Eintracht Frankfurt - VfB Stuttgart |
Bundesliga 1984/1985 - 28. Spieltag
2:0 (0:0)
Termin: Sa 20.04.1985, 15:30 Uhr
Zuschauer: 18.000
Schiedsrichter: Dieter Niebergall (Rammelsbach)
Tore: 1:0 Armin Kraaz (62.), 2:0 Cezary Tobollik (75.)
Eintracht Frankfurt | VfB Stuttgart |
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Wechsel
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Trainer | Trainer
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Befreiungsschlag Eintracht Frankfurt hat die Negativserie von fünf sieglosen Spielen beendet. Vor 18.000 Zuschauern schlugen die Hessen gestern nachmittag im Waldstadion den VfB Stuttgart völlig verdient mit 2:0 (0:0). Die zweite Halbzeit versöhnte die vorher erbosten Fans; vor allem dieTore rissen zu Beifallsstürmen hin. Abiturient Armin Kraaz traf aus 25 Metern in den Winkel und krönte damit seine hervorragende Leistung, und Cezary Tobollik zirkelte einen Freistoß genau ins untere Eck und zeigte damit einmal mehr, was er für die Eintracht wert ist. Vor der Pause allerdings hatte der „Meister von morgen“ gegen den „Meister von gestern“ Fußball „von vorgestern“ gespielt. Langsam, teilweise lustlos, ohne Ideen, einfach schlecht. In der Pause dann mußte Jürgen Mohr draußen bleiben. Mit Alex Conrad kam ein weiterer Teenager aufs Feld, und alles wurde besser. Zu verdanken hatten Zuschauer und Eintracht die Wende dem zuletzt so arg gescholtenen Thomas Berthold. Der Nationalspieler sorgte nun für Druck, ging weite Wege und riß mit seinen Spurts die Stuttgarter Deckung immer wieder auseinander. Am Schluß hieß es dann „Ende gut, alles gut“. Uwe Müller holte sich schon in der 2. Minute die gelbe Karte. Zuerst hatte der junge Mann Buchwald gefoult, dann Andreas Müller. Was so kämpferisch begann, endete bis zur Pause fast freundschaftlich. Keine der beiden Mannschaften tat dem Gegner weh, kein Team forderte das andere. Nach drei Tagen Frühling spielten Eintracht und VfB schon Sommerfußball. Die Zuschauer hatten sich auf einen schönen Nachmittag gefreut, doch was ihnen blieb, war allein die wärmende Sonne. Beide Teams hatten in 45 Minuten jeweils eine Möglichkeit. Schon allein dies zeigt, wie schwach dieses Spiel wirklich war. In der 16. Minute zog Günther Schäfer eine Flanke nach innen, und Thomas Kempe kam zum Kopfball. Hansi Gundelach, der Frankfurter Torhüter, stand im falschen Eck, mußte dem Ball nachlaufen, konnte ihn aber nicht mehr erreichen. Zum Glück für ihn und seine Mannschaft flog der Ball ganz knapp am Tor vorbei. Die Eintracht brauchte sogar 35 Minuten, um einmal gefährlich vors Stuttgarter Tor zu kommen. Über Uwe Müller und Thomas Berthold lief der Ball zum völlig freistehenden Jürgen Mohr. Der Mann mit der Nr. 10 legte sich den Ball vom linken auf den stärkeren rechten Fuß, doch das so sehnlichst erhoffte Tor schaffte er trotzdem nicht. Mit einer Fußabwehr konnte Torhüter Helmut Roleder klären. Zu diesem Zeitpunkt gellten schon längst wütende Pfiffe durchs weite Rund, Mißfallenskundgebungen, die beiden Teams galten. Mit Bundesliga-Fußball hatte das müde Gekicke jedenfalls nichts zu tun. Die aktuellen Nationalspieler Karlheinz Förster und Thomas Berthold machten da ebensowenig eine Ausnahme wie ihre weniger prominenten Kameraden. Am aktivsten bei der Eintracht spielte noch Rechtsaußen Uwe Müller, doch er stand allein auf weiter Flur. Sein Stürmerkollege Cezary Tobollik machte keinerlei Anstalten, Müller zu helfen oder gar an seine Glanzleistung vom Bayern-Spiel anzuknüpfen. Trainer Dietrich Weise zog in der Pause die Konsequenz aus der indiskutablen Leistung von Jürgen Mohr und brachte für ihn Alex Conrad. „Ich kann den Trainer verstehen“, gab Jürgen Mohr nach dem Spiel zu Protokoll und ärgerte sich nicht wegen seiner Auswechslung. Resignation ist bei ihm an die Stelle von Aufbegehren getreten. „Ich weiß auch, daß ich nicht gut gespielt habe. Aber ich habe es natürlich auch unheimlich schwer. Die Fans pfeifen sofort bei meinem ersten Fehler, die anderen Spieler haben einfach mehr Kredit. Ich bin der Arsch der Mannschaft.“ Allerdings: Weise hätte genauso zwei, drei andere aus seiner schwachen Mannschaft herausnehmen können. Doch nun, nach dem Wechsel, wurde alles besser. Nicht weil Jürgen Mohr fehlte, sondern weil Thomas Berthold nun das Spiel an sich riß, Cezary Tobollik die Herausforderung mit Bernd Förster und Günther Schäfer annahm, einfach, weil die ganze Mannschaft energischer spielte. Jetzt wurden Chancen herausgearbeitet, und schließlich fielen auch Tore. Doch der Reihe nach: In der 46. Min. setzte sich Thomas Berthold am rechten Flügel durch. Seine Flanke aber verpaßte Jan Svensson ganz knapp. Fünf Minuten später war es wieder der Nationalspieler, der vom rechten Flügel flankte. Diesmal hatte Peter Boy die Schußchance, doch der Verteidiger zögerte zu lange. Der VfB hatte all dem nichts entgegenzusetzen, spielte weiter seinen Trott der, ersten Halbzeit runter und schien gar nicht mitbekommen zu haben, daß die Eintracht nun Dampf machte. Einer verdiente sich dann den Beifall der Zuschauer ganz besonders. Armin Kraaz, der Vorstopper, hielt nicht nur die Stuttgarter Angreifer an der kurzen Leine, sondern erzielte auch das erlösende 1:0. In der 63. Minute war es, als Kraaz im Mittelfeld den Ball annahm. Kein Stuttgarter griff an, kein Mitspieler lief sich frei. Da faßte sich Kraaz ein Herz und schoß. Aus 25 Metern flog der Ball wie an der Schnur gezogen genau in den Torwinkel. Stuttgarts Keeper Helmut Roleder reagierte überhaupt nicht, schien gar nicht glauben zu wollen, was ihm der Frankfurter Youngster da für ein Ding verpaßt hatte. „War das ein Hammer?“ Die verschmitzte Frage des überglücklichen Armin Kraaz nach Abpfiff an seinen Kapitän Charlie Körbel war rein rhetorischer Art. Natürlich war es ein Hammer, und was für einer: das 1:0 für die Eintracht. Körbel grinste ihn nur an. „Der Roleder hat mich so freundlich angelächelt. Da habe ich mir gedacht, den haust du einfach rein.“ Dann wurde der Lausbub ernster: „Ich habe einfach draufgehalten. Mehr als vorbeigehen konnte er nicht.“ Drei Minuten später war die Lethargie aus dem Spiel endgültig raus. Bernd Förster sorgte mit einem üblen Foul gegen Cezary Tobollik für Stimmung auf Rängen und Rasen. Schiedsrichter Niebergall zeigte nicht die mögliche rote Karte, noch nicht einmal die gelbe, und wurde fortan zum Buhmann. Und Tobollik wurde von Ehrgeiz gepackt und ließ 20 starke Minuten folgen. Seinen größten Auftritt hatte der Dribbelkünstler in der 75. Minute. Jan Svensson war gefoult worden, es gab 18 Meter vor dem Tor Freistoß für die Eintracht. Tobollik legte sich den Ball zurecht und nahm Anlauf. Fünf Meter, zehn Meter, fast 15 Meter. Ein Raunen ging durchs weite Rund. Tobollik also lief an und traf ganz gefühlvoll ins untere Eck. 2:0 — die Entscheidung. (Abendpost-Nachtausgabe zum Sonntag vom 21.04.1985)
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