27.05.2006

Oktoberfestzeit in München

Es war ein sonniger Spätseptember Tag damals.


Das Eintrachtspiel bei den Bazis stand an. Da wir bisher in unserem jungen Fandasein noch nicht die Möglichkeit hatten, ein Auswärtsspiel bei den Bayern zu besuchen, ließen wir es uns nicht nehmen, eine Reise an die Isar zu unternehmen.

Ich bin mit 2 Freunden schon freitags nach München gefahren und wir haben bei Bekannten übernachtet. Wir konnten die halbe Nacht vor Aufregung nicht schlafen, so waren doch Spiele gegen die Bayern, mit all deren Stars früher noch was ganz besonderes (sind sie heute auch noch, aber dieser ganz spezielle Spirit ist weg, obwohl ich es in Berlin wieder gefühlt habe).

Schon Freitags waren die Autobahnen in den Süden voll, auch viele Frankfurt Anhänger hatten sich bereits Freitags auf den Weg gemacht, um dann in München schon etwas vorzufeiern.
Es deutete sich schon an: Es würde eine Adlerinvasion in München geben.

Die Eintracht stand hervorragend in der Tabelle platziert, spielte den attraktivsten Fußball in Deutschland und wir waren bester Dinge, zumal das nicht nur unser 1.Besuch im Olympiastadion war, sondern auch das Oktoberfest uns damals 16-jährige lockte.

Ein paar Tage vorher wurde der in Düsseldorf nicht glücklich (trotz Fortuna) gewordene Jörn Andersen von der Eintracht zurückgeholt.

War das geil: Auswärtsspiel in München + Oktoberfest + Unser Skandinavien-Bomber und Torschützenkönig wieder an Bord. Dazu noch ein wunderschöner Spätsommer Tag, wie ihn ein Maler nicht schöner hätte darstellen können. Mindestens 15.000 Frankfurter (geschätzte und gefühlte) hatten den Weg ins bajuwarische Olympiastadion gefunden und ließen das Stadion beben.

Wie gesagt, es war die Saison, in der „der Ball Augen bekam“, wenn er durch unsere Reihen lief. Schon damals hatten die Bayern uns akustisch nichts entgegenzusetzen, obwohl die Bayern Kurve damals noch durch das Dach begünstigt wurde, das von der Haupttribüne herüberragte.

Das Spiel startet furios mit Chancen auf beiden Seiten, in der 35. Minute verwertet Bruno Labbadia (owoh oh oh oh oh, mir klingt es noch in den Ohren) eine seiner Chancen zum 1:0.

Oh Sch…e, dachten wir, jetzt nimmt das Schicksal seinen Lauf, und die Bayern, die selbigen gerade eigentlich nicht hatten, putzen uns weg. Doch unserer Frust dauerte keine Minute, denn unser langer Blonde köpfte (steinigt mich, wenn es mit dem Fuß war) im direkten Gegenzug das 1:1 - ein Torjubel, wie er nicht hätte euphorischer ausfallen können. 15.000 lagen sich feiernd in den Armen. Ausgerechnet Andersen, der in der vorigen Woche in einer Nacht und Nebel Aktion zur Eintracht zurückkam, sollte unser Schicksal wieder in richtige Bahnen lenken.

Nun war Halbzeit, doch in der Gästekurve herrschte beste Stimmung, auch weil man sich im Gästestehblock fast wie im G-Bock fühlte, weil es genauso voll war und auch die Größe ungefähr hinkommt. Und wann hat man zu dieser Zeit schon mal einen ausverkauften Gästeblock erlebt, wo bei Auswärtsspielen sonst selten mehr als 2000 Fans dabei waren. Ich glaube, ein Fanlied, welches in München neben dem damals obligatorischen „Lederhosen Strip“ sehr oft erklungen ist, war „Fröhliche Hessen“, welches heute eher seltener angestimmt wird.

Dann beginnt die 2. Halbzeit.


Die Bayern kommen wacher aus der Kabine und erzielen durch Manni Bender keine 2 Minuten nach Wiederanpfiff das 2:1. Ausgerechnet der Bender, dachte ich damals, denn den konnte wir überhaupt nicht leiden, genau wie den Manni Schwabl, das waren für mich so richtige typische "Mir sann mir" Bazi-Deppen.

Naja, lange Zeit für Frust blieb auch dann nicht, weil unser Tony kurz darauf, das 2.2 markieren konnte – und wieder Jubelorgien in München. Mitten in den Jubel hinein, erzielte Labbadia das 3:2. Der Jubel geht in Frust über – ein Spiel, wie es meist nur bei Frankfurter Beteiligung vorkommt. Höhen und Tiefen, Gipfel und Abgrund, nur Millimeter voneinander entfernt.

Das Spiel ist inzwischen nur noch ein Anrennen der Eintracht auf das Tor der Bayern. Die Stimmung am Siedepunkt, jeder in der Gästekurve gibt noch mal alles für seinen Verein.

Und es wird belohnt!!! Jörn Andersen erzielt das 3:3 und wird zum Matchwinner, als Rückkehrer 2-mal genetzt, so werden Helden geboren.

Die wütenden "Eintracht, Eintracht"-Rufe gehen über in die besagten „ fröhliche Hessen“ Feiergesänge.
Die Eintracht verpasst noch weitere Möglichkeiten zum Siegtreffer, aber das alles ist für die Fans nur noch zweitrangig. Wurde man doch eben Zeuge, wie die großen Bayern nur mit großer Mühe, einer Niederlage gegen unsere Eintracht entgingen und in der 2. Halbzeit an die Wand gespielt wurden und man hatte 3 Tore in München erzielt.

Kurz angemerkt: Als eingefleischter Anti-Bayern Fan damals wie heute, war dieses Jahr eine Traumsaison, die Bayern sprachen kurzzeitig schon von „Klassenerhalt sichern“, das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen.

Nach der entsprechenden Würdigung der Leistung unseres Teams, ging es auf die Wiesn. Auch hier ein vertrautes Bild: In vielen Zelten, feiernde, singende, auf den Tischen tanzende SGE-Fans. Bunt darunter gemischt einige 60er, die es sich nehmen ließen, mit den Frankfurtern zusammen Anti-Bayern Gesänge zum Besten zu geben.

Auch weiß ich seitdem, dass Bayern-Fans nicht aus München kommen und die 60er der wahre Münchener Club sind. Schon ein „Hammer-Feeling vom Gefühl her“, wenn ein ganzes Zelt gegen die Bayern singt, das sich wohlgemerkt in deren Heimat befindet.

Auch wir Jungspunde genehmigten uns die ein oder andere Maß und beteiligten uns munter an den Gesängen. So ging es bis spät in die Nacht hinein und bescherte uns damals ein unvergessliches Erlebnis in München. Als Andenken daran ziert noch ein schönes Spaten-Maß meinen Küchenschrank, neben dem Dinkel-Acker Krug aus Stuttgart, auch ein schönes Spiel mit einer schönen Geschichte („die Sonne scheint bei Tag und Nacht…“).

Es war nicht mein 1. Auswärtsspiel, aber dennoch eines der früheren und es folgten noch viele weitere geile. Aber dieses spezielle Gefühl, wie an diesem Tag, war etwas ganz besonderes und hat mich damals noch tiefer mit der Eintracht verschweißt.

Wie diese Saison endete wissen wir alle und ich bereue es heute noch, dass ich damals in Rostock wegen Klassenabschlussfahrt nach Italien, nicht dabei sein konnte. Aber dieses Thema wird bestimmt auch seinen Weg in diese kleine Fanhistorie finden.

Wenn ich mir das Datum so anschaue, das ist ja 15 Jahre her, sch...e bin ich alt geworden.

Bayern München - Eintracht Frankfurt
Zuschauer: 64.000
Schiedsrichter: Gerhard Theobald (Wiebelskirchen)
Tore: 1:0 Bruno Labbadia (35.), 1:1 Jörn Andersen (36.), 2:1 Manfred Bender (47.), 2:2 Anthony Yeboah (54.), 3:2 Bruno Labbadia (55.), 3:3 Jörn Andersen (82.)

Für seine Frisur gehört er eigentlich geteert und gefedert.

 

Libero1975™ aus Frankfurt trägt seit 1988 den Adler im Herzen.


 

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