25.05.2007 Wie hat das alles eigentlich angefangen? Nachdem ich die ersten Fanhistorien hier im Forum gelesen hatte, habe ich mir selbstverständlich selbst die Frage gestellt, wie ich zu unserer geliebten Eintracht gekommen bin. Dabei bin ich noch nicht einmal in der Lage, zu ergründen, wie ich überhaupt zum Fußball gekommen bin. Meine frühste Erinnerung die ich mit Fußball in Verbindung bringen kann, rührt immerhin schon aus meinen Kindergartentagen her. Ich weiß noch genau, dass wir dort Fußball spielen wollten; an einen Ball kann ich mich allerdings nicht erinnern. Sehr wohl weiß ich aber noch, dass es erhebliche Probleme bei der Mannschaftsaufstellung gegeben hatte, da wir ungefähr sieben „Beckenbauer“ auf dem Spielfeld waren. Genau genommen wollte ich nur Beckenbauer sein, weil das scheinbar alle wollten. In Wahrheit rätselte ich darüber, was Waschbecken wohl mit Fußball zu tun haben mochten. Allerdings ließ meine mangelnde Kenntnis der Regeln dafür noch reichlich Spielraum. Auch in den folgenden Jahren konnte ich nichts mit Fußball anfangen, war mir allerdings mittlerweile im Klaren darüber, das mindestens ein Ball darin involviert war. Ansonsten war Fußball das, was meinen Vater samstags ab 18 Uhr davon abhielt, meinen kindlichen Einfällen seine sofortige und alleinige Aufmerksamkeit zuteil werden zu lassen. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass mein Vater seinerzeit irgendeinen Verein favorisierte, aber wahrscheinlich mag das einfach an meinem damaligen Desinteresse an Ballsportarten gelegen haben. Was nicht heißen soll, dass ich unsportlich war, im Gegenteil, nur mit Bällen hatte ich es eben nicht. Auch als mein bester Freund bei den Bambinis anfing Fußball zu spielen, konnte ich seine Begeisterung, Bälle im Hof gegen die Wand zu schießen, keineswegs teilen; und das blieb auch lange so. Irgendwann – noch keine 10 Jahre alt - saß ich dann einmal im Wohnzimmer und wartete darauf, dass irgendeine Kindersendung endlich anfing. Ich „zappte“ durch die 4 Programme (an Privatsender war da noch lange nicht zu denken) und landete schließlich durch Zufall – der ja bei nur 4 Programmen nicht besonders groß gewesen sein kann – bei einer Fußballzusammenfassung. Das Spiel: Fortuna Köln gegen irgendwen. Fortuna gewann glaube ich 7 zu 2, und von da an war ich Fortuna-„Fan“. Als ich einige Tage später meinem Vater – stolz, nun auch einen Verein zu kennen - erzählte, dass ich nun Fortuna gut fände, tat er das mit einem – zwischen Unverständnis und Mitleid angesiedeltem – „Die spielen doch in der zweiten Liga“ ab. Wohl wissend, dass es sich hierbei wohl nur um eine kurzatmige kindliche Begeisterung handelte. Und so war es dann auch. Wahrscheinlich schon am nächsten Wochenende verschwendete ich genau so viel Gedanken an Fortuna, wie an Fußball überhaupt, nämlich gar keine. Und wie ging´s weiter? Keine Ahnung! Irgendwann Ende der 80er muss wohl irgendetwas mein Interesse geweckt haben. Was es war und woher dies rührte, kann ich beim besten Willen nicht mehr sagen. Ich weiß aber noch genau, was mein Interesse an der Eintracht manifestierte: mein erster Stadionbesuch. Ein Freund von mir, den ich aus dem Badminton kannte, schlug vor, doch mal ins Stadion zu gehen. Das sei total super und er wäre dort schon einige Male gewesen. Ich hegte zwar keine Zweifel daran, dass es dort super sein würde, daran, dass er allerdings schon einige Male dort gewesen sein wollte, allerdings schon. Aber egal, wir hatten von irgendwoher Karten und saßen – noch nicht einmal in Besitz eines Schals – im Zug in Richtung Frankfurt. Das Abenteuer unseres beider (da bin ich mir mittlerweile ziemlich sicher) ersten Stadionbesuchs sollte beginnen - und das im G-Block. Soweit ich das noch rekapitulieren kann, muss es in der Saison 88/89 gewesen sein und der Gegner hieß FC Bayern München und „wir“ – soweit war ich da schon – spielten Unentschieden, 2:2. Von da an war es um mich geschehen. Auch wenn es kein Sieg war, hatte ich doch das Glück, bei meinem Stadiondebüt zwei Tore der Eintracht zu sehen oder besser zu e r l e b e n. Ich frage mich heute noch, was zigtausend Menschen dazu bewegt, all samstäglich ins Stadion zu pilgern. Die stark verkürzte Antwort lautet meiner Meinung nach nicht Fußball und noch nicht einmal Eintracht (das sind nur die Aufhänger) sondern Emotionen. Wer einmal den überschäumenden Jubel, die Geräuschkulisse, das Fahnenmeer, das Schreien, Springen und Sich-in-den-Armen-liegen erlebt hat und Teil dessen geworden ist, den lässt es nicht mehr los. Noch heute hoffe ich, wenn ich jemanden mit ins Stadion nehme und es sein/ihr „erstes Mal“ ist, dass – egal wie das Spiel ausgeht – doch wenigstens ein Tor für uns fällt. Im Bewusstsein das dies womöglich ein Schlüsselerlebnis sein könnte – so wie bei mir. Gleich nach dem Spiel kauften mein Kumpel und ich uns zahlreiche Eintracht-Devotionalien; darunter natürlich auch den ersten Schal. Von nun an gingen wir immer zu einigen Spielen in der Saison, die restlichen verfolgte ich vor dem Radio oder dem Videotext. Doch eins war klar; ich brauchte mehr. Die Sucht hatte mich gepackt und es war an der Zeit, die Dosis zu erhöhen. Auf einer Klassenfahrt lernte ich einen Jungen aus der Parallelklasse kennen, der ebenfalls Ahnung vom Fußball hatte – also Eintracht-Fan war. Kaum zu Hause angekommen war uns klar: wir brauchen Dauerkarten! Gesagt getan, und so verbrachten wir jeden zweiten Samstag im G-Block und meine Mutter den Samstag dazwischen damit, mir neue Aufnäher auf die Jeansjacke zu nähen. Es waren tolle, aufregende Zeiten zu Beginn der 90er und die launische Diva machte ihrem Namen alle Ehre. Das Trauma von Rostock, Fußball 2000, „bye bye Bayern“, wiederholten Europapokalabenden mit namhaften Gästen wie Deportivo La Coruña, SSC Neapel und Juventus Turin folgten wenig später der VfB Oldenburg und der SV Wacker Burghausen. In dieser bewegten Zeit durchlebte ich – wie wohl fast alle hier – meine größten und schrecklichsten Stadionmomente mit der Eintracht. Zu den schrecklichsten zählen das DFB-Pokal-Aus gegen Bayer Leverkusen in der Saison 92/93, sowie das Viertelfinal-Aus im Uefa-Cup 1994 gegen Casino Salzburg. Dem stehen das 1:1 gegen den scheinbar übermächtigen Juventus Turin sowie das 3:3 bei den Münchner Bayern 1994 gegenüber. Auch wenn das jeweils nur Unentschieden waren, so sind diese Spiele für mich doch mit zahlreichen Erinnerungen und intensiven Erlebnissen verbunden. So feierte ich in der Nacht vor dem Spiel gegen die Bayern meinen 18. Geburtstag, den ich „standesgemäß“ total besoffen in der Hecke von Nachbars Vorgarten ausklingen ließ. Am nächsten Morgen starteten wir – wohl alle ziemlich verkatert - zu Dritt mit dem Auto in Richtung München, wo ein überragender Rückkehrer Thomas Doll und ein entsprechender Spielverlauf aus dem Unentschieden einen gefühlten Sieg machte. Aber es folgten auch zahlreiche Niederlagen, die sich auch ganz genauso anfühlten. Viel schlimmer noch, die Mannschaft machte es möglich, dass man sich an dieses Gefühl sogar gewöhnen konnte. Mit dem Abstieg verlängerte ich auch nicht mehr meine G-Block-Dauerkarte, sondern wechselte auf die Gegentribüne und sah mir von dort aus jedes Spiel an. Die Eintracht brauchte das Geld, und das war mein Versuch, unseren Verein vor dem finanziellen Ruin zu bewahren. Schließlich auch mit Erfolg. Ihr kennt den Rest. Aufstiege, Abstiege und eine Zeit, in der man die Eintracht gerne mal mit Fußballwundern in Verbindung brachte. Mein Umzug auf die Gegentribüne hatte aber noch eine andere erfreuliche „Nebenwirkung“, nämlich auf die Beziehung zu meinem Vater. Mein Vater hatte – auch wenn ich das, wie gesagt, in meinen ersten Jahren nicht mitbekommen hatte – schon immer mit der Eintracht sympathisiert. Allerdings ist er einfach nicht der Typ Mensch, der dies laut nach Außen hin kundtut. Diese Charaktereigenschaft bezieht sich leider nicht nur auf die Eintracht, sondern auch auf andere Dinge im Leben. So war es für mich nicht immer wirklich einfach eine gesunde Vater-Sohn-Beziehung mit ihm zu führen, da ich mich oft unverstanden oder gar emotional alleingelassen fühlte. Unsere Beziehung - welche nie wirklich schlecht war, aber unter mangelnder emotionaler Ausdrucksfähigkeit litt, die es erst einmal als solche zu erkennen galt – sollte sich aber wesentlich verbessern, und daran hat die Eintracht einen erheblichen Anteil. Eines Tages waren alle die üblichen Verdächtigen mit denen ich ins Stadion ging abgesprungen, sodass ich schließlich – sozusagen als „Notlösung“ – mit meinem Vater zur Eintracht ging. Er erlag ebenfalls dem Erlebnis „Stadion“ und seither ist aus dem Gang ins Waldstadion eine richtige Vater-Sohn-Geschichte geworden, die unsere gesamte Beziehung zueinander intensiviert hat. Wir haben schon Stunden vor Live-Ticker, Videotext, obskuren chinesischen Internet-Streams und sogar verschlüsseltem Premiere („Haben wir den Ball???“) zugebracht und gehen nahezu zu jedem Heimspiel. Diese Saison sind wir sogar zusammen beim Auftaktspiel (seinem ersten Auswärtsspiel) auf Schalke gewesen, was ein ganz besonderes Erlebnis war. Manchmal steigen mir fast die Tränen in die Augen, wenn ich meinen Vater neben mir jubelnd, hüpfend und mit seinem Schal fuchtelnd sehe – so emotional, wie ich ihn ohne die Eintracht nie erlebt hätte. EINTRACHT FRANKFURT ALLEZ Der Autor “Schönwetterspieler“ ist
Eintrachtfan seit 1989. |
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