09.06.2006 Pokal 74 Stichwort Kindheitserinnerungen... Solche habe ich auch
noch, ganz dunkel sogar an das Stadion Anfang der 70er Jahre vor dem Umbau
zur WM 1974 mit einer Brüstung auf dem oberen Teil der Haupttribüne
und seitlichen Stützpfeilern, die heute beim Ticketverkauf wahrscheinlich
die Einstufung "sichtbehindert" zur Folge hätten. Am deutlichsten habe ich hier noch eine Ahnung vom Pokalhalbfinale im Frühjahr 1974 gegen den FCB, bei dem das Spiel hin und herwogte, die Eintracht zu Beginn der 2. Halbzeit ordnungsgemäß in Führung ging, dann aber die Bayern ausglichen, um nur kurz darauf zu meinem Entsetzen durch einen Elfmeter in Führung gingen. Völlig am Boden zerstört erlebte ich dann eine erneute Wendung des Spiels, bei der zunächst der wunderbare Tommy Rohrbach den Ausgleich schoss und dann eine Angriffsaktion nach der anderen auf das Bayerntor einleitete. Es gab Torschüsse, Torwartparaden, Kopfballduelle, Eckball auf Eckball, aber kein Tor. Längst standen wir alle, ich auf der Bank, um zwischen den Erwachsenen noch etwas sehen zu können. Schließlich der Höhepunkt; Foul im Strafraum, Orkan auf der Haupttribüne, Elfmeter, wütende Proteste der Bayern und Jubel in meiner Umgebung. Die Menschen umarmten sich in froher Zuversicht, vereinzelt wurden die Arme erhoben, um sie beim Jubeln nicht erst noch strecken zu müssen. Mein Jugendheld schritt zur Vollstreckung, Grabi legte sich den Ball zurecht, der Maier Sepp kauerte sich auf der Linie zusammen, streckte die Arme zur Seite und wartete auf das Verhängnis. So ist großes Theater, nach langem Auf und Ab aller Protagonisten, muss dann der Titelheld persönlich auf den Plan treten und die Entscheidung herbeiführen, er muss sich in blitzender Rüstung auf sein weißes Pferd setzen, das strahlende Schwert ziehen, den finsteren Drachen in Jenseits befördern und dann den Siegespreis empfangen. Also nimmt Grabi Anlauf, schaut nach links, schießt
nach rechts( ganz genau weiß ich´s aber nicht mehr)...... Wutgeheul um mich herum, entsetzte Gesichter, Verzweiflung, wohin man auch schaute. Mir war das damals noch nicht ganz klar, ich war eher der Meinung, Elfmeter seien Tore, da sei nur noch die Formalität des Schießens vorher zu erledigen. Das heißt also, wenn der Elfer nicht reinging, sei er konsequenterweise zu wiederholen. Erst allmählich begriff ich, dass ich da auf dem Holzweg war und das die Guten heute noch gar nicht gewonnen hatten. Die Stimmung um mich herum wurde deutlich schlechter, langsam kam Angst auf, denn jetzt kamen die Bayern auf einmal zu Gegenangriffen, lange zu spielen war nicht mehr, das sagte mir mein Zeitgefühl und kälter wurde es auch. Ich fing allmählich an zu frieren. Auch die Eintracht ermattete zusehends, abermals hatte sich das Spiel gedreht und gleich war es vorbei und die magische Eintracht besiegt, unglaublich. Das Leben wurde sinnlos, warum waren wir eigentlich so weit von zu Hause weg, wenn es dem Ende zugeht, sollte man doch daheim sein, bei der Familie und nicht inmitten von lauter Fremden? Sinnloserweise strebte da noch einmal ein vereinzelter Eintrachtspieler dem Bayerntor entgegen, sollte da vielleicht doch...? Nein, nein, er wird abgedrängt, keine Gefahr. Und dann... Genaueres weiß ich ehrlicherweise gar nicht. Um mich herum sprang alles auf, ich aber war zu langsam und zu deprimiert und sah nichts und dann umarmte mich einer, den ich gar nicht kannte und ließ mich nicht mehr los und schrie: "Elfmeter, Elfmeter, wieder Elfmeter...". Wieder Elfmeter? Galt das Gesetz doch? Elfmeter ist ein sicheres Tor und wenn er zufälligerweise nicht reingeht, wird er eben wiederholt? Warum dann so spät, erst nach ein paar Minuten? Mysteriös, das alles. Ich verstand es nicht richtig. Jetzt kam einer, den ich noch nicht so genau kannte. "Das ist der Jürgen Kalb“, schrie mein Onkel, "der haut ihn rein ". Und er haute ihn rein. Sagenhaft; danach war gleich Schluss und die Guten hatten gesiegt. Klar, beim ersten Mal war der falsche Jürgen gegangen,
das war bloß ein Missverständnis gewesen, deswegen wurde das
kurz vor Schluss noch bereinigt.
owladler hört auch auf den Namen Andreas und hält die Eintracht-Enklave in Paderborn.
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