Eintracht Frankfurt - SV Hindenburg Allenstein

Endrunde Deutsche Meisterschaft 1932/33 - Viertelfinale

12:2 (7:0)

Termin: 21.05.1933 im Stadion
Zuschauer: 12.000
Schiedsrichter: Wingenfeld (Fulda)
Tore:1:0 Willi Lindner (4.), 2:0 Theodor Trumpler (6.), 3:0 August Möbs (8.), 4:0 August Möbs (25.), 5:0 Karl Ehmer (28.), 6:0 Theodor Trumpler (33.), 7:0 Karl Ehmer (35.), 8:0 Karl Ehmer (56.), 9:0 Karl Ehmer (61.), 10:0 Karl Ehmer (62.), 10:1 Ewald (77.), 11:1 Wilhelm Tiefel (78.), 12:1 August Möbs (79.), 12:2 Kopitzki

 

>> Spielbericht <<

Eintracht Frankfurt SV Hindenburg Allenstein

 


  • Paul Glowka
  • Bieber
  • Gustav Kaminski
  • Putzke
  • Uhlig
  • Hans Majewski
  • Walter Kopitzki
  • Ewald
  • Paul Kiesielnicki
  • Meyer
  • Ernst Kopitzki

 

Trainer Trainer

 

In Frankfurt: Ein Klassenunterschied

Eintracht Frankfurt - SV. Hindenburg Allenstein 12:2 (7:0)

Das war kein gewöhnliches Zwischenrundenspiel um die Deutsche Fußballmeisterschaft, kein sozusagen alltägliches Zusammentreffen zwischen den zwei Vertretern ihrer Landesverbände.

Schon als vor etwa 14 Tagen verlautbarte, daß Eintracht nächster Gegner der Vertreter aus dem fernen, abgetrennten, aber gerade darum um so deutscheren Osten sein werde, zu dem die Riederwälder überdies im Vorjahre neue, aber sehr herzliche Sportbeziehungen bereits angeknüpft hatten, da war es weit über den Kreis der Fußballanhänger Frankfurts hinaus sofort klar, daß man diese aufs äußerste willkommene Gelegenheit wahrnehmen werde, um unseren ostpreußischen Landsleuten, die wohl unter der Ungeheuerlichkeit des Versailler Diktats am meisten zu leiden haben, einen Empfang zu bereiten, der ihnen all die unverbrüchliche Treue und Liebe bekunden sollte, mit der wir uns gerade ihnen und ihrem harten Schicksal verbunden fühlen.

So wurde der Allensteiner Besuch zu einem wahren „Ostpreußen-Tag". Die „Eintracht" verstand es von jeher, den von ausgezeichnetem Taktgefühl beseelten Gastgeber zu spielen. Und wenn sich zu ihrem anerkannten Geschick die tätige Mitarbeit der staatlichen, kommunalen und sportlichen Behörden gesellt, getragen von der freudigen Begeisterung der gesamten Bevölkerung, denn darf man jetzt, da die Allensteiner Festtage in ihrer Hauptsache vorüber sind, sagen, daß die landsmännische Bedeutung dieser Tage voll und ganz zum Ausdruck kam, daß die nationale Färbung dieses Sportbesuches mit Vorsatz und Recht seine sportliche Bedeutung weit überragte und — was gerade bei diesem Anlaß selbstverständlich das Wichtigste ist, daß die wackere Reichswehrmannschaft von Allenstein die unantastbare Ueberzeugung empfangen hat, daß die gesamte Frankfurter Bevölkerung mit jeder Faser ihres Herzens unverrückbar am deutschen Osten hängt und die schwere Not seiner Bewohner mitfühlt.

Schon der Empfang im Hauptbahnhof am Samstag nachmittag zeigte den Gästen, wie sehr man sich am Main gerade auf diesen Besuch gefreut hatte. Die weite Halle des Bahnhofs sah wieder einmal einen Mannschaftsempfang, wie ihn eben nur Fußballer ihren Sportkameraden zu bieten die Uebung haben. Bezirksvorsitzender Karl Zimmer hatte im Einvernehmen mit den staatlichen und städtischen Behörden alles bis ins kleinste vorbereitet. Major von Recke vom ostpreußischen Wehrkreiskommando 1, der seiner Mannschaft entsprechend zeitig vorausgereist war, hatte bei den Empfangsfeierlichkeiten selbst Hand angelegt. Der Appell der Stadtverwaltung an die Bevölkerung zur tätigen Beteiligung war selbstredend nicht ungehört verhallt. Besonders eindrucksvoll verlief der Empfang der Allensteiner Fußballer im Kaisersaal des Römer, wo der Herr stellvertretende Bürgermeister der Stadt, Lindner, die Gäste aufs herzlichste begrüßte und es so meisterhaft verstand, all die Gefühle der Liebe und Wohlgeneigtheit zum Ausdruck zu bringen, mit denen sich Frankfurt dem abgetrennten Reichsgebiet verbunden weiß. Und während oben im Rathause die vielen aufrichtigen Zusicherungen von Treue um Treue ausgetauscht wurden, hatte sich drunten auf dem Römerberg eine riesige Volksmenge angesammelt, die den schmucken Reichswehrmännern in größter Begeisterung zujubelte.

Einen geradezu überwältigenden Eindruck hinterließ dann der große Festakt nachmittags draußen im Frankfurter Stadion, das mit seiner bezaubernden Frühjahrs- und Sonnenpracht einen wundervollen Rahmen für die Begrüßung abgab. Auf dem Rasen, unmittelbar vor der Freilichtbühne, hatten die beiden Mannschaften mit ihren Offiziellen, die beiden am 'Vorspiel beteiligten Schülermannschaften und die zahlreichen Vertreter der Behörden Aufstellung genommen, rechts und links flankiert vom Spalier der SA. und SS. Der kommissarische Vorsitzende der „Eintracht", Graf von Beroldingen, begrüßte die Gäste seines Vereins, und Herr Major Recke dankte für den Willkomm und überbrachte die Grüße aus fernen, aber unverbrüchlich deutschen Landen. Ebenso gespannt lauschte alles der Begrüßung der Allensteiner seitens des Herrn Hauptmann a.D. Schröder, des 1. Vorsitzenden der Frankfurter Ortsgruppe des „Ost-Westpreußenvereins". Dann intonierte die ganz ausgezeichnete Kapelle der SA-Standarte 63 die erste Strophe des Deutschlandliedes, das ebenso, wie das „Horst-Wessel"-Lied, von allen Anwesenden mitgesungen wurde. Dann gab Schiedsrichter Wingenfeld, Borussia Fulda, den Allensteinern den Anstoß frei.

Man hat schon während des Ablaufs dieser zweimal 45 Minuten hier und dort die Meinung vertreten hören, daß nach so viel aufrichtiger Liebe und Sympathie bei den Empfangsformalitäten die Frankfurter ihre Gäste sportlich etwas glimpflicher hätten behandeln sollen, daß man bei dem restlos sympathischen Eindruck, den diese Reichswehrelf sportlich und menschlich machte, keinen zweistelligen Ueberlegenheitsbeweis hätte zur Anwendung bringen sollen. Das ist zweifellos sehr human gedacht, trägt aber dem sportlichen Ernst dieses Tages nur ungenügend Rechnung. Es zeigte sich sehr bald — und es hieße den Allensteinern einen nur unzulänglichen Dienst erweisen, wollte man dies nicht klar und deutlich zum Ausdruck bringen — daß zwischen ostpreußischer und süddeutscher Fußballauffassung und -kultur noch Klassenunterschiede bestehen. Diese Tatsachenfeststellung kann und soll keinen Vorwurf für die Reichswehrleute enthalten. Die nicht innerhalb der deutschen Reichsgrenzen ausgeheckte Abtrennung der östlichen Gebietsteile mußte sich selbstverständlich auch sportlich auswirken. Der fast bis zur Unmöglichkeit erschwerte Verkehr mit hochwertigen Gegnern aus den bekannten Fußballzentren des Reiches fehlt den ostpreußischen Mannschaften leider sehr. Da war es schon das Richtige, diese seltene Gelegenheit in Frankfurt zu benutzen, um den Gästen zu zeigen, wie unsere süddeutschen Spitzenmannschaften ihren Sport auffassen und entwickelt haben. Nichts hindert, über das 12:2 schonend und verständnisvoll hinwegzusehen. Sicherlich hat die Frankfurter Eintracht mit ihrem Propagandafußball den Allensteinern einen weit wertvolleren Dienst erwiesen, als wenn sie sich zartfühlend mit einem ganz knappen Sieg begnügt hätte. Im übrigen zeigten die Gäste kurz nach der Pause, daß sie, als echte deutsche Soldatennaturen, offensichtlich gar nicht schonend angefaßt sein wollten. Denn während sie in der ersten Halbzeit der ganz ausgezeichnet arbeitenden Kombinationsarbeit der Frankfurter machtlos ausgeliefert waren, bewiesen sie wenigstens in der ersten Viertelstunde nach der Pause, daß sie sehr schnell und mit erstaunlicher Auffassungsgabe von ihren Lehrmeistern gelernt hatten. Und diese Viertelstunde hat vielleicht dem ganzen Treffen den Ausschlag gegeben, denn in dieser knappen Zeitspanne ließen die Spieler des stolzen Reichswehr-Regiments Hindenburg klar erkennen, daß sie zweifellos sehr gut veranlagte Fußballer sind. Und als sie später, gegen Spielende, noch einmal überraschend energisch ins Zeug gingen, als sie ihre redlichen Bemühungen nicht nur von dem wohlverdienten Ehrentor, sondern sogar noch von einem weiteren Treffer belohnt sahen, da erkannte schließlich jeder, daß das nach außen hin so hohe 2:12 niemals auf ihre geringere Begabung, ihren minderen Ehrgeiz und Fleiß zurückzuführen sei, da sah man deutlich, daß hier nur der sattsam bekannte Mangel an Gelegenheit zum Ausdruck gekommen war. Man triumphierte nicht über das 12:2, man erkannte nur die hehre Pflicht, dem fernen Osten auch sportlich fürderhin beizustehen und aufbauen zu helfen.

Dieses Treffen war wieder einmal der schlagende Beweis, daß jede Mannschaft so gut spielt, wie es der Gegner zuläßt. Eintrachts Kombination floß nach Herzenslust, ihre Balltechnik feierte wahre Orgien, ihre Täuschungskniffe tobten sich ungehindert aus. Und dies alles, weil ihnen der Gegner durch reichlich ungenügendes Deckungsspiel die Sache so ungewohnt leicht machte. Es geschieht lediglich im Interesse der Allensteiner und zum Zwecke einer Vermeidung dieses grundlegenden Fehlers in künftigen Zeiten, wenn man sie mit aller unerbittlichen Deutlichkeit darauf aufmerksam macht, daß sie zeitweilig überhaupt nicht abgedeckt haben. Immer und immer wieder stand die Hälfte der Frankfurter Spieler völlig unbehelligt frei im Felde, immer bereit, den haarscharf und genau zugespielten Ball unbehindert aufzunehmen und weiter zu verarbeiten. An der jeweiligen Abwehrarbeit waren überhaupt meistens nur zwei oder drei Allensteiner beteiligt, die übrigen standen tatenlos herum und sahen zu, wie ihre Kameraden ein um das andere Mal einen untauglichen Versuch mit untauglichen Mitteln am untauglichen Objekt machten. In diesem elementaren Fehler des ungenügenden Deckungsspiels liegt das große Geheimnis der Frankfurter Ueberlegenheit verankert. Man darf annehmen, daß die Allensteiner nunmehr mit aller Deutlichkeit auf ihren wichtigsten Fehler aufmerksam gemacht, ihn in Zukunft vermeiden und dann sofort den Weg zu wesentlich besserem Abschneiden finden werden. Denn die Grundlagen zu erfolgreicherem Fußballspiel sind unstreitig vorhanden. Die Mannschaft ist, bei einer deutschen Soldatenelf eine Selbstverständlichkeit, körperlich gut gewachsen, ausgezeichnet ausgebildet und von hinreichender Intelligenz, um ihr richtiges Wollen erfolgreiche Tat werden zu lassen. Was an Sympathien allenfalls noch gefehlt haben sollte, erwarb sich die Elf durch ihre ganz ausgezeichnete Haltung, durch ihr restlos ruhiges und bewußt faires Spiel. Man kann mit gutem Gewissen sagen, daß noch selten ein DFB-Spiel in solch verfeinerten Formen ausgetragen wurde. Und das war der berechtigte Grund, weshalb man die gerade eben hoch geschlagene Elf nach Spielende nochmals stürmisch begrüßte und feierte.

Die Eintracht hatte einen großen Tag. Sie kniete sich ordentlich in die Gelegenheit, vor heimischem Publikum ihre derzeitige Hochform unter Beweis stellen zu können, klar zu veranschaulichen, daß die großen Lobeslieder, mit der man sie schon in Hamburg vor 14 Tagen gefeiert hatte, dem wahren Sachverhalt entsprachen. Es erübrigt sich, auf Einzelheiten einzugehen, Wir Süddeutschen begnügen uns mit der Feststellung, daß die Frankfurter Elf gerade zur rechten Zeit, also anders, als im Vorjahr, in Hochform gekommen ist, und unser volles Vertrauen begleitet die Riederwälder auch für die nächsten Wochen. Es genügt vollkommen, für diesmal der Mannschaft ein Gesamtlob ohne jede Einschränkung auszusprechen, ihr vor allen Dingen aber dafür zu danken, daß sie gerade diesen Gegner mit so vollkommenem Geschick empfangen hat.

Schiedsrichter Wingenfeld hatte eine sehr leichte Aufgabe. Er wurde ihr spielend leicht gerecht.     K. A. (aus dem 'Kicker' vom 23.05.1933)

 

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