Eintracht Frankfurt - 1. FC Köln

Endrunde um die Deutschen Meisterschaft 1958/59 - 3. Spieltag - Gruppe 1

2:1 (2:0)

Termin: 30.05.1959
Zuschauer: 65.000
Schiedsrichter: Treichel (Berlin)
Tore: 1:0 Richard Kreß (13.), 2:0 Eckehard Feigenspan (33.), 2:1 Herbert Dörner (75., Elfmeter)

 

>> Spielbericht <<

Eintracht Frankfurt 1. FC Köln

 


  • Fritz Ewert
  • Gero Bisanz
  • Karl-Heinz Schnellinger
  • Leo Wilden
  • Fritz Breuer
  • Günther Mühlenbock
  • Franz Brungs
  • Josef Röhrig
  • Herbert Dörner
  • Hans Schäfer
  • Helmut Fendel

 

Trainer Trainer

 

 

45 Minuten mit neun Mann

Versteckte Fouls und zwei Verletzte

Eintracht Frankfurt—1. FC Köln 2:1 (2:0)

Wenn sich eine Fußballmannschaft 45 Minuten lang mit neun Mann durch ein schweres Gruppenspiel um die Deutsche Fußballmeisterschaft schleppt, wenn ihr in dieser Phase der Schiedsrichter noch einen (unbeabsichtigten) Tiefschlag in Form eines unberechtigten Elfmeters versetzt, wenn das eigene Publikum die Schar der Tapferen obendrein in Unverstand, ja Sadismus, durch spitze Pfiffe wie mit glühenden Nadeln sticht, und diese Mannschaft gewinnt dann noch das Spiel — da hört jede Kritik auf.

Oder soll man vielleicht in naiver Selbstgefälligkeit erzählen, daß Kreß eben doch kein Außenläufer sei, weil ihm die Spielübersicht und das Feingefühl am Ball mangele, wo man dem athletischen Richard nur höchste Anerkennung zollen kann ob der imponierenden Art, wie er in hundert kleinen Explosionen die Kombinationszüge der Kölner entgleisen ließ, als er nach der Verletzung Horvats in die Läuferreihe beordert wurde. Oder soll man dem drahtigen Lutz mit erhobenem Zeigefinger nahelegen, seine Bälle so umsichtig und weich abzuspielen wie Horvat, wo sich einem die Feststellung von den Lippen drängt: Kinder, hat der Bursche dahinten aufgeräumt; richtiggehend zerrissen hat er sich!

Oder will etwa einer bekritteln, daß nach dem Wechsel keine Offensivkraft mehr von Lindner und Sztani ausstrahlte, wo es zehnmal wichtiger war. Löcher in der eigenen Hälfte zuzustopfen als Breschen in die gegnerische Abwehr zu schlagen. Selbst für Loy gelten mildernde Umstände, obwohl es natürlich schöner gewesen wäre, wenn er sie nicht in Anspruch zu nehmen gehabt hätte für einige Szenen, in denen er den Ball nicht zu fassen bekam und gefährliche Situationen heraufbeschwor.

Lassen wir das. Reden wir lieber von der ersten Halbzeit. Die Pässe der Kölner fügten sich zwar oft leichter und präziser zusammen. Doch die Eintracht war die frischer, unkomplizierter und kraftvoller operierende Mannschaft, die einen weit höheren Grad von Gefährlichkeit ausstrahlte. Die klarsten Spielzüge formte Lindner. Sztani bestach durch seine ungestüme Art, in der wildes Draufgängertum durch virtuose Technik und Improvisationstalent zur temperamentvollen Attacke eines Vollblutfußballers veredelt wurde. Kreß machte mit Schnellinger einen Nationalverteidiger zum zweiten Sieger, und Feigenspan brummte wie aufgedreht durch die Gegend; hier und da anstoßend doch immer forsch an den Feind gehend. Pfaff war schon nach sechs Minuten aus der Partie. Ein Tritt auf den offensichtlich noch nicht ganz gesunden Knöchel und aus wars. Daß man Pfaff trotz des hohen Risikos doch aufgestellt hatte, kann man den verantwortlichen Männern gar nicht verübeln. Nach den Erfahrungen vom Pirmasenser Spiel...

Auch diesmal fehlte dem Eintracht-Sturm die feste Bindung und feinsinnige Führung. Es spricht nicht für den Eintracht-Angriff, daß die Tore nur mit Hilfe der Kölner fielen. Die Deckung besaß in jeder Sekunde einen straffen Halt, eine eiserne Klammer, durch die beiden großartigen Verteidiger Lutz und Höfer. Das war aber auch nötig, denn der wackere Eigenbrodt (trefflich als Verteidiger) wurde von dem zunächst sehr guten Schäfer beherrscht; Weilbächer mangelte es nicht nur an Schnelligkeit, sondern auch an Konzentration; er sah Röhrig oft nur aus einiger Distanz. In dem tanzenden Kreisel des Kölner Innentrios wurde es auch Horvat oft genug „schwindlig" (Dörner entzog sich ihm geschickt). Aber hier halfen die Kölner ebenfalls mit ihrer eigenen Umständlichkeit und geradezu krankhaften Hemmungen, aufs Tor zu schießen.

Nicht immer findet man so „freundliche" Gegner...! Günter Wölbert

Die Höhepunkte

1. Minute: Kölner Kombinationszug Dörner-Schäfer-Brungs-Schäfer-Fendel. Fendel schießt ab. Loy bekommt seinen Fuß in die Schußrichtung und lenkt zur Ecke.

3. Minute: Sztani unternimmt einen Alleingang, schießt aber hoch übers Kölner Tor.

5. Minute: Pfaff spielt Lindner an, Lindner macht einen Fallrückzieher, Feigenspan erreicht mit seinem Kopf den Ball nicht mehr, aber Sztani steht goldrichtig. Sztanis Schuß kracht von der Latte zurück.

6. Minute: Pfaff wird am verletzten Knöchel getroffen (Wilden) und tauscht mit Lindner den Platz.

7. Minute: Lindner spurtet mit dem Ball an Bisanz vorbei, gerät aber über die Torauslinie.

12. Minute: Schnellinger legt Kreß, Treichel läßt weiterspielen und gibt keinen Elfmeter. Der Ball rollt in Richtung Eckfahne, Kreß und Schnellinger streiten sich um den Ball. Kreß schlägt den Ball vors Tor, mit Wucht haut Breuer das Leder weg. trifft Kreß, von dessen Körper springt der Ball schräg ins Tor. (1:0).

14. Minute: Kreß wirft ein, Sztani holt sich den Ball, schießt plötzlich. Ewert steht in der Schußbahn.

22. Minute: Weilbächer wirft ein. Lindner zieht mit dem Ball zur Mitte. Eigenbrodt stößt aus dem Hinterhalt nach vorne, nimmt Lindner Zuspiel direkt, aber Ewert hält mit großartiger Parade.

23. Minute: Riskantes Rückspiel Breuers, Schnellinger rettet vor Feigenspan zur Ecke.

28. Minute: Sztani und Pfaff kombinieren im Mittelfeld. Pfaff schießt scharf. Ewert muß nachgreifen, um ein Tor zu verhindern.

30. Minute: Kölns linker Flügel spielt sich durch. Loy erreicht Fendels Schuß nicht richtig; Horvat schlägt den Ball weg.

32. Minute: Schäfer schiebt den Ball zu Kreß (!). Mühlenbock rutscht aus, Kreß hat freie Schußbahn, jagt den Ball hoch übers Tor.

33. Minute: Sztani wirft ein, Breuer nimmt den Ball im Strafraum auf, zögert mit dem Rückspielen, Ewert warnt ihn nicht vor dem heranlaufenden Feigenspan, der Breuers Rückspiel aufnimmt und den Ball ins Tor jagt (2:0).

44. Minute: Lutz wirft in Höhe des Kölner Strafraumes ein. Feigenspans Rückzieher erläuft sich Lindner, doch Ewert hat aufgepaßt und läßt sich von Lindner nicht ausspielen.

55. Minute: Loy rettet vor Schäfer.

74. Minute: Fendel unternimmt einen Vorstoß. Zweikampf mit Lutz; der Ball segelt über die Torauslinie, Fendel und Lutz hatten mit vorgestrecktem Bein versucht, den Ball noch zu erreichen und rutschen auf dem glatten Rasen aus. Schiedsrichter Treichel deutet auf den Elfmeterpunkt. Sztani ist so erregt. daß er nicht von der Torauslinie will. Treichel holt sich Pfaff heran, der Eintrachtkapitän beruhigt durch Zuruf den erregten Sztani. Es dauert anderthalb Minuten, bis unter einem ohrenbetäubenden Pfeifkonzert Dörner zum Elfmeter anlaufen kann. Loy ist geschlagen (2:1). hk

Grausamer Spott

Wenn die Eintracht dieses Spiel verloren hätte, dann wären ihre Anhänger daran schuld gewesen. Diese plötzliche Kehrtwendung der 65.000 Zuschauer, die bis zur Halbzeit mit ihrer Mannschaft zufrieden gewesen waren, wirkte wie ein Ungewitter. Es waren natürlich nicht alle, aber die überwältigende Masse der sich auf der Gegengeraden drängenden Menschen, die die Kölner aufputschte.

Es ist eine grausame Art, Hohn und Spott über die Mannschaft zu gießen, die sich wie ein blutender Stier in der Arena vorwärtsschleift. Horvat, der Mittelläufer, stand humpelnd und bandagiert auf Rechtsaußen, Pfaff, der Halbstürmer, ebenso angeknackst auf Linksaußen. Für alle war sichtbar, daß diese Eintracht angeschossen war, wenn nicht die Leute die Idee gehabt haben sollten, daß Horvat und Pfaff ihre Verletzungen markierten. Aber das zu vermuten, ist doch sehr gewagt.

Die Eintracht wollte, mit den beiden Invaliden, über die Zeit kommen, und wer hat das noch nicht anderwärts gesehen! Sie hielt den Ball, behäbig und trödelnd, die Zeit verrann nur langsam. Da griffen die Zuschauer ein, indem sie die Kölner wach zu machen suchten. Aber noch in seinem Unglück war das Häuflein der Eintrachtverteidiger den Kölnern überlegen. Aber das Getobe hatte eine andere Konsequenz. Der Schiedsrichter Treichel aus Berlin raffte sich, den Zuschauern zuliebe, zu einem Elfmeter gegen die Eintracht auf und schoß so gewissermaßen selber den Anschlußtreffer.

Das wiederum lenkte die Wut des wankelmütigen Publikums wieder von der Eintracht auf den Schiedsrichter ab, der hilflos wie ein Rohr im Winde schwankte. Wieviele versteckte Fouls wurden von ihm übersehen! Wie oft mußte der unschuldige Spieler noch erleben, daß der Freistoß an den Angreifer ging! Wenn ich mir denke, daß man die Frankfurter Pfeifenmänner für die Endrunde hat fallen lassen, dann wundere ich mich doch über diesen fast unmöglichen Mann.

Wahrscheinlich wäre mit einem guten Schiedsrichter das Spiel anständig verlaufen. Wenn man aber merkt, daß man meistens ungestraft davonkommt, dann haut man auf die Pauke! Das Spiel wurde so ungemütlich, so unerbittlich und gnadenlos, daß selbst der Fußballfreund die Nase rümpfen mußte. Slalomläufe über ausgestreckte Beine, versteckte Fouls an Knöchel und in den Bauch — ein richtiges Gemetzel.

Ich weiß nicht, ob man der Eintracht an diesem Tag sagen soll, sie habe „schlecht" gespielt. Ohne Flügel kann eine Mannschaft nichts werden. Negativ wüßte ich nur, vom Anfang her, festzustellen, daß die für Schymik und Stinka eingesetzten Außenläufer beide den Aufbau, das Spiel vergaßen, und daß sie sich stattdessen in den Kampf hineinwühlten. Leider!

Das Positive wäre: Unbändig war der Kampfgeist dieser hinkenden Schar. Unbändig Kreß und Lutz, um nur zwei herauszugreifen. Einzige Hoffnung: keine solche Schlacht mehr, sonst bleiben zarter besaitete Zuschauer zu Hause! Erich Wick

Peter Szabo: Alt-Herren-Bequemlichkeit

Bundestrainer Herberger: „Es war ein schwaches Spiel. Die Eintracht mußte zwei verletzte Spieler mitschleppen. Es ist anzunehmen, daß sie sich gegen die schlechte Kölner Mannschaft sonst spielerisch und zahlenmäßig klarer durchgesetzt hätte. Die Kölner hatten einen guten Start, und es sah so aus, als ob sie Tore machen würden. Aber der rechte Verteidiger Bisanz, der rechte Läuter Wilden, Rechtsaußen Brungs und Linksaußen Fendel waren ja Ausfälle."

Willy Linnenberg, Vorsitzender des Hessischen Fußball Verbandes: „Vor der Pause waren beide Mannschaften und der Schiedsrichter gut; nach dem Wechsel beide Mannschaften einschließlich Schiedsrichter mäßig. Bei der Eintracht läßt sich als Entschuldigung anführen, daß Pfaff und Horvat verletzt waren; es bleibt die Frage, ob man Pfaff hätte spielen lassen sollen. Lutz ließ erkennen, daß sich die Eintracht um einen Nachfolger für Horvat keine Sorgen zu machen braucht. Der Elfmeter war nicht berechtigt."

Eintracht-Trainer Paul Oßwald: „Mit neun Mann zu spielen ist sehr schwer. Wäre alles normal weitergelaufen, dann hätten wir sicher klarer gewonnen. Die Mannschaft hatte die Anweisung, den Ball in den eigenen Reihen zu halten, um das Spiel zu verzögern. Sie kam erst in Schwierigkeiten, als das Publikum sie auspfiff, und als der unberechtigte Elfmeter verhängt wurde. Pfaff und Horvat (Oberschenkelzerrung) wurden schon zu Beginn verletzt."

Spielausschußvorsitzender Berger (Eintracht): „Ich bin erschüttert über das Frankfurter Publikum, das die eigene Mannschaft mit neun Mann auspfeift. Der Schiedsrichter hat enttäuscht. Unter den gegebenen Umständen sind wir zufrieden."

Kölns Trainer Szabo: „Ein unglückliches Spiel. Durch die beiden Selbsttore kamen wir aus dem Tritt. Ohne die verletzten Spieler Stollenwerk und Sturm hat unser Angriff keine Schlagkraft. Mit Alt-Herren-Bequemlichkeit kann man kein Spiel gewinnen."

Franz Kremer, Vorsitzender des 1. FC Köln: „Unsere Elf war gut eingestellt und begann auch gut. Dann kam das Riesenpech mit den zwei Toren. Das warf uns aus der Bahn. Die Eintracht hat mich enttäuscht. So kann die Elf nicht viel weiter kommen. Das Spiel wurde nach der Pause zu hart. Der Elfmeter war berechtigt. Mühlenbock hat seine Aufgabe gegen Sztani gelöst." G. Wölbert (aus 'Der neue Sport' vom 01.06.1959)

 

>> Spieldaten <<

 

© text, artwork & code by fg