Borussia Mönchengladbach -
Eintracht Frankfurt |
Bundesliga 2006/07 - 27. Spieltag
1:1 (0:1)
Termin: Sa 31.03.2007, 15:30 Uhr
Zuschauer: 52.000
Schiedsrichter: Thorsten Kinhöfer (Herne)
Tore: 0:1 Sotirios Kyrgiakos (11.) 1:1 Federico Insua (89.)
Borussia Mönchengladbach |
Eintracht Frankfurt |
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Wechsel
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Der dritte Auswärtssieg war greifbar nah Man soll die Pferde ja bekanntlich nicht in der Mitte des Stroms wechseln. Die Gladbacher lassen ihre Fohlen deshalb lieber weiter unbehelligt flussabwärts in Richtung Abstieg traben und tauschen lieber den Reiter aus. Der Reiter ist ein im Hessenland nicht ganz unbekannter verhinderter Uhrmacher, der sich hier auch einmal mit durchschlagendem Ergebnis als Trainer versucht hat. Heynckes erinnerte sich wohl an die Worte eines anderen Vielversprechers, der sich als alter Cowboy nicht mehr in die Satteltaschen pinkeln ließ. Bevor nun die Sattentaschen des Mannes in der Mitte des Stromes oder nach einem Abstieg nass werden konnten, stellte er sein Pferd in Form seines vollgetankten Dienstwagens auf dem Parkplatz vor der Geschäftstelle der Borussia ab. Beobachter wunderten sich lediglich, dass Heynckes dort nicht von seinem Schäferhund Cando sondern seiner Ehefrau abgeholt wurde. Immerhin hatte Heynckes schon Wochen vorher angekündigt in seinem Ruhestand mehr Zeit mit seinem „treuen Partner“ Cando zu verbringen, weil dieser ihn nicht kritisieren würde. Immerhin: Heynckes verpflichtete bereits in der Winterpause seinen Nachfolger in spe, Jos Luhukay, der nun die ungenießbare Suppe alleine auslöffeln darf. Luhukay wiederum ist ein alter Bekannter des Eintracht-Trainers Friedhelm Funkel. Der Holländer arbeitete in Köln als Funkels Assistent. Gastgeschenke darf Luhukay von seinem ehemaligen Vorgesetzten heute nicht erwarten: Mit einem Sieg in Gladbach könnte sich die Eintracht etwas Luft im Abstiegskampf verschaffen. So ist denn die Aufstellung Funkels keine Überraschung. Er vertraut der gegen die Bayern siegreichen Mannschaft und verändert das Team nur auf einer einzigen Position – für Benjamin Köhler läuft erwartungsgemäß der von seiner Grippe genesene Albert Streit auf. Albert Streit, der Herr des ruhenden Balles, ist es dann auch, der in der 3. Minute die erste Frankfurter Chance vorbereitet. Gefährlich zieht er von der linken Seite die Kugel mit viel Effet über die Gladbacher Abwehr an den langen Pfosten, wo sich Thurk in Position gebracht hat. Thurk muss nun eigentlich nur noch den Fuß an den Ball bringen, doch der seit Monaten glücklose Stürmer verfehlt das Leder knapp. Auf der Gegenseite ist es der Jungnationalspieler Marcell Jansen, der nach sieben Spielminuten für einen Knalleffekt sorgt. Am rechten Flügel angespielt zieht er nach innen, lässt sich auch vom erfahrenen Spycher nicht am Abschluss hindern und hat Pech, dass sein fulminanter Schuss an die Latte des Frankfurter Tores klatscht. Nur eine Minute später ist es vor dem Gladbacher Tor wieder Albert Streit, der der Eintracht die nächste Chance beschert. Diesmal ist es ein Freistoß von der rechten Seite, den er punktgenau auf Sotirios Kyrgiakos Kopf schlägt. Der Grieche kommt sieben Meter vor dem Gladbacher Gehäuse zwar recht ungehindert an den Ball, köpft ihn jedoch über das Tor. Da war mehr drin. Wie viel mehr, stellt Kyrgiakos bereits in der 11. Minute unter Beweis. Wieder ist es Streit – diesmal mit einem Eckball von rechts – der Kyrgiakos sucht und findet. Kyrgiakos Bewacher Steve Gohouri rutscht in dieser Szene weg, aber die griechische Urgewalt ist im Strafraum ohnehin nicht zu stoppen, wenn sie einmal ins Rollen gekommen ist. Kyrgiakos trifft die Kugel schulbuchmäßig mit dem Kopf und der Ball rauscht mit der Macht eines Schusses in das linke obere Eck des Gladbacher Heiligtums. Peer Kluge kommt auf der Linie zwar mit dem Schädel noch an den Ball, abwehren kann er das Geschoss jedoch nicht mehr. 1:0 für Frankfurt! Die Standardsituationen sind in dieser Spielzeit unbestritten eine der herausragenden Stärken der Eintracht. Es ist bereits der 15. Treffer, den die Hessen nach einem Freistoß oder einer Ecke erzielen. Übrigens: Kyrgiakos erzielt seinen mittlerweile fünften Bundesligatreffer zum fünften Mal nach einem Standard von Albert Streit. Der Abwehrspieler Kyrgiakos hat damit so viele Tore erzielt wie Stürmer Ioannis Amanatidis und Mittelfeldspieler Alexander Meier. Die Gladbacher zeigen nach der verdienten Frankfurter Führung trotz optischer Überlegenheit keine zwingenden Aktionen. Die Hessen haben das Spiel klar im Griff und streuen – leider zu selten – gefährliche Konter ein. Nach der schönsten Kombination der ersten Hälfte ist es Thurk, dem sich die Möglichkeit zum 2:0 bietet, doch Zé Antonio kann im letzten Moment dazwischen gehen und gerade noch zum Eckball abfälschen Bei den Gastgebern sind Marcell Jansens Schussversuche ebenso wie Nando Rafaels unplatzierte Kopfball zwei Minuten vor dem Halbzeitpfiff keine geeigneten Mittel die sichere Frankfurter Deckung zu knacken. Die Halbzeitführung der Hessen ist alles andere als unverdient. Die Gladbacher sind auch im zweiten Abschnitt bemüht, aber so groß ihr Kampfgeist ist, so groß ist auch ihre Einfallslosigkeit im Spielaufbau. Zu oft verzetteln sich die Fohlen in Einzelaktionen und müssen erkennen, dass Leidenschaft und Laufbereitschaft kein adäquater Ersatz für durchdachtes Spiel sind. Leider versäumt es die Eintracht in dieser Phase mehr für die Offensive zu tun. Das bis zur zwanzigsten Spielminute gezeigte Offensivspiel haben die Hessen ohne Not zwischenzeitlich eingestellt. Albert Streit, der zwanzig Minuten lang brillierte, scheint mittlerweile von der Spielmacherposition zu träumen, für die er sich in der Länderspielpause verbal empfohlen hat. Zumindest verzichtet er auf seine beherzten Sprints und überraschenden Dribblings, die ihn der Vorrunde so ausgezeichnet haben. Streit als Spielmacher? Warum nicht. Schließlich hat auch ein Jürgen Grabowski im 4-3-3-System unter Elek Schwartz als Außenstürmer begonnen und musste dies – angesichts seiner Fähigkeiten – viel zu lange bleiben. Andererseits hat Jürgen Grabowski auf beiden Positionen im Eintracht-Dress maximal eine Handvoll bescheidener bis schlechter Spiele abgeliefert und auch auf der - später - ungeliebten Position immer sein Bestes versucht. Albert Streit, für den Friedhelm Funkel außerdem auf rechts kaum eine ernsthafte Alternative hat, kann das für sich in dieser Spielzeit nicht unbedingt in Anspruch nehmen – es sieht jedenfalls nicht immer danach aus. Jos Luhukay hätte sicher trotzdem gerne einen Spieler vom Format eines Albert Streit in seinen Reihen. Er muss sich jedoch mit dem Youngster Marko Marin behelfen, der in der 63. Minute zu seinem ersten Bundesligaeinsatz kommt. Der andere Debütant Lamidi muss dagegen fünf Minuten später seinen Platz für Neuville räumen, der nach langer Pause sein Comeback gibt. Eine Minute vor dieser Auswechslung hat Marcel Heller, der nach einer Stunde für den enttäuschenden Thurk eingewechselt wurde, die große Chance zum 2:0. Einen Pass von Vasoski nimmt der schnelle junge Mann hinter der Mittellinie auf und marschiert unwiderstehlich Richtung Gladbacher Tor. Im Strafraum angekommen versucht er Casey Keller mit einem Außenristschuss ins lange Eck zu überlisten, doch der Gladbacher Keeper reagiert glänzend. Alles sieht nach dem dritten Frankfurt Auswärtssieg aus, als sich die Eintracht in der 85. Minute unnötigerweise selbst dezimiert. Kyrgiakos, der bereits zuvor wegen Zeitspiels "Gelb" gesehen hat, hält auf der linken Seite Rafael fest, der sich den Ball am Griechen vorbeigelegt hat. Gelb-Rot ist die Folge. Trainer Funkel schickt nun Russ für Streit aufs Feld, um den fehlenden Kyrgiakos zu ersetzen. Zwei Minuten später unterläuft Russ auf der linken Seite ein Foul. Funkel nutzt die Unterbrechung, um einen weiteren Defensivspieler aufs Feld zu schicken, und bringt den wiedergenesenen Rehmer für den heute glücklosen Takahara. Direkt danach schlägt der eingewechselte Marin den Freistoß angeschnitten nach innen und es steht 1:1. Warum Insuá, der nun nicht gerade als Kopfballungeheuer bekannt ist, so unbedrängt zum Kopfstoß ansetzen darf, kann an dieser Stelle nicht erklärt werden. Vielleicht hat sich die gesamte Frankfurter Mannschaft auf den Abräumer Kyrgiakos verlassen, der in der Tat alle Kopfballduelle für sich entscheiden konnte, aber eben zum Zeitpunkt des Ausgleiches leider nicht mehr auf dem Platz steht. Seine Aufgabe übernehmen in dieser Situation weder Russ noch der erfahrene Rehmer... Für die Eintracht kommt es nun fast noch schlimmer. Schiedsrichter Kinhöfer ist nicht zu vermitteln, dass die Frankfurter in der zweiten Hälfte keine Zeitschinderei betreiben, sondern mit Nikolov einem am Oberschenkel verletzten Torhüter im Kasten haben, der keine Abschläge mehr schießen kann. Kyrgiakos ist dem tauben Schiedsrichter – wenn auch aus eigener Schuld – bereits zum Opfer gefallen, nun ist Trainer Funkel an der Reihe. Funkel, der seinem Kollegen und Freund Jos Luhukay erklären will, dass "der Oka keine Abschläge mehr machen kann und das deshalb die Feldspieler machen müssen," wird vom Unparteiischen wegen wiederholten Verlassens der Coaching-Zone des Feldes verwiesen. Dass Funkel nicht einmal im Spielertunnel stehen bleiben darf, sondern unter Aufbietung all seiner Kräfte auf die Tribüne klettern muss, ist vielleicht regelkonform, mutet dennoch ein wenig seltsam an. Kurz darauf ist es dem angeschlagenen Oka Nikolov zu verdanken, dass die Eintracht dieses Spiel nicht noch ganz aus den Händen gibt. Kahés Schuss meistert Oka im Stile eines Klassemanns, um dann mit schmerzverzerrtem Gesicht im Fünfmeterraum liegen zu bleiben. Während der Schiedsrichter sage und schreibe sieben Minuten nachspielen
lässt, sorgt der unbekümmerte Marcel Heller noch zweimal für
Aufregung im Gladbacher Strafraum. Zuerst setzt er sich links vom Gladbacher
Tor an der Torauslinie fantastisch gegen seinen Gegenspieler durch und
hebt den Ball butterweich auf den heranstürmenden Fink. Fink ist
nur noch wenige Meter vom Gladbacher Tor und vom Siegtreffer entfernt,
als er die Nerven verliert und unplatziert auf den Kasten von Keller schießt.
Keller wehrt den Ball mit dem linken Fuß ab und kann sein Glück
kaum fassen. Trainer Funkel ist nach dem Schlusspfiff trotz des unnötigen Punktverlustes zum Scherzen aufgelegt. Sein Kommentar zur siebenminütigen Nachspielzeit: "Das gab es früher nur auf dem Betzenberg." Selbst seiner Hinausstellung und der damit verbundenen „Klettertour“ will er keine unangemessene Bedeutung beimessen und bekundet lächelnd: „Dabei hätte ich mich fast verletzt." In seiner Analyse zeigt sich der Eintracht-Coach jedoch ernsthafter und bemängelt zu Recht die vielen unnötigen Ballverluste und „das Gestochere um die Kugel“. "Zerfahren, aber spannend", fasst er die 97 Minuten zusammen. Das Unentschieden haben sich die Gladbacher mit ihrem Kampfgeist zwar
verdient, es hilft ihnen jedoch am Tabellenende nicht weiter. Die Frankfurter
sind 12. und können ihren Aufwärtstrend beim Heimspiel gegen
Cottbus fortsetzen. (rs) |