:2 zurück, trotz heißen Bemühens, trotz — alles in allem — unverkennbarer Ueberlegenheit. Sie hatte getan, was die ungeschriebenen sportlichen Gesetze verlangten. Sie hatte auf Sieg gespielt, obwohl der Sieg die Hatz nur noch vergrößert, die den Gehetzten bevorsteht. Was hinderte sie nun, eine knappe Viertelstunde vor Schluß, daran, sich zu strecken? Sie wissen es wahrscheinlich selbst nicht. Sie tun einfach, was sie nicht lassen können. Sie kämpfen mit dem Ehrgeiz blütenweißer Amateure und zugleich mit der Cleverneß ausgekochter Profis.

Wie Süchtige warfen sie sich in einem packenden Endspurt noch einmal nach vorn, jagten den Stuttgartern innerhalb acht Minuten den Vorsprung ab und stürzten sich frohlockend in die halbstündige Verlängerung, in der sie von Minute zu Minute stärker wurden. Zwölf Stunden später kletterten sie am Flughafen Rhein-Main in den Moskau-Clipper, der sie neuen Strapazen entgegenträgt. Bis zur deutschen Meisterschaft war die Eintracht eine frappierende Mannschaft. Jetzt ist sie drauf und dran, eine Mannschaft ohne Beispiel zu werden.

Das muß gesagt werden, um die ganze Leistung der Riederwälder in Stuttgart begreiflich zu machen. Für sich betrachtet war diese Leistung gut bis sehr gut. In diesem Stadium war sie nahezu unbegreiflich. Wahrend die ausgeruhten Stuttgarter an ihren Reserven zerrten, der brave Debütant Erwin Stein, angeschlagen dazu, dem physischen Nullpunkt entgegentrieb, ein Stuttgarter Zuschauer allein vom Zusehen umfiel und mit der Bahre weggetragen wurde, blühte die Hauptmacht der Eintracht noch einmal auf in ihrer ganzen Kraft und Herrlichkeit.

Was die beiden Langstrecken-Fußballer Kreß und Weilbächer, die sich fürwahr auch vorher nicht geschont hatten, über den Normal-Fußballer erhebt, kam erst jetzt in seiner umwerfenden Wirkung so richtig zum Vorschein. Wenn Kreß und Weilbächer jetzt eingriffen, dann konnten die Stuttgarter zu dritt gegen sie aufstehen und waren noch immer im Nachteil. Sawitzki und der Umstand, daß die Riederwälder zur Zeit noch ohne Reserve-Feigenspan sind, ersparten dem VfB die Niederlage.

Was die Eintracht von Stuttgart von der Eintracht der Endrunde trennte, war im wesentlichen die Fähigkeit, ihre Vorteile in Spielauffassung, Tempo und Zielstrebigkeit zum gegebenen Zeitpunkt in eine entsprechende Anzahl von Treffern umzusetzen. Diese Fähigkeit kann sich erst wieder einstellen, wenn Erwin Stein die rechte Façon hat. Erwin schmetterte zunächst jeden Ball in Richtung Tor, den er erwischen konnte. Aber sein Mut verzischte schneller als gedacht. Schmerzhatte Muskelkrämpfe und rauhe gegnerische Attacken gaben ihm den Best. Er hat der Eintracht nicht viel genutzt in seinem ersten Spiel; aber er hat gespürt, was von einem Vertragsspieler verlangt wird. Je früher, je besser. Immerhin war er zur Stelle, als Sawitzki einen Stinka-Schuß zu kurz abwehrte und schoß den Anschlußtreffer.

Die übrige Eintracht blieb intakt. Gewiß, Meiers veritable Schrägschüsse lagen fast ausnahmslos ein bis zwei Meter zu schief und Lindner ließ nach der Pause etwas nach; aber mit einem Eigenbrodt, der von Woche zu Woche stärker wird, und einem gezügelten Lutz im Abwehrzentrum streift die Abwehr das Niveau der Horvath-Aera. Egon Loy übertraf Nationaltormann Sawitzki, womit beileibe nichts gegen Sawitzki gesagt sein soll, Stinka nährte die Hoffnung seiner Freunde, daß er eines Tages ganz groß herauskommt. Weilbächer blieb trotz aller Aufpasserarbeit aggressiv. Und dennoch, trotz ihres gelungenen Startes, trotz ihrer Zähigkeit, ihres Aufbäumens und ihrer Ueberlegenheit, wären die Riederwälder nun aus dem Pokal, wenn Trainer Oßwald seinen bravourösesten Streiter, den ewigen Hitzeblitz Richard Kreß, in der Stunde der Not nicht in die Sturmmitte geschickt hätte. Wenn Kreß antrat, stob die VfB-Abwehr auseinander. Er war es auch, der plötzlich durch das Gestrüpp stiebelte und den Ausgleichstreffer ins Netz rammte. (aus 'Der neue Sport' vom 03.08.1959)


Wiederholung am 16. August Eintracht Frankfurt und VfB Stuttgart tragen das Wiederholungsspiel der Vorschlußrunde zum DFB-Fokal auf süddeutscher Ebene am 16. August in Frankfurt aus. Das Endspiel hat der VfR Mannheim bereits erreicht.

 

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