28.03.2007

Über den Wolken

Wie so viele bin ich durch meinen Vater zum Fußball gekommen. Ich habe einfach mit geguckt, wenn samstags Sportschau bzw. ran lief. Mein Vater ist relativ neutral, mit leichten Sympathien für Werder Bremen. Ich dagegen wurde (verzeiht mir...) zum Bayern-Anhänger. Ich vermute, es lag am kindlichen Ehrgeiz, denn dass die so oft gewannen, fand ich toll.

Nichtsdestotrotz war die erste Mannschaft, die ich live gesehen habe, die Eintracht, nämlich am 1. Juli 1988 in meinem Heimatort Reinheim bei einem Freundschaftsspiel. Ich erinnere mich noch, dass es in Strömen regnete und Lajos Detari und Uli Stein die einzigen Namen waren, die ich schon mal gehört hatte.

Nach einiger Zeit entdeckte ich die Radio-Übertragungen der Bundesliga. Seitdem klebte ich während den Spielen vor dem Gerät, drehte voll auf und fluchte, wenn es bei Bayern nicht lief.

Im Oktober 1993 schenkten meine Eltern mir eine Fahrt nach München zum Spiel gegen Gladbach. Dem ersten Stadionbesuch folgte eine Woche später der zweite: Kurzfristig hatte meine Mutter mir eine Karte für das nächste Bayernspiel organisiert, dieses fand in Frankfurt statt. Und „leider“ musste ich dieses aus der Eintrachtkurve, Block F, verfolgen. Das Spiel endete 2:2, was mir (damals!) nicht so gefiel.

Ab da wollte ich jedes Jahr zum Bayernspiel nach Frankfurt, meine Eltern haben es erlaubt, trotz Bedenken der Oma. Das Mädel war immerhin erst 15 und alleine in der großen Stadt und im Fußballstadion unterwegs... aber ich habe nie eine „gefährliche“ Situation oder Aggressionen erlebt.

Am 15. April 1995 zog ich wieder los nach Frankfurt, und diesmal gewannen die Bayern auf dem Feld. Doch als ich strahlend nach Hause kam, war ich schnell enttäuscht und sauer: Gewertet wurde ein 2:0 für die Eintracht, da die Bayern zu viel Amateure eingesetzt hatten. Wer zählen kann, ist klar im Vorteil...

Mein nächstes Spiel in Frankfurt am 4. November 1995 endete mit einer 1:4-Niederlage der Bayern. Langsam war ich angepisst, weil die Bayern nie gewannen, und war daher wenig begeistert von dieser Eintracht, die mir die wenigen Live-Erlebnisse vermasselte.

Meine Stadionbesuche wurden weniger (erster Freund, Discoparties usw.), und auch die Bayernbegeisterung schwächte sich in ein Interesse ab. Ich beschränkte mich darauf, die Ergebnisse in der Zeitung nachzulesen. Nur im Oktober 1998 erfolgte mal wieder ein Stadionbesuch: Erneut ärgerte die Eintracht die Bayern und gewann 1:0.

Im November und Dezember 2001 flammte meine Fußball-Leidenschaft wieder auf. Mit meinem Vater und Freunden erlebte ich im Darmstädter Böllenfalltorstadion den Sieg der Lilien im DFB-Pokal gegen den SC Freiburg (2:2, 3:3 n. V., 6:4 n. E.) und die knappe und unglückliche Niederlage gegen Schalke (0:1 n.V.). Hier habe ich meinen Papa das erste Mal „aus sich raus gehen“ sehen – er hat Andy Möller ausgebuht.

Dann das Ereignis, das mein Leben (endlich) veränderte...

Ein Radiosender verloste im Mai 2003 eine Fußball-Traumreise. Mit ein bisschen Fußballwissen gewann ich und zusammen mit meinem Vater ging es los:

  • letzter Spieltag der Bundesliga, Schalke – Bayern in der Arena auf Schalke
  • Flug nach England (über Frankfurt... das wird noch wichtig... ), Finale der CL Juventus Turin – AC Milan im Stadion Old Trafford Manchester
  • Flug nach Berlin zum DFB-Pokal-Finale Bayern – Kaiserslautern

Die Reisegruppe bestand aus einer Menge netter Leute, darunter Fans von Gladbach, Kaiserslautern, Mainz, Bayern und natürlich der Eintracht. Alle verstanden sich gut. Trotz der gewonnenen Meisterschaft der Bayern auf Schalke war ich aufgrund der Niederlage wieder sauer. „Können die nicht mal gewinnen, wenn ich da bin?!“ Ich ahnte nicht, dass das alles Zeichen waren, die mich in die richtige Richtung bringen sollten.

Am nächsten Tag – Sonntag 25. Mai 2003 – war Abreise Richtung England, per Flug mit Umsteigen in Frankfurt. Ich hatte nun erfahren, dass für die Eintracht ein megawichtiges Spiel anstand – es ging um den Aufstieg. Die Eintrachtler unter uns waren sehr nervös, trugen auf der Reise natürlich ihre Trikots und waren kaum noch ansprechbar. Während unseres Fluges nach Frankfurt lief das Spiel, es fielen Tore, sowohl in Frankfurt als auch in Braunschweig. Und wir flogen sogar über das Waldstadion und konnten aufs Spielfeld gucken! Leider saß ich auf der falschen Seite im Flugzeug.

Ein Sponsor der Reise hatte an alle Mini-Radios in Fußballform ausgeteilt, welche zusammen mit dem Handy zur wichtigsten Verbindung in die Außenwelt wurde. Nach der Landung in Frankfurt rannten alle Eintrachtler aus dem Flieger, um so schnell wie möglich zu erfahren, wie es steht, denn unterwegs durfte man keine Geräte anschalten.

Je mehr Minuten verstrichen, je mehr die Nervosität der anderen stiegt, desto mehr fesselten auch mich die Ereignisse...

Unser Weiterflug nach Liverpool/Manchester sollte um 16.40 Uhr gehen, und wir mussten uns sehr beeilen, um die Maschine zu erwischen. Das allein war schon nervig genug – aber gleichzeitig mitzubekommen, wie es bei der Eintracht aussah, war sehr schwierig. So sah man Menschen in rot-schwarzer Kleidung mit Tasche in der einen, Handy in der anderen Hand leichenblass und völlig mitgenommen ein mal quer über den Flughafen flitzen.

Ich weiß noch genau, wie wir am Flugsteig ankamen, nachdem schon mehrfach aufgerufen worden war. Es hieß, wir müssten sofort einsteigen. Und natürlich alle Geräte ausschalten. Genau in diesem Moment erhielten wir per Handy die Nachricht vom 3:3 in Frankfurt und 4:0 in Braunschweig. Die Stimmung war auf dem Tiefpunkt. Wir mussten nun wirklich einsteigen, aber im Flugzeug schalteten wir Handys und Radios im ersten unbeobachteten Moment wieder ein... Unglücklicherweise saß unsere Gruppe nicht zusammen, sondern im ganzen Flugzeug verstreut. Dieses musste noch ein paar Minuten stehen bleiben. Von wegen, wir müssten uns beeilen. *grmpf* Egal, eigentlich war es uns recht, denn beim Start hätten wir definitiv alles ausschalten müssen. Mein Nebenmann hatte seinen Kopfhörer im Ohr (meine Batterie hatte sich längst verabschiedet) und versorgte mich mit Informationen. Hoffnung kam auf – nur noch 4:1 in Braunschweig und Tor für die Eintracht. Die Anspannung wurde beinahe unerträglich. Wir hielten über die Reihen hinweg alle Blickkontakt und verständigten uns mit Daumen hoch, Daumen runter und entsprechender Mimik. Das Flugzeug wollte und wollte nicht starten, viele Mitreisende hielten schon ein Nickerchen. Es wurde ruhig.

Plötzlich im Radio diese Meldung „Tor Tor Toooooooooooor für die Eintracht, 6:3!!!!!“ Einer von uns riss ganz vorne die Arme in die Luft und ließ einen riesigen Schrei fahren „Jaaaaaaa!!!!“. Sein Nebenmann hatte geschlafen und erschrak zu Tode... Ich saß einige Reihen dahinter und werde diesen Moment nie vergessen. Alle Unbeteiligten waren völlig erschrocken und die Nicht-Eintrachtler, die schneller wieder „bei Sinnen“ waren, erklärten ihren Sitznachbarn (teils in gebrochenem Englisch), was hier gerade passiert war. Als ob der Pilot auf uns und die Eintracht gewartet hätte, starteten wir kurz darauf. Wir orderten erst mal alle Sekt und prosteten uns zu und strahlten alle um die Wette. Am Abend feierten wir alle zusammen und wurden zu einer klasse Reisegruppe.

Im Nachhinein bin ich ziemlich sicher, dass an diesem Tag meine Eintracht-Leidenschaft entfacht wurde. Nach meiner Fußballpause bin ich nun endlich da, wo ich hin gehöre. Ich glaube verstanden zu haben, warum die Bayern nie gewonnen haben, wenn ich dabei war. Haltet mich für bescheuert, aber ich glaube, es war ein Wink des Schicksals. Nebenbei bemerkt – in den Jahren, in denen ich gefehlt habe, gab es den einen oder anderen Sieg für sie.
Auf dieser Reise habe ich so viele nette Eintrachtler kennen gelernt, und vor allem habe ich unbewusst, aber intensiv, so mit der Eintracht gefiebert, dass mich dieser Verein nicht mehr los gelassen hat.

Ja, ich habe auch schon für die Bayern gebrüllt. Darüber kann man denken, wie man will. Ich meine, es war das Gefühl, zu den vermeintlich Besten gehören zu wollen, bei denen man viele Siege erlebt und bei denen große Fußballer spielen.
Dass eine Leidenschaft aber nicht nur und nicht unbedingt aus Siegen und Titeln entsteht, habe ich erst nach und nach gelernt. Vor allem weiß ich erst jetzt, wie viel echter und intensiver es ist, mit seinem Verein bei Auf- und Abstieg zu feiern und zu weinen, als sich damit zu beschäftigen, ob man nun einen, zwei oder drei Titel holt.

Nun folgt noch ein Schandfleck in meinem Lebenslauf: Das erste Eintrachtspiel, zu dem ich wegen der Eintracht (und nicht den Bayern) ging, war... in Oxxenbach (DFB-Pokal 1. Runde am 1. September 2003). Aber wir haben gewonnen. Dann endlich, am 31. Januar 2004, war es soweit. Das erste Spiel in diesem faszinierenden neuen Stadion - der Gegner war (wirklich zufällig) Bayern. Und meine Tradition ging weiter, Endstand 1:1, die Bayern schlagen uns zu Hause nicht.

Den Abstieg 2004 habe ich im Schwanen in Oberursel mit vielen anderen verfolgt und war bitter enttäuscht. Aber wer nie unten war, weiß das „oben“ auch nicht zu schätzen! Ich war in der Saison 04/05 bei fünf Spielen im Waldstadion, darunter Burghausen. Die Aufstiegsfeier im strömenden Regen auf dem Römer war ein Erlebnis!!

In der Saison 05/06 war ich fast immer „dabei“, entweder im Stadion (u. a. Pokalspiel gegen Schalke 06) oder bei Auswärtsspielen am PC per Eintracht-Live-Ticker.

Diese Saison habe ich zum ersten Mal eine Dauerkarte. Gemeinsam mit einer Gruppe von 10 Leuten sind wir bei den Heimspielen der Eintracht und bald vielleicht auch das erste mal auswärts. Sogar aus der Reisegruppe von vor 4 Jahren ist noch jemand dabei.

Im Stadion genieße ich jede Minute und liebe es, gemeinsam zu singen und für die Eintracht zu brüllen, was das Zeug hält. Die Stimmung ist einfach genial, die Erinnerung an Brøndby oder Bayern verursacht nach wie vor Gänsehaut.

Neulich habe ich eine Mutter mit ihrer kleinen Tochter auf dem Weg ins Stadion gesehen. Wer weiß... Ich gebe mein Bestes.

Ich hoffe, meine Eintracht-Geschichte hat euch ein bisschen zurückversetzt in gute, alte Zeiten, auch wenn sie hier schon oft Thema waren.

Den Adler auf der Brust, nie mehr 2. Liga!!


Die Autorin „liesel_sge“ ist Kerstin (28) aus Zwingenberg und seit 25.5.2003 Eintrachtfan.

 

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