FC St. Pauli - Eintracht Frankfurt |
Bundesliga 1990/1991 - 33. Spieltag
1:1 (1:1)
Termin: Sa 08.06.1991 15:30
Zuschauer: 20.000
Schiedsrichter: Michael Prengel (Düsseldorf)
Tore: 1:0 Klaus Ottens (8.), 1:1 Anthony Yeboah (44.)
FC St. Pauli | Eintracht Frankfurt |
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Punktgewinn am Millerntor Mit einem mühsamen 1:1 beim FC St. Pauli hat Eintracht Frankfurt die Chance auf die UEFA-Cup-Teilnahme gewahrt. Aber trotz des wichtigen Punktgewinns ließ die Leistung der Mannschaft vor 20.000 Zuschauern im Hamburger Millerntor-Stadion zu wünschen übrig. Die Partie begann aus Frankfurter Sicht denkbar schlecht. St. Pauli, das personell stark dezimiert war, überraschte die Gäste mit einem energischen und aggressiven Auftreten. Bereits in der 8. Minute ging der Gastgeber in Führung: Ein Freistoß von Michael Dahms landete auf dem Kopf von Dirk Zander, der höher sprang als Karl-Heinz Körbel. Zander legte den Ball auf Klaus Ottens ab, der unbedrängt aus kurzer Distanz einschob. Es war ein bitteres Déjà vu für die Frankfurter, denn Ottens hatte bereits in der vergangenen Saison mit seinen zwei Toren beim 2:0 gegen die Eintracht auf sich aufmerksam gemacht. Die Frankfurter Abwehr wirkte in dieser Szene orientierungslos, besonders der für Ottens zuständige Dietmar Roth ließ seinen Gegenspieler komplett aus den Augen. Insgesamt war die Defensive der Eintracht in der Anfangsphase überfordert, während St. Pauli mit unbändigem Willen und hoher Laufbereitschaft auftrumpfte. Die technisch versierten Frankfurter fanden kaum ein Mittel gegen das frühe Pressing der Hamburger, die ihre Gegner bereits in deren Hälfte attackierten. Insbesondere Heinz Gründel, der den verletzten Andreas Möller ersetzte, hatte große Probleme mit dem aggressiven Spiel der Gastgeber. Immer wieder verlor er den Ball in der eigenen Hälfte oder konnte die Freiräume, die ihm auf der rechten Seite geboten wurden, nicht nutzen. Auch die Sturmspitzen Janusz Turowski und Anthony Yeboah hatten es schwer gegen die rustikale Verteidigung der Hamburger. André Trulsen und Dieter Schlindwein setzten die beiden Angreifer mit ihrer harten, oft grenzwertigen Spielweise unter Druck. Besonders Schlindwein, ein ehemaliger Frankfurter, machte mit übertriebener Härte auf sich aufmerksam, ohne dass der Schiedsrichter konsequent einschritt. Erst nach etwa 30 Minuten gelang es der Eintracht, sich aus der Umklammerung zu lösen. Uwe Bein übernahm das Kommando im Mittelfeld und versuchte, mit seinen präzisen Pässen Yeboah und Turowski in Szene zu setzen. Kurz vor der Halbzeit belohnte sich die Eintracht für ihre Bemühungen: Nach einer Flanke von Bein setzte sich Yeboah im Strafraum gegen Schlindwein durch und köpfte zum 1:1-Ausgleich ein. Nach dem Seitenwechsel verflachte die Partie weiter. Beide Teams hatten ihre Momente, doch die großen Chancen blieben aus. St. Pauli hatte durch Dirk Zander zwei aussichtsreiche Gelegenheiten, die jedoch ungenutzt blieben. Auf der anderen Seite traf Uwe Bein mit einem Freistoß aus rund 20 Metern nur den Pfosten – eine der besten Chancen der Gäste im zweiten Durchgang. Die wohl umstrittenste Szene ereignete sich in der Schlussphase: Dirk Dammann riss Turowski im Strafraum klar zu Boden, doch zur Verwunderung aller blieb die Pfeife des Schiedsrichters stumm. Nach dem Schlusspfiff war Eintracht-Trainer Stepanovic trotz der mäßigen Leistung mit dem Punkt zufrieden. „Mit dem Spiel allerdings nicht“, betonte er. Für die Eintracht war das Ergebnis ein weiterer Schritt in Richtung UEFA-Cup, zumal mit dem VfB Stuttgart der direkte Konkurrent um einen Platz im internationalen Wettbewerb zu Gast im Waldstadion ist. Stepanovic sieht dies gewohnt gelassen: „Ein Punkt reicht uns.“
Im letzten Spiel gesperrt Es war 17:17 Uhr, als eine Ära zu Ende ging. Karl-Heinz Körbel, der Rekordspieler der Bundesliga mit 602 Einsätzen, verließ an diesem Nachmittag das Spielfeld des Millerntor-Stadions – und wie angekündigt auch die Bühne des Profifußballs. Schiedsrichter Michael Prengel hatte ihm in der 13. Minute des Spiels gegen den FC St. Pauli nach einem harmlosen Foul die gelbe Karte gezeigt. Es war Körbels vierte in der laufenden Saison, die ihn für das Saisonfinale gegen den VfB Stuttgart sperrt. Ein Finale, das er nur noch als Zuschauer erleben wird. Für Körbel, der seit 19 Jahren das Trikot der Frankfurter Eintracht trägt, bedeutete dies das vorzeitige Ende einer einzigartigen Karriere. Mit gesenktem Haupt verließ der 36-Jährige das Spielfeld – sichtlich ergriffen von der Tragweite des Moments. Sein Traum, im letzten Spiel gegen Stuttgart vor heimischem Publikum im Waldstadion Abschied zu nehmen, war nun geplatzt. „Ich habe nichts zu sagen“, wiederholte Körbel immer wieder und entzog sich jeglicher Ansprache. Nicht einmal seine Mannschaftskollegen oder das Trainerteam fanden Zugang zu ihm. Der sechsfache Nationalspieler, der in seiner Laufbahn stets für Bodenständigkeit und Kämpferherz stand, wirkte gebrochen. Mit 602 Bundesliga-Einsätzen hat Körbel einen Rekord aufgestellt, der als unerreichbar gilt. Doch diese Zahl war für ihn an diesem Tag kaum ein Trost. Sein Entschluss, die Fußballschuhe nach der Saison an den Nagel zu hängen, war längst gereift, doch die Vorstellung, tatsächlich Abschied nehmen zu müssen, fiel ihm sichtlich schwer. Körbel, der sich selbst als „Bauchmensch“ beschreibt, konnte und wollte diese Endgültigkeit lange nicht akzeptieren. Der Abschied nach fast zwei Jahrzehnten bei der Eintracht – seinem Verein, seiner Heimat – fühlt sich für ihn wie ein tiefer Einschnitt an. Nach dem Spiel suchte Körbel die Einsamkeit. Im Mannschaftsbus saß er still für sich, im Hamburger Flughafen verkroch er sich in die hinterste Ecke der Abfertigungshalle. Selbst Trainer Dragoslav Stepanovic, einst sein Mitspieler und heute sein Coach, konnte ihn nicht trösten. Als „Stepi“ auf ihn zuging, wich Körbel ihm aus, stürmte mit glasigen Augen und hochrotem Kopf nach draußen. Auch im Flugzeug zurück nach Frankfurt wollte Körbel allein sein, sodass Zeugwart Toni Hübler einen Platztausch organisieren musste, um ihm ein wenig Raum zu verschaffen. Erst als Stepanovic energisch eingriff, gesellte sich Körbel widerwillig in die Gemeinschaft der Mannschaft. Doch seine Enttäuschung und der Schmerz über das unfreiwillige Karriereende waren für alle spürbar. Die Fußballwelt wird Karl-Heinz Körbel als Symbol von Treue und Beständigkeit in Erinnerung behalten. Seit seinem Bundesliga-Debüt im Jahr 1972 hat er in 19 Jahren alle Höhen und Tiefen mit der Eintracht durchlebt und ist zu einer Ikone des Vereins geworden. Doch an diesem Tag war Körbel vor allem eines: ein Mensch, der nach fast zwei Jahrzehnten im Profifußball mit der Realität seines Abschieds kämpfen musste. Sein geplanter letzter Auftritt im Frankfurter Waldstadion gegen den VfB Stuttgart hätte ein würdiger Schlusspunkt sein sollen. Nun bleibt ihm nur die Zuschauerrolle – und die Gewissheit, dass sein Name und seine Verdienste für Eintracht Frankfurt unvergessen bleiben werden.
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