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Eintracht Frankfurt - Borussia
Dortmund |
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Bundesliga 1984/1985 - 14. Spieltag
2:1 (1:1)
Termin: Sa 17.11.1984, 15:30 Uhr
Zuschauer: 15.000
Schiedsrichter: Wolf-Günter Wiesel (Ottbergen)
Tore: 0:1 Bernd Storck (5.), 1:1 Jan Svensson (20.), 2:1 Bernd Storck (72., Eigentor)
Eintracht Frankfurt | Borussia Dortmund |
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Trainer | Trainer |
(aus dem Stadionprogramm vom 10.11.1984)
Gegeben und genommen Nach der 1:3-Niederlage bei der Fortuna am Mittwoch konnte sich selbst Trainer Weise „auch nicht erklären, warum wir nun zum zweiten Mal hintereinander in Düsseldorf so enttäuscht haben“, und Präsident Klaus Gramlich wollte gar „das Spiel aus dem Gedächtnis streichen“. Das gelingt jedoch nicht. „Frankfurt macht die Schwachen stark“, klagt die „Bild“ in der Überschrift ihres Artikels an und macht das, was sie am besten kann: Stimmung. „Wenn Frankfurt kommt, schießen sich die Bundesliga-Klubs aus der Krise. Nacheinander bauten die Hessen Abstiegskandidat Braunschweig (0:5), Meister VfB (2:4) und jetzt Düsseldorf auf“, meint das Blatt und endet: „Dortmund freut sich schon. Morgen kommen die Borussen ins Waldstadion. Der nächste ‚Totgesagte‘, der gegen Frankfurt länger lebt?“ Genau das aber darf sich die Eintracht nicht erlauben,
wenn sie nicht ebenfalls in den Abstiegsstrudel gezogen werden will:
Nur drei Punkte beträgt der Vorsprung auf die Westfalen. Weise,
der in Düsseldorf allein Falkenmayer und Svensson die erwartete
Leistung bescheinigte, vermisste am Rhein Um dem zu begegnen, wird das Training reduziert und gegen den BVB neben Martin Trieb für Uwe Müller auch Norbert Fruck wieder in die Elf genommen. Der ist sicher frisch genug, denn er hat am 19.5. in Hamburg sein letztes Punktspiel für die Frankfurter gemacht. Danach war er wegen der vierten Gelben Karte eine Partie gesperrt, verlor seinen Platz in der Mannschaft und wurde von Weise nur am 5.6. im zweiten Relegationsspiel für etwas mehr als eine halbe Stunde eingewechselt. Seine Rückkehr auf den Platz bedeutet jedoch nicht, dass Weise dem ‚gelernten‘ Libero auch ‚seinen‘ Posten anvertrauen und – wie von vielen gefordert – den als Abwehrchef überfordert wirkenden Thomas Berthold zurück ins Mittelfeld versetzen würde. Nein, Fruck soll Hans-Peter Boy ersetzen, denn „Norbert ist der taktisch Clevere, um hinter Svensson den Raum abzuschirmen“, wie Weise seine Maßnahme erläutert.
Zu unterschätzen sind die Westfalen also nicht, wenngleich es nicht unerwartet kommt, dass es für den BVB in dieser Spielzeit in erster Linie erneut um den Klassenerhalt geht. Im Vergleich zur letzten Runde ist der Kader nicht verstärkt worden. Der im Sommer vom Grashopper Club Zürich für die Abwehr geholte schweizerische Nationalspieler André Egli hat die Zweifel an seiner Erstligatauglichkeit noch nicht gänzlich ausräumen können. Seiner Gelb-Roten Karte am 2. Spieltag folgte am 11. Spieltag ein Eigentor, das die 0:3-Heimniederlage gegen Kaiserslautern einleitete, am letzten Dienstag gelang ihm andererseits sein erster Treffer zum 3:1-Endstand gegen Braunschweig. In der Offensive hat Frank Pagelsdorf, der in den letzten beiden Jahren für Arminia Bielefeld 21 Tore erzielte, in sechs Liga- und drei Pokaleinsätzen noch keinen Treffer landen können. Und auch Michael Schüler, der in der letzten Runde beim Zweitligisten KSC mit 19 Toren in 36 Punktspielen auf sich aufmerksam machte, hat erst am Dienstag im zwölften Anlauf sein erstes Bundesligator für den BVB geschossen. Auf der Seite der Abgänge ist unter anderem der erfahrene Jupp Tenhagen nach drei Jahren in Dortmund zum VfL Bochum zurückgekehrt, für den er zuvor bereits acht Spielzeiten lang am Ball war. Harald Konopka, der in der letzten Rückrunde vom 1. FC Köln zum BVB wechselte, hat seine Laufbahn als Profi beendet und der in Hagen aufgewachsene Erdal Keser ist in die Türkei zu Galatasaray Istanbul abgewandert. Ein Verlust, denn der technisch starke Keser hat in den letzten beiden Jahren immerhin 18 Erstligatreffer erzielt. Schmerzlich vermisst wird bei den Dortmundern zudem
der torgefährliche Regisseur Marcel Raducanu, der seit dem 7.
Spieltag fehlt. Keine Angst zu haben braucht die Eintracht heute auch
vor Siegfried Reich. Der Neuzugang des BVB aus der vergangenen Saison
ist nach seinen beiden Toren im Frankfurter Waldstadion zum Bundesligaauftakt
im letzten Jahr in den folgenden 13 Punktspielen kein Tor mehr gelungen
und an Arminia Bielefeld abgegeben worden. Und Fred „Dass wir uns so schnell wiedertreffen, hätte ich nicht gedacht“, kann dagegen Dietrich Weise zu seinem Kollegen Erich Ribbeck sagen, der nun wie Weise aus dem Trainerstab des DFB in die Bundesliga zurückgekehrt ist. Offensichtlich haben sich die beiden Fußballlehrer einiges zu erzählen, denn sie plaudern am Spielfeldrand fast ein Viertelstündchen entspannt und munter. Ribbeck hat im Vergleich zum letzten Spieltag nur eine Änderung vorgenommen und ersetzt die dritte Sturmspitze Bernd Klotz durch den 20-jährigen Ingo Anderbrügge. „Die Eintracht hat eine sehr junge Mannschaft, da müssen wir doch mithalten“, grinst der Dortmunder Trainer. Nach sechs Minuten kann er sogar lachen, denn seine Elf gelingt vor 20.000 Zuschauern das, was sich die Gastgeber vorgenommen hatten. „Packt’s wie gegen Waldhof an!“, hatte die Sportzeitung der Eintracht gefordert, doch anstatt wie beim 7:2 vor einer Woche früh in Führung zu gehen, kassiert man einen Rückstand. Michael Zorc hat die Abwehr der Eintracht mit einem einzigen überlegten Pass überlistet und den aufgerückten Verteidiger Bernd Storck angespielt, der mit einer bedenkenswerten Leichtigkeit an Berthold vorbei geht und Pahl sodann mit einem wuchtigen Abschluss keine Chance lässt. Dass sein Gegenspieler, der sich in der Folge weiterhin immer wieder in den Angriff der eigenen Elf einschaltet, das Tor erzielt hat, ärgert Jan Svensson besonders. Die Offensivbemühungen Storcks lassen Svensson aber auch Freiheiten, die Tobollik gegen Egli, Krämer gegen Rüssmann, Wegmann gegen Körbel und Dreßel gegen Sievers nicht haben. Doch selbst wenn Storck in der Nähe ist, kann er den unberechenbaren Angreifer nur selten kontrollieren.
Trotz des 1:1 zeigen die vom starken Zorc angetriebenen Gäste in dieser Halbzeit ihr bis dato bestes Auswärtsspiel. Der spielerische Aufschwung vermag freilich nichts daran zu ändern, dass der BVB nach Bielefeld die zurzeit mit Abstand torungefährlichste Truppe der Liga stellt. Und die Wahrscheinlichkeit ist gering, dass der von Körbel bestens bewachte Mittelstürmer Wegmann heute zu seinem vierten Rundentreffer kommt, auf den er seit dem 6. Spieltag wartet. Außenstürmer Dreßel, mit bislang nur einem Ligator der ungefährlichste Dortmunder Angreifer, wird zudem von Sievers so hartnäckig auf Schritt und Tritt verfolgt, dass man für den Gästespieler nur hoffen kann, dass die Frankfurter Klette wenigstens in der Halbzeitpause von ihm lassen wird. Auf der anderen Seite liefert Tobollik Dribblings, die für die Galerie gemacht sind und diese auch begeistern. Doch er vermag es nicht, sich nach seiner Torvorbereitung ein zweites Mal entscheidend durch- und in Szene zu setzen. Krämer und Rüßmann liefen sich derweil ein verbissenes Duell, das wortwörtlich bis auf die Knochen geht. Zum Verdruss des Frankfurter Anhangs lässt Wiesel die eine oder andere Härte des ehemaligen Schalkers im Dortmunder Dress durchgehen, doch Krämer lässt sich von Rüssmann nicht beeindrucken und kämpft unverdrossen weiter. An seinen Gegenspieler vorbei kommt er jedoch ebenfalls nicht. Darüber hinaus entspringt dem Mittelfeld der Eintracht zu wenig Verwertbares, allein Falkenmayer macht das Spiel schnell und setzt Akzente. Trieb ist bei seinen Abspielen zu unkonzentriert und Kroth läuft viel, aber leider auch seiner Form hinterher und Fruck fehlt nach der langen Zeit die Spielpraxis. In der Abwehr hat Berthold als Libero zum wiederholten
Male erkennbare Schwierigkeiten, was aufgrund seiner betont lässigen
Spielweise nicht nur Kopfschütteln, sondern auch entsprechende
Kommentare der Zuschauer herausfordert. Und Berthold hat Glück,
dass er sich auf Körbel und Pahl verlassen kann. So wie in der
30. Minute, als er Wegmann von Körbel übernimmt, doch dann
vom Dortmunder scheinbar mühelos stehen Beim BVB muss ein anderer Routinier nach 35 Minuten vom Platz. Lothar Huber, der unter Ribbeck zurück in die Elf gekommen und wieder zum Stammspieler geworden ist, räumt für Ulrich Bittcher das Feld. In der zweiten Halbzeit wird die Partie nicht weniger intensiv, sondern noch verbissener geführt. Auch wenn es erst der 14. Spieltag ist, sieht man hier einen Kampf, als würde heute schon über den Abstieg entschieden. Die Eintrachtspieler sind in den Zweikämpfen nun stärker als ihre Kontrahenten, was ihnen Vorteile bringt, die die Kellerkinder aus Dortmundern mit gröber werdenden Fouls auszugleichen versuchen. Erst Egli und dann – endlich – auch Rüßmann sehen die Gelbe Karte nach Fouls an ihren direkten Gegenspielern. Besonders Tobollik wird immer gefährlicher, was Egli zunehmend Probleme bereitet, die er eben nur noch mit Regelwidrigkeiten zu lösen versteht. Unter dem Druck der Frankfurter unterläuft allerdings nicht ihm, sondern dem Torschützen Storck ein Foul mit Folgen. Nach einem Pass von Berthold in den Strafraum kommt Krämer an den Ball und wird von dem hinter ihm laufenden Storck gelegt. Sofort entscheidet Wiesel auf Strafstoß. Den Lohn für die Mühen der vergangenen 70 Minuten erhält die Eintracht dennoch nicht, weil Trieb den Elfmeter flach links am Tor vorbei setzt.
Die verdiente Frankfurter Führung lässt Ribbeck sofort reagieren. Er bringt schon in der folgenden Minute Daniel Simmes für den Dreßel. Der blutjunge Außenstürmer hat vor sechs Wochen für bundesweites Aufsehen gesorgt, als er beim 2:1 gegen Leverkusen nach 63 Minuten mit einem Solo über 60 Metern die halbe Bayer-Elf aussteigen ließ und die Führung erzielte und 6 Minuten später auch noch die Vorlage zum Siegtreffer durch Klotz lieferte. Es liegt aber nicht an Simmes, dass es in der Schlussphase noch einmal hoch her geht und der Sieg der Eintracht in Gefahr gerät. Vielleicht liegt es an der nachlassenden Kraft, wie bei Falkenmayer, der im zweiten Durchgang abgebaut hat, vielleicht an den Nerven der jungen Spieler. Weise jedenfalls entscheidet sich für einen Wechsel im Angriff, in dem er Holger Friz für Tobollik bringt, der zwar auf der einen Seite den Ball zu halten versteht, auf der anderen Seite aber auch derjenige ist, der ihn am ehesten überflüssigerweise verlieren könnte.
„Im Mittelfeld ist es einfacher zu spielen. Es gehört doch viel Routine für einen guten Libero-Part. In diese Aufgabe muss man reinwachsen“, erklärt Berthold einsichtig nach seiner neuerlich schwachen Partie, in der er als Organisator der Abwehr überfordert war und ihr keinen Halt geben konnte. Im Gegensatz zu Körbel, den BVB-Coach Ribbeck als 17-Jährigen bei der Eintracht zu seinem Bundesligadebüt verholfen hat und den er nun mit Recht heraushebt: „Da hat man gesehen, was die Alten noch wert sind.“ Zuvor hatte Körbel nach seinem Schienbeinbruch
im Spiel gegen Nürnberg gegen Ende der letzten Saison in dieser
Runde noch nicht wieder zu seiner alten Form gefunden. Es muss Körbel,
der die junge Elf in jeder wichtigen Partie gegen Nürnberg mit
vorbildlichem Einsatz und zwei Treffern zum 3:1-Sieg führte,
schmerzen, dass er von vielen ehemaligen Schulterklopfern mit noch
nicht einmal ganz 30 Jahren bereits zum alten Eisen gezählt und
abgeschrieben wurde. „Der alte Mann ist aber doch noch nicht
so schlecht“, lautet Körbels nachvollziehbare Replik, nachdem
er auf dem Platz bereits die bessere Antwort gegeben hat.
Erich Ribbeck übrigens hat sich trotz der Niederlage und des 17. Tabellenplatzes seinen Humor bewahrt. Als ein Dortmunder Journalist ihn darauf hinweist, dass der Trainer nach dem Schlusspfiff schneller in die Kabine gerannt sei als sein Spieler Schüler vorher auf dem Platz, entgegnet Ribbeck trocken: „Schüler hat nicht meine Grundschnelligkeit.“ Epilog Daniel Simmes‘ Tor gegen Leverkusen wird in der Sportschau zum Tor des Jahres gewählt, doch die ihm vorhergesagte große Karriere will ihm nicht gelingen. Nach vier Jahren beim BVB wechselt er 1988 zum KSC, wo er am 9.9.1989 gegen die Dortmunder sein letztes Bundesligator erzielt und – gerade 24 Jahre alt geworden – am 19.9.1990 sein letztes Bundesligaspiel bestreitet. Simmes wechselt 1991 zu Lierse SK in die zweite belgische Liga und versucht es vier Jahre später noch einmal in Deutschland in der Regionalliga. Er kickt zuerst bei Alemannia Aachen und 12 Monate später auch eine Spielzeit beim Wuppertaler SV, bevor er nach Belgien zurückkehrt, wo er auch heute noch lebt und arbeitet. „Ich war immer so abgeschlafft. Vor dem Spiel habe ich mich immer so gefühlt, als hätte ich schon neunzig Minuten in den Beinen“, erzählt Simmes im Jahr 2009: „Nächtelang habe ich wach gelegen und mich immer wieder gefragt, wie es kommt, dass ich nicht laufen konnte. Ich war doch noch jung.“ Doch den Grund dafür erfuhr er erst 2003: Simmes wurde mit einem Herzfehler geboren und litt an Herzrhythmusstörungen, die seinen Kreislauf beeinträchtigten. Während seiner Zeit als Profi in Deutschland war das den Ärzten, die ihn wegen seiner Müdigkeit untersuchten, verborgen geblieben: „Die haben ein paarmal den Blutdruck gemessen und auch mal das Herz abgehört. Aber niemandem ist etwas aufgefallen. Die dachten alle, das Problem liegt zwischen den Ohren.“ „Ich hätte so viel erreichen, Weltmeisterschaften spielen können“, sagt der Mann, den als 18-Jähriger der FC Barcelona verpflichten wollte, und erinnert sich auf der anderen Seite daran: „Dass ich nicht im Stadion gestorben bin, grenzt an ein Wunder.“ „Ich habe eine wunderbare Frau mit zwei wunderbaren Kindern“, sagt er in der ARD-Sportschau und bilanziert: „Also, das Leben gibt und nimmt.“ (rs)
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