29.05.2006 Die Oslo-Tour 2001 oder Mittsommer mit Jan-Aage Fjörtoft Am 17. März 2001 absolvierte ein gewisser Jan-Aage Fjörtoft sein letztes Pflichtspiel für die Eintracht und verabschiedete sich unter Tränen nach diesem 1:1 gegen den Hamburger Sportverein. Fünf Tage später trainierte er zum letzten Mal gemeinsam mit dem Profiteam, das sich nach einem starken Herbst und einem zwischenzeitlich fünften Tabellenplatz nun langsam aber sicher im freien Fall in Richtung Abstiegsplätze befand. Meine Schwester und ich sowie einige andere Freunde und Bekannte waren an diesem Tag am Stadion und überreichten Abschiedsgeschenke. Jan verschenkte noch seinen halb zerschnittenen und mit Edding-„Malereien“ versehenen Eintracht-Ausgehanzug – die Hose an unsere Wetzlarer Freundinnen Irmtraud und Silvana, die Jacke an Anika und mich. Es wurden letzte Fotos geschossen, Autogramme geholt und dann stieg unser Norweger zu seinem Kumpel Thomas Sobotzik ins Auto, beide rauschten davon – und weg war er. Wir hatten so oft nach dem Training einige Worte mit ihm gewechselt, Fotos gemacht, Irmtraud und ich hatten es geschafft, bei seiner Abschieds-Pressekonferenz live dabei zu sein… Die Eintracht ohne Jan war für uns schwer vorstellbar. Während die Saison 2001 in Norwegen begann und Jan die ersten Einsätze bei Stabaek IF absolvierte, ging die Talfahrt der Eintracht weiter und Anfang April landete das Team nach der 1:3-Heimniederlage gegen Bayer Leverkusen (dem ersten Spiel unter Kurzzeit-Trainer Friedel Rausch) schließlich auf einem Abstiegsplatz. Draußen vor dem Stadion bahnten sich wütende Fanproteste an, die Massen drängten sich an den Toren und Zäunen hinter der Haupttribüne und verlangten Stellungnahmen der Spieler. Neben diesen lautstarken Fanmassen fesselte an diesem Nachmittag jedoch auch noch etwas anderes meine Aufmerksamkeit. Einige Monate zuvor war die Fan- und Förderabteilung der Eintracht gegründet worden und diese hatte zu eben jenem Spiel gegen Leverkusen (ich erinnere mich dunkel an ein ziemlich brutales Foul von Bayer-Neuzugang Lucio gegen Chen Yang) die erste Ausgabe ihres Magazins „Die 13.“ veröffentlicht. Ein solches Heft lag eine Reihe vor unseren Plätzen auf der Tribüne in einer Pfütze und auf der durchnässten Titelseite sprang mir die Ankündigung einer Tour nach Oslo zu Jan-Aage Fjörtoft ins Auge. Nach dem Spiel fischte ich schließlich das Heft aus der Wasserlache, schlug es auf und erfuhr immerhin, dass eine Tour nach Oslo mit Bus und Flugzeug geplant war. Konkrete Informationen zum Termin und zu den Kosten gab es jedoch noch nicht. In den folgenden Wochen versuchte ich durch E-Mails an die FuFA und ständiges Surfen auf der FuFA- und Eintracht-Homepage mehr herauszufinden. Schließlich gab es dann auch genauere Informationen: Angeboten wurden von Fanabteilung und Geiselgangstern in Kooperation eine Bus- und eine Flugreise. Der Flug kam für Anika und mich aus Kostengründen nicht in Frage, die Busreise für 229 Mark klang da schon interessanter. Ich rief bei den Geiselgangstern an und erfuhr, dass ein Bus schon voll sei und man dabei sei, die Liste für den zweiten Bus zu füllen. Geplant sei eine Tour von Freitag bis Dienstag mit dem Besuch des Spiels Stabaek IF – Rosenborg Trondheim und zwei Übernachtungen auf einem Campingplatz vor den Toren Oslos oder wahlweise in einem Hotel in Oslo. Für die Hotelübernachtung allerdings waren die Geiselgangster nicht zuständig, dafür musste ich mich an Andreas Hornung wenden. Ich meldete Anika und mich für die Busreise an und rief dann kurz darauf im Eintracht-Shop an, um die Hotelübernachtung zu buchen. Zum Glück fiel mein Geburtstag gerade in diese Zeit und ich investierte das Geldgeschenk von den Großeltern sogleich in die Reise. Während sich Jan-Aage zunächst in Stabaek zu etablieren schien und einige Tore erzielte, ging es mit der Eintracht weiter bergab. Zwar schlug man an einem eiskalten Maitag den VfL Bochum mit 3:0 (Christoph Preuß erzielte in diesem Spiel sein erstes Bundesligator), aber eine Woche später war das Schicksal der Eintracht für diese Saison besiegelt und der Abstieg perfekt. Man verlor 0:3 in Wolfsburg, ich verfolgte die Partie mit Bekannten auf Premiere und habe noch deutlich die Bilder der weinenden Fans und des in Richtung Rolf-Christel Guié-Miens zurückgeworfenen Trikots vor Augen. Der 34. Spieltag eine Woche später war seltsam ereignislos. Bei schönem Wetter wurde Sommerfußball gespielt, die Eintracht errang einen völlig bedeutungslosen 2:1-Sieg gegen den VfB Stuttgart und hinter der Haupttribüne an den Mannschaftsbussen beschimpfte ein wütender Rentner den mit vier Bodyguards angereisten Stuttgarter Trainer Felix Magath zu unserer Belustigung aufs Übelste. Anika und ich saßen mit Sonja und Julia auf der HT, wo wir zufällig auch auf Irmtraud und Silvana trafen. Wir hatten uns einige Zeit nicht gesehen und überraschenderweise stellte sich heraus, dass unsere beiden Wetzlarer Freundinnen sich auch für die Busreise nach Oslo angemeldet hatten und ebenfalls im Hotel übernachten würden. Die Aussicht, noch jemanden dabei zu haben, den wir kannten, erhöhte die Vorfreude auf die Fahrt noch zusätzlich. Einen guten Monat später sollte es dann losgehen Richtung Norwegen. Am Abend des 22. Juni traf sich die Reisegruppe am Hauptbahnhof. Dort trafen wir auch noch auf Geetha, die sich extra auf den Weg gemacht hatte, um uns Fotos mitzugeben, die wir von Jan signieren lassen sollten. Am Nachmittag hatte ich im Supermarkt noch schnell einige Dosen Red Bull eingekauft – als kleines Geschenk für Jan, denn sein Lieblingsgetränk war damals in Norwegen nicht erhältlich.
Zu den Klängen verschiedener Fan-CDs fuhren wir durch die Nacht. Ich trank Bier und versuchte vergeblich im Bus zu schlafen – keine Chance. Der Schlaf übermannte mich erst am nächsten Morgen als es schon wieder hell war und wir gerade gegen etwa fünf Uhr den Hamburger Elbtunnel durchquert hatten. Auf dem Fernseher im Bus lief derweil erst „Mad Max“, dann „Matrix“, ich bekam aber von beiden Filmen aufgrund meiner Müdigkeit nur Fragmente mit. Etwa eineinhalb Stunden später legten wir eine Frühstückspause kurz vor der dänischen Grenze ein. Eine ganze Nacht waren wir unterwegs gewesen und hatten doch erst etwa ein Drittel der Strecke geschafft. Es würde Abend werden ehe wir Oslo erreichten… Bei einem Stopp in Dänemark wurde ich unfreiwillig zum Fotomotiv für Irmtraud als ich mehr oder weniger vergeblich versuchte, mir unter dem Wasserhahn auf einer sehr spartanisch eingerichteten Autobahntoilette die Haare zu waschen. Schließlich setzte ich mir einfach eine Kappe auf. Die Fahrt ging weiter, erst über den Kleinen Belt vom dänischen Festland auf die Insel Fünen, dann über den Großen Belt von Fünen nach Seeland. Die Fahrt über diese insgesamt runde sechs Kilometer lange Brücke war großartig, wir hatten tolles Wetter, links von uns war die Küste zu sehen, rechts nichts als das Meer. Übertroffen wurde diese Überfahrt allerdings wenig später von der Überquerung des Öresunds zwischen Dänemark und Schweden über die seit gerade mal einem knappen Jahr fertiggestellte Öresund-Brücke, die Kopenhagen mit Malmö verbindet. Einige Mitreisende packten, sofern sie nicht gerade schliefen, ihre Fotoapparate aus, andere filmten. Und dann waren wir in Schweden, genauer gesagt in Schonen. Nach der Lektüre der meisten „Wallander“-Krimis von Henning Mankell war ich begierig darauf, die Landschaft zu sehen, in der die Romane spielten. Und ich wurde nicht enttäuscht, denn Schonen präsentierte sich von seiner schönsten Seite. Wir machten Rast bei Malmö, einige Fans nutzten den Stopp für ein kleines Fußballspiel auf dem Parkplatz. Dann wurden große Pappkartons aus den Laderäumen der Busse geholt und die darin befindlichen Oslo-Tour-T-Shirts verteilt. Die meisten zogen ihre Shirts gleich an und so größtenteils einheitlich gekleidet begab sich die Reisegesellschaft zwecks Fortsetzung der Fahrt zurück in die Busse. Wogende Wiesen und noch grüne Kornfelder am Meer zogen vorbei, kleine rote Holzhäuser inmitten von blühenden Rapsfeldern. Eine Idylle wie in den Büchern von Astrid Lindgren. Später wurde die Landschaft etwas rauer, hügeliger und Wälder lösten die Wiesen und Felder ab. Wir unterhielten uns mit einem mitreisenden Paar, Dirk und Daniela von der Fanabteilung, mittlerweile übrigens verheiratet und seit diesem Jahr Eltern eines Sohnes. Dirk hatte ein Walkie-Talkie dabei und kommunizierte auf diese Weise mit Ralf im anderen Bus, wenn es um Zwischenstopps usw. ging. Am späten Nachmittag machten wir noch einmal Rast auf einem LKW-Parkplatz bei Göteborg und vertraten uns die Beine. Mittlerweile wurden die Knöchel vom langen Sitzen dick und um dem entgegen zu wirken, rannten wir einige Runden um den Bus. Gegen 19 Uhr erreichten wir die schwedisch-norwegische Grenze, fuhren über eine Brücke, die einen idyllischen Fluss in einer Waldlandschaft überspannte und waren im Heimatland unseres Kultstürmers angekommen. Meine Sorge, dass unser Bus kontrolliert werden und es Probleme wegen der mitgenommenen Alkoholmengen geben könne (Norwegen ist ja bekanntlich kein EU-Mitglied) erwiesen sich als völlig unbegründet: Der Grenzposten am anderen Ende der Brücke war gar nicht besetzt! Weiter ging die Fahrt an einem schönen Sommerabend in Richtung Oslo. Anika und ich tranken einen Schnaps auf das Erreichen Norwegens. Gegen 21 Uhr hielten die Busse dann auf dem Campingplatz vor den Toren der Hauptstadt und der größte Teil der Mitreisenden machte sich daran, Reisetaschen, Zelte und Schlafsäcke aus den Laderäumen zu holen und mit dem Aufbau der Zelte zu beginnen. Der eine Bus blieb dann auch gleich auf dem Campingplatz, der zweite setzte, nur noch spärlich besetzt, die Fahrt in die Stadt fort. Der Oslo-Fjord bot in der tief stehenden Abendsonne atemberaubend schöne Fotomotive. Nach einiger Zeit der Suche fand der Busfahrer dann schließlich auch unser relativ zentral gelegenes Hotel „Norrøna“. Das Einchecken verlief völlig ohne Probleme, da die netten Damen an der Rezeption fast akzentfrei Deutsch sprachen. Etwas unangenehm war mir das aber schon, da ich die Sorte Touristen grässlich finde, die im Ausland immer gleich auf deutsch losplappert. Ein bisschen anstrengen sollte man sich schon… Wir trafen im Foyer noch auf das kleine Grüppchen der „Flieger“, das bereits gegen Mittag angekommen war und verabredeten mit Irmtraud und Silvana, uns gegen 22 Uhr zu treffen um uns zumindest kurz auf den Weg in die Stadt zu machen. Frisch geduscht und umgezogen zogen wir dann zu viert los. Es war Mittsommer und ganz Oslo war offensichtlich auf den Beinen. Die Sonne war zwar untergegangen, aber es wurde die ganze Nacht nicht richtig dunkel, bestenfalls dämmerig. Ich fand es großartig! Wir statteten dem königlichen Schloss einen kurzen Besuch ab und begaben uns dann zum Hafen wo eine Band spielte und Partystimmung herrschte. Dort gelangten wir schnell zu der Erkenntnis, dass die Norweger, sowohl Männlein als auch Weiblein, ein ziemlich attraktives Volk sind. Auf einen kurzen Imbiss bei McDonald’s folgte der Rückweg zum Hotel – wir waren einfach völlig platt von der langen Fahrt. Ich schlief gegen Mitternacht mit einer halbvollen Dose Bier in der Hand auf dem Bett in unserem Zimmer ein… Am nächsten Morgen waren die Strapazen der Anreise vergessen – Oslo rief! Nach dem Frühstück machten wir uns zu viert auf den Weg in die Stadt, gingen die Karl Johan Gate hinauf in Richtung Schloss und spazierten durch den Park. Wir liefen durch die Straßen und bewunderten die vielen schönen Gebäude im Stile der Gründerzeit. Am Hafen hätten wir am liebsten eine Rundfahrt mit dem Schiff auf dem Oslo-Fjord gemacht, doch dazu reichte die Zeit leider nicht. So gingen wir schließlich rechtzeitig zum Hotel zurück und zogen uns um – Bluse aus, Shorts und Eintracht-Trikot an. Um 13 Uhr holte uns der Bus ab und wir starteten zunächst zum Campingplatz und dann Richtung Bekkestua, der Heimat von Stabaek IF. Das Wetter war großartig, als wir an den Ufern des Oslo-Fjordes entlangfuhren und schließlich nach etwa einer halben Stunde unser Ziel erreichten. Der Bus setzte uns auf einem Parkplatz neben Stabaeks Trainingsgelände ab und wir machten uns mit Sack und Pack, Fahnen, Transparenten und Schals auf den Weg zum Sportplatz. Dort sollte ein Freundschaftsspiel zwischen Eintracht- und Stabaek-Anhängern stattfinden. Die Norweger schienen das Ganze irgendwie ernster zu nehmen als die Frankfurter, denn sie traten in voller Montur mit Vereinstrikot, Schienbeinschonern und in Fußballschuhen an, während die Eintracht-Fans größtenteils normale Turnschuhe trugen und anstelle von Trikots schwarze T-Shirts, auf deren Rückseite „Alles außer Frankfurt ist scheiße“ auf norwegisch geschrieben stand. Was beim Gegner übrigens herzliches Lachen auslöste. Während also auf dem Kunstrasenplatz gekickt wurde, machte es sich der größte Teil der Frankfurter im Gras bequem. Wir breiteten unsere Banner und Schals aus, zogen die Schuhe aus und ließen uns auf der Wiese nieder. Irgendjemand hatte Bier in einer Kühlbox dabei und damit ließ es sich in der Sonne gut aushalten. Ich schaute mich um, sah Birken, dazu viele Holzhäuser in hellen Farben – es sah fast aus wie bei den Kindern von Bullerbü. Nach dem Freundschaftskick, den die Norweger für sich entschieden (später stellte sich heraus, dass ihre Mannschaft mit Stabaeks Amateuren verstärkt worden war), wurde ein Gruppenbild geschossen und dann machten wir uns zu Fuß auf den Weg in den Ort zu McDonald’s. Am frühen Abend saßen wir direkt vor dem Kabineneingang des Nadderud-Stadions und ich fand es bemerkenswert, dass die Spieler, völlig unbehelligt von Journalisten, Fans etc. einfach mit ihren Autos vor dem Stadion halten und in die Kabine marschieren konnten. Ordner waren auch kaum zu sehen. Das war Norwegens erste Liga und das Spiel war die Topbegegnung des Tages, aber dennoch war alles mindestens zwei Nummern kleiner als in der Bundesliga. Zwischen Deutschen und Norwegern hatten bereits die ersten Trikot- und Schaltauschs stattgefunden, als etwa zwei Stunden vor Spielbeginn schließlich unser Held vom Parkplatz zum Stadion hinübergeschlendert kam. Jan-Aage Fjörtoft stand braungebrannt, in Shorts und T-Shirt und bester Dinge vor uns und wechselte einige Worte mit seinen Fans, ehe er im Kabinengang verschwand. Die Eintrittskarten wurden verteilt und wir machten uns nach und nach auf den Weg ins Stadion. Uns war ein Block auf der Gegentribüne zugewiesen worden – direkt neben der Gästekurve mit den Rosenborg-Fans. Banner und Fahnen wurden entrollt und ein norwegisches TV-Team interviewte einige Eintracht-Anhänger. Zwei Ultras hinter mir diskutierten inzwischen darüber, ob die zum TV-Team gehörende Dame in der knallengen weißen Stretch-Hose darunter Unterwäsche trug oder nicht… Während seine Kollegen sich auf dem Platz aufwärmten, wurde auch Jan interviewt, und das genau vor unserem Block. Leider wurden die Fotos davon überhaupt nichts, es fing an zu regnen, ich hatte einen nicht besonders lichtempfindlichen Film in meiner Kamera und so wurden die meisten Bilder aus dem Stadion ziemlich dunkel… Um 20:05 Uhr wurde die Partie angepfiffen und wir begannen mit unserem Support für Stabaek, das gegen Trondheim ganz klarer Außenseiter war. Vielleicht würden wir ja etwas bewegen können… Ralf Geiselgangster übernahm die Rolle von Martin Stein – und das ohne Megaphon. Gabi platzierte sich derweil mit ihrer Videokamera am Spielfeldrand und filmte den Eintracht-Block. Die Frankfurter Fangesänge wurden teilweise sehr kreativ umgedichtet. Begann es noch mit „Stabaek und die SGE“, so sangen wir bald „Alles außer Stabaek ist scheiße“, „Hurra, der ganze Fjord ist da“, „Wer nicht hüpft, der ist Trondheimer“ und beschimpften die Gegner schließlich als „arbeitslose Robbenschlächter“. Die Trondheimer wiederum bepöbelten unseren Jan-Aage, um uns zu ärgern. An den Verlauf des Spiels kann ich mich nicht mehr erinnern, dafür umso mehr an die großartige Stimmung. Und kurz vor Ende der ersten Halbzeit fiel der Führungstreffer für Stabaek IF. In der Pause baten uns die Stabaek-Fans, doch bitte den Spieler mit der Rückennummer 5 von Rosenborg auszupfeifen. Der hatte offenbar kurz zuvor noch für Stabaek gespielt und dem Verein ewige Treue geschworen, nur um dann wenig später nach Trondheim zu wechseln. Unsere Pfiffe und Buh-Rufe blieben nicht ohne Folge. Hatte der Kerl in der ersten Hälfte noch ein passables Spiel abgeliefert, so gelang ihm nach der Pause nichts mehr. Wenige Minuten nach Beginn der zweiten Halbzeit fielen kurz hintereinander zwei weitere Treffer für Stabaek. 3:0 gegen das übermächtige Trondheim! Etwa zwanzig Minuten vor Spielende hatten dann auch unsere „Fjörtoft“-Rufe Erfolg, der Trainer hatte ein Einsehen und schickte Jan-Aage auf den Platz. Und der wurde natürlich für den Rest des Spieles kräftig von uns gefeiert! Ralf sorgte für allgemeine Erheiterung bei den Eintracht-Fans, als er bei der Humba glatt das „B“ vergaß. Der ganze Block skandierte erst „Huma, Huma“ und dann „Humba mit B!“ Nach dem Spiel hatten eigentlich einige Eintracht-Fans den Platz stürmen und Jan sämtliche Klamotten vom Leibe reißen wollen… - man begnügte sich dann aber doch mit Fahnenschwenken. Dank des Regens waren wir schön durchnässt und so begaben Anika und ich uns erstmal zum Bus, wo wir uns umzogen – Trikot aus, Tour-T-Shirt an. Dann ging es weiter zur Stabaek-Fankneipe „Onkel Blaa“ und dort feierten alle gemeinsam den Sieg, weitere Schals und Trikots wurden getauscht und deutsch-norwegische Kontakte geknüpft. Zum Glück hatte es aufgehört zu regnen, so dass sich die zahlreichen Fans an Tischen vor der Kneipe niederlassen konnten. Anika und ich betraten die Gaststätte, deren Wände mit zahlreichen Fanartikeln geschmückt waren und bestellten uns erstmal jede ein großes Bier. Aus der Stereoanlage dröhnte der damalige schwedische Beitrag zum Grand Prix, eine Gruppe namens „Friends“ mit „Listen to your heartbeat“. Noch heute verstehe ich nicht, wieso dieser Song – damals Favorit – nicht gewonnen hat, das war typischer ABBA-ähnlicher Schweden-Grand-Prix-Pop und ein richtiger Ohrwurm. Und immer wenn ich diesen Song höre, muss ich an jenen Abend in Norwegen denken… Etwa eine halbe Stunde nach unserer Ankunft im „Onkel Blaa“ tauchte Jan auf, frisch geduscht, in einem EFC-Fjörtoft-Polohemd und mit einem dicken Stapel Autogrammkarten in der Hand. Er kletterte vor dem Lokal auf eine Bank und sofort scharten sich zahlreiche Fans um ihn. Jan hielt eine kleine Ansprache, zunächst auf norwegisch, dann auf deutsch. Er war sichtlich glücklich und auch gerührt, dass wir alle wegen ihm angereist waren und erzählte, er habe schon Angst um uns gehabt als er gehört habe, dass ein Reisebus in Norwegen verunglückt sei. Es stellte sich dann aber heraus, dass dieser Unfall im Norden des Landes passiert war. Anika und ich standen nicht in der Menschentraube um Jan, sondern einige Meter entfernt und als Jan von der Bank kletterte und in Richtung Lokal ging, kam er auf uns zu und begrüßte uns beide nacheinander mit Küsschen auf die Wange. Ich habe es in dem Moment nicht gesehen, aber Anika erzählte mir später, dass einem norwegischen Fan, der direkt daneben stand, fast die Kinnlade heruntergefallen wäre… Ein anderer Fan zog sich den Zorn unserer lieben Irmtraud zu, ein etwas älterer Mann mit langem Rauschebart, in dessen Gesicht einige Ultras eine gewisse Ähnlichkeit mit Martin Stein zu erkennen glaubten. Er kam kopfschüttelnd auf uns zu und meinte: „Fjörtoft? He isn’t good! He’s a nice guy but he isn’t good.“ Irmtraud wandte sich aufgebracht ab und erklärte, diesem „unmöglichen Menschen“ keine Sekunde länger zuhören zu wollen. Jan ließ sich – umringt von seinen Anhängern – an einem Tisch vor der Kneipe nieder und begann, fleißig Autogramme zu schreiben. Anika und ich, sowie einige andere überreichten ihm einige Dosen Red Bull, von denen er sogleich eine öffnete. T-Shirts wurden signiert, Tourplakate, Schals, Fotos… Einige ließen sich sogar die Biergläser unterschreiben und einer sackte die leere Red-Bull-Dose als Souvenir ein. Während er Autogramme schrieb, hielt Jan fröhlich Small-Talk mit den Fans und erzählte beispielsweise, dass, nachdem Anfang des Jahres Sportdirektor Dohmen Magath abgelöst hatte, Horst Heldt und Torsten Kracht die Mannschaftsaufstellung festgelegt (und deswegen auch immer gespielt) hätten, da Dohmen von solchen Dingen wenig Ahnung gehabt hätte. Typisch Eintracht… Später setzte sich Jan zu uns an einen Tisch etwas abseits, wir überreichten noch ein kleines Geschenk, entrollten dann die mitgebrachten Fotos, die wir unterschreiben lassen wollten und wechselten einige Worte. Lange blieben wir aber nicht ungestört, bald gesellten sich weitere Fans dazu. Jan-Aage war an dem Abend vermutlich so gefragt wie sonst nie in Bekkestua… Später machten wir noch Fotos und dann verabschiedete er sich irgendwann, vielleicht gegen eins. Jemand von den Stabaek-Fans schleppte eine große Kiste voller T-Shirts für uns an, auf deren Rückseite der Siegeszug des Vereins, der es in wenigen Jahren von der siebten in die erste Liga geschafft hatte, nachgelesen werden konnte. Gegen halb zwei stiegen wir in unseren Bus, in dem plötzlich vorne neben dem Fahrer zwei angeheiterte Stabaek-Fans standen, die am liebsten mitgefahren wären. Und nachdem sie „Wir hassen Offenbach!“ gesungen hatten, hätten wir sie auch fast mitgenommen… Nachdem die „Camper“ abgesetzt worden waren, ging es in Richtung Stadt. Der Himmel war – nachts um zwei! – lediglich dämmerig und trug noch das gelb und rosa des Sonnenuntergangs. Oder war das schon der Sonnenaufgang? Am nächsten Morgen wurden nach dem Frühstück noch schnell Postkarten abgeschickt und am Kiosk nebenan erstanden wir je eine Ausgabe von „Dagbladet“, „VG“ und „Aftenposten“, in deren Sportteilen teilweise sehr ausführlich über das Spiel und unsere Anwesenheit berichtet wurde. „König Fjörtoft“ lautete die Schlagzeile über einem Foto von Jan, der vor dem „Onkel Blaa“ gefeiert wurde. Dann wurde im Supermarkt gegenüber noch schnell Proviant eingekauft, gegen Mittag bestiegen wir den Bus und starteten leider schon wieder in Richtung Heimat. Diese sollten wir allerdings erst mehr als 24 Stunden später erreichen. Für den Abend war noch der Besuch eines Spiels der schwedischen Liga geplant, Helsingborg gegen Örebro SK, da einige Mitreisende noch einen Länderpunkt aus Schweden mitnehmen wollten. Gabi informierte uns darüber, dass die deutsche Polizei „netterweise“ ihren schwedischen Kollegen von unserem Kommen berichtet hätte und scheinbar hielt man unsere Reisegruppe für gefährliche Hooligans. Dies wiederum hatten offenbar schwedische Hooligans mitbekommen, die nun auf eine Schlägerei mit den Eintracht-Fans spekulierten. Unsere Gruppe sprach sich einstimmig dafür aus, Helsingborg trotzdem anzufahren. Wir erreichten die Stadt am frühen Abend und wurden tatsächlich von einigen Polizisten auf Motorrädern zum Stadion eskortiert. Dort angekommen teilte sich die Gruppe, denn eine nicht unerhebliche Anzahl Fans wollte lieber Pizza essen gehen. Einige Straßen weiter entdeckten wir dann auch eine nette kleine Pizzeria, die auch recht moderate Preise hatte. Zum Glück hatten wir nicht nur norwegische, sondern auch schwedische Kronen dabei! Nach dem Essen und dem Ende des Spiels ging es weiter Richtung Heimat. Dirk und Dani teilten eine Flasche Weißwein mit uns, ein paar Dosen Bier hatten wir auch noch übrig. Bald wurde auch bei uns im vorderen Teil des Busses die Stimmung ausgelassener, was unsere Busfahrer mit einem abfälligen „Jetzt geht’s hier vorne auch noch los!“ kommentierten… Am späten Abend überquerten wir den Öresund und ließen Schweden hinter uns. Nachts liefen verschiedene Fanvideos, u.a. vom Freundschaftsspiel in Darmstadt zwei Monate zuvor auf dem buseigenen Fernseher. Kaum hatten wir die dänisch-deutsche Grenze überquert, wurde eine „Frühstückspause“ eingelegt. Nachts um drei!!! Und tatsächlich ließen sich einige Mitreisende in der Raststätte nieder, um Gulaschsuppe und Schnitzel mit Pommes zu futtern… Die Frühstückspause wäre morgens um sieben passender gewesen, aber da stoppten wir nur fünf Minuten. Wenigstens einen Kaffee holten wir uns und als den, gerade als die Busse weiterfahren sollten, ein Mitreisender in unserer Hand erblickte, machte er kehrt und lief zurück zur Raststätte. Fast wären wir ohne ihn abgefahren und er musste mit Kaffee und Currywurst (!) noch einen Sprint hinter dem Bus her einlegen. Gegen zehn Uhr erreichten wir Rotenburg an der Fulda, jenes idyllische Örtchen, das später durch die kannibalistischen Neigungen eines gewissen Armin Meiwes noch einige Berühmtheit erlangen sollte. Dort hielt sich unsere Eintracht mit ihrem neuen Trainer Martin Andermatt im Trainingslager auf und wir machten es uns am Rande des landschaftlich schön gelegenen Sportplatzes gemütlich, um das Training zu verfolgen. Wir waren alle ziemlich übermüdet und müssen auf die Spieler nicht gerade den wohlgesonnensten Eindruck gemacht haben. In seinem Sommerpausen-Tagebuch im Saisonjournal (ein Eintracht-Jahrbuch gab es damals noch nicht) schilderte Jens Rasiejewski jedenfalls später die Stimmung als „angespannt“. So schlecht habe ich sie gar nicht in Erinnerung. Wir unterhielten uns im Anschluss an das Training noch mit einigen Spielern und mit dem damaligen Pressesprecher Günther-Peter Ploog, der uns auch von unseren Trainingsbesuchen her kannte. Derweil machten Gerüchte die Runde, in denen es hieß, dass unsere Busfahrer sich weigerten, die Fahrt fortzusetzen, da sie nun ihre vorgeschriebene Ruhepause einlegen müssten. Alle Angst, vor dem Abend nicht aus Rotenburg wegzukommen, erwies sich dann aber doch als unbegründet. Wir fuhren weiter in Richtung FFM, standen an der Messe noch fast eine Stunde im Stau und erreichten schließlich gegen halb drei am Dienstagnachmittag den Hauptbahnhof. Kine_EFC_Frieda ist Christine Moje aus Bad Soden und
Eintracht-Fan seit 1999. |
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