1. FC Köln - Eintracht Frankfurt

Endrunde um die Deutschen Meisterschaft 1958/59 - 4. Spieltag - Gruppe 1

2:4 (1:2)

Termin: 07.06.1959
Zuschauer: 35.000
Schiedsrichter: Dusch (Kaiserslautern)
Tore: 0:1 Dieter Lindner (3.), 1:1 Helmut Fendel (19.), 1:2 Richard Kreß (27.), 1:3 Eckehard Feigenspan (64.), 2:3 Josef Röhrig (72.), 2:4 Erich Meier (75.)

>> Spielbericht <<

1. FC Köln Eintracht Frankfurt

  • Fritz Ewert
  • Herbert Dörner
  • Karl-Heinz Schnellinger
  • Leo Wilden
  • Fritz Breuer
  • Günther Mühlenbock
  • Dieter Jost
  • Josef Röhrig
  • Gero Bisanz
  • Hans Schäfer
  • Helmut Fendel

Trainer Trainer

 

Die Eintracht-Maschinerie hatte ihre Mucken

Höfer gebührte die Krone

1. FC Köln — Eintracht Frankfurt 2:4 (1:2)

Es kam genau umgekehrt wie erwartet. Pfaffs Ausfall wurde von den Riederwäldern schneller verkraftet als der Ausfall Horvats, für den der zuverlässigere Vertreter zur Hand schien. Die Maschinerie der Eintrachtabwehr hatte ihre Mucken. Nur knirschend griffen die einzelnen Teile ineinander, und wo Weilbächer stand, klemmte die Kuppelung ganz und gar. Weilbächer spielte — Rekonvaleszentenfußball, und in dieser Form kam er dem glatten, gewandten Röhrig, seinem ausgekochten Gegenspieler, gerade recht.

Im Bezirk Röhrig-Weilbächer fing fast alles an, was für die Frankfurter bedrohlich wurde. Hier war die Umlenkstation von Quer- und Steilpaß. Besonders bedrohlich wurde die Situation, wenn Röhrig seinen Linksaußen Fendel auf Trab brachte. Von Fendel ging alles aus, was der Sturm des westdeutschen Zweiten an Draufgängertum, Frische und Unmittelbarkeit besaß. Und Fendel gegenüber hatten die Riederwälder notgedrungen den fast Endrunden-Neuling Eigenbrodt postiert. Eigenbrodts Versagen hätte sich bei dieser Kräftekonstellation schlechthin vernichtend ausgewirkt, besonders vor dem Wechsel, als die Kölner das Gelingen ihrer Revanche noch für möglich hielten. Aber Eigenbrodt befand sich dem Versagen genau vis-a-vis, obwohl Fendel einige Male mit deprimierender Leichtigkeit an ihm vorbeiflog. Obwohl Fendel das Tor zum 1:1 einköpfte, ließ er sich durch nichts abschrecken, durch nichts düpieren und verrichtete stoisch das, was in seiner Macht stand.

Ueberall

Es war genug, um Fendel entscheidend zu hemmen. Was der Kölner Angriff ansonsten versuchte, reichte selbst dann an die Eintracht-Abwehr nicht heran, wenn sich jene Sekunden einschlichen, in denen Loy und Lutz vom Uebermut übermannt wurden. Loy ging an manche Aufgaben heran wie ein Kaugummi kauernder amerikanischer Detektiv an die Lösung eines Kriminalfalles. Das kostete den Schlachtenbummlern viel Nerven, Lutz hatte eine fatale Neigung, von allen sich anbietenden Möglichkeiten des Eingreifens die riskanteste zu wählen, die gleichermaßen Staunen und Grauseln auslöste. Gerade das jedoch gab seinen Aktionen das Bravouröse, das seine Verehrer so an ihm schätzen. Stinka war zwar noch nicht der Stinka von Bremen, aber er erinnerte daran. Nie gab es dagegen einen besseren Höfer. Höfer lieferte eine rundherum solide Partie. Ihm gebührte an diesem Tag die Krone.

Was jedoch den Riederwäldern zeitweilig Szenenbeifall eintrug, was sie für höchste Ehren empfahl, war der Angriff. Dieser Angriff konnte ohne Pfaff nicht das absolute Maximum bringen. In seinen Erfolgsminuten hatte er dennoch etwas schier Unwiderstehliches. Ohne Ermatten trampelte Mühlenbock seinem Gegner Sztani auf den Schnürsenkeln und auf der Seele herum. Vergeblich. Immer wieder gelang es Sztani, sich zu lösen, und schon blitzte die große Chance auf. Zusammen mit Kreß und Stinka bildete er die Eckpfeiler eines tödlichen Kraftfeldes.

In diesem Kraftfeld verbrauchte sich Schnellinger, der zumindest eine Halbzeit lang seine Leistung von Frankfurt klar übertraf, von diesem Kraftfeld wurde Stopper Breuer mehr und mehr angezogen, so daß Feigenspan, tüchtiger denn je, immer öfter freie Bahn vorfand. Und dennoch muß man unter gewissen Gesichtspunkten den zierlichen Lindner, der vorne ordnete und formte und hinten rackerte, anderthalb Stunden lang, vielleicht muß man ihn über alle stellen.

Meier brauchte bis gegen Ende, um sich in seine alte Rolle hineinzufinden. Dann schoß er ein Original-Meier-Tor, und die Befürworter seiner Aufstellung waren rehabilitiert. Ludwig Dotzert

Sofort Stimmung im Stadion

Es war sofort Stimmung im nicht vollbesetzten Hause, als schon in der ersten Minute die einzig gelungene Schäfer-Vorlage des ganzen Spiels den schußbereiten Röhrig im Abseits antraf, als Loy Sekunden später eine Flanke von Jost erst herunterholte und dann gleich beim zweiten Eintracht-Angriff der prächtig aufgelegte Lindner eiskalt die Chance nutzte, die ihm Sztani und der schwach abwehrende Wilden auf den Fuß legte.

Die Eintracht war bereits auf dem Weg ins Endspiel. Sie ließ sich keine Barrieren mehr vorsetzen. Gewiß, es gab Fehlerquellen genug in der Elf, die ohne Horvat, Pfaff und Schymik spielen mußte. Lutz fand erst langsam seine Sicherheit, um später sein Gegenüber Breuer um Längen zu überragen. Weilbächer ließ sich mehrmals vom raffinierten Röhrig austricksen. Eigenbrodt hatte mit dem einzigen kraftvollen Kölner Stürmer Fendel viel Mühe, und Loy passierten an diesem Tag ein paar Schnitzer, wie man sie von ihm nicht gewohnt ist. Aber Stinka zeigte keinen Respekt vor einem so prominenten Mann wie Hans Schäfer, und Höfer, dessen Gegner Jost ohne Höfers Konzentration sicherlich zu einem großen Gefahrenpunkt geworden wäre, bewältigten ihre Aufgabe von der ersten Minute ab souverän.

Jeder ein Reißer!

Und der Sturm! Das war ein Staatsstück an diesem Tag. Jeder ein Reißer, jeder ein Kämpfer, jeder ein Schütze. Die Kölner Tribünenmeinung: „Nur einen einzigen solchen Stürmer müßte der 1. FC Köln haben." Was dort vorn angepackt wurde, hatte Hand und Fuß. Im Kölner Strafraum brannte es jedesmal, wenn die Kreß, Feigenspan oder Sztani lospreschten, wenn Lindner etwas Grundgescheites einfädelte oder wenn Meier sich an seine großen Schützentage erinnerte. Meier war nicht ganz der alte, aber allein das vierte Tor war seinen Einsatz an diesem Tage wert.

Begeisternd aber war anzusehen, wie Kreß dem erst sehr starken Schnellinger trotz des Altersunterschieds zu seinen Ungunsten die Luft aus den Lungen nahm, wie Sztani den Wachhund Mühlenbrock mit ein paar Körperdrehungen von sich abschüttelte und wie Feigenspan jeden Lauf nach dem Ball gegen den routinierten Breuer mit Metern gewann.

Es kamen schon in der ersten Halbzeit, wo die Kölner bis zu ihrem 1:1 sich sachte in die Eintracht-Hälfte schoben, zwanzig Eintracht-Minuten, die einen 4:1-Vorsprung durchaus verständlich gemacht hätten. Aber Sztani verschoß, als er sich prächtig mit Stinka durchgespielt hatte, Feigenspans Bombe, und Sztanis indirekter Freistoß wurde von Torwart Ewert gerade so um den Pfosten gedreht. Kreß schoß bei seinem Slalomlauf aus zu spitzem Winkel, statt zum freistehenden Lindner zurückzugeben, und Meiers Kernschüsse bei einer absoluten Strafraumbelagerung fingen sich an den Kölner Abwehrspielern.

Die Kölner Chancen wirkten dagegen wie fades Tatar; es fehlten Pfeffer und Salz. Nur Fendel stellte Probleme für Loy und seine Vorderleute.

Die zweite Halbzeit sah die Eintracht noch souveräner, ihre Stürmer noch energischer. Als Feigenspan mit Sztanis Steilpässen an Breuer und Dörner vorbeiraste (Dusch sah trotz der Fouls der beiden klar den Vorteil des Eintracht-Mittelstürmers), war der Sieg allerdings noch nicht fest in der Hand, so übermütig nun auch die Eintracht aufspielte. Das 2:3 weckte plötzlich eine Kampfstimmung in der in blau spielenden Kölner Mannschaft und besonders auf den Rängen. Das Duett Kreß-Meier mit Meiers Kraftakt als krönendem Abschluß kam genau zur rechten Zeit.

Noch ehe das gerade entflammte Feuer der Kölner angefacht war, wurde es schon wieder erstickt, und das Publikum, das eben noch begeistert hinter seiner Mannschaft stand, beklatschte im nächsten Moment wieder die Sonderleistungen eines Höfer, Lutz, Sztani oder Feigenspan. Die letzte Barriere war damit beseitigt. Der Weg zum Endspiel dürfte im Bremer Coup über Pirmasens endgültig freigelegt sein. Keiner im weiten Rund, der nicht erkannt hätte, daß der Eintracht-Sieg der Sieg einer frischen mutigen Elf war, die die Scheu, die sie vor eigenem Publikum oftmals zeigt, völlig abgelegt hatte. Helmer Boelsen


Schämt euch!

Stellt euch in die Ecke und schämt euch, ihr Kunstpfeifer vom ersten Spiel gegen Köln! Die Eintracht hat euch im Müngersdorfer Stadion mit ausgespielt. Gewiß, die Riederwälder brauchten ihre Zeit, um den Gram über das erlittene Unrecht herauszuschwitzen. Selbst ihr Führungstor in der zweiten Minute half ihnen nicht völlig über die Beklemmungen hinweg, die eine Mannschaft nun einmal mit sich herumschleppt, wenn sie vor dem eigenen Publikum durchgerasselt ist. Als sie jedoch durch war, erhielt ihr Spiel plötzlich so viel Gelöstes und Unbekümmertes, daß es verschiedentlich schon an Leichtsinn grenzte.

Die Eintracht feierte ihr zweites Bremen. Das erste Spiel der Rückrunde bildete die logische Fortsetzung des ersten Spiels der Vorrunde. Was dazwischen liegt, gilt nicht mehr. In der Jubiläumsschrift von dereinst, vom 75. oder 100. Jubiläum, werden die Treffen zwischen Bremen und Köln quasi nur als Planierungsarbeiten vor dem großen Auftritt Erwähnung finden. Man kann es nicht befriedigend erklären. Man muß sich einfach damit abfinden. Zuhause schuftet die Eintracht, auswärts glänzt sie. Gewinnen kann sie auf beide Arten. Das ist das Einmalige an ihr.

Bis auf den vierten Treffer von Meier geschah in Köln nichts Gewaltsames. Er, der vierte und abschließende Treffer, war mindestens so wertvoll und begeisternd wie die vorhergehenden, aber er war nicht typisch. Er erinnerte an die Treffer, die Riederwalds Stürmer manchmal zu Hause erzwingen.

Viel bezeichnender für den Ablauf dieser Exhibition, in der die Eintracht genau die Mitte zwischen Verhaltenheit und Beschwingtheit hielt, waren die übrigen Erfolgsszenen. Die Deckung der Kölner mit einem fanatischen Schnellinger als Jäger des Richard Kreß und mit einem besessenen Mühlenbock als Feind des Istvan Sztani wurde nicht durchbrochen und auch nicht übersprungen. Sie wurde Knoten für Knoten aufgenestelt. Die Aehnlichkeit mit Borussia Dortmund in ihrer großen Zeit war auf die Dauer nicht zu übersehen. Und dennoch sind Steigerungen durchaus denkbar. Für Pfaff und Horvat bleibt weiterhin genug zu tun. L.D. (aus 'Der neue Sport' vom 08.06.1959)

 

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