Bayern München - Eintracht Frankfurt

Bundesliga 1988/1989 - 1. Spieltag

3:0 (0:0)

Termin: Sa 23.07.1988 15:30
Zuschauer: 26.000
Schiedsrichter: Kurt Wittke (Mönchzell)
Tore: 1:0 Klaus Augenthaler (75.), 2:0 Johnny Ekström (84.), 3:0 Klaus Augenthaler (90.)

 

>> Spielbericht <<

Bayern München Eintracht Frankfurt

  • Raimond Aumann
  • Roland Grahammer
  • Klaus Augenthaler
  • Norbert Nachtweih
  • Hans Pflügler
  • Stefan Reuter
  • Hans Dorfner
  • Olaf Thon
  • Hans-Dieter Flick
  • Johnny Ekström
  • Roland Wohlfarth

 


 

Wechsel

  • Jürgen Wegmann für Roland Wohlfarth (58.)
  • Ludwig Kögl für Roland Grahammer (65.)

Wechsel

Trainer

Trainer

 

Eintracht-Torhüter Stein vom Platz gestellt

Von da an ging's steil bergab

Nein, es war dies ganz sicher nicht der Tag von Eintracht Frankfurt. Als die Mannschaft und ihre Begleiter am Samstag gegen 22.30 Uhr den Rhein-Main-Flughafen verließen, konnte man sich des Eindrucks nicht erwehren, als habe sie binnen eines kurzen Tages für die Sünden der vergangenen zehn Jahre gebüßt. 0:3-Niederlage beim FC Bayern München, Tabellenletzter nach dem ersten Spieltag und Torhüter Uli Stein des Feldes verwiesen. Daß zwischenzeitlich die Tickets für den Rückflug spurlos verschwunden waren und fast zweieinhalb Stunden Wartezeit bei „Saunatemperaturen“ auf dem Flughafen München-Riem dazukamen, weil auf dem Rollfeld die Maschine mit einem Triebwerkschaden stand, rundete das Bild ab.

75 Minuten lang dauerten im Brutofen des Münchner Olympiastadions bei drückender Hitze die „Geburtswehen“ (Bayern-Manager Hoeneß) des neuformierten Rekordmeisters Bayern München. Es mangelte dem Spiel der Bayern an konzeptioneller Grundlage, mannschaftlicher Geschlossenheit und dem notwendigen Durchsetzungsvermögen. Und weil die Eintracht gefällig mitspielte, über weite Strecken gar die Akzente setzte, lief eigentlich alles auf ein Remis hin.

Torhüter Uli Stein präsentierte sich in großartiger Form. Mit fast unglaublichen Reflexbewegungen hatte er bis dahin Möglichkeiten von Pflügler (17.), Thon (68.), abermals von Pflügler (69.) und Reuter (73.) vereitelt. Doch dann brach eben jene 75. Minute an. Völlig unnötig foulte der junge Libero Kostner (Binz spielte im Mittelfeld) Flick, Nachtweih zirkelte den Freistoß auf den Kopf von Augenthaler und der wuchtete den Ball ins Tor.

Völlig konsterniert, kopfschüttelnd und vor sich hinredend, verließ Uli Stein seinen Kasten und setzte sich auf die Werbetafeln hinter seinem Tor. Dort saß er fast eine Minute lang. Über 50 Meter spurtete Schiedsrichter Wittke heran und zeigte Stein wegen Verlassen des Spielfeldes die gelbe Karte. Dies quittierte der Torhüter mit Applaus, bis der Unparteiische seinerseits den gelben mit dem roten Karton austauschte und Stein des Feldes verwies. Wittke betonte hinterher mehrfach: „Stein hat kein Wort gesagt.“

In einer ersten Reaktion sagte Eintracht-Manager Wolfgang Kraus am Spielfeldrand: „Der Mann war doch schon vorher restlos überfordert.“ Und tatsächlich erschien der Platzverweis als der Höhepunkt einer ohnehin schon mangelhaften Leistung. „Der wird sich wundern, wenn er seinen Bewertungsbogen sieht“, sagte selbst Schiedsrichter-Beobachter Ross aus Ingolstadt.

In der ersten Halbzeit ahndete Wittke ein deutlich erkennbares Handspiel von Körbel innerhalb des eigenen Strafraums mit einem Freistoß vor der 16-Meter-Linie. Nach gut einer halben Stunde hatte Dorfner den Norweger Andersen im Bayern-Strafraum zu Fall gebracht. Wieder verlegte Wittke des Ort der Tat außerhalb der „gefährlichen Zone“ und entschied auf Freistoß. Nach einem rüden Foul von Kostner an Grahammer reagierte Wittke nicht — mit einem Muskelfaserriß humpelte Grahammer vom Platz. Als Binz den Ball ins Aus spielte, durfte die Eintracht dennoch einwerfen. Als der gut aufgelegte Heitkamp einen langen Spurt anzog, von Nachtweih heftig bedrängt wurde, sich aber dennoch durchsetzte, pfiff Wittke den Vorteil ab.

Als Stein vom Platz war, kam, was wohl kommen mußte. Die Bayern rappelten sich zusammen und demontierten eine demoralisierte Eintracht. Da verlängerte Ekström, bis dahin von Schlindwein gut markiert, einen Schuß von Wegmann zum 2:0. Und in der Schlußminute landete auch Augenthalers strammer Schuß aus 25 Metern im Frankfurter Tor.

Nach dem Platzverweis für Uli Stein

Kein Verständnis für Rot

Zum dritten Mal binnen zwei Jahren ist Uli Stein am Samstag des Feldes verwiesen worden. Vor zwei Jahren beschimpfte er beim Pokalspiel in Augsburg den Schiedsrichter („Drecksau und Wichser“) und wurde für vier Wochen gesperrt. Vor gut einem Jahr drückte er beim Supercup-Spiel in Frankfurt dem Münchner Jürgen Wegmann die Faust ins Gesicht und bekam zehn Spiele aufgebrummt. Jetzt sah der frühere Nationaltorhüter „Rot“ wegen „Unsportlichkeit und Provokation“, wie es im Spielbericht des Schiedsrichters steht.

Drei Platzverweise für einen Spieler, dem der Ruf vorauseilt, ein großartiger Torhüter und ein „Enfant terrible“ in Personalunion zu sein — doch noch nie wurde Stein soviel Rückendeckung zuteil wie am Samstag in München und nahezu in der gesamten Liga. Vom „mangelnden Fingerspitzengefühl des Schiedsrichters“ war hinterher in fast allen Reaktionen immer wieder die Rede. „Eine Ermahnung hätte es in diesem Fall auch getan“, sagte Bayern-Trainer Jupp Heynckes. Die gelbe Karte habe wohl ihre Berechtigung gehabt, „aber für die rote habe ich keinerlei Verständnis, weil dazu gar keine Veranlassung bestand“, sagte Heynckes weiter.

„Kein anderer wird für so eine Nichtigkeit, die es an jedem Spieltag zwanzigmal gibt, vom Platz gestellt, aber den Stein haben sie halt aufgeschrieben“, schimpfte Eintracht-Manager Wolfgang Kraus. „Der Schiedsrichter konnte, aber er mußte das nicht tun“, erklärte Frankfurts Präsident Gramlich. „Diese Entscheidung war der Höhepunkt einer katastrophalen Leistung“, sorgte auch Uli Hoeneß für Unterstützung.

„Der Platzverweis war eine absolute Frechheit“, sagte Stein hinterher wutschnaubend. „Zweimal mußte ich wegen unverzeihlichen Unbeherrschtheiten runter. Jetzt reiße ich mich zusammen, gehe während einer Spielunterbrechung hinter das Tor um mich zu sammeln und fliege wieder runter“. Bei den beiden anderen Feldverweisen habe er wenigsten ein schlechtes Gewissen gehabt, „aber diesmal weiß ich gar nicht, was ich verbrochen habe“. Warum er sein Tor überhaupt verlassen hatte, erklärt Stein so: „Ich war sehr enttäuscht, ich hatte drei todsichere Möglichkeiten vereitelt und dann diesen vermeidbaren Treffer gefangen, als uns fast schon nichts mehr passieren konnte. Außerdem war ich in dieser Bruthitze völlig erschöpft. Bei mir hat sich plötzlich alles gedreht.“

„Der Schiedsrichter wollte sich nur auf Kosten von Uli profilieren. Wegen einem lächerlichen Klatschen vom Platz, das ist doch der Wahnsinn“, schimpfte auch Kapitän Karlheinz Körbel. „Schiedsrichter von der Klasse eines Ahlenfelder, eines Eschweiler oder Pauly hätten nie so entschieden. Souverän hätten sie den Uli in sein Tor zurückgeholt und die Sache wäre erledigt gewesen“, sagte Kraus.

Die Schiedsrichter sollten über solchen Sachen stehen, bemerkte aus der Distanz Pierre Littbarski, während im Münchner Olympiastadion der frühere Stuttgarter Trainer Helmuth Benthaus immer wieder verständnislos den Kopf schüttelte. Der ehemalige HSV-Manager und frühere Nationalspieler Günther Netzer holte derweil zu einem Rundumschlag aus. „Die heutigen Schiedsrichter haben nicht mehr die Klasse von einst. Sie sind nicht mehr so souverän. Wir hätten früher wochenlang gesperrt werden müssen, bei dem, was wir so alles von uns gegeben haben“. Für einen vorbelasteten Spieler wie Stein sei diese Entscheidung extrem hart, meinte Netzer weiter.

„Das Sportgericht kann jetzt ausgleichend wirken. Eine Geldstrafe wäre das Höchstmaß und am nächsten Samstag sollte Stein wieder spielen“, sagte Heynckes. (Frankfurter Rundschau vom 25.07.1988)

Gnade für Uli Stein: 5000 Mark Geldstrafe

Nach dem Platzverweis bei Bayern München vorigen Samstag (0:3) - Beklatschen einer gelben Karte - ist Torwart Uli Stein von Eintracht Frankfurt durch das DFB-Sportgericht wegen unsportlichen Verhaltens nur mit einer Geldstrafe von 5000 Mark belegt worden. Damit ist der 33jährige, für den Chefankläger Hans Kindermann eine Sperre für zwei Spiele gefordert hatte, am Samstag wieder einsatzberechtigt. „Ich freue mich, daß man solche Milde hat walten lassen“, so Stein nach dem Urteil, das Sportgerichtsvorsitzender Hanns Bär begründete: „Sicherlich hat sich Uli Stein unsportlich verhalten, das ist unentschuldbar. Im Straßenverkehr wäre das mit einer Ordnungswidrigkeit zu vergleichen.“ Hans Kindermann als Vorsitzender des Kontrollausschusses äußerte, man werde sich mit der Frage befassen, „ob wir in die Berufung gehen“. (Darmstädter Echo vom 29.07.1988)

 

 

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