![]() |
Eintracht Frankfurt -
FC St. Pauli |
![]() |
Bundesliga 2010/2011 - 27. Spieltag
2:1 (1:1)
Termin: 19.03.2011, 15:30 Uhr
Zuschauer: 50.500
Schiedsrichter: Günter Perl (Pullach)
Tore: 1:0 Theofanis Gekas (34., Foulelfmeter), 1:1 Charles Takyi (42.), 2:1 Theofanis Gekas Gekas (77.)
Eintracht Frankfurt | FC St. Pauli |
|
|
Wechsel
|
Wechsel
|
Trainer | Trainer
|
Ein unansehnlicher Sieg schafft neue Fakten und Visionen
Fast ein Endspiel ist es auch für Holger Stanislawski, dessen Team zuletzt vier Niederlagen in Folge kassiert hat: “Wir wissen, dass es wichtig wird. Alle Klubs haben sich positioniert, jetzt geht die Bundesliga richtig los, wir müssen unseren Abwärtstrend stoppen!“ Wie schon in den letzten Spielen muss er hierfür seine komplette Abwehr verletzungsbedingt umbauen, kann dafür aber wieder auf den zuletzt gesperrten Lehmann im zentralen Mittelfeld hinter der einzigen Spitze Asamoah bauen. Wer die Spieler beim Einlaufen genau beobachtet hat, ahnt, was in den kommenden Minuten passieren wird. Die extreme Verunsicherung der Spieler hängt wie ein Nebelschleier über dem Waldstadion. Sicherheitspässe gefolgt von weiten Schlägen nach vorne, Abspielfehler und viele Missverständnisse prägen die Anfangsphase. So trifft Russ beim Versuch, einen Kurzpass im Halbfeld zu spielen, den Ball nicht richtig. Er hetzt der Kugel hinterher, aber Kruse ist schneller und sprintet im Zusammenspiel mit Lehmann in den Strafraum, um quer auf Asamoah zu passen. Doch sowohl der 32-Jährige als auch Franz verpassen, so dass Jung die Kugel am langen Pfosten wegschlagen kann (6.). Weiter versucht die Eintracht erfolglos, ins Spiel zu finden. Lediglich eine Ecke von Tzavellas, die Gekas nach Kopfballverlängerung von Amanatidis weit über die Latte setzt, sorgt so für ein kleines Raunen bei den Zuschauern (9.). Es läuft die 17. Spielminute, diesmal ist es Franz, der ein Zuspiel in der eigenen Hälfte nicht kontrollieren kann, so dass Kruse den völlig freistehenden Takyi am linken Strafraumeck bedienen kann. Der spielt quer zu Lehmann, dessen Flachschuss ins lange Eck zum Glück so schwach ist, dass Fährmann ihn trotz des nachsetzenden Asamoah parieren kann. Sieben Minuten später wird ein Freistoß von Tzavellas vor dem Strafraum von der St. Pauli-Abwehr schnell abgefangen. Der Konter läuft über Lehmann und Kruse auf der rechten Seite, der fast bis zur Torauslinie läuft und den Ball in die Mitte zu Daube spielt. Daube zieht aus 15 Metern direkt ab, Fährmann ist schnell unten, kann den Ball zwar nicht festhalten, doch Clark klärt vor dem heran rauschenden Asamoah zur Ecke. "Nach 25 Minuten hätte es auch 2:0 für St. Pauli stehen können, da hat man unsere große Verunsicherung gespürt“, meint der ratlos wirkende Michael Skibbe. Besser wird es nicht, erst nach einem kapitalen Fehlpass
von Thorandt leiten Fenin und der immerhin sehr kämpferisch wirkende
Meier einen Angriff über Jung auf der rechten Seite ein. Dessen Flanke
verlängert Gekas mit dem Kopf, doch der aufgerückte Clark bekommt
im Fallen mit der Brust keinen Druck hinter den Ball, so Zentnerlasten scheinen von den Schultern zu fallen, denn plötzlich beginnt die Eintracht zu kombinieren. So kommt endlich einmal eine Flanke von Fenin bei Gekas an, der den Ball nach seinem Passversuch postwendend wieder bekommt und abzieht. Die Kugel trudelt Richtung rechten Torpfosten, Meier drückt sie mit langem Bein über die Linie, bevor Kessler sie raus boxen kann. Doch der Linienrichter war wohl bereits beim Pausentee, denn das Tor zählt nicht (41.). Im direkten Gegenzug foult Franz Asamoah vor dem Strafraum, so dass es Freistoß für St. Pauli gibt. Takyi zieht aus 23 Metern ab, Fährmann springt nach links, aber von der Schulter des hochspringenden Tzavellas prallt das Leder ins obere rechte Toreck zum 1:1-Ausgleich (43.). Zur zweiten Halbzeit bringt Michael Skibbe Heller für den schwachen Fenin, doch die kurze Phase des Kombinierens ist wieder komplett verflogen. Einzelaktionen, kleine Nickligkeiten und tumb nach vorne geschlagene Bälle bestimmen das wirklich grausame Gekicke auf beiden Seiten. Kruses Möglichkeit in der 50. Spielminute, die von Clark und Fährmann vereitelt werden kann, sowie der vergebliche Versuch von Amanatidis, Torhüter Kessler das Leder durch die Beine zu spitzeln und der anschließende, völlig missratene Schussversuch von Meier (54.) sind die einzig erwähnenswerten Szenen. So ist es kein Wunder, dass die erste Aktion von Caio, der für Clark ins Spiel kommt (61.) ein Schuss aus dem Halbfeld ist, der nicht im Tor, sondern im Seitenaus landet (64.). Während sich St. Pauli ein wenig zurück zieht,
klappen bei der Eintracht nicht einmal mehr Kurzpässe und selbst
Einwürfe werden abgepfiffen wie sonst nur in der Kreisklasse. “Eintracht
Frankfurt agierte ohne Konzept, ohne Struktur und ohne Spielkultur. Pässe
landeten reihenweise im Aus, die Raumaufteilung glich einem willkürlich
angeordneten Gebilde, dauerhaft lange Befreiungsschläge in die Spitze
waren Ausdruck einer eigentlich fatalen Ideenlosigkeit“, schreibt
das Hamburger Abendblatt treffend, während St. Paulis Gunesch meint:
“In der zweiten Halbzeit hat sich das Spiel Jetzt bloß nicht wieder den Ausgleich kassieren, scheinen sie zu denken. Denn nicht souverän, sondern absolut verängstigt versuchen die Adler, die Führung über die Zeit zu retten, während St. Pauli mit angezogener Handbremse auf den Ausgleich drängt. So setzt sich Takyi auf der linken Seite durch und spielt vor der Abwehr locker zu Kruse, der den Ball jedoch knapp neben den rechten Pfosten setzt (81.). Schlechter noch macht es Bruns, der im Getümmel im Strafraum an das Leder kommt, doch statt zu schießen, die Kugel nach vorne kullern lässt, so dass Franz sie wegschlagen kann (85.). Nachdem Caio in der 90. Spielminute frei vor Kessler die riesige Chance zum 3:1 verschläft und der erst zur Halbzeit eingewechselte Heller kurz vor Schluss für Altintop wieder raus muss, ist endlich Schluss mit dem grausamen Schauspiel. Der erste Sieg ist vollbracht, doch nach dem Schlusspfiff ist Erleichterung, aber keine Freude spürbar. Denn für einen Befreiungsschlag war das Spiel viel zu dürftig, weiß auch Michael Skibbe: “Wir hatten Glück und Gekas. Nach dieser mäßigen Leistung werden wir noch viel Mühe und Not haben, um die für den Klassenerhalt notwendigen Punkte zu holen.“ Auch Heribert Bruchhagen sieht den Erfolg sehr kritisch: “Ich freue mich für uns alle. Aber das ganze Spiel ist nur auf Zufall ausgelegt, da gab es nur hohe Schläge. Wir stecken in einer tiefen Krise. Ich muss nun gut überlegen und mir in Ruhe durch den Kopf gehen lassen, was für Eintracht Frankfurt gut ist.“ Hierfür hat er zwei Wochen Zeit, denn erst übernächsten Sonntag geht es nach der Länderspielpause gegen die inzwischen von Felix Magath trainierten Wolfsburger weiter.
“Das ist ein Produkt ihrer Fantasie, das ist eine bösartige und falsche Unterstellung, das ist die Unwahrheit. Wer mich kennt, der müsste wissen, dass ich so nie vorgehen würde. Sollte ich mich entschieden haben, dass eine Trennung vom Trainer das Beste wäre, dann würde ich zu ihm hinfahren und mit ihm darüber sprechen“, blafft Heribert Bruchhagen die Reporter an, nachdem in einigen Zeitungen am Wochenende zu lesen war, dass für den Fall einer Niederlage eine außerplanmäßige Aufsichtsratssitzung unmittelbar nach dem Spiel geplant und ein Auflösungsvertrag mit dem seit Juni 2009 amtierenden Trainer bereits vorbereitet war. Stattdessen zieht sich Heribert Bruchhagen zurück und wird am Montag für niemanden zu sprechen sein: “Ich nehme mir das Recht heraus, jede Situation jeden Tag immer wieder neu zu bedenken. Mit Ruhe und mit Augenmaß.“ Am Dienstagmorgen ist es schließlich soweit, nach einem persönlichen Gespräch zwischen dem Vorstandschef und Michael Skibbe, dessen Vertrag erst Ende Januar bis zum 30. Juni 2012 verlängert worden war, verabschiedet sich der Trainer von der Mannschaft, um zusammen mit Heribert Bruchhagen an der Pressekonferenz teilzunehmen, in der die Freistellung des Trainergespanns Skibbe/Boekamp bekannt gegeben wird. “Ich bin mir sicher, dass Eintracht Frankfurt auch mit mir in der neuen Saison in der ersten Liga gespielt hätte“, sagt der 45-Jährige sichtlich enttäuscht zum Abschied. Doch der Vorstand sieht dies anders, berichtet Heribert Bruchhagen: “Wir haben eine total verunsicherte Mannschaft, die zuletzt nicht das Selbstbewusstsein gezeigt hat, um dem Ziel Klassenverbleib näher zu kommen“, um selbstkritisch einzuräumen: “Vielleicht war ich auch von einer Lethargie befallen, vielleicht habe ich mich auch von Spiel zu Spiel gehangelt und gedacht: Am Samstag ist wieder ein Spiel, das werden wir schon gewinnen.“
Die Agenturmeldungen überschlagen sich, im hr-Fernsehen wird es eine Live-Sendung vom ersten Training geben und Dutzende Journalisten und Kamerateams drängeln sich bei der offiziellen Vorstellung des 57-Jährigen, um seinen Worten zu lauschen und jede Regung zu kommentieren. Und der neue Trainer liefert die Show, die alle erwarten. “Visionen schaffen Fakten“, ist Daums Kernsatz, “ich will mehr halten als versprechen. Wir müssen möglichst schnell den Klassenerhalt schaffen, damit wir Planungssicherheit haben. Ich bin hochmotiviert und will meine Begeisterung, meine Fachkompetenz und meine Leidenschaft auf jeden einzelnen Spieler übertragen. Jeder in der Region soll stolz sein, wenn er über die Eintracht spricht. Und jeder Spieler soll stolz sein, das Eintracht-Trikot tragen zu dürfen.“
|