Eintracht Frankfurt - 1. FC Nürnberg

Oberliga Süd 1958/59 - 22. Spieltag

1:0 (1:0)

Termin: 01.03.1959
Zuschauer: 50.000
Schiedsrichter: Karle (Saarbrücken)
Tore: 1:0 Eckehard Feigenspan (23.)

>> Spielbericht <<

Eintracht Frankfurt 1. FC Nürnberg

 


  • Wabra
  • Zeitler
  • Feilhuber
  • Schweinberger
  • Wenauer
  • Ucko
  • Strehl
  • Morlock
  • Glomb
  • Dirrigl
  • Albrecht

 

Trainer Trainer
  • Franz Binder

 

Sonne, Glück und wenig Tore

Feigenspan auf Draht

Eintracht Frankfurt — 1. FC Nürnberg 1:0 (1:0)

Wie ein Gaze-Schleier hing dünner Vorfrühlingsdunst über dem Stadion und den 50.000 und milderte die Farben zu herrlichem Pastell. An solchen Tagen ist das großartige Panorama der Hauptkampfbahn vielleicht am schönsten. Aber wer sah das schon in diesen nagenden anderthalb Stunden eines Spieles, das man nicht vergißt. Die milden Farben wurden überdeckt von den grellen Gefühlen.

Allein was die Eintrachtfreunde in der ersten Viertelstunde nach dem Wechsel durchmachten, genügte, um sich auf Wochen hinaus mit einer soliden Neurose zu versorgen. Es grenzte ans Absurde, wie da die Chancen verschleudert wurden. Mit einer Vorlage von Pfaff, so genau auf die Situation abgestimmt, daß die Nürnberger nur ohnmächtig nebenher rennen konnten, rauschte Kreß ab durch die Mitte bis in günstigste Schußposition und — bollerte hoch ins Blaue. Und wieder rollte Kreß die Kugel vor das Schußbein, und wieder wird eine Wunderkerze daraus. Der dritte Schuß von Kreß flitzte knapp vorbei. Aber was war das alles gegen die Gelegenheit Sztanis, als der von Pfaff schräg durch den Strafraum gezogene Ball einen Meter vor der leeren Ecke zwischen den Beinen des Ungarn steckenblieb.

Und noch eine Chance für Kreß, aber jetzt wagte er trotz freier Schußbahn nicht mehr zu schießen. Die Galerie hatte mit ihren Pfiffen sein Selbstbewußtsein endgültig durchlöchert. Warum nur? Gewiß, wenn etwas ganz hahnebüchen Törichtes geschah, war oft genug Kreß daran schuld; aber oft war er auch daran schuld, wenn die Nürnberger Abwehr nicht mehr ein noch aus wußte. Außerdem: zum erstenmal seit vielen Wochen ließ Kreß von seiner Eigenbrötelei ab und versuchte sich als dienendes Glied in die gemeinsame Sache einzuordnen. Dies vorweg, um den Richard vor den Angriffen der Hitzköpfe in Schutz zu nehmen.

Doch halt... Für kritische Details ist hier noch kein Raum. So schnell läßt sich über die Aufregungen nicht hinwegkommen. Kaum hatten sich die Frankfurter darüber ausgezittert, was sich die Eintracht entgehen ließ in ihrer hektischen Viertelstunde nach der Pause, da zog das andere herauf, das sie noch mehr Zittern machte. Die Nürnberger kamen. Sie kamen ganz allmählich, mit den gleichen ausgeleierten Methoden wie vorher auch; aber nun kamen sie weiter, denn die Beine der Riederwälder, die eine Stunde lang nie stille standen, wurden nun doch etwas schwerer. Sie waren zwar noch zur Stelle, wenn sich die Zeitlupenkombinationen des Gegners doch noch zu einer Gefahr auswuchsen; aber sie waren nicht mehr überall. So geriet das Ganze noch einmal auf Messers Schneide.

Quer in der Luft liegend fing Loy einen heiklen Dirrigl-Schuß aus dem Winkel heraus und zwei Minuten vor Schluß mußte der Eintracht ein grotesker Zufall zu Hilfe kommen, um doppelt und dreifach verdienten Sieg zu retten. Mit dem Podex fiel Schymik akkurat auf den Ball, der sich eben nach mächtigem Kopfstoß Glombs in die Ecke stehlen wollte. Von hüben und drüben versuchte man das kuriose Sitzkissen unter den vier Buchstaben des Eintrachtmannes herauszuschlagen. Ein Riederwälder gewann. Die Riederwälder hatten gewonnen.

Wenn die Riederwälder auf den Tisch schlugen, bröckelte der Stuck von den Wänden. Da ging es sofort um ganz bestimmte, fest umrissene Ziele. Mag sein, daß die Eintracht an schwachen Tagen bisweilen die Bereiche der Primitivität streift; dafür wandelt sich diese fatale Neigung an guten in eine frische Unkompliziertheit, die nie unter des Gedankens Blässe leidet. An diesem Tage war sie gut, wenn auch — alles in allem — nicht gerade hervorragend. Dieses Attribut gilt nur für Einzelne.

Es gilt vor allem für Horvat, der der Clubstürmer oft wie dumme Jungen abfertigte, der sicher wie ein Traumwandler auf dem schmalen Grat zwischen Kaltschnäuzigkeit und Leichtsinn wandelte und nie den Kopf verlor. Es gilt aber auch für Lutz, der wie ein Habicht auf die Gegner herunterfuhr und sich durch keinen Trick ausmanövrieren ließ. Und es gilt für Schymik, die den Nürnberger mit einer wahren Wonne die Verzierungen aus der Krone brach.

Loy, Lutz, Horvat und Schymik waren die Ersten, die den selbstbewußt auftretenden Club in tiefe Zweifel stürzten. Einen kaum geringeren Beitrag zum Sieg lieferte Weilbächer, der sich Morlock aufs Korn genommen hatte. Weilbächer brachte den Maxl zwar nicht völlig aus dem Spiel, dazu war der Maxl zu clever; aber die Wucht seiner Tacklings verfehlten ihre zermürbende Wirkung auf die Dauer nicht.

Und der Sturm? Im weiten Feld des Stadions lebte er wieder auf. Ein verjüngter Alfred Pfaff sorgte mit seinen Pässen für die großen Impulse und blieb auch dann in Aktion, wenn der Club zum Gegenschlag ausholte. Im Stadion fand auch Feigenspan den Raum, den er für seine Sprints braucht, und Kreß — weiter oben wurde es bereits gesagt — steckte bis unter den Scheitel voll guten Willens. Dazu ein Sztani, der auf dem Wege der Besserung scheint, und ein Lindner, der, was anfiel, anstellig erledigte. Es gab Zeitabschnitte, in denen die Nürnberger Abwehrspieler hilflos zwischen diesem Sturm durcheinanderpurzelten.

Die Ausnahme, die das Spiel entschied, ereignete sich in der 23. Minute. Feigenspan spurtete einer langen Vorlage nach, die Wenauer lässig, allzu lässig an Wabra weitergeben wollte. Schneller als der Ball aber war der rasende Feigenspan, der plötzlich zwischen Wabra und Wenauer auftauchte und exakt einschoß. Ein Original Feigenspan-Treffer. Was wäre die Eintracht ohne seine Tore! Ludwig Dotzert


Stimmen zum Spiel

Trainer Oßwald (Eintracht): „Ich bedauere nur außerordentlich, daß unsere Mannschaft ihr gutes Paßspiel in der zweiten Halbzeit nicht durch weitere Tore untermauert hat. Das muß noch gelernt werden. Dann kommt nämlich die nötige Spielruhe von selbst."

Trainer Binder (Nürnberg): „Wenn der Schiedsrichter das einwandfreie Tor in der 7. Minute anerkannt hätte, dann hätten wir vielleicht 1:0 gewonnen. Dieser Moment war psychologisch ausschlaggebend. Dieser Schiedsrichter war jedenfalls dem Spiel nicht gewachsen. Wir fühlen uns stark benachteiligt."

Spielausschußvors. Berger (Eintracht): „Ich hoffe, daß die zahlreichen Zuschauer auch ohne die ausgelassenen Torchancen mit dem Spiel und der Eintracht zufrieden waren. Auf Grund unserer guten zweiten Halbzeit hätte das Endergebnis 3:0 oder 4:0 heißen müssen. Ein Gesamtlob verdient unsere Mannschaft wegen ihres kämpferischen Eifers."

Spielausschußvors. Reimann (Nürnberg): „Der Schiedsrichter war eine Enttäuschung. Wenn er unser regulär erzieltes Tor gibt, was er hätte geben müssen, dann wäre das Spiel ganz anders gelaufen. Nach meiner Ueberzeugung hat die Eintracht nicht verdient gewonnen, ja, sie hat mich als Tabellenzweiter enttäuscht. Mit Offenbach jedenfalls kein Vergleich. Weilbächer ist viel zu hart, aber der Pfaff, ja, der spielt halt, 'Zucker', der ist allein mehr wert wie die anderen im Sturm zusammen."

Alfred Pfaff (Eintracht): „Trotz der vielen Chancen in der zweiten Halbzeit war es ein schweres Spiel. Wenn wir noch ein zweites Tor geschossen hätten, wäre mehr Ruhe reingekommen. So waren wir bis zuletzt sehr nervös."

Max Morlock (Nürnberg): „Zum Fußball gehört Glück und ein guter Schiedsrichter. Der heutige meinte es mit der Eintracht gut. Wir haben jetzt schon zweimal durch weniger objektive Schiedsrichterentscheidungen verloren. Das sind vier Punkte. Der Mann war dem Spiel nicht gewachsen."

Hans Weilbächer (Eintracht): „Meine Spezialaufgabe bestand darin, Morlock kaltzustellen. Von allem anderen hatte mich der Trainer entbunden. Ich hoffe, daß ich meine Aufgabe erfüllt habe."

Günther Glomb (Nürnberg): „Maxl spielte mir den Ball zu. Ich habe ihn mit dem rechten Oberschenkel gestoppt, fallen lassen und dem Maxl zum Torschuß vorgelegt. Ich hatte niemals dabei die Hand im Spiel. Der Schiedsrichter stand weitab und links vor mir, konnte also meinen rechten Arm, den ich nach hinten hatte, überhaupt nicht sehen. Er hat ja auch erst nach Reklamation auf Freistoß erkannt und dann nur gesagt: 'Ich habe Hand gesehen.'" (aus 'Der neue Sport' vom 02.03.1959)

 

>> Spieldaten <<

 

© text, artwork & code by fg