31.05.2006 "Geh nicht ins Stadion, da siehst du nichts vom Spiel" Mittwochnachmittag im September 1993. Das Telefon klingelte. "Willst du mit ins Stadion? - mein Vater fährt", sagte die Stimme am anderen Ende. Klar, wollte ich - ging ich doch mit meinem Kumpel und dessen Vater zu jener Zeit öfter ins Stadion. "Wir holen Dich dann ab". Alles klar. Gleich kramte ich meine Eintrachtfahne (Eintracht Power' 91 mit dem Adler Charly drauf) aus dem Schrank. Die Zeit verging und meine Abholer ließen auf sich warten. Mit einiger Verspätung rollte sie aber an - die große, sänftenartige Mercedes E-Klasse mit Automatik. Da fühlt man sich gleich wie VIP. Obwohl ich damals gar nicht wusste was das war. Die Zeit drängte - der Anpfiff war um 20:00. Es ging von der B8 quer durch Höchst, die Zuckschwert- und Bolongarostraße entlang über Nied rüber nach Schwanheim - weiter nach Niederrad. Die alt bekannte Route in die Reichsforststraße. Aufgrund der vorgerückten Stunde waren alle guten Parkplätze belegt. Das bedeutete für uns einen längeren Fußmarsch - und wir hatten noch keine Karten. Rasch die Straße hinunter zum Oberforsthaus und weiter in Richtung Haupteingang. Beeilung, die warten nicht auf uns. Endlich, die Kartenhäuschen in Sicht. Oje - ne Schlange. Warum wollten an diesem Mittwochabend 30.000 Leute ins Stadion? "Gibt's noch Karten für den K-Block? Prima - her damit". Los, rein jetzt. Die Einlasskontrollen hinter uns, das Stadion vor uns eilten wir nun dem Flutlicht entgegen. Oh schreck - es ist bereits 20:02. Die spielen sicher schon. Plötzlich Schreie, Jubel - TOOOR !!! Von der Lautstärke her zu urteilen eins für die Eintracht. Aber wir hatten es nicht gesehen. *hechel*hechel* die Stufen hinauf in den Block - durchquetschen durch die Menschenmassen hinunter in weniger dicht besiedelte Regionen des Blocks. Ein Blick auf die Anzeigetafel: 1:0 A.Yeboah (3.Min). Mann, mann - diese Rennerei machte ganz schön durstig. Aber jetzt schauen wir uns erstmal das Spiel an. Die Halbzeit verlief ohne dass es einen vom nicht vorhandenen Hocker gerissen hätte. 40 Minuten schon rum - ich muss jetzt was zu trinken holen, bevor alle wieder zum Getränkestand rennen. Also wieder die Treppe hinauf - wieder sich seinen Weg durch die Menschen bahnen. Aber der Selbstherhaltungstrieb war stärker und so quetschten wir uns hindurch. Am Stand angekommen geschah es - eine Eruption von Jubel und Geschrei verhieß frohe Kunde - aber verdammt noch mal, wer hat's denn diesmal gemacht? "2:0 in der 44.Minute. Torschütze Anthony Yeboah" quäkte es aus den Lautsprechern. Dann war Halbzeit. Wir hatten zwar den Durst gestillt aber alle spielentscheidenden Szenen verpasst. Anpfiff 2.Halbzeit. Das Spiel plätscherte vor sich hin. Die Eintracht wollte nicht mehr, Freiburg konnte nicht. Als dann Bindewald für Gaudino und Hagner für Okocha kamen, war es mit selbst mit der theoretischen Spielkultur vorbei. Der Vater von meinem Kumpel ließ uns dann auch wissen: "wir gehen jetzt - das Spiel ist eh gelaufen. Außerdem müssen wir noch ne Weile zum Auto laufen und ihr müsst morgen früh in die Schule". Derart dialektisch in die Enge getrieben fügten wir uns. Schließlich wollte keiner auf die Sänfte verzichten. Also, gleiches Spiel von vorn. Hoch die Treppe und durch die Menschen hindurch. Ächz, geschafft. Wo sind die anderen. Ah gut, noch vor mir. Gemeinsam gingen wir den Abgang zum Blockausgang hinab. *taps*taps*taps*. Plötzlich wieder altbekanntes. Schreie, Jubel. "Tor in der 89.Minute durch Anthony Yeboah". Es war einfach nicht zu glauben - wir hatten es geschafft, alle drei Tore zu verpassen. Ich musste wieder an den Satz meine Mutter denken: "geh nicht ins Stadion, da siehst du nichts vom Spiel".
Shmiddy ist bekennender Bindewald-Fan und seit 1988
Eintracht-infiziert.
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