Hamburger SV - Eintracht Frankfurt

Bundesliga 2003/2004 - 34. Spieltag

2:1 (1:1)

Termin: Sa 22.05.2004, 15:30 Uhr
Zuschauer: 53.000
Schiedsrichter: Knut Kircher (Rottenburg)
Tore: 0:1 Ioannis Amanatidis (26.), 1:1 Mehdi Mahdavikia (28.), 2:1 Sergej Barbarez (57.)

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Hamburger SV Eintracht Frankfurt

  • Stefan Wächter
  • Raphael Wicky
  • Nico-Jan Hoogma
  • Tomas Ujfalusi
  • Bernd Hollerbach
  • Mehdi Mahdavikia
  • Björn Schlicke
  • Stefan Beinlich
  • Rodolfo Cardoso
  • Bernardo Romeo
  • Sergej Barbarez

 


 

Wechsel
  • Naohiro Takahara für Rodolfo Cardoso (55.)
  • Bastian Reinhardt für Björn Schlicke (61.)
  • Vjatscheslaw Hleb für Bernardo Romeo (86.)
Wechsel
Trainer Trainer

Wunder gibt’s nicht immer wieder

Kaiserslautern, Reutlingen und nun Hamburg? Über 10.000 Adler hoffen jedenfalls ebenso wie Christoph Preuß, das “wir das Mega-Wunder schaffen werden“ und machen sich auf den Weg an die Elbe. Die Ausgangslage ist einfach: Dortmund, das noch dringend Punkte für die UEFA-Cup-Teilnahme benötigt, muss in Kaiserslautern (38:61 Tore und 35 Punkte) gewinnen und die Eintracht (35:51 Tore und 32 Punkte) muss beim HSV, für den es eigentlich um nichts mehr geht, ebenfalls siegen.

Für noch mehr Feuer im Vorfeld sorgen Zeitungsberichte, nach denen Klaus Toppmöller, Ex-Eintracht-Trainer und aktueller Coach des HSV gesagt haben soll, er “wolle die Eintracht in die zweite Liga schießen.“ Dies wird jedoch schnell von Toppi revidiert: "Das ist doch Humbug. Ich habe gesagt, irgendwann werde ich wieder bei der Eintracht auf der Matte stehen. Ich habe nicht vollendet, was ich bei der Eintracht angefangen habe.“

Na, mal sehen, erst einmal gilt es heute. Ohne den verletzten Hertzsch, dafür aber mit Alexander Schur, der sich beim 3:2-Sieg gegen Bochum eine klaffende Kopfwunde zugezogen hatte, werden die Adler spielen. Der zuletzt gesperrte Chris rückt in die Innenverteidigung. Anstelle von Beierle soll heute Frommer neben Amanatidis für die dringend notwendigen Tore sorgen.

Nach dem 0:0 gegen Freiburg ändert Toppmöller sein Team auf drei Positionen. Bernd Hollerbach spielt für den gesperrten Fukal, Bernado Romeo stürmt anstelle von Naohiro Takahara und für Jarolim darf heute Rodolfo Cardoso bei seinem letzten Profispiel für die Hamburger von Beginn an ran.

Vor dem Spiel machen zunächst die Hamburger Fans bei der Verabschiedung von sechs Profis und dem langjährigen Physiotherapeuten Stimmung. Dumm nur, dass bei der Choreographie für Hermann Rieger wegen des verdreht gehaltenen „N“ aus „DANKE“ ein „DAZKE“ wird...

Danach übernehmen die Adler auf der Tribüne das Kommando. Die Adler auf dem Platz lassen sich da nicht lumpen und gehen ebenfalls schwungvoll in die Offensive. Doch der HSV ergibt sich nicht kampflos, sondern spielt munter mit, Torchancen ergeben sich so zunächst auf beiden Seiten keine.

Dann ein erster kleiner Schock um 15:36 Uhr, Lokvenc hat Kaiserslautern gegen Dortmund mit 1:0 in Führung geköpft. Aber kein Verzagen, die Eintracht kämpft und plötzlich kommt Frommer im Mittelfeld an den Ball, kann sich durchsetzen und rennt allein auf das Tor zu. Noch 12 Meter, er stoppt, könnte das Leder rechts oder links einschieben doch was macht er? Wie ein 8jähriger Schulbub schießt er den Ball ängstlich in die Arme von Torhüter Wächter (14.). Vier Minuten später macht es Romeo an der Strafraumgrenze besser, aber sein platzierter Flachschuss wird von Markus Pröll pariert.

Die 26. Spielminute, Ervin Skela, der bislang “selbstlos“ für die Spielerbeobachter seine Pirouetten dreht, in halblinker Position. Dann ein wunderbarer Heber in den Rücken der Hamburger Viererkette, Amanatidis hat es geahnt und kommt frei an den Ball, ein Schuss durch die Beine von Stefan Wächter und Tor! 0:1 für die Eintracht!

Riesiger Jubel im Stadion, Hamburg ist fest in Frankfurter Hand, doch die Abwehr lässt sich von all dem Überschwang anstecken. Der HSV ist im Angriff, keiner bekommt den Ball weg, Romeo kann das nicht mehr mit ansehen, umkurvt locker Lexa und knallt das Leder aus 18 Metern auf das Tor, trifft aber nur Chris. Doch der Ball rollt in Richtung rechter Pfosten, die Adler schauen zu, als Mahdavikia, der von Bürger mal wieder nicht gehalten werden kann, herankommt. Aus knapp 5 Metern schiebt er das Leder ins Tor. Der Ausgleich zum 1:1 in der 28. Minute.

Die Adler spielen weiter nach vorne, doch kommt von einigen zu wenig. Frommer vertändelt ein ums andere Mal den Ball, Skela kümmert sich weiterhin lieber um sich selbst und Lexa hat bei seinen schnellen Vorstößen von der rechten Seite immer wieder Mühe, seine Beine vor der Flanke zu ordnen. Dies gelingt leider zu selten. So bleiben zwei Fernschüsse von Skela (41.) und Preuß (45.) die einzig gefährlichen Szenen bis zur Halbzeit. Und Kaiserslautern führt weiterhin mit 1:0.

Zur zweiten Halbzeit zunächst ein sehr zögerliches Spiel von beiden Seiten, aber war dies nicht gegen Reutlingen auch so? Dann ein erster Aufreger, Frommer mit Fehlpass, der Ball kommt zu Raphael Wicky, der in Überzahl auf Romeo passt. Eine kurze Drehung und der Argentinier schießt. Aber Pröll pariert glänzend (53.). Dann die Eintracht im Angriff, doch Lexa vertändelt das Leder und Hamburg kontert im eigenen Stadion. Und wie - Naohiro Takahara, der erst vor 2 Minuten für Cardoso auf den Rasen kam, knallt das Leder auf das Tor. Rumms, der Ball klatscht gegen den Pfosten und landet genau bei Barbarez, der den Ball aus 5 Metern im Netz versenkt. 2:1 für Hamburg (57.).

Danach bringt Reimann Dragusha für den schwachen Frommer und Du-Ri Cha für Stefan Lexa (61.). Doch danach werden die Adler noch ungefährlicher. Cha spielt nervös und fahrig - und Dragusha? Nicht ohne Grund wird der Albaner in einer Tageszeitung “Freibad-Maradona“ genannt. Völlig abgedreht dribbelt er auf der linken Seite, rennt sich fest und dribbelt weiter, auch ohne Ball, denn allzu oft bekommt er ihn heute auch nicht unter Kontrolle. So verrinnen die Minuten, die Eintracht steht sich selbst im Weg und hat sogar Glück, dass ein Treffer des HSV wegen Abseits von Schiedsrichter Kircher nicht anerkannt wird. Reimann bringt mit Beierle einen weiteren Stürmer für Ervin Skela (76.), doch was nützen all die Angreifer, wenn kein Ball den Weg nach vorne findet?

So bleibt es bei Einzelaktionen und als ein Kopfball von Christoph Preuß in der Nachspielzeit das Tor verfehlt, ist allen klar, das dies die letzte Aktion der Adler in der Bundesliga ist. Mit dem Schlusspfiff sacken die Spieler zu Boden, Uwe Bindewald hat Tränen in den Augen, als er erklärt: “Wir haben uns die Chance bis zum letzten Spiel offen gehalten, aber man kann nicht immer so viel Glück haben.“

Doch es soll kein langer Abschied aus der Liga werden, allein schon aufgrund der zahllosen Adler auf den Rängen, die die Adler auch eine Stunde nach Spielschluss noch feiern, so dass die Mannschaft gegen 18:00 noch einmal von Heribert Bruchhagen auf den Rasen gelassen wird. “Sie zollen uns Respekt, das sucht seinesgleichen», meint Alexander Schur, “ich hoffe, dass wir ihnen die Erstklassigkeit schnell zurück geben können.“

Die Fans stehen und ein Trainer packt seine Koffer: Kurz nach der Verabschiedung fliegt Willi Reimann in den seiner Meinung nach wohlverdienten Urlaub nach Sylt. Es ist ein One-Way-Ticket.

Nachtrag

Nachdem Amanatidis bereits nach Spielschluss verkündet hatte, dass er die Eintracht wohl verlässt, hat Hertzsch einen Tag später Heribert Bruchhagen mitgeteilt, dass er definitiv nicht in der zweiten Liga spielen werde. Auch Skela wird nicht mehr für die Adler spielen und heuert zwei Wochen später bei Arminia Bielefeld an.

Noch in der Woche nach dem Abstieg beurlaubt die Eintracht Trainer Reimann, doch beendet ist das Kapitel Container-Willi erst im Juni 2005. Nachdem die Eintracht in der Saison 04/05 unter dem neuen Trainer Friedhelm Funkel den Aufstieg in die 1. Liga schafft, will der Sylturlauber für eben diese Spielzeit eine Nichtabstiegsprämie - immerhin EUR 120.000 - kassieren.

Reimann will die Prämie vor Gericht einklagen, doch zu einem Urteil kommt es nicht, weil sich die Parteien nach der Einlassung der vorsitzenden Richterin auf einen Vergleich in Höhe von ca. 80.000 Euro einigen. Eintracht-Boss Heribert Bruchhagen hätte es am liebsten zum Prozess kommen lassen. "Ich wollte das durchziehen und hätte auch damit leben können zu verlieren", sagte er. Letztlich hörte er auf den Rat von Schickhardt, der offensichtlich in dem Verfahren keine reelle Sieg-Chance sah. Rechtlich stand die Eintracht auf verlorenem Posten. Die damalige Führung der Eintracht Frankfurt Fußball AG um Volker Sparmann hatte es versäumt hinzuzufügen, dass die Prämie nur bei Nichtabstieg aus der ersten Liga auszuschütten ist...

Ingo Durstewitz bescheinigt denn auch in der Frankfurter Rundschau der damaligen „Klubführung um Ex-Eintracht-Chef Sparmann, einen an Dilettantismus kaum zu überbietenden Vertrag“ ausgearbeitet zu haben, während er Willi Reimann, der „rein juristisch betrachtet im Recht“ sei, einen “Abzocker erster Güte“ nennt.

Dass Reimann, der „zum Wiederaufstieg in etwa so viel beitrug wie der Kaiser von China, die Chuzpe besitzt, nun eine Nichtabstiegsprämie für den Klassenerhalt in der zweiten Liga zu fordern, ist nur schwer zu ertragen“, schreibt Durstewitz und meint: „Auf der nach oben offenen Dreistigkeits-Skala hat er sich an die Spitze gesetzt.“ (tr)

 

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