Eintracht Frankfurt - SSV Reutlingen

2. Bundesliga 2001/2002 - 1. Spieltag

3:1 (0:1)

Termin: Sa 28.07.2001
Zuschauer: 17.000
Schiedsrichter: Herbert Fandel (Kyllburg)
Tore: 0:1 Jochen Weigl (16.), 1:1 Chen Yang (63.), 2:1 Pawel Kryszalowicz (67.), 3:1 Pawel Kryszalowicz (81.)

 

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Eintracht Frankfurt SSV Reutlingen

     

  • Goran Curko
  • Alexander Malchow
  • Michal Kovar
  • Domenico Sbordone
  • Torsten Traub
  • Jochen Weigl
  • Godfried Aduobe
  • Frank Gerster
  • Sasa Janic
  • Olivier Djappa
  • Alfonso Garcia

 

Wechsel

Wechsel

  • Jan Hoffmann für Torsten Traub (67.)
  • Carsten Klee für Alexander Malchow (73.)

Trainer

Trainer

 

Nur 30 Minuten lang ein gelungener Saisonauftakt

Gut fünf Wochen nach Beginn der hektischen Vorbereitungsphase geht es endlich los mit dem Unternehmen Wiederaufstieg. Nach all den Wirrnissen im Hintergrund, die ihren Höhepunkt in der Aufsichtsratssitzung vier Tage vor dem Saisonstart fanden (siehe Spielbericht Dresden), steht endlich wieder Fußball im Vordergrund. "Jeder Spieler muss bei uns Verantwortung tragen. Jeder muss am Gerüst mit bauen und keiner darf sich hinter dem Gerüst verstecken", appelliert unterdessen Martin Andermatt an sein Team, um für das erste Heimspiel zu fordern: “Reutlingen ist eine spielstarke Mannschaft. Trotzdem gehe ich davon aus, dass wir gewinnen. Das ist doch das mindeste, was ich erwarten kann."

Doch den neuen Trainer plagen Personalsorgen, denn neben den verletzten Schur, Berntsen, Neuzugang Wenczel und Ciric haben sich nach einem Mannschaftsabend im “Frankfurter Haus“ in Neu-Isenburg gleich vier Spieler unter der Woche eine Salmonellenvergiftung zugezogen. So stehen weder Guié-Mien, Reichenberger noch Maljkovic zur Verfügung und auch der zweite Neuzugang, Ervin Skela, wird keine 90 Minuten durchhalten können, so dass er zunächst auf die Ersatzbank muss. Daher macht Martin Andermatt aus der Not eine Tugend und wählt ein Mittelfeld aus den U-21-Spielern Preuß, Streit, Mutzel und Branco, das vom dritten Neuzugang Peter Nemeth, dessen Spielberechtigung erst wenige Stunden alt ist, geleitet werden soll. Im Sturm stehen wie bereits in der letzten Saison Kryszalowicz sowie Yang. Da der koreanische Verteidiger Jae-Won Sim, der ebenso wie Nemeth drei Tage vor Saisonbeginn verpflichtet wurde, erst in der nächsten Woche in Frankfurt eintreffen wird, bilden Wimmer, Rada und Bindewald die Abwehr vor dem neuen Kapitän Oka Nikolov.

In der letzten Saison war der Aufsteiger aus Reutlingen neben Ahlen das Überraschungsteam und landete als beste Zweitligaheimmannschaft mit dem zweitbesten Angriff auf Anhieb auf Rang sieben in der Tabelle. Dieser Platz soll auch in dieser Saison mindestens bestätigt werden, meint Trainer Armin Veh, der das Team bereits in der Aufstiegssaison mit seinem Co-Trainer Geyer betreute. Zwar wurden unter anderem Abwehrchef Lapaczinski und Stefan Lexa abgegeben, doch konnten trotz des schmalen Budgets fünf Spieler verpflichtet werden, die bereits Bundesligaluft geschnuppert haben, darunter Frank Gerster, der bis Februar noch bei der Eintracht kickte. Auch für das Spiel beim Bundesligaabsteiger wählt der Trainer sein bevorzugtes 4-4-2-System, so dass neben Vorjahrestorschützenkönig Djappa Garcia im Sturm beginnen wird. Janic, Gerster, Aduobe sowie Weigl bilden die Mittelfeldraute vor der Viererabwehr, in der mit Sbordone ein weiterer Ex-Eintrachtler spielt.

Unbekümmert und schnell startet die Eintracht vor 17.000 Zuschauern in die neue Saison. So schickt Wimmer auf rechts gleich zu Beginn Streit auf die Reise, der sich prima durchsetzt und in Richtung Yang flankt, doch der Ball kann geklärt werden (2.). Aber bereits nach zehn Minuten verpufft das schnelle Spiel an den jetzt geschickter verschiebenden Franken im Mittelfeld. Plötzlich fehlen die Ideen, statt schnell zu spielen, laufen die Adler zu lange mit dem Ball und “stellen sich dadurch die Passwege selbst zu“, wie Trainer Andermatt anmerkt. So kommt Reutlingen immer besser ins Spiel und baut jetzt vor allem über Gerster und Janic auf der linken Seite viel Druck auf.

So muss Nikolov das erste Mal nach 13 Minuten schnell reagieren, als Gerster einen Freistoß aus halbrechter Position auf den Kasten knallt. Nur zwei Minuten später setzt sich Janic nach einem Doppelpass auf der linken Seite gegen Preuß und Mutzel durch und schlägt das Leder vor den langen Pfosten. Rada schaut nur und Bindewald reagiert zu spät, so dass Weigl den Ball unbedrängt zur 1:0-Führung für die Gäste einköpfen kann. Die Reaktion der Eintracht bleibt bieder, das Mittelfeld kommt einfach nicht in die Zweikämpfe und der Sturm hängt weitgehend in der Luft, während Reutlingen ballsicher mit direkten Spielzügen weiter für Druck sorgt. Erneut testet Gerster mit einem scharfen Freistoß Torhüter Nikolov (20.), während kurz darauf auf der Gegenseite lediglich ein scharfer Freistoß von Kryszalowicz, der gefährlich nah an den Pfosten fliegt, für ein Raunen bei den unzufriedenen Zuschauern sorgt.


Oka Nikolov

Danach verflacht das Spiel leider, Reutlingen bestimmt mit sicherem Kurzpassspiel weitgehend das Tempo und sorgt mit kleineren Nadelstichen immer mal wieder dafür, dass die Abwehr um den unsicher wirkenden Rada ins straucheln kommt, während dem Mittelfeld um Nemeth nach wie vor nichts einfallen will. So läuft bereits die 36. Spielminute, wieder ist es Kryszalowicz, der einen Freistoß vor dem Strafraum ausführt, in dem er auf Wimmer ablegt. Doch es folgt keine Flanke, sondern nur ein Knaller, der am linken Pfosten vorbei fliegt. Im direkten Gegenstoß setzt sich Gerster im Mittelfeld durch und spielt den Ball einfach in die Gasse zwischen Wimmer und Rada, so dass Janic durchstarten kann, aber zum Glück sieben Meter vor dem Kasten in Nikolov seinen Meister findet, der den Ball wegfausten kann (38.). So schleppt sich das Spiel begleitet von einem gellenden Pfeifkonzert und ersten “Aufhören“-Rufen von den Rängen in die Pause. Die Eintracht konnte ihrer selbst auferlegten Favoritenrolle als Aufstiegskandidat zu keiner Phase gerecht werden.

Ohne Wechsel geht es in die zweite Halbzeit, in der Reutlingen weiterhin das Kommando und die erste Torchance nach einem Freistoß von Gerster hat. Malchow kommt im Strafraum zum Kopfball, doch Nikolov kann das Leder fangen (48.). Bei der Eintracht das alte Bild, ideenlos wird die Kugel hin und hergeschoben, zudem mehren sich jetzt die Stockfehler. Wie bei Branco, der einen Querpass mit träumerischer Sicherheit ins Seitenaus befördert. “Deutscher Meister wird nur die SGE“, ist die hämische Reaktion von den Rängen. Aber wenigstens ist auf Nikolov Verlass, der erneut glänzend reagiert, als sich Djappa an Rada und Bindewald vorbei dribbelt, um aus sechs Metern abzuziehen (54.). Vier Minuten später reagiert Martin Andermatt endlich und wechselt den überfordert wirkenden Streit aus, um Jones als dritte Spitze zu bringen, während Preuß in die Mitte rückt. Und der 19-Jährige bestätigt, was viele auf den Rängen denken: “Wir waren alle ungeheuer nervös.“

Es läuft die 61. Spielminute, wieder spielt sich der SSV durch das Mittelfeld, der Ball kommt zu Djappa, der von der Strafraumgrenze aus flach abzieht. Torhüter Nikolov fliegt und kommt gerade noch mit den Fingerspitzen an das Leder, um es an den Pfosten zu lenken, von wo aus es zum Glück herausgeschlagen werden kann. Während des Spiels hat er sicher genauso die Luft angehalten wie die Zuschauer, denn dies wäre die Vorentscheidung gewesen. So aber meint Trainer Andermatt nach dem Spiel: “Das war der Knackpunkt.“ Denn kurz darauf setzt sich Branco endlich einmal auf der linken Außenbahn durch und flankt die Kugel hoch nach innen. Traub verschätzt sich beim Versuch zu klären, so dass Yang den Ball mit rechts stoppen kann und ihn mit einem schönen Schlenzer zum 1:1 im linken Toreck versenkt (63.).


Zweifacher Torschütze: Pawel Kryszalowicz

Man hört die Zentnerlasten förmlich von den Schultern plumpsen, endlich besinnt sich die Eintracht und übernimmt das Spiel, während Reutlingen dem hohen Tempo der ersten Stunde bei tropischen Temperaturen scheinbar Tribut zollen muss. Immer wieder ist es U 20-Nationalspieler Jones, der den Ball fordert und im Zusammenspiel mit Preuß und dem stärker werdenden Nemeth geschickt verteilt. Wie in der 67. Spielminute, als sich Mutzel im Zusammenspiel mit Wimmer auf rechts durchsetzt und den Ball zu Kryszalowicz passt, der nach einem tollen Doppelpass mit Jones an der Strafraumgrenze Platz hat und den Ball mit einem platzierten Schuss zur 2:1-Führung ins Netz haut. Jetzt zeigt sich, dass die “Mannschaft Qualität und Selbstvertrauen hat“, freut sich Martin Andermatt, während der Reutlinger Gerster sich ärgert: “Da haben wir uns überrumpeln lassen“ und die Frankfurter gegen die nun wieder offensiver spielenden Reutlinger das Heft in der Hand behält.

Sie bleiben das gefährlichere Team, diesmal über Yang, der Preuß mit einem schönen Pass in Szene setzt, doch der Schuss des 20-Jährigen streicht um Zentimeter über die Latte (74.). Acht Minuten später ist es dann soweit, Nemeth sieht Kryszalowicz sich freilaufen und spielt ihm das Leder genau vor die Füße. Der 27-jährige Pole setzt sich an der Strafraumgrenze gegen zwei Reutlinger durch täuscht frei vor Torhüter Curko erst einen Schuss an, um dann die Kugel eiskalt einfach zum 3:1 einzuschieben. Die Stimmung ist längst gekippt, während es von den Rängen jetzt “Nie mehr Zweite Liga“ schallt, scheitert Jones mit seiner letzten Chance an Torhüter Curko (89.). Kurz darauf ist es vollbracht, dank einer starken letzten halben Stunde gewinnt die Eintracht den Auftakt in die neue Saison.


Stimmen zum Spiel

Martin Andermatt: “Die nötigen Zweikämpfe wurden verloren und auf den Außenbahnen gab es heute zu viele Missverständnisse. Man kann heute von einem glücklichen Sieg sprechen.“

Armin Veh, Reutlingen: “Das war eine völlig unnötige Niederlagen die Eintracht war heute geschwächt, das hätten wir nutzen müssen. Wir hatten die Frankfurter doch 60 Minuten sicher im Griff gehabt."

Tony Woodcock: “Mir sind ganze Steine vom Herzen gefallen. Ich habe einiges Gute und einiges Schlechte gesehen, aber heute war nur wichtig, dass wir durchkommen. Egal, wie. Es hat sich gezeigt, dass man sich meistens sein Glück erarbeitet. Wir haben einen Abwehrchef, der in der letzten Saison in der Krise war, wir haben einen neuen Torwart, einen neuen Mittelfeldspieler, ein ganz junges Mittelfeld. Dazu kamen die hohe Erwartung in Frankfurt, die Hitze und personelle Ausfälle. Und dann ist die Mannschaft 3:1 zurückgekommen. Ich finde, das ist nicht so schlecht."

Steven Jedlicki zum Stadionneubau, für den die Pläne bis zum 15. Dezember beim DFB eingereicht werden müssen: "Es gibt noch Differenzen wegen des Baus, aber Octagon steht nach wie vor zu dem Projekt. Die Gespräche sind nun mal schwierig, wir reden hier ja nicht über eine Stahlrohrtribüne an einem Sportplatz, sondern über ein WM-Stadion für 50 000 Zuschauer." (tr)


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