SpVgg Greuther Fürth
- Eintracht Frankfurt |
2. Bundesliga 2011/2012 - 1. Spieltag
2:3 (2:0)
Termin: 15.07.2011, 20:30 Uhr
Zuschauer: 14.200
Schiedsrichter: Manuel Gräfe (Berlin)
Tore: 1:0 Nöthe (20.), 2:0 Nöthe (44.), 2:1 Alexander Meier (56.), 2:2 Alexander Meier (64.), 2:3 Karim Matmour (89.)
SpVgg Greuther Fürth |
Eintracht Frankfurt |
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Befreiungsschlag nach holprigem Start “Okay, wir wären auch der Topfavorit, wenn wir gar keine Innenverteidigung hätten. Das wissen wir, dieser Aufgabe stellen wir uns, das macht es auch reizvoll. Wir werden nicht verkrampfen“, meint Armin Veh verschmitzt vor dem Saisonstart der Zweiten Liga. Das Ziel ist eindeutig, denn nicht nur bei Buchmachern, Trainern und den Medien gilt die Eintracht als Aufstiegskandidat Nr. 1, auch in Frankfurt ist das “Unternehmen Wiederaufstieg“ Pflicht. “Die Strukturen des Vereins sind nach wie vor auf die Erste Liga ausgerichtet. Der Wiederaufstieg ist unser klares Ziel. Das sieht man am Etat und daran, dass wir einen Erstliga-Trainer geholt haben“, bestätigt Heribert Bruchhagen. Sorge bereitet dem Trainer indes immer noch die Abwehr um Russ und Neuzugang Gordon Schildenfeld, die in den letzten Testspielen zu wenig gefordert wurde. Zwar kommt als vorerst letzter Neuzugang noch der 24-jährige Verteidiger Dominik Schmidt, der sich mit Werder Bremen nach monatelangem Hin und Her nicht auf eine Vertragsverlängerung einigen konnte, doch ist er lediglich als Ersatz für die Stammkräfte in der Außenverteidigung gedacht. Dennoch ist die Ausgangslage für das erste Auswärtsspiel beim Tabellenvierten der Vorsaison klar, erklärt Armin Veh: “Die Fürther werden zwar früh kommen, denn sie haben dasselbe Ziel wie wir: Aufzusteigen. Aber wir wollen gewinnen, ein Sieg wäre natürlich sehr gut fürs Selbstvertrauen.“ Beginnen wird der Trainer mit fünf neuen Spielern. Vor Torhüter Kessler, dem Veh das Vertrauen ausgesprochen hat, bilden Jung, Russ, Schildenfeld und der 24-jährige Ivorer Constant Djakpa auf der linken Seite die Abwehr, vor der Kapitän Schwegler sowie Rode und Neuzugang Matthias Lehmann auf den Halbpositionen spielen. Wie in den letzten Testspielen besetzen Caio und Meier die Außenbahnen hinter Stürmer Erwin “Jimmy“ Hoffer, der den Vorzug vor Gekas erhalten hat. Leichte Euphorie herrscht auch bei den Mittelfranken, denn es ist ihnen gelungen, ihre Mannschaft mit der besten Zweitliga-Abwehr weitgehend zusammen zu halten. “Diesen Zustand hatten wir noch nie. Wir alle glauben daran, dass etwas ganz Großes passieren wird“, meint Geschäftsführer Hack und auch Trainer Mike Büskens ist voller Vorfreude: “Was gibt es Schöneres als ein Freitagabendspiel mit Dämmerung, unter Flutlicht und vor ausverkauftem Haus. Das ist doch richtig geil. Gegen den Top-Favoriten der Liga wollen wir den Rhythmus bestimmen, selbst agieren und dabei kompakt sein.“ Hierbei vertraut er weitgehend der Mannschaft, die in der Vorsaison lediglich zwei Heimspiele verloren hat und setzt mit Schmidtgal aus Oberhausen sowie Occean aus Oxxenbach im Sturm neben dem wiedergenesenen Nöthe lediglich zwei neue Spieler ein. Es ist ein nervöser Beginn im ausverkauften Stadion Ronhof, viele Zweikämpfe und Abspielfehler prägen die ersten Minuten, in denen die Eintracht ein wenig überrascht von der rustikalen Gangart im Unterhaus zu sein scheint. Fürth spielt ebenfalls ungenau, kaum einer der langen Bälle auf Occean kommt an, dazu ist das Passspiel im Mittelfeld nicht präzise genug. So ist es Russ, der nach einer Ecke von Schwegler eine erste Kopfballchance hat, aber ebenso wie Djakpa mit seinem Weitschuss eine Minute später den Ball neben den Kasten von Torhüter Grün setzt. Schnell wird es erstmals in der 14. Minute, als Rode sich nach einem schönen Zuspiel von Jung und einem Doppelpass mit Caio auf der rechten Außenbahn durchsetzt und quer auf Meier legt, der die Kugel aus 17 Metern aber weit über das Tor schlenzt. Ansonsten fehlt den Frankfurtern die Abstimmung, die Laufwege scheinen in der Mannschaft noch nicht zu stimmen, während die SpVgg immer früher angreift, geschickt verschiebt und auf Abspielfehler der Eintracht lauert. Und auch zu ihrer ersten Möglichkeit durch Schröck kommt, der Rode den Ball abnimmt, um aus gut 20 Metern abzuziehen. Aber Kessler kann den Aufsetzer ins rechte Toreck problemlos parieren (20.). Der weite Abschlag des Frankfurter Torhüters wird postwendend nach vorne gebolzt, wo Occean den Zweikampf gegen Schwegler gewinnt, um den Ball am Mittelkreis mit der Brust zum startenden Nöthe zu verlängern. Der 23-Jährige sprintet verfolgt von Schildenfeld in den Strafraum, stoppt, um mit seinem Haken sowohl den hüftsteif wirkenden Verteidiger als auch den heraus eilenden Kessler zu narren und die Kugel im Fallen aus 15 Metern ins rechte Toreck zu schnippeln. Zum 1:0 für Greuther Fürth (20.). Sofort ziehen sich die Mittelfranken zurück, um auf Konter zu lauern. So nach einem Ballverlust von Caio, der sich auf der rechten Seite sehr bemüht, aber oftmals glücklos agiert. Über Prib kommt der Ball zu Nöthe auf der linken Außenbahn, der ihn sofort in die Mitte zu Occean flankt, dessen Kopfball aber neben dem rechten Pfosten landet (25.). Noch immer stockt das Aufbauspiel der Eintracht ganz gewaltig. Jung wirkt mutlos und traut sich kaum einen Vorstoß zu, während Djakpa auf der linken Seite etwas zu überhastet agiert. Aber auch Lehmann, Meier und Schwegler scheinen noch nicht im Unterhaus angekommen zu sein, vieles bleibt Stückwerk und wirkt umständlich. Doch vielleicht jetzt, denn Schwegler schlenzt einen Freistoß von halblinks in den Strafraum. Torhüter Grün kommt überhastet raus und patscht die Kugel Caio vor die Füße, der sie jedoch freistehend aus zwölf Metern über die Latte lupft (32.).
Dies bleibt ein Strohfeuer, weiterhin lassen sich die Frankfurter mit ihren Einzelaktionen von den Fürthern nur zu bereitwillig den Schneid abkaufen. Es läuft bereits die 44. Spielminute, nach einem abgewehrten Freistoß der Kleeblattelf haut Fürstner das Leder vom Mittelkreis einfach mal hoch nach vorne. Schildenfeld will vor Occean klären, aber Kessler kommt vorschnell und halbherzig raus und prallt mit dem Kroaten zusammen, so dass er die Kugel nur noch nach vorne patschen kann. Genau zu Nöthe, der sie zum 2:0 ins leere Tor schiebt. “Ich nehm das Ding auf meine Kappe, das ist keine Frage. Da gehe ich zu viel Risiko, wir hatten einfach noch ein paar Abstimmungsschwierigkeiten“, meint Torhüter Kessler zerknirscht, während Armin Veh zur Pause angefressen ist: “Zwei dumme Fehler. Beim ersten Tor sind wir in Überzahl, beim zweiten behindern sich Gordon Schildenfeld und Torhüter Thomas Kessler. Aber die Abstimmung kann noch nicht hundertprozentig sein. Da haben wir noch viel Arbeit vor uns.“ Obwohl Caio nach zwei Fouls innerhalb kürzester Zeit gelb-rot-gefährdet ist und sich Lehmann sowie Hoffer noch nicht positiv zeigen konnten, vertraut der Trainer auch in der zweiten Halbzeit seiner Startmannschaft, die gleich ihr grün-weißes Wunder erlebt. Denn nach einem abgewehrten Angriff der Eintracht kommt Prib auf der linken Außenbahn an den Ball und startet an der Mittellinie einfach. Freundlich begleitet von Rode und Jung, der sich ihm nur halbherzig entgegen stellt, zieht er aus 13 Metern in halblinker Position flach ab. Der Ball fliegt an Torhüter Kessler vorbei an den rechten Innenpfosten und springt dem geschlagenen Torhüter in die Arme (46.). Glück gehabt. Sie wirken hilflos, wie paralysiert, während Fürth munter und schnell nach vorne spielt. So wie nach einer Vorteilsituation, als Kraus ans linke Strafraumeck sprinten und das Leder quer auf Schröck legen kann. Doch völlig freistehend fehlen ihm aus 15 Metern die Nerven, den Ball im Tor zu versenken (55.). Fast im direkten Gegenzug flankt Djakpa in den Strafraum, Karaslavov klärt vor Hoffer mit dem Kopf, doch genau zu Meier, der aus 17 Metern direkt mit dem Spann abzieht. Der stramme Aufsetzer landet neben dem vergeblich springenden Torhüter Grün im linken Toreck zum überraschenden 1:2-Anschlusstreffer (56.).
Welch ein Weckruf, plötzlich bestimmt die Eintracht das Geschehen auf dem Platz, während Fürth dem laufintensiven Spiel der ersten Stunde scheinbar Tribut zahlen muss. Es läuft die 64. Minute, nach einem Foul an Rode gibt es Freistoß für die Eintracht aus dem linken Halbfeld, den Schwegler hoch in den Strafraum flankt. Meier springt höher als Occean und Kleine und köpft ihn genau ins rechte Toreck. Zum 2:2-Ausgleich. Jetzt wogt das Spiel hin und her, erst haut Jung einen Schuss aus 18 Metern knapp über die Latte (67.), dann köpft Occean die Kugel nach Flanke von Schröck aus fünf Metern über das Tor (73.) und schließlich scheitern Hoffer (74.) sowie Djakpa (75.) jeweils an Torhüter Grün, während kurz zuvor Köhler für Lehmann neu ins Spiel gekommen ist. Nachdem vier Minuten später Caios direkter Freistoß aus 25 Metern hauchdünn über die Latte rauscht, reagiert Armin Veh erneut und bringt Matmour für den Brasilianer. Weiterhin bleibt das Spiel abwechslungsreich, doch nachdem sich der eingewechselte Sararer nach einem kurzen Sprint an Schildenfeld vorbei dribbeln kann und seinen Schuss knapp neben den linken Pfosten setzt (83.), sieht es kurz so aus, als ob beide Mannschaften mit dem Unentschieden zufrieden sind. Kurz darauf ist es der eingewechselte Pektürk, der nach Zuspiel von Fürstner Djakpa versetzt und abzieht. Aber zum Glück kann Russ den platzierten Schuss ins linke Toreck für seinen Torhüter blocken (88.). Sekunden später wird ein Freistoß aus der eigenen Hälfte von Meier zu Köhler verlängert, der den schläfrigen Nehrig an der Seitenlinie versetzt und die Kugel quer schiebt. Genau zum aufgerückten Meier, der die Übersicht behält und nicht abzieht, sondern den Ball quer zum rechten Strafraumeck auf Matmour passt. Der legt sich den Ball nach einem Schlenker nach innen zurecht und zieht flach ab, Schmidtgal fälscht den Schuss ab, der dadurch unhaltbar für Torhüter Grün zum 3:2 im langen Toreck landet (89.). Kurz darauf ist Schluss und die Erleichterung bei Spielern, Fans und Trainer riesengroß. Mit viel Glück holt sich die Eintracht nach einem 0:2-Rückstand den ersten Sieg im Unterhaus. Stimmen zum Spiel Armin Veh: “Wir brauchten 15 Minuten, ehe wir im Spiel waren, haben dann aber gut gespielt. Die Gegentore resultierten aus individuellen Fehlern, die uns eigentlich nicht passieren dürfen. Zudem hatten wir zu Beginn der zweiten Hälfte Glück, dass Fürth nicht das 3:0 nachlegt und wir stattdessen das Anschlusstor machen. Aber was meine Mannschaft auszeichnet, ist, dass sie nicht aufsteckt. Insgesamt haben wir sicher etwas Glück gehabt, aber auch gut gespielt.“ Heribert Bruchhagen: “Ich freue mich, dass die Spieler nach einem halben Jahr des Misserfolgs wieder mal ein Erfolgserlebnis hatten. Das war heute ein Befreiungsschlag. Nach einem 0:3 wären wir wohl nicht noch einmal zurückgekommen. Aber wir haben in 2011 oft genug den Pfosten getroffen. Da steht uns auch mal ein bisschen Glück zu.“ Alexander Meier: “Das war ein glücklicher Sieg. Denn wenn Fürth nach der Pause nicht den Pfosten getroffen hätte, sondern der Ball reingegangen wäre, wären wir untergegangen.“
Bereits in der Halbzeitpause geht es über die Ticker und nach dem Sieg in Fürth ist es klar. Für geschätzte 3 Millionen Euro wechselt Marco Russ, der seit 2004 als Profi 163 Spiele für die Eintracht absolvierte, mit sofortiger Wirkung zum VfL Wolfsburg, um einen Dreijahres-Vertrag zu unterschreiben. “Wir bedauern es sehr, Marco Russ ziehen lassen zu müssen. Er war ein wichtiger Bestandteil der Mannschaft, aber nach dem Abstieg war klar, dass auch Transfers in diese Richtung vorgenommen werden mussten“, erklärt Sportdirektor Hübner. "Es stand für mich seit einem Jahr fest, dass ich den Verein verlasse. Die letzten eineinhalb Jahre unter Michael Skibbe waren eher lau, da haben wir nicht viel gemacht. Wir waren nicht topfit, das hat man uns angemerkt. Zudem hat man im Hinterkopf, dass man sowieso spielt. Dann bringt man nicht 100 Prozent Leistung", rechnet Russ überraschend deutlich mit der Eintracht ab, die dennoch “immer ein Teil meines Lebens bleiben wird.“
Nach Wochen des Pokerns, das zuletzt auch über die Medien ausgetragen wurde, haben sich die Eintracht und Ioannis Amanatidis auf eine Auflösung seines bis 2012 laufenden Vertrages geeinigt. Nach Medieninformationen erhält der 29-Jährige eine Abfindung von rund 1,6 Millionen Euro und ist ab sofort für einen anderen Klub frei und spielberechtigt. „Ich will auf jeden Fall noch weiter spielen. Auch wenn es kein schönes Ende war, aber nach der Schlammschlacht, die die Eintracht inszeniert hat, bin ich froh, dass es jetzt vorbei ist. Über die Art der Trennung bin ich sehr enttäuscht. Ich hätte mir gewünscht, dass nach sechs Jahren mal jemand mit mir gesprochen hätte, einen Abschied mit riesengroßem Hickhack hätte ich gar nicht gewollt, ein einfaches Dankeschön hätte gereicht“, erklärt der Ex-Kapitän, der nach einem halbjährigen Gastspiel in der Saison 2003/04 seit 2005 bei der Eintracht spielte und in 140 Bundesligaspielen 42 Tore erzielte. (tr)
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