26.03.2007

Zur Geschichte des G-Blocks...

...bin ich zunächst mal auf meine eigene Vermutung angewiesen. Wohl auch schon vor dem 2.Weltkrieg gab es, in welchem Stadion auch immer, eine Zusammenrottung der "härteren" Anhängerschaft, frei nach dem Motto: "Gleich und gleich gesellt sich gern."

Allerdings hatten diese Gruppierungen - bis in die späten 50er und hinein in die 60er Jahre - wohl nicht annähernd die "Qualität" dessen, was wir heute unter einem Block verstehen.

Die "Aaahs" und Ooohs" waren sicher lauter als im restlichen Stadion, ebenso der Jubel bei einem Tor der Eintracht, und womöglich auch die Missfallenskundgebungen für den Gegner. Damals war das Fairplay wie auch die Zurückhaltung ganz allgemein wohl noch deutlich höher ausgeprägt als heute, (was aber die eine oder andere Schlägerei nicht ausschloss.)

Gesänge, so wie man sie seit mittlerweile 30-35 Jahren kennt, gab es nur selten bis gar nicht. Ganz zu schweigen vom heute gewohnten Support. Die Leute brauchten ja schließlich irgendwelche Vorlagen, so wie sie allgemein heute aus dem Radio oder auch Fernsehen kommen. Diese Vorlagen fehlten damals noch weitestgehend.

Vor mehreren Monaten wurde im Rahmen einer HR3 - Eintracht-Nacht die zweite Hälfte des legendären Europapokal-Halbfinales der Eintracht 1960 gegen Glasgow Rangers gezeigt. Dieses Spiel wurde als eines der Besten in der Eintracht-Geschichte überhaupt eingestuft. Nachdem es unter Flutlicht vor 77.000 Zuschauern zur Halbzeit noch 1:1 stand, wurden die Schotten in Halbzeit 2 schlicht überrannt. Endergebnis: 6:1! Im Rückspiel ließ die Eintracht noch ein 6:3 folgen. Wenn man während des Spiels jedoch auf die Kulisse achtete, musste man enttäuscht feststellen, dass außer Torjubel nicht viel zu hören war. Der Grad der "organisierten Unterstützung" war also noch ziemlich gering.

Eines der frühesten Bilder des G-Blocks, die mir vorliegen, datiert aus dem Jahre 1966 - der Zeit, in der auch ich diese Bühne betrat. Man sieht: es gab bereits einige Fahnen, im Vergleich zu heute allerdings nur sehr wenige. Übrigens: der G-Block war bis zum Stadion-Umbau 1973/74 in der späteren Form noch gar nicht existent. Er war in der Mitte, auf der Höhe der anderen Stehblöcke, durch einen Weg unterteilt, der zur Gegengeraden führte. Es gab also quasi eine obere und eine untere Hälfte.

Ich kann versichern: Im Laufe der Jahre wurden die Fahnen immer mehr. Ich selbst hatte meine erste Fahne, wenn ich mich recht erinnere, 1970. Ich schätze, sie war etwa 3 Meter hoch und 4fach schwarz-rot gestreift. Schon bald gefiel sie mir nicht mehr. Ich verkaufte sie an einen meiner Kumpels, die damals mitgingen, und schaffte mir eine Neue an. Genau in der später durch den Bundesliga-Skandal bekannt gewordene Saison 1970/71, in der die Eintracht nur haarscharf dem Abstieg entging. Just zu dieser Zeit schlug mein Fan-Dasein voll durch. Ich hatte ein Trikot an, eine Dreiklang-Hupe um den Hals und die Fahne über der Schulter. Und dann ging es mit ungefähr 10 Mann von Höchst aus los.

Abends dröhnte mir von der Brüllerei und Huperei immer der Schädel und ich war stockheiser. Hatte die Eintracht verloren, war ich absolut nicht ansprechbar. Und gab es ein falsches Wort zuhause, flog die Zimmertür zu und das Wochenende war gelaufen. Aus lauter Trotz kratzte ich dann regelmäßig mein Geld zusammen, ging in den Hertie nach Höchst und kaufte schwarzen oder weißen Fahnenstoff. (Das war damals noch Baumwolle, viel schwerer als das Zeug heutzutage.) Meine Mutter durfte sich dann immer hinsetzen und die Fahne vergrößern. So war die Fahne selbst dann irgendwann 4 Meter lang und 2,40 Meter breit (3 schwarze Streifen und abwechselnd 3 weiße Streifen). Sah ganz nett aus. Das Teil existiert noch heute, und zu besonderen Anlässen ist sie noch am Start, allerdings nur zum Umhängen oder Hochhalten...

Befestigt wurde das Ganze anfangs an Bambusstöcken (etwas anderes gab es nicht), später an Holzstöcken, die dann mit einem Kunststoff- oder Metallrohr verbunden waren. Die anderen bauten ihre Fahnen genauso, und so manches mal krachte der Stock durch oder der Stoff war lose und rutschte herunter. Trotzdem hatten wir unseren Spaß, denn im Gegensatz zu heute, wo viele sich so ein sündhaft teures Teil dafür anschaffen, dass man sie nur im Stadion schwenkt - und das auch nur gerade mal eine Minute oder zwei - war damals schon der Anmarsch zum Spiel eine große Fahnenparade. So was sieht man heute leider gar nicht mehr. Früher gab es auch mehr Fahnen im Block. Teilweise standen wir so eng beieinander, dass ein Schwenken kaum möglich war und der Himmel sich verdunkelte, wenn die Mannschaften einliefen.

Ende der 60er, Anfang der 70er, kamen immer mehr Gesänge in Mode. Die Vorlagen kamen aus den Hitparaden. "Marmor, Stein und Eisen bricht, aber unsere Eintracht nicht" (übernommen von Drafi Deutscher), "Nananana (2x), hey hey SGE (nach "Na na hey hey kiss him goodbye" von Steam, ein Hit in den USA) oder auch "Scheiß FC Bayern" (nach "Quantanamera" von den Sandpipers, damals ebenfalls ein sehr großer Hit in Amerika). So kam eben ein Lied zum anderen, das Repertoire wurde größer, die Sache begann langsam, sich zu entwickeln. Die Dreiklanghupe war ganz groß in Mode, viele Hundert bliesen mit dicken Backen die Eintracht nach vorne, wenn es mal kein Gebrüll gab. Der Sound dieser Dinger war über etliche Jahre die monotone Klangwolke, die über allen Spielen lag, ehe sie von ihren unsympathischen Nachfolgern, den Pressluftfanfaren, abgelöst wurden.

Dazwischen gab es mancherorts (für eine kurze Weile auch im Waldstadion) eine höchst exotische Variante, die nur wenigen Edel- bzw. Hardcorefans vorbehalten blieb: größere zusammengeschraubte Hupenkonstellationen (von PKW-Händlern oder Streckenposten der Bundesbahn), die mit Autobatterien betrieben und auf einem Wägelchen bewegt wurden, ruinierten in den Kurven die Trommelfelle. Am besten ist mir noch das Teil aus Schalke in Erinnerung, das ich zwar niemals sah, aber über lange Zeit bei jeder Spielreportage im Fernsehen verlässlich hörte. Es bestand nur aus 1 düsteren Ton, der aber sehr durchdringend war...

Sehr liebenswert war eine Konstruktion aus dem Eintracht-Block der späten 60er Jahre - der sogenannte "Eintracht-Hammer": An einem langen Holzstil war eine zweckentfremdete Metalltonne aufgesetzt, sodass sich das überdimensionierte Bild eines Hammers ergab. Stock und Tonne waren mit viel Liebe zum Detail in den Eintracht-Farben bemalt, und die Tonne war mit kleinen Kieseln gefüllt, sodass es ein lautes, schepperndes Geräusch gab, wenn sie geschüttelt wurde...

Auch optisch änderte sich der Block ab den späten 60er Jahren. Mehr und mehr Leute trugen ein Baumwolltrikot, hatten einen Schal, eine Mütze oder eine Fahne dabei. Das Merchandising war geboren und begann, wenn auch zunächst nur schleppend, sich zu entwickeln. Wimpel und Aufkleber waren ebenfalls zunehmend beliebte Accessoires. Die Schals blieben jedoch lange "Marke Eigenbau", und Mutter, Freundin oder Frau hatten eine Menge zu stricken. Die Dinger waren damals teilweise auch noch deutlich länger als heutzutage. Echte Unikate eben. Ein Kumpel von mir hatte mal einen schwarz-weißen Schal, sicher 30cm breit und 4 Meter lang...

Die Zeit verging und es kam der Tag des Heimspiels gegen Hertha BSC, irgendwann 1976/77, das 3:3 endete und Ausschreitungen nach dem Spiel nach sich zog. Hierbei wurden auch große Fahnen als Waffe eingesetzt, um z.B. Fensterscheiben einzuschlagen.

Als Konsequenz hieraus wurden große Fahnen verboten. Ich erinnere mich noch an das UEFA-Cup-Spiel gegen Atletico Madrid, bei dem sämtliche große Fahnen an den Eingangshäuschen abgegeben werden mussten. Wir kamen uns alle ziemlich nackt vor. Auch anderswo war es mit den großen Lappen für lange Zeit vorbei. Ob erzwungen oder modebedingt, vermag ich nicht mehr zu sagen.

Von da an kamen die Schals mehr und mehr in Mode, und sie wurden mehr und mehr von käuflich zu erwerbenden Exemplaren abgelöst. Hinzu kam, wie ja zuvor auch schon beschrieben, die "Konfetti-Parade", die ihren Auslöser bei der WM 1978 in Argentinien hatte, wo das Ganze, garniert von Klopapierrollen bzw. Papierschlangen, sehr exzessiv betrieben wurde und recht beeindruckend aussah.

Über all diese Jahre, beginnend mit den frühen 70ern, kam ein Kleidungsstück in Mode, das recht lange Bestand hatte: die Kutte. Aus dem Bedürfnis heraus auch in der kalten Jahreszeit ein Kleidungsstück zu haben, mit dem man eindeutig identifizierbar war (im positiven Sinne), und das darüber hinaus wenigstens etwas besser wärmte als nur ein übergezogenes Trikot, wurde eine (Jeans-)Jacke aus den persönlichen Beständen aussortiert und nach und nach auf unterschiedlichste Weise geschmückt: mit Aufnähern, teilweise unterschiedlichster Vereine je nach persönlicher Vorliebe (manche sahen aus wie wandelnde Bundesliga-Litfasssäulen), natürlich vorzugsweise der Eintracht, in den unterschiedlichsten Größen sowie mit Pins, Buttons, aufgebügelten Schriftzügen, geflochtenen Kordeln und Fransen. Da gab es schon sehr exotische Sachen zu bestaunen. Aufnäher hatten Hochkonjunktur und da und dort sieht man ja auch heute noch eine Kutte.

Es kam also Zug und Organisation rein in den Laden, um es mal so salopp zu sagen. Verantwortlich dafür waren keineswegs nur die Vereine, sondern die mehr und mehr mit Beginn der 70er Jahre auftauchenden Fanclubs. Propain hat schon einige der Wichtigsten genannt.

Den wichtigsten und ersten Eintracht-Fanclub überhaupt, bei dem ich die (damals noch nicht erkannte) Ehre hatte, Mitglied zu sein, war der Fanclub mit dem bezeichnenden Namen "Die Adler" mit Sitz in Frankfurt-Schwanheim. Präsident war lange Zeit ein gewisser (Günther?) Lemoisne, von allen nur Lemmo genannt. Ein dunkelhaariger Typ, braungebrannt, ein Maul wie ein Schlachtschwert und ewig heiser... Ich hatte großen Respekt vor ihm, denn er war beim Endspiel 59 in Berlin und... beim Europapokalfinale 1960 in Glasgow! Zuletzt sah ich ihn vor etwa 6-7 Jahren auf dem Weg ins Stadion. Natürlich älter geworden, aber immer noch guter Dinge. (Lemmo, alter Fahrensmann, ich hoffe, du bist wohlauf!) Treffpunkt war das recht große Lokal "Die Waldbahn", schräg gegenüber der Straßenbahnendhaltestelle in Schwanheim gelegen, und nun schon lange Jahre abgerissen. Über den Fanclub an anderer Stelle mehr...

Da hier an von einigen "schillernden" Figuren die Rede ist, erinnere ich mich an einen Kerl, der als erster in den frühen 70ern aus der Masse herausstach. Ein ziemlich unangenehmer Bursche, man nannte ihn "den Langen", denn das war er auch. Auch seine Haare waren lang, glatt und schwarz, das Gesicht schmal und fahl, er hatte einen kleinen Buckelansatz und war dabei recht dürr. Nicht wirklich kräftig, aber recht aggressiv "beeindruckte" er die Leute. Bei einem Pokalspiel gegen Köln Anfang der 70er war er Rädelsführer einer Prügelei im Gästeblock; er machte sich auch gerne an den maroden Holzbänken im Stadion oder der Ausstattung der Straßenbahn zu schaffen. Ein unangenehmer Bursche. Irgendwann war er weg, und niemand vermisste ihn. Er wurde für einige Zeit ersetzt durch einen gewissen "Kojak", der ewig besoffen war, wirres Zeug umher brüllte und seine Notdurft gerne mitten im Block verrichtete.

Irgendwann einmal, so war in der Zeitung zu lesen, kletterte er im Vollsuff auf einen Eisenbahnwaggon und kam mit der Hochspannungsleitung in Berührung. Danach wurde er - in Anlehnung an einen damals populären Schlagersänger - "Mr. 5000 Volt" genannt. Er überlebte knapp, wurde aber nie mehr im Stadion gesehen. Es gab schon wirre Typen.

Die zweite Hälfte der 70er brach an. Eines Samstages hatten etwa 30 Leute gleichzeitig den Musterungsbescheid, was natürlich gewisse Turbulenzen hervorrief. Es gab Schneeballschlachten gegen den H-Block, die Eintracht zauberte phasenweise, Weise ließ die Adler los und wir tanzten Pogo zu "Europapokaaal...".

Den UEFA-Cup-Sieg erlebte ich noch im Block (zeitweise auf einem Wellenbrecher stehend...), bevor ich dann irgendwann Anfang der 80er Jahre meinen Platz für Jüngere räumte und den G-Block nie wieder betrat.
Auch wir wurden damals schon gefilmt und schlugen daraufhin den Polizisten vor, doch besser Samstags frei zu machen. Ein Podest im Block sowie dessen Teilung, das taten wir uns zum Glück nicht mehr an.

Block K wurde für die nächsten Jahre meine neue Heimat, dorthin verschlug es auch viele andere aus meiner Zeit. Danach ging es unters Dach der Gegengerade, wo das Wort "Stimmung" eine neue Qualität erhielt. Aber das ist eine andere Geschichte.

Die Jahre "auf dem Idiotenhügel" bleiben mir jedoch unvergessen.

Hier einige weitere Impressionen:

Blick aus dem G-Block während des Stadionumbaues, zu Beginn der Saison 1973/74 beim ersten Heimspiel gegen Duisburg. Man sieht den "Hochpfad", auf dem die Spieler, von der Wintersporthalle her kommend, (wo vorrübergehend die Kabinen waren), in das Stadion gelangten. Die Haupttribüne ist zwar schon errichtet, aber noch nicht bestuhlt.

 

 

 

1975 beim 6:0 gegen Bochum

 

 

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