13.03.2006 Die Lederhüte oder manchmal kommen sie wieder In der Blüte meiner Jugend - so in den mittleren Siebzigern - hatte ich mein festes zweiwöchiges Samstagsritual. Nachdem ich meine - damals noch langen - Haare ordentlich gekämmt hatte, kletterte ich in meine Plateausohlenschuhe, zog meinen von der Mama selbstgestrickten Eintrachtschal an und taperte zu Straßenbahnlinie 15 Richtung Stadion. Dort angekommen, kaufte ich mir für drei DM eine Stehplatzkarte für Schüler und begab mich in den L-Block des Waldstadions. Im Gegensatz zum G-Block, in den ich mich damals noch nicht richtig traute, war hier ein völlig anderes Publikum. Hier waren eher "anständige", mittelalte Männer, meist mit Lederhüten auf dem Kopf. Doch - Oh Wunder - regelmäßig zwanzig Minuten nach Spielbeginn mutierten diese so ruhigen und anständigen Bürger zu regelrechten Furien mit Wut verzerrten Gesichtern unter ihren Lederhüten. Damals habe ich zum ersten Mal meinen Wortschatz in deutscher Sprache kräftig erweitern können. Die Wut richtete sich aber nicht gegen die gegnerische Mannschaft, nein. Egal, wie meine heißgeliebte Eintracht spielte – alles, aber auch wirklich alles - war Scheiße. Es gab nichts, was die damaligen Pflaumen und Schlappekicker namens Grabi, Holz, Rohrbach, Trinklein, Weidle und wie die weiteren Versager alle hießen, nicht hätten besser machen können. Insgeheim fragte ich mich, warum die eigentlich überhaupt zum Fußball gingen. Ich traute mich damals nicht, irgendwas zu sagen: ich war erst 12 oder 13 Jahre. Später zog ich dann auf die Gegentribüne Block 28, Reihe 14, Sitz 11. Hier ließ es sich in den Achtzigern und vor allem in den Neunzigern sehr gut aushalten. Die Männer mit den Lederhüten traten hier nur vereinzelt auf. Auch wenn mir noch sehr deutlich in den Ohren klingt, das diese Schönspieler oder Blindschleichen um Bein, Gründel, Yeboah, Okocha usw. alles Flachpfeifen und Vollpfosten seien. Gut, man hatte gerade ein Heimspiel gegen Bochum mit 0:1 verloren. Aber ich verstand nicht, warum dieses Gemotze da war. Das Team spielte wunderbaren Fußball und ich war zufrieden. Ich bin halt ein einfaches Gemüt. Meine Freunde mit den Lederhüten natürlich nicht, aber wie gesagt, es wurden weniger, man konnte es aushalten. '96 kam der Crash, es hatte sich vorher bereits angedeutet. Scheißegal – Eintracht, mein Verein - das erste Zweitligaspiel meines Lebens stand an. Ich war echt geplättet. Riesenstimmung im Stadion, die Fans standen hinter der Mannschaft. Und die Lederhüte? Die waren weg. Wo waren sie hin? All die typischen Frankfurter Schläächtschwätzer: „gone with the wind“. Die Dämonen meiner Jugend waren weg. Nun es folgten bewegte Jahre. Ein wahres Stahlbad für jeden Eintracht Fan. Ich hatte mir mittlerweile eine andere Sicht auf den Fußball zugelegt. Weg vom Tagesgeschehen, mehr so eine meditative Sicht der Dinge, wenn ihr versteht, was ich meine. Gestern besuchte ich dann wieder einmal die virtuelle Gegentribüne im Eintrachtforum namens Spiel-Thread. Und da waren sie wieder. Die Dämonen waren zurück. Sie sahen anders aus als früher. Sie hatten keine Lederhüte mehr. Sie waren, glaube ich, auch jünger als früher; ich war mir da nicht sicher. Aber mich konnte man nicht täuschen. Ich erkannte sie an ihren Sprüchen. Manchmal kommen sie wieder. Autor HeinzGründel alias Uli Haase wohnt in Frankfurt
und ist „klar denkend“, also Eintracht-Fan, seit 1974.
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