VfB Stuttgart - Eintracht Frankfurt |
Bundesliga 1983/1984 - 32. Spieltag
2:2 (2:0)
Termin: Sa 12.05.1984, 15:30 Uhr
Zuschauer: 36.000
Schiedsrichter: Manfred Neuner (Leimen)
Tore: 1:0 Peter Reichert (8.), 2:0 Karl Allgöwer (22.), 2:1 Thomas Berthold (85.), 2:2 Uwe Müller (90.)
VfB Stuttgart | Eintracht Frankfurt |
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Eine leichte Aufgabe? Recht locker können die Frankfurter zum Spiel beim Tabellenführer VfB Stuttgart antreten. Denn das vorgezogene Freitagsspiel auf dem Berg in Bieber bringt mit einer 3:7-Niederlage der Heimmannschaft gegen Werder Bremen das in Frankfurt erhoffte Ergebnis. So stellt Weise vor dem Spiel beim VfB fest: "Der Kaffee hat uns heute morgen allen viel besser geschmeckt. Wir sind endlich einmal diesen Rucksack los und können befreiter aufspielen." "Eine leichte Aufgabe" prophezeit der 'Kicker' den Stuttgartern gegen die Frankfurter Eintracht, und ein Blick auf die Leistungswerte dieser Spielzeit ist in der Lage, diese Meinung zu untermauern. 45 Punkte haben die Schwaben bislang geholt, die Eintracht ganze 22 und 75 VfB-Toren stehen 38 Frankfurter Treffer gegenüber. Führend ist die Eintracht allerdings bei den Gegentreffern: 59 zu 29 lautet hier die Bilanz. Zudem hat der VfB das Hinspiel in Frankfurt mit 3:1 gewonnen, seit neun Spielen nicht mehr verloren und bisher nur drei Heimpunkte durch Unentschieden abgegeben. Der letzte Sieg der Eintracht im Neckarstadion datiert auf den 10. Mai 1975 (Torschützen beim damaligen 3:4: Grabowski (2), Lorenz und Hölzenbein), ist also fast genau zehn Jahre alt, seit dem gab es für die Riederwälder lediglich ein einziges Pünktchen zu holen, und zwar in der Spielzeit 80/81 (1:1, Torschütze Lottermann).
Eine klare Sache also, so möchte man meinen. Denn mit einem Sieg können die Stuttgarter der Verwirklichung ihres Traums 'Deutsche Meisterschaft' einen großen Schritt näherkommen. Relativ entspannt äußert sich Eintrachttrainer Weise vor dem Spiel: "Das Spiel in Stuttgart steht für uns nicht unter der Bedeutung, wie zuletzt das gegen Nürnberg. Wir sind im Neckarstadion krasser Außenseiter, und niemand räumt uns dort auch nur eine Minimalchance ein. Wir können in Stuttgart ruhiger und befreiter aufspielen. Ob wir es zulassen, dass es am 26. Mai im Neckarstadion, wenn der VfB gegen den Hamburger SV spielt, tatsächlich zu dem vielzitierten Endspiel kommt, weiß ich nicht. Wir möchten es natürlich gerne verhindern." Um diese minimale Chance zu wahren, entscheidet sich Weise aufgrund der Verletzung Körbels für die neu formierte Abwehrreihe mit Pahl im Tor, Fruck als Libero sowie den Innenverteidigern Thomas Berthold als Vorstopper und Armin Kraaz, Außen sollen Sievers und Trieb dichtmachen. Im Mittelfeld läuft der zuletzt auf die Reservebank geratene Ronald Borchers, der sogar die Kapitänsbinde trägt, neben Falkenmayer und Mohr auf. Dem in den letzten Spielen müde wirkenden Kroth will Weise nach eigenen Aussagen "eine Verschnaufpause gönnen". Überraschend steht Stürmer Harald Krämer in seinem vierten Bundesligaspiel als Partner von Svensson erstmals in der Startelf, Uwe Müller muss mit einem Platz auf der Bank vorlieb nehmen. Zu Krämers Nominierung äußert sich Weise: "Ich will nach gutem Training jetzt mal sehen, wo er steht und will wissen, ob ich mit Krämer in der nächsten Saison rechnen kann." Helmut Benthaus, der Trainer des VfB, muss auf seinen Stammtorhüter Roleder verzichten, der sich am 28. Spieltag beim Auswärtsspiel der Schwaben in München verletzt hatte. Sein Vertreter ist der 21-jährige Armin Jäger, der heute sein sechstes Bundesligaspiel bestreitet und bei seinen vorangegangenen fünf Einsätzen nur zwei Gegentreffer zuließ. 9:1 Punkte haben die Stuttgarter aus diesen fünf Partien geholt, in denen Jäger im Tor stand. Ansonsten ist bei den Schwaben alles an Bord, was Rang und Namen hat: für die Defensive die Förster-Brüder Bernd und Karlheinz sowie der Nationalmannschaftsaspirant Guido Buchwald und im Mittelfeld eines der torgefährlichsten Trios der Liga mit Karl Allgöwer, Hermann Ohlicher und dem Spielmacher Asgeir Sigurvinsson. Vorne setzt Benthaus mit Peter Reichert, der es in dieser Saison bisher auf zwölf Ligatore brachte, auf einen Einzelkämpfer. Dass lediglich ein nominaler Stürmer keine defensive Spielausrichtung bedeutet, beweisen die Stuttgarter von der ersten Minute des Spiels. Denn Buchwald und Sigurvinsson über links sowie Schäfer und über rechts nehmen die Frankfurter gehörig in die Zange. Die versuchen es mit konsequenter Manndeckung - Sievers folgt Sigurvinsson, Kraaz spielt gegen Reichert und Berthold kümmert sich um Ohlicher -, haben jedoch dem druckvollen Spiel der Schwaben nur wenig entgegenzusetzen. Insbesondere bei hohen Bällen in den Strafraum schwimmt der neu formierte Deckungsverbund der Riederwälder ob der Sprungkraft der VfB-Spieler.
Bereits nach vier Minuten hat das Gros der mehr als 30.000 Zuschauer den Torschrei auf den Lippen, doch Frankfurts Torhüter Pahl kann einen Reichert-Schuss mit dem linken Fuß nach einer akrobatischen Parade noch über die Latte lenken. Vier Minuten später ist der VfB-Mittelstürmer dann erfolgreicher. Allgöwer setzt sich auf der linken Seite durch und flankt, Reichert ist zur Stelle und lässt Pahl im Frankfurter Tor mit seinem Kopfball aus sechs Metern zum 1:0 für die Hausherren keine Chance. Nur zwei Minuten dokumentiert sich erneut die Luftüberlegenheit der Schwaben. Doch Pahl kann einen Kopfball von Allgöwer von der Linie boxen und so den frühen 0:2-Rückstand verhindern. Chancenlos ist Pahl dann aber in der 20. Minute beim 2:0 für den VfB. Vorangegangen war ein Rempler von Thomas Berthold gegen Allgöwer, für das der Frankfurter die Gelbe Karte und der Stuttgarter einen Freistoß zugesprochen erhält. Der Gefoulte nimmt sich der Ausführung dieses Freistoßes selbst an und zieht aus 20 Metern ab. Der Ball wird von Sievers in der Mauer noch abgefälscht, ehe sein Flug von den Maschen den Frankfurter Tors gebremst wird. Nach diesem frühen 2:0 fahren die Stuttgarter ihre Aktivitäten auf dem Platz etwas zurück, ohne dabei allerdings ihre Feldüberlegenheit einzubüßen. So muss in der 25. Minute Ronald Borchers in letzter Sekunde vor Buchwald retten. Nach etwa einer halben Stunde kommt die Eintracht dann aber besser ins Spiel. Sievers, der bislang seine Probleme mit Sigurvinsson hatte und für ein Foul am Spielgestalter des VfB bereits mit der Gelben Karte bedacht wurde, bekommt den Isländern nun besser in den Griff, im Mittelfeld der Eintracht zeichnen sich Falkenmayer und vor allem Kapitän Borchers durch ihre Einsatzbereitschaft aus. Borchers ist es auch, der die erste und einzige Chance der Eintracht in der ersten Hälfte vorbereitet, als er in der 37. Minute bei einem Spurt drei Stuttgarter abhängen und eine Flanke in den Strafraum schlagen kann. Dort steht Harald Krämer frei, zielt aber mit seinem Kopfball zu ungenau, so dass das Leder neben das Tor geht. Was sich zum Ende der ersten Halbzeit abzeichnete, findet zu Beginn der zweiten seine Fortsetzung: Der VfB Stuttgart spielt verhalten und wird immer schlechter. Diese Trendwende kann vor allem Sievers für sich verbuchen, der Sigurvinsson und damit die zentrale Anspielstation der Schwaben neutralisiert. Glück haben die Frankfurter allerdings nach knapp einer Stunde Spielzeit, als Fruck den Nationalspieler Karlheinz Förster im Strafraum legt, der mögliche Elfmeterpfiff von Schiedsrichter Neuner allerdings ausbleibt. Von den Spielanteilen präsentiert sich die Eintracht nun ebenbürtig, ohne allerdings gefährlich vor das Tor von Jäger zu kommen. Krämer und Svensson, die beiden Angriffsspitzen der Riederwälder, werden von Karlheinz und Bernd Förster komplett kontrolliert. Dies erkennt auch Eintrachttrainer Dietrich Weise, der es daraufhin mit frischen Offensivkräften versuchen will und seine beiden Stürmer austauscht: Für Jan Svensson kommt in der 73. Minute Cezary Tobollik auf den Platz, drei Minuten später räumt Harald Krämer das Feld und Uwe Müller läuft auf. Schon kurz nach seiner Einwechslung setzt Müller ein erstes Ausrufezeichen. Frei vor Torhüter Jäger scheitert er jedoch am VfB-Keeper, der Nachschuss von Borchers wird von Makan per Kopf geklärt. In der 83. Minute wechselt auch der Stuttgarter Trainer Benthaus aus: Für Hermann Ohlicher, mit 34 Jahren der Oldie auf dem Platz und seit dem Beginn seiner Profikarriere im Jahr 1973 beim VfB, kommt der junge Andreas Müller, der als "Einwechselspieler vom Dienst" in seinem ersten Profijahr steht.
Fünf Minuten vor dem Abpfiff erzwingt die Eintracht eine Ecke, die Jürgen Mohr von links hoch in den Strafraum tritt. Zur Stelle ist dieses Mal allerdings kein Stuttgarter, sondern der Frankfurter Ersatz-Vorstopper Berthold, der von Karl-Heinz Förster unbehelligt den Ball aus sieben Metern unter die Latte köpft. Nur noch 1:2, den Schwaben ist ihre Verunsicherung deutlich anzusehen, das Wissen um die 3:1-Halbzeitführung des Titelkonkurrenten HSV in Nürnberg trägt zusätzlich zur Nervosität bei. Die junge Eintracht-Mannschaft aber wittert nicht nur ihre Chance, sie ist auch willens, diese Witterung aufzunehmen und der Spur zu folgen, die in den Strafraum des VfB führt. Es läuft die letzte Spielminute. Trainer Benthaus wechselt noch einmal aus, um Zeit zu gewinnen, mit Rainer Zietsch kommt ein Abwehrspieler für Mittelstürmer für Peter Reichert. Wieder kann die Eintracht eine Ecke erspielen, die Tobollik tritt. Der Ball kommt in den Strafraum, wird verlängert, und wieder entwischt Thomas Berthold dem Nationalverteidiger Karl-Heinz Förster und köpft auf das VfB-Tor.
Doch dieses Mal steht der Pfosten einem Treffer im Weg, Torhüter Jäger, Buchwald und Allgöwer wollen klären. Im Hintergrund lauern Kraaz und Fruck, die ebenso wie Torhüter Pahl, der sich an der Mittellinie postiert hat, nichts mehr hinten hält, auf die vom Innenpfosten abgeprallte Lederkugel. Doch die nimmt einen anderen Weg, und zwar just zum eingewechselten Uwe Müller, der sich ins Gewühl gestürzt hatte und im Fünfmeterraum auf dem Boden liegt. Und Müller macht das, was ein Stürmer machen muss und was sein berühmter Namensvetter aus München perfekt beherrscht: Er gibt dem Ball den entscheidenden letzten Schubs, so dass er zum 2:2 über die Torlinie trudelt. Die letzte Aktion des Spiels ist von Verzicht geprägt: Schiedsrichter Manfred Neuner aus Leimen pfeift die Partie nach diesem Ausgleich nicht mehr an, sondern ab. Der Rest ist ein Stimmungsbild, das gegensätzlicher nicht sein könnte: mehr als 30.000 in Schockstarre verharrende Schwaben und 1.000 übergeschnappte Frankfurter. Durch diesen Punktgewinn sichert sich die Eintracht den 16. Tabellenplatz und schickt den Verein aus Bieber (bis heute) endgültig dorthin, wo er hingehört: in eine niedere Klasse des Fußballligabetriebs. Ärgerlich nur, dass der VfL Bochum sein Heimspiel gegen Bayer Leverkusen mit 2:1 gewinnt und damit als Tabellen-15. mit 26 Pluspunkten zwei Spieltage vor Saisonende drei Zähler Vorsprung vor der Eintracht aufweisen kann. Der VfB kann seinen ersten Tabellenplatz aufgrund der um sechs Tore besseren Tordifferenz gegenüber den HSV (6:1-Sieger beim zweiten Absteiger Nürnberg) zwar verteidigen, mit dem Auswärtsspiel in Bremen und dem Heimspiel gegen den HSV am letzten Spieltag haben die Schwaben aber ein schweres Restprogramm. Vermeintlich leichter haben es da die Hamburger, die am nächsten Spieltag die Frankfurter Eintracht empfangen. Vermeintlich ...
Karl-Heinz Körbel: "Ich kann die Mannschaft zu diesem 2:2 nur beglückwünschen. Es ist einmalig. Sie muss in der 2. Hälfte sehr diszipliniert gespielt haben. Ich ziehe den Hut vor der Elf, die das 2:2 verdient hat. Dieses Unentschieden beim VfB, der seinerseits einen Meilenstein zum Titelgewinn setzen wollte, ist sogar höher einzuschätzen als unser Sieg damals in Bremen." Dietrich Weise: "Wenn man in den letzten fünf Minuten ein bereits verloren geglaubtes Spiel noch zu einem Unentschieden macht, muss man natürlich zufrieden sein. In der ersten Halbzeit hätten wir noch weiter zurückliegen können. Dann war in der zweiten Halbzeit beim Spiel des VfB der Faden gerissen. Ich weiß nicht, woran es lag. Vielleicht daran, dass wir weniger Fehler gemacht haben als der VfB. Wir sind sehr glücklich, dass wir endgültig den 16. Platz gesichert haben, um den wir in den letzten Wochen gekämpft haben."
Helmut Benthaus: "In der ersten Halbzeit sah es ganz danach aus, als würden wir so weiter machen wie in den letzten Wochen. Der Knacks in der zweiten Halbzeit ist mir unerklärlich, außer, dass die Frankfurter stärker als in der ersten Halbzeit gespielt haben. Dennoch sind für uns noch alle Möglichkeiten offen, den Titel zu gewinnen, und ich werde jetzt nicht den Hammer herausholen und Porzellan zerschlagen." Uwe Müller: "Ich lag am Boden, der Ball sprang zu mir, und irgendwie hab' ich ihn ins Tor bugsiert."
Für nächstes Jahr muss sich Weise neue Assistenten suchen: Denn nach Mank, der als Trainer zum Landesligisten SpVgg. Neu-Isenburg wechselt, wird auch Willi Neuberger den Verein verlassen: Er hat einen Arbeitsvertrag beim Sportartikelhersteller Adidas unterschrieben Neues wird es auch auf der Brust der Eintrachtspieler zu sehen geben: Nachdem der Sponsorenvertrag mit Hoechst zum Saisonende ausläuft, steht es so gut wie fest, dass der Küchen- und Türenrenovierer 'Portas' Trikotsponsor der Eintracht wird. Trotz der Verletzung Körbels keine Rolle in Weises Personalplanungen spielt der zum Ende der Saison nach Berlin wechselnde Michael Sziedat. Offiziell ist eine Achillessehnenreizung der Grund, warum der Verteidiger nicht zum Kader für Stuttgart zählt. Den wahren Grund aber meint zumindest die Abendpost-Nachtausgabe zu kennen. Demnach soll es zwischen Sziedat und Weise einen zur Suspendierung führenden Disput gegeben haben, als der Trainer beim Aufwärmtraining Seilspringen anordnete. Folgenden Dialog veröffentlich das Boulevardblatt: Sziedat: "Das kann ich nicht." Weise: "Dann lernen Sie es jetzt." Sziedat: "Das steht aber in keinem Lehrbuch." Weise: "Doch, in einem neuen." Sziedat: "Wahrscheinlich einem Lehrbuch aus der DDR." Die Verhandlungen mit Ronald Borchers, dem die Eintracht zum Saisonende gekündigt hat, ruhen. Und weil für den Boulevard allzu viel Ruhe nur schwer erträglich ist, kocht das Gerücht hoch, Borussia Dortmund sei an einem Tauschgeschäft interessiert. Für Borchers sollen die Borussen den 21-jährigen Libero Ralf Loose plus eine Summe X anbieten. Während der Eintrachttross im Schwabenland gastiert, sitzt mit Klaus Mank einer der Assistenztrainer in Berlin auf der Tribüne und beobachtet das Zweitligaspiel Hertha BSC gegen den MSV Duisburg. Die Duisburger, derzeit mit drei Punkten Vorsprung auf den Vierten Hessen Kassel Tabellendritter der Zweiten Bundesliga, siegen souverän mit 4:1. Mank zeigt sich vor allem vom Duisburger Stürmer und Junioren-Weltmeister Roland Wohlfarth beeindruckt, der zwei Tore erzielt und sich mit 28 Treffern an die Spitze der Zweitliga-Torschützenliste setzt. Der Sonntag nach dem Spiel in Stuttgart ist ein großer Tag für die Jugend der Frankfurter Eintracht: Die A-Jugend der Riederwälder schlägt den Nachwuchs des Vereins aus Bieber mit 5:1 und wird nach dem 1:0 im Hinspiel Südhessenmeister. Auch die B-Jugend kann feiern: Nach dem 4:0 gegen Hessen Kassel (Vorspiel ebenfalls 4:0) steht sie als Hessenmeister fest. (fgo)
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