07.06.2006 Diaspora für Eintrachtfans Fanerinnerungen werden natürlich eher von den großen Spielen mit den großen Emotionen oder von kleinen, dafür aber sehr persönlichen Ereignissen geprägt. Erhaltenswert sind meiner Meinung nach aber auch Eindrücke und Stimmungen, die eher nebenbei gemacht werden, auch bei ganz unbedeutenden Spielen zum Beispiel, weil das erst ein Gesamtbild ermöglicht. Hier also mein Blick auf das fußballhistorisch eher unbedeutende 0:0 im Freundschaftsspiel am 02.09.2005 ( nach dem 3.BL Spieltag ) im Hermann-Löns-Stadion zu Paderborn. Umgangssprachlich wird in der katholischen Kirche eine Region, in der sich nur eine Minderheit zum rechten Glauben bekennt, Diaspora genannt. Paderborn ist sehr katholisch und trotzdem Diaspora; für Eintrachtfans nämlich. In Fußballfragen denkt hier alles schwarzgelb oder blauweiß, eine wachsende Gruppe regional verwurzelt schwarzblau ( SC Paderborn ), vereinzelt gibt es die üblichen Erfolgsfans ( FCB, neuerdings auch SVW ). Der Einfluss des 50 km entfernten Bielefeld ist hier schon kaum noch spürbar. Für meine beiden Kinder und mich gilt daher als Leitmotiv: Heimspiele finden für uns 280 km entfernt statt. Viele Auswärtsspiele erreichen wir schon im Umkreis von 50 bis 150 km ( je nach Liga ) : Bielefeld, Ahlen, Dortmund, Bochum, Essen, Duisburg, Oberhausen, Gelsenkirchen, Hannover .... Mit der Straßenbahn zum Stadion ? Eben mal auf die Mörfelder Landstraße ... ? Nie gehabt! Aber eines Tages ist es dann doch soweit! Eintracht in aller Welt und so eben auch in Paderborn. Anreisezeit: 12 Minuten. Jetzt als Zweitligist ist der SC Paderborn in einer Bundesligapause auch einmal ein adäquater Sparringspartner. Die Eintracht ist aber nicht zum ersten Mal in der Stadt: 1977 gab es in der Paderkampfbahn ein erquältes 2 : 2 gegen den damaligen TuS Schloß Neuhaus im DFB Pokal und Anfang der neunziger Jahre sah ich hier im Hermann-Löns-Stadion Stepanovic an der Seitenlinie und einen Spieler, der von weitem aussah, wie eine Miniaturausgabe von Anthony Yeboah, sehr engagiert immer wieder den Ball forderte und ihn dann regelmäßig erst nach Seriendribblings widerstrebend wieder hergab... . Richtig: Jay Jay Okocha in einem seiner ersten Auftritte für die Eintracht. Es war ein Testspiel gegen den türkischen Pokalsieger Trabzonspor. Das Stadion war fest in türkischer Hand, ich hatte den ersten Döner meines Lebens und Jay Jay stürmischen Applaus, weil der Dribbelkönig den türkischen Vorstellungen von hoher Fußballkunst perfekt entsprach. Jetzt in der Gegenwart gibt es in Paderborn einen kleinen Fußballboom: Freitagabend, Freundschaftsspiel gegen einen Bundesligisten, Tribüne ausverkauft, 2.200 Zuschauer....früher undenkbar. Heribert Bruchhagen ist im Heimatgebiet (30 km bis Gütersloh), Zeugwart Lionti begrüßt den Paderborner Torwarttrainer Zsolt Petry ( 98/99 unter Vertrag bei der Eintracht ), Mehmet Dragusha verlegt sein Aufwärmprogramm an die Mittellinie und findet auch prompt Anschluss. Friedhelm Funkel macht Shakehands mit seinem ehemaligen Assistenten Luhukay ( Cheftrainer PB ), ca. 100 Eintrachtfans stehen streng bewacht von zwei Ordnern im Gästeblock und das neue Flutlicht von Paderborn feiert strahlende Premiere .... unterstützt vom THW. Blackouts wie kürzlich in Braunschweig sind ausgeschlossen. Kurz vor dem Anpfiff verpasst meine Tochter Du Ri und Wiedener noch aus mädchenhafter Zurückhaltung, schafft es dann aber vorbei an ein paar verdutzen Paderborner Jungs noch, die ersten Autogramme auf ihr Mannschaftsposter zu bekommen ( besonders freundlich: Benny Köhler ). Anschließend erklärt sie den Boys, wer da im Einzelnen vorbeikommt und erntet Anerkennung für ihr Fachwissen. Ich höre dann erstaunt auf der Tribüne von ein paar älteren Semestern hinter mir, "... dass die heute Abend bestimmt den Ballack nicht bringen, weil der doch sowieso so viel spielen muss... " ??? Während ich noch nach einem Grund suche, warum die Eintracht Herrn Ballack schonen sollte, kommen die Mannschaften. Die Eintracht läuft auf mit :
Paderborn bringt einen Probespieler aus der belgischen 2. Liga, der
dann aber im gesamten Spiel bei der Eintrachtabwehr in guten Händen
ist und sich nun wohl einen anderen Arbeitgeber suchen muss.
In der Pause erklingt das schöne Lied : Paderborn, erhebe dich und lauf, Paderborn, denn Helden geben niemals auf.... Folgerichtig erheben sich viele und laufen..........überwiegend zu Bier und Bratwurst. Anpfiff 2. Halbzeit. Während die letzten Helden noch zurückkehren, setzen Lenze und Lexa schon die ersten Grätschen im Mittelfeld.
Spielbewertung im Videotext des WDR : Problemlos verlaufen ist die Flutlichtpremiere im Hermann-Löns-Stadion beim Testspiel gegen Eintracht Frankfurt (0:0). Mein Fazit : Schönes Spiel der Eintracht. Nachdem hier vor der Saison Bayer Leverkusen und der griechische Erstligist OFI Kreta aufliefen und eher keinen guten Eindruck machten, war dies ein gelungener Auftritt mit Imagegewinn. Anschließend kurzer Heimweg, zufriedene Kinder. Ab jetzt wieder : Diaspora. Und am Wochenende Auswärtsspiel in Hannover. Ach übrigens: Hermann Löns ist gar nicht Paderborner. Sondern
Hannoveraner. owladler hört auch auf den Namen Andreas und hält
die Eintracht-Enklave in Paderborn. |
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