27.03.2007 Von Adlern, komischen Vögeln, unvergesslichen Gefühlen und Last-Minute-Toren Nun, wenngleich ich nicht gerade zu den überregional bekannten Größen der Fanszene gehöre, möchte ich dennoch – inspiriert durch die zahlreichen Berichte der letzten Tage - auch meine Fanhistorie zum Besten geben. Sicherlich werde ich Begebenheiten aufgreifen, über die schon berichtet wurde. Daneben werde ich aber versuchen, Momente zu beleuchten, die viele vielleicht miterlebt, aber nicht mehr ad hoc parat haben... Und jemand, der ausgerechnet in einer der langweiligsten Eintracht-Phasen der letzten Jahrzehnte – nach der goldenen Zeit mit Holz, Grabi & Co. und vor dem Pokalsieg 1988 sowie dem „Fußball 2000“ - zum Fan wurde, muss schon ein komischer Vogel sein!? Anfangen möchte ich mit dem Thema „Väter“, weil dies in vielen Fanhistorien ein zentraler Bestandteil ist und sich somit gut zum Anknüpfen eignet. Auch mein Vater hat mich zum Fußball-, aber nicht zum Eintracht-Fan, gemacht. Und so wurde es ein relativ langer, durch einige unschöne Wendungen des Lebens erschwerter Weg. Seit meinem 4. Lebensjahr – da ich Jahrgang 1969 bin, also ungefähr seit der WM 1974 - schaute ich mit meinem Vater regelmäßig Fußball im Fernsehen, was mich schon relativ früh auf den Geschmack für diesen Sport brachte. Mein Interesse war natürlich noch sehr allgemeiner Art, reichte aber aus, um im Alter von 6-7 Jahren im örtlichen Verein selbst gegen den Ball zu treten. Doch kam es kurze Zeit später zum ersten ernsthaften „Karriereknick“, als mein Vater sich von meiner Mutter trennte – für einen 7-jährigen der Super-Gau! Diese Gefühle vergisst man nie! Immerhin hatte ich das Glück, meinen Vater regelmäßig besuchen und weiterhin mit ihm Fußball schauen und HR1 hören zu können, aber daheim (meinen Stiefvater interessieren, wie meine Mutter auch, maximal Spiele der Nationalmannschaft – ansonsten ist für beide Fußball ein Buch mit sieben Siegeln) war ich mit meiner Begeisterung ab sofort auf mich alleine gestellt. Leider konnte ich meinen Vater übrigens bis zu seinem Tod (ausgerechnet zwei Wochen nach dem legendären 5:1, auf das ich nachher in anderem Zusammenhang noch mal zu sprechen komme) nur einmal dazu bewegen, mit mir ins Waldstadion zu gehen, da er – aus welchen Gründen auch immer – kein Stadiongänger war. Fan einer bestimmten Mannschaft war er übrigens nie oder hat dies immer verheimlicht. Aber gehen wir der Reihe nach weiter. Die nächsten Jahre spielte ich Fußball, schaute mir die Bundesliga an, sammelte Panini-Bildchen, holte mir die „BP-Jahresheftchen“, trug brav die Ergebnisse ein und sympathisierte aus irgendeinem Grund zunehmend für – und jetzt mache ich mich mal ganz klein – den Club. Ob es an deren damaligem Status als Rekordmeister, an der Sympathie für eine Fahrstuhlmannschaft mit großer Vergangenheit oder an den unnachahmlichen Reportagen des „komischen Vogels“ Günter Koch lag, weiß ich nicht mehr – ich vermute an Letzterem... Wir schreiben den 17. Mai 1980, also ganze vier Tage vor dem 1:0 gegen unseren nächsten Liga-Gegner, das der Eintracht den UEFA-Cup bescheren sollte. Wir spielten mit unserer E-Jugend im Waldstadion gegen die Eintracht-Buben (damals waren die Vorspiele noch im Stadion selbst) und gewannen mit 2:1 – welch ein Erlebnis! Nicht minder erlebnisreich war das anschließende Bundesligaspiel gegen Bremen, das wir von der Haupttribüne aus verfolgen durften. Die Eintracht drehte das Spiel in den letzten Minuten von 1:2 auf 3:2. Ich war mir natürlich damals noch nicht über die Bedeutung der „letzter Spielminuten“ bei der Eintracht bewusst, muss aber bei der Erinnerung an dieses Spiel schmunzeln, denn das war wohl – rückblickend – der Moment, in dem ich mich mit dem Diva-Virus infizierte. Das UEFA-Cup Endspiel nahm ich als „Noch-nicht-Eintrachtfan“ wahr, viel mehr allerdings auch nicht. Privat entwickelte ich zur gleichen Zeit unerklärlicher Weise ein starkes Interesse an Adlern – sie wurden zu meinen Lieblingstieren und sind es bis heute. Ein Referat über diese wundervollen Tiere bescherte mir damals in der Schule eine glatte „1“ und eine Menge Anerkennung, aber das nur so am Rande... Es folgten gut vier Jahre mit dem einen oder anderen Stadionbesuch. (Ich erinnere mich an ein sang- und klangloses 0:0 in Nürnberg, an ein ebenso unspannendes 1:1 gegen Gladbach.) Meine Samstagsbeschäftigung änderte sich insofern, dass ich – statt mit meinem Vater – häufiger mit einem guten Freund (damals Hamburg-Sympathisant) Bundesliga hörte. Und dann nahm das Ganze eine, nein, DIE Wendung schlechthin. Aus irgendeiner Laune heraus beschlossen wir (zwei 15-jährige) an einem kalten Wintertag im Februar 1985 (um genau zu sein, der 16.) entgegen des guten Ratschlags unserer Eltern den Besuch des Waldstadions. Und nicht nur das, es sollte der G-Block sein. Dieses Spiel gegen den KSC – vielleicht erinnert sich der eine oder andere von euch daran, obwohl es im Grunde kaum wert ist, dies zu tun – war beileibe nicht dazu angetan, Werbung für den Fußball im Allgemeinen und für die Eintracht im Speziellen zu machen. Ein 4:2, das vor allem durch die absolute Unfähigkeit zweier Abwehrreihen zustande kam, ein erst im Nachschuss verwandelter Elfmeter der Eintracht und eine Schneeballschlacht im halbleeren G-Block waren die Highlights dieses Spiels. Und trotz einer Eintracht, die vor sich hin dümpelte, war die Infektion ausgebrochen. Monate später waren aus dem Club- und dem HSV-Fan zwei dauerkartenbesitzende Eintracht-Fans geworden. Spiel um Spiel, Auswärtsfahrten, Berlin 1988 (noch ein Gefühl, das man nie vergisst), Fußball 2000, alles hätte so schön werden können. Der Mai 1992 lehrte uns die unerbittliche Wahrheit des Fußball- und Fanlebens. Das Trauma Rostock! Angereist per Sonderzug in der Nacht, in den Straßen Rostocks erst gefeiert, dann getrauert, aber dennoch den Jungs im vorbeifahrenden Mannschaftsbus applaudiert, (ja, damals waren die Scheiben noch transparent) und letztlich nur getröstet durch das Gerücht, Uli (für die Jüngeren: Uli Stein) hätte Schiri Berg eine aufs M... gehauen. Auch diese Gefühle vergisst man nie... Jahre vergingen und aus dem Teenie wurde ein Ehemann, den es 1997 beruflich nach – Aua – München zog. Damit war die Anzahl der besuchbaren Eintrachtspiele natürlich mehr als überschaubar geworden. Mai 1999: Das 5:1 (am Tag meiner mündlichen Abschlussprüfung meines berufsbegleitenden Studiums) schaute ich „VERSCHLÜSSELT“ auf Premiere – danach habe ich es abonniert. Die Feier mit den Kollegen am Abend war (für mich zum Glück waren die Bayern 1999 wieder Meister geworden und ich konnte mich problemlos als Eintrachtler outen) richtig klasse... Nun, zwei Wochen später kam es dann zu dem oben erwähnten Schicksalsschlag (mein Vater starb) und Fußball war erst mal völlig nebensächlich. Dennoch war ich (übrigens zusammen mit meinem Freund, den es beruflich ebenfalls nach München verschlagen hatte) beim 2:1 im Olympiastadion, ebenso wie später auch beim 1:4 gegen die Löwen UND natürlich beim 2:1 „wieder-mal-ein-Last-Minute-Sieg“ in Unterhaching... Ich will es nicht zu lang werden lassen: Die Familie kehrte 2001, inzwischen mit Nachwuchs, nach Maintal zurück (nicht auszudenken, hätte die Tochter in München bayerisch gelernt – obwohl Badesalz selbst dort zahlreiche Anhänger hat und auf Plakaten beworben wird) und ich konnte wieder ins Stadion gehen. Nun, und heute schreiben wir das Jahr 2007, meine Tochter wird dieser Tage 8, mein Sohn 5 und der Papa (Dauerkarte) nimmt sie schon ab und zu mit ins Waldstadion. Sie singen daheim „Eintracht vom Main“, hüpfen zu „Pipi-Langstrumpf“, lieben wie ihr Vater unser Maskottchen Attila und beten in ihrem Gute-Nacht-Gebet auch schon ausnahmsweise mal für einen Sieg gegen die Kunden – Vaterherz, was willst du mehr?! So, das soll es gewesen sein. Das heißt nein, ein Last-Minute-Tor habe ich noch. Es war im November 1986 beim Spiel gegen Uerdingen. Ein Grottenkick, die Hälfte der sowieso nur spärlich angereisten Fans (maximal 12.000) war schon auf dem Heimweg, als ein gewisser Uwe Müller in der 94. Minute eine Ecke per Kopf zum 1:0 für die Eintracht versenkte...
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