29.03.2007

Eine Hommage an meinen Vater

Meine Fankarriere begann sozusagen mit meiner Zeugung. 1963 wird die Bundesliga geboren und ich werde 6 Jahre alt. Seit dieser Zeit gehe ich mit meinem Vater ins Waldstadion.

Von Kindesbeinen an höre ich die Geschichten von den Oberligazeiten der Eintracht. Mein Vater kam 1947 nach Frankfurt und wurde sofort Eintrachtfan. In der Kriegsgefangenschaft hatte er einen späteren Eintrachtstürmer kennen gelernt, der allerdings bei den Fans wegen seines mangelnden Kampfgeistes äußerst unbeliebt war. Mein Vater erzählte, wie er manchmal nach den Spielen ohne Essensmarken in einer Kneipe in Niederrad zusammen mit der Mannschaft essen konnte - vor der Währungsreform für einen armen Studenten eine Supersache.

Er erzählte vom alten Roseggerplatz, auf dem ich später selber häufig gekickt habe - übrigens auch Andy M. und Manni B. unter einem schwarzen Abt, aber das ist eine andere Geschichte.
Ich habe unendlich oft die Geschichten von 1959 und 1960 gehört, von den Derbys gegen den FSV, vom Flutlichtmeier, vom Torwart, der noch seine Mütze holen wollte und mit dem Ball unterm Arm ins Tor lief und besonders meine Mutter schwärmte von Istvan Sztani.

Einige Anekdoten wurden besonders häufig erzählt: Einmal fuhren meine Eltern mit einem befreundeten Ehepaar - er natürlich auch Eintrachtfan - auf einen Sonntagsausflug in den Odenwald. Wie üblich, die Frauen quatschend auf dem Rücksitz der Isabella. Als sie vor lauter Quatschen mal wieder dazu kamen, aus dem Fenster zu schauen, befand man sich nicht auf dem erwarteten Waldparkplatz im Odenwald, sondern auf dem Parkplatz des Wildparkstadions.

Eine andere Geschichte dreht sich um die kirchliche Hochzeit meines Patenonkels, der 1959 ausgerechnet während des Endspiels heiraten musste. Es gab wohl zwischen meinen Eltern gewaltigen Krach über die Frage, ob man im Vorraum der Kirche ein Radio deponieren könnte.

Eine dritte Geschichte bezieht sich auf ein Freundschaftsspiel gegen den FC Santos mit Pelé im Waldstadion. Das Spiel hatte schon angefangen und in seiner Aufregung rannte mein gehbehinderter Vater verkehrt herum einmal ums Stadion, um am Ausgangspunkt den richtigen Block zu finden - meine lachende Mutter hinterher.

Meine ersten prägenden Eintracht-Erinnerungen sind ein Freundschaftsspiel gegen Kaiserslautern irgendwo in der Walachei, wo ich auf dem Boden direkt neben der Eckfahne das Spiel sah, und das verlorene Pokalendspiel 1964 gegen München 60 bei einer unglaublichen Hitze in Stuttgart.

Samstags fuhren wir immer mit der Straßenbahn zum Stadion. Das war jahrzehntelang das Gemeinschaftserlebnis zwischen dem viel beschäftigtem Vater und seinem Sohn. Wir saßen immer unter den Lederhüten auf der Vortribüne und ich habe bis zum Alter von ca. 12 Jahren nie Eintritt zahlen müssen und mich irgendwie auf die Bank gequetscht. Ein Trikot hatte ich nicht, aber immer eine Fahne dabei. Zu trinken gab es im Winter eine Zeitlang Florida heiß und gegessen habe ich meistens einen Haddekuche vom Brezelbub. Vor dem Spiel gingen wir manches Mal in die Drogerie vom Richard Kress in den Oederweg und diskutierten über das Spiel am Nachmittag, nach dem Spiel - zum Ärger meiner Mutter - natürlich die Sportschau und danach der Lokalsport. Der Samstag war ein Fußballritual. Bei Auswärtsspielen haben wir immer gemeinsam vor dem Radio gesessen. Damals begannen die Übertragungen aber erst in der 2. Halbzeit und zwischen den Live-Einblendungen gab es unsägliche Unterhaltungsmusik. Das war fast so eine Folter, wie heute am Ticker zu sitzen.

Nur ein einziges Mal wäre ich meinem Vater und der Eintracht beinahe untreu geworden und überlegte noch an der Trambahnhaltestelle, ob ich lieber bei einem Freund Monopoly spielen wollte. Obwohl das 40 Jahre her ist, sehe ich heute noch das enttäuschte Gesicht meines Vaters vor mir.

Als Jugendlicher bin ich zwar immer noch mit meinem Vater zu Stadion gefahren, aber dort haben uns die Wege getrennt - er auf der Vortribüne, ich im G-Block und später auf der anderen Seite im F-Block. Sitzplatz war für mich völlig uncool, obwohl mein Vater mir den natürlich bezahlt hätte. Die Eintrittskarten holten wir uns immer erst im Stadion, gegen Bayern im Vorverkauf auf der Geschäftsstelle der Turnabteilung in der Leimenrode. Meistens verkaufte sie ein sehr autoritärer Kriegsversehrter. Ich glaube, der Mann hieß Heilig.

Ca. zweimal im Jahr sind wir auch auswärts mitgefahren - meist nach Kaiserslautern, Köln, Mönchengladbach und nach Nürnberg. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir ein 3:3 in Köln: Mein Vater saß auf der Tribüne und ich stand zusammen mit einem Freund still im Kölner Block. Die Kölner sangen dabei:. "Schwarz-weiß und schwarz-weiß-rot, das sind die Fans, die schlagen wir tot." Nachher wurde bekannt, dass ein Eintrachtfan bei einer Auseinandersetzung ein Auge verloren hatte. Seitdem fahre ich nicht mehr gerne nach Köln.

Natürlich waren wir auch zusammen auf den Pokalendspielen in Düsseldorf, Hannover und Stuttgart. Nur nach Offenbach brachten meinen Vater keine 10 Pferde.

Wie in anderen Threads schon beschrieben war mein Vater wie die ganze Kriegsgeneration ein eher stiller Genießer und Leider im Stadion.

Auch als ich erwachsen war, bin ich immer, wenn es zeitlich möglich war, mit meinem Vater zur Eintracht. Wir haben aber seit ca. 1980 auf mein Drängen hin auf der Gegengerade gesessen. Da gab es nicht so viele Meckerer wie auf der Vortribüne.

Seit einigen Jahren schaut mein Vater die Eintracht bei Premiere, da er nicht mehr ins Stadion kann. Alleine die Drängelei beim Eingang ist für ältere Menschen unerträglich. Bei Auswärtsspielen in Duisburg und Bochum waren wir noch gemeinsam - dort ist das Parken und das Hineinkommen sehr viel relaxter.

Das Bayernspiel haben wir gemeinsam auf Arena geschaut - leider ist mein Vater schwer erkrankt und kriegt vom Spiel fast nichts mehr mit. Aber über den Sieg hat er sich doch gefreut - davon gehe ich mal aus.

Das Schöne an der Geschichte: das Eintracht-Gen hat sich auch auf vier Enkel übertragen, die fernab der Heimat die Eintrachtfahne hochhalten.


Wahrer_Bembel


 

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