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Stuttgarter Kickers - Eintracht Frankfurt |
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Bundesliga 1991/1992 - 27. Spieltag
0:2 (0:0)
Termin: Sa 07.03.1992 15:30
Zuschauer: 9.500
Schiedsrichter: Jürgen Aust (Köln)
Tore: 0:1 Andreas Möller (56.), 0:2 Lothar Sippel (90.)
Stuttgarter Kickers | Eintracht Frankfurt |
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Ein wichtiger Arbeitssieg „Ich freue mich über meine Mannschaft, die heute gespielt hat wie aus einem Guss“, gab Eintracht-Trainer Dragoslav Stepanovic nach dem 2:0-Erfolg bei den Stuttgarter Kickers zu Protokoll. Der nur wenige Meter entfernt sitzende Rainer Zobel, der Trainer des abstiegsbedrohten Liga-Neulings, sah die Sache freilich völlig anders: „Wir sind um den verdienten Lohn gebracht worden. Wir haben umgesetzt, was wir spielen wollten.“ Wer diese beiden Aussagen hörte, musste sich fast fragen, ob beide das gleiche Spiel gesehen hatten. Der „Guss“, von dem Stepanovic sprach, war in Wahrheit brüchig, und die Vorstellung der Eintracht hatte wenig mit den großartigen Leistungen der Vorrunde zu tun. Die Partie in Stuttgart-Degerloch bot für Fußball-Ästheten wenig. Über weite Strecken flogen hohe und ungenaue Bälle planlos durch die Luft, während sich 22 Spieler redlich bemühten, aber kaum etwas Konstruktives zustande brachten. Kombinationsfußball? Mangelware. Überraschungsmomente? Fehlanzeige. Wer erwartet hatte, dass die Frankfurter gegen einen Gegner, der seit neun Spielen auf einen Sieg wartete, mit Leichtigkeit aufspielen würden, wurde enttäuscht. Die Eintracht wirkte von Beginn an gehemmt und fand kaum ein Mittel, das dichte Mittelfeld der Kickers zu durchdringen. Der kurzfristige Ausfall von Uwe Bein, der aufgrund einer Grippe passen musste, wog schwer. Sein Ersatz, der junge Amateur Dirk Wolf, bemühte sich redlich, konnte aber natürlich nicht die Genialität und das Spielverständnis des routinierten Strategen ersetzen. So fehlte es dem Spiel der Frankfurter an Inspiration und Kreativität, und Andreas Möller, der sich wohl vorgenommen hatte, die Rolle des Regisseurs zu übernehmen, tat sich sichtlich schwer. Torlos ging es nach 45 zähen Minuten in die Kabinen, und Trainer Stepanovic nutzte die Pause, um Möller aufzufordern, er solle sich auf seine Stärken konzentrieren: die schnellen Läufe mit dem Ball in Richtung Tor. Diese Ansage sollte sich schon bald auszahlen. In der 56. Minute bot sich den Frankfurtern die Chance, die sie bis dahin vergeblich gesucht hatten. Ein missglückter Abwehrversuch von Kickers-Libero Keim landete direkt vor den Füßen von Möller, der trocken und flach abschloss. Der Ball zappelte im Netz, und die Eintracht führte mit 1:0. Es war Möllers neunter Saisontreffer und zugleich die Befreiung für eine bis dahin enttäuschende Vorstellung der Gäste. Die Kickers versuchten, nach dem Rückstand zurück ins Spiel zu kommen, doch die Eintracht-Defensive um Manfred Binz und Keeper Uli Stein ließ kaum klare Chancen zu. Die Entscheidung fiel in der Schlussminute: Nach einem dynamischen Solo legte Möller den Ball mit viel Übersicht für Sippel auf, der gerade einmal eine Minute nach seiner Einwechslung das 2:0 erzielte. Mit dem 2:0-Erfolg sicherte sich die Eintracht wichtige Punkte im Meisterschaftsrennen. „Das wäre fatal gewesen, wenn wir hier verloren hätten“, gestand Vizepräsident Bernd Hölzenbein nach dem Spiel und blickte besorgt auf die Siege der Konkurrenz aus Dortmund, Stuttgart und Kaiserlautern. Doch die Art und Weise, wie dieser Sieg zustande kam, ließ Fragen offen. Die Leichtigkeit, das Spielerische und die Dominanz der Vorrunde scheinen verloren gegangen zu sein, die Eintracht entledigte sich ihrer Pflichtaufgabe ohne Glanz und Gloria. Letztlich aber gilt: Am Ende zählte nur das Ergebnis.
FIFA schickt Andreas Möller am Saisonende nach Italien Der Internationale Fußball-Verband (FIFA) hat auf einer kurzfristig vorverlegten Sitzung in Zürich sein Urteil im Fall Andreas Möller gefällt Die Entscheidung der Spielerstatut-Kommission lautet: Der Frankfurter Nationalspieler muß in der kommenden Saison in Italien spielen. Gleichzeitig wurde Möller-Berater und Eintracht-Manager Klaus Gerster gegenüber allen Mitgliedsverbänden und -vereinen weltweit von der FIFA zur „unerwünschten Person“ („persona non grata“) erklärt. Unmittelbar nach Bekanntgabe der Entscheidung bestätigte der Kölner Rechtsanwalt Bernd Schäfer III in seiner Funktion als Interessensvertreter der italienischen Klubs, daß Juventus Turin die Optionsrechte in Sachen Möller „auf alle Fälle in Anspruch nehmen“ und ihn ab 1. Juli 1992 zu Atalanta Bergamo transferieren wird. Die Frankfurter Eintracht wird gegen den FIFA-Schiedsspruch Berufung einlegen. Dies erklärte Schatzmeister Wolfgang Knispel fünf Stunden nach Bekanntwerden der Entscheidung am Mittwoch nachmittag im Rahmen einer Pressekonferenz, bei der auch Präsident Matthias Ohms, Vizepräsident Bernd Hölzenbein und Geschäftsführer Rainer Schäfer anwesend waren. Die Begründung lieferten die Eintracht-Anwälte Vera Gentzen und Johannes Bernhard, die die FIFA-Schlußfolgerungen als nicht ausreichend ansahen und das verblüffende Fazit zogen, daß der Bundesligist sich als Sieger des Verfahrens fühle. Das Hauptaugenmerk der Frankfurter Juristen liegt auf dem Optionsrecht, das Juventus an Bergamo abgetreten hatte und nach Auffassung der FIFA nun wieder automatisch auf Juventus zurückfällt, da Bergamo keinen gültigen Arbeitsvertrag mit Möller vorzuweisen habe. „Nach internationalem Vertragsrecht ist dies aber nur dann möglich, wenn Möller sein Einverständnis dazu geben würde“, erklärte Bernhardt, der außerdem darauf hinwies, daß Möller entgegen den Ausführungen der FIFA auch keinen Arbeitsvertrag mit Juventus abgeschlossen habe, sondern dies lediglich eine Art Vorvertrag sei. Die FIFA bestätigte dagegen noch einmal, daß sie diese Vorgänge nach den ihr vorliegenden Unterlagen anders beurteilt und die Eintracht-Reaktionen ihr total unverständlich seien. Nach Darstellung des Kölner Anwalts Schäfer ist auch die Einschätzung der Frankfurter Kollegen, daß Turin im aktuellen Rechstreit nicht als Antragsteller aufgetreten und Möller deshalb diesem Verein nicht zuzusprechen gewesen sei, unzutreffend, weil Juventus in seinen am 6. März für Bergamo abgeschickten Ausführungen als Nebenkläger vorgekommen sei. Ungeachtet dessen bezeichnete Schatzmeister Knispel im Namen des Eintracht-Präsidiums das FIFA-Urteil als „ziemlich fahrlässig“. In diese Beurteilung bezog er ausdrücklich die gegen Möller verhängte Höchststrafe von 20.000 Schweizer Franken wegen unkorrekten Verhaltens und die mehr symbolhafte Bestrafung von Gerster ein. Gleichzeitig teilte er mit, daß Gerster vorerst weiter in Urlaub bleibt. Die FIFA begründete ihre Entscheidung in einer Pressemitteilung wie folgt: „Maßgeblichen Einfluß auf das Urteil hatte die Tatsache, daß Andreas Möller nach seiner Unterschrift unter den Optionsvertrag mit Juventus Turin eine Zahlung von 900.000 Mark (Gerster nahm diese im April 1990 in der Schweiz in Empfang und teilte das dem Eintracht-Präsidium erst am 31. Januar 1992 mit) entgegengenommen hat. Die Kommission sah es damit als erwiesen an, daß Andreas Möller die Absicht manifestiert hatte, zu Juventus Turin zu wechseln und mit der voraussichtlichen Einlösung der Option durch den italienischen Verein einverstanden war.“ Falls es bei dem FIFA-Urteil bleibt, stellt sich die
Situation finanziell wie folgt dar: Die Eintracht erhält aus Italien
für Möller die festgeschriebene Ablösesumme von 3,6 Millionen
Mark und von Möller einen Betrag von fünf Millionen Mark, weil
er seinen Fünf-Jahres-Vertrag in Frankfurt vorzeitig beendet Möller
wiederum liegt ein Angebot aus Bergamo über einen Zwei-Jahres-Vertrag
mit Option bis 1996 vor. Dabei sollen ihm jährliche Netto-Bezüge
von mehr als drei Millionen Mark zugesagt worden sein. Falls Möller
vertragsbrüchig wird und nicht nach Italien gehen will, hat er sich
zur Zahlung einer Strafe von drei Millionen Mark an Turin verpflichtet. Im Kollegenkreis war niemand betrübt Die Ruhe am Riederwald war nicht trügerisch. Auf dem Trainingsgelände der Frankfurter Eintracht ging es zu wie immer an einem Mittwochmorgen. Konditionstrainer Wolfgang Schöllhorn versuchte das koordinative Verhalten der Profis zu verbessern, Cheftrainer Dragoslav Stepanovic testete auf dem Nebenplatz die Ersatzspieler. Der Alltagstrott wurde selbst durch die Nachricht aus der FIFA-Zentrale in Zürich, daß Möller im Sommer nach Italien wechseln muß, nicht nachhaltig gestört Im Gegenteil: Die Botschaft aus der Schweiz wurde in Mannschaftskreisen durchweg mit Genugtuung aufgenommen. „Endlich ist eine Entscheidung gefallen“, meinte Stepanovic. Und Torwart Uli Stein sah sich bestätigt „schließlich habe ich seit eineinhalb Jahren nichts anderes gesagt“. Stein wird diesen 11. März 1992 zweifellos in seinem Kalender rot anstreichen. Mit unübersehbarem Lächeln las er die FIFA-Pressemitteilung. „Persona non grata, guter Name“, kommentierte er genüßlich die Entscheidung der FIFA, den persönlichen Berater von Möller und Eintracht-Manager Klaus Gerster zur „unerwünschten Person“ zu erklären. Der Eintracht-Kapitän ist bekanntermaßen kein Freund von Gerster, dem er von jeher seine Doppelfunktion übelnahm. „Nicht nur für mich ist es gut daß Gerster gehen muß, sondern auch für die Eintracht“, meinte der Torwart In der verräucherten Stadion-Kneipe am Riederwald räumte Stein aber auch ein, daß die Sache zwei Seiten hat „denn sportlich ist die Entscheidung wahrlich nicht zu begrüßen“. Es fand sich niemand mehr an diesem Morgen, den dieses Possenspiel noch überraschte. „Mir war schon lange klar, daß nicht mehr Andy oder Gerster die Sache zu entscheiden haben“, erklärte Stepanovic am Rande des Trainings und machte sich so seine Gedanken um den weiteren Werdegang seines Mittelfeldspielers. „Ich hoffe nur, daß er jetzt nicht darunter leiden muß.“ Warum leiden? „Ja, weil er nun möglicherweise nicht mehr in die Nationalmannschaft berufen werden könnte.“ Möller war vor dem Training vom DFB von der Entscheidung aus Zürich informiert worden. Er war es auch, der seinen Freund Gerster auf dem Weg zum Training per Autotelefon von den Entwicklungen in der Schweiz informierte und mit ihm die Marschroute absprach. Erst mal gar nichts sagen. Für den streitbaren Axel Kruse nichts Ungewöhnliches. „Der muß doch erst mal in seine Lügenfibel schauen“, echauffierte er sich über „Münchhausen“, wie Möller von seinen Eintracht-Kollegen seit dem Bekanntwerden der bis zuletzt vom Nationalspieler und Gerster geheim gehaltenen 900.000-Mark-Zahlung aus Italien gerufen wird. (Frankfurter Rundschau vom 12.03.1992)
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