23.03.2007

Vom Großvater bis in den Ruhrpott!

Wenn man als kleiner Junge in eine Familie geboren (1973) wird, in der Fußball keine Rolle spielt, ist es mitunter ein etwas längerer Weg bis man „seine“ große Vereinsliebe findet. Keine samstäglichen Stadionbesuche mit dem Vater, kein schwarz-roter Strampler und schon gar kein Eintracht Aufkleber (damals gerade die neue „fette Henne“) am Auto. Es war eigentlich klar, dass auch ich nicht viel zu tun haben würde mit Fußball. Schon gar nicht mit dem aus Frankfurt. Denn Frankfurt - so viel war für mich als kleiner Junge klar - ist viel zu weit weg (immerhin 25 Km), als dass ich zu dieser Stadt oder besser zu diesem Verein ein Gefühl entwickeln könnte. Wie sollte ich mich nur irren...

Aber, auch wenn die eigenen Eltern und Geschwister nun mal gar nichts mit Fußball anfangen konnten, es gab ja noch meinen Großvater. Ein Vertreter der strengen, aber lieben Sorte. Für ihn gab es einige Gesetze, die es immer zu beachten galt. Unter anderem war ihm seine samstägliche Bundesligakonferenz im Radio heilig. Da meine Großeltern in der Nähe von Aachen wohnten, konnten wir sie nur am Wochenende besuchen... und richtig, zwischen 15.30 und 17.30 Uhr war absolute Ruhe angesagt. Mein Großvater fieberte vor seinem Radio mit seinen Fohlen aus Gladbach und ich war als einziger überhaupt halbwegs Fußballverständiger in seiner Nähe geduldet... Und so erinnere ich mich, dass ich immer den Club aus Frankfurt - später sollte ich sagen: „meine Eintracht“ - gegen seine Gladbacher und den Rest der Bundesliga verteidigte. So hat an diesen Samstagen im Wohnzimmer meiner Großeltern wohl meine Fangeschichte begonnen, ohne dass ich es richtig mitbekam. Opa sei Dank!

Die Jahre als Jugendlicher gingen ins Land. Ich verfolgte in den 1980ern die Eintracht immer über die Presse und gewöhnte mir auch das samstägliche Mitfiebern am Radio an. Namen wie Falkenmayer, Körbel, Gundelach, Pahl, Berthold und Svensson stellen für mich die ersten Erinnerungen dar. Wie für die meisten von uns, stellte sich für mich die Entwicklung der späten 1980er und frühen 1990er Jahre einfach nur phänomenal dar. Ich konnte zu dieser Zeit meinen ersten Stadionbesuch und Heimsieg (mit einem Nachbarn, gegen Bayer 05 Uerdingen - ich meine, es war 1990) feiern. Und wurde nun schon relativ interessiert Zeuge davon, wie eine spielerisch große Mannschaft zu wachsen begann. Yeboah, Bein, Weber, Stein (natürlich Charly und auch schon Zico) waren auf dem Weg etwas ganz Großes zu schaffen. Bis, ja, bis der Nachmittag kam, an dem ich vor dem Radio und dem TV (Premiere verschlüsselt als Schneesturm... im Nachhinein weiß ich, dass es so besser war) den bittersten Moment meiner jungen Eintrachtliebe erleben sollte. Kein weiteres Wort darüber. Es ist unfassbar wie es heute noch schmerzt... und das zeigt mir nach all den Jahren, dass es mit diesem Verein und mir etwas Besonderes sein muss.

Mittlerweile war ich 18 und hatte auch einen Führerschein, d.h. der eine oder andere Stadionbesuch war drin. Meistens stand ich in Block L und Umgebung. Ich erlebte an den Stadionsamstagen einen Okocha, Gaudino, Doll und Köpke.

Unfassbar und einfach nicht nachvollziehbar war der erste Abstieg und machte mir deutlich, dass die Eintracht, in deren Geschichte ein Abstieg nie vorgesehen zu sein schien, plötzlich ein ganz verletzlicher Verein wurde.

Meine Eintracht. Sie wurde gedemütigt und ausgenommen. Sie wurde vorgeführt wie ein exotisches Tier im Zirkus. Sie sollte ja nur mal eben die Menschen unterhalten und denen Geld bringen, die an ihr verdienen konnten. Für mich verlor die Eintracht in diesen Tagen ihr Lächeln.

Es folgten die wohl schwierigsten Zeiten meines Fanlebens, in der Twilightzone zwischen 1. und 2. Liga. Immer noch konnte ich mich mit dem Gedanken an das Mittelmaß nicht anfreunden... Es passte einfach nicht.
Bis zu diesem heissen Tag im Mai 1999. Eine ganz besondere, unfassbare Magie legte sich über das brütend heiße Stadion. Ich empfand diesen Nachmittag (auch Block L) wie eine Explosion. Es war nicht nur dieses eine letzte Tor. Es war die ganze Unglaublichkeit des Ablaufs, die mir noch heute eine Gänsehaut beschert. In diesen Minuten wurde mir endgültig klar, dass dieser Verein mit seiner ungewöhnlichen Kraft etwas ganz Besonderes ist.

Die Eintracht lebt selbst dann, wenn es keine Luft zum Atmen mehr gibt.

Diese Erkenntnis sollte sich nun wie ein roter Faden durch die Jahre ziehen. Sei es die Lizenzierung, das Reutlingenspiel oder aber einfach nur triste, regnerische Zweitligamomente. All das konnte das unerschütterliche Gefühl nicht mehr vertreiben: Diese Eintracht schreibt Geschichte in jeder einzelnen Saison.

Mein Leben wollte es dann, dass ich ins Ruhrgebiet zog. 1997 begann ich hier als leidender „2.-Ligist“ mein Studium. Um mich herum nur blau-weiß-schwarz-gelb. Nun war wieder die Zeit des Radios gekommen. Ich verfolgte meine Eintracht gebannt wie im Stadion, später dann auch am Live-Ticker.

Anfangs wurde ich hier nur belächelt, wenn ich glühend von meiner Eintracht erzählte. Mitleidiges Kopfschütteln oder - manchmal noch schlimmer - aufmunternde Worte wurden mir gegenüber geäußert. Also nahm ich sie an, die große Herausforderung. Wenn die Eintracht schon nicht in die Herzen der Pottbewohner kommen konnte, so musste sie in ihre Köpfe, und mit ihr die Erkenntnis, dass es für mich niemals Schalke oder den BVB geben würde. Der Kampf mit den Windmühlen dauert an bis zu heutigen Tag. Das mitleidige Kopfschütteln kommt allerdings nicht mehr vor. Denn auch wenn sie fußballerisch hier nicht gerade die beste Auswahl haben, eines verstehen die Menschen im Pott: Was es heißt, Fan zu sein. Und zwar mit allem, was man hat.

Heute kennen meine Kollegen und Freunde hier die Namen der Spieler meiner Mannschaft; sie kommen zu mir nach Hause und feiern mit mir den Derbysieg, und vor allem haben sie begriffen dass sie etwas Besonderes sein muss, meine „Diva“.

Sie werden allerdings nie spüren wie es ist, mit den Adlern zu fliegen!

Der Autor „hobee“ heißt Bernhard Holle, wohnt derzeit in Witten,
und ist Eintrachtfan seit den frühen 1980er Jahren.

 

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