VfB Stuttgart - Eintracht Frankfurt |
Bundesliga 1979/1980 - 20. Spieltag
4:2 (0:1)
Termin: Sa 02.02.1980, 15:30 Uhr
Zuschauer: 25.000
Schiedsrichter: Schiedsrichter: Walter Eschweiler (Euskirchen)
Tore: 0:1 Ronald Borchers (39.), 1:1 Hans Müller (49.), 2:1 Bernd Klotz (55.), 3:1 Walter Kelsch (57.), 4:1 Walter Kelsch (58.), 4:2 Bum-Kun Cha (80.)
VfB Stuttgart | Eintracht Frankfurt |
|
|
Wechsel
|
Wechsel
|
Trainer | Trainer |
Einer funkte dazwischen Gegen seine alten Kameraden war der Eintracht-Schlußmann völlig aus dem Häuschen Eine Halbzeit lang lieferte die Frankfurter Eintracht ihr vielleicht bestes Auswärtsspiel der Saison. Dennoch verlor sie beim VfB Stuttgart klar und deutlich mit 2:4. Der Sündenbock für die Niederlage war diesmal leicht gefunden, hatte doch Torhüter Klaus Funk mit einem Eigentor in der 48. Minute das Debakel eingeleitet. Danach brachen alle Dämme, sowohl im Tor bei Funk als auch vor ihm bei seinen konfus durch den Strafraum rennenden Kameraden. Klotz und zweimal Kelsch machten bis zur 58. Minute mit dem 4:1 alles klar. Bum Kun Chas Tor zum 2:4 hatte keine Bedeutung mehr. Die Eintracht hatte sich selbst um den Lohn einer vor allem in der ersten Halbzeit überdurchschnittlichen Leistung gebracht, über die gesamte Distanz spielte bei der Eintracht lediglich Ronald Borchers über dem Durchschnitt, während der VfB in Hansi Müller und im Grabowski-Bewacher Hadewicz seine überragenden Spieler hatte. Taktisches Durcheinander vor dem Spiel. Die Vorstellung von Eintracht-Trainer Friedel Rausch: Werner Lorant sollte VfB-Spielmacher Hansi Müller stoppen, Ronald Borchers gegen Hermann Ohlicher spielen, und Bernd Hölzenbein mit Bum Kun Cha in die Spitze gehen. Beim VfB sah die Rechnung vor dem Spiel ganz anders aus: Ohlicher gegen Grabowski und Martin gegen Borchers. Den Frankfurter Gästen gelang es dann bald, ihr System durchzudrücken. Der VfB griff ungestüm an, und die Eintracht konnte in aller Ruhe kontern. Es entwickelte sich von Beginn an eine hervorragende, tempostarke Partie mit Torchancen auf beiden Seiten. Die erste hatten die Hessen in der 5. Minute. Norbert Nachtweih fing einen Angriff von Kelsch ab, ging auf Linksaußen davon und flankte halbhoch nach innen. Bum Kun Cha flog dazwischen, konnte den Ball aber nicht mehr nach unten drücken. Sein Schuß ging knapp über das Tor. Zwei Minuten später der Gegenschlag der Stuttgarter. Georg Volkert, in der Anfangsphase von Helmut Müller nicht zu halten, ging an der gesamten Abwehr vorbei, scheiterte dann aber am tollkühn herausfliegenden Klaus Funk. Den abgewehrten Ball nahm Kelsch direkt, doch traf er nur den Rücken seines Mannschaftskameraden Volkert. Sonst hätte es unweigerlich 1:0 gestanden. Die Eintracht spielte sehr geschickt aus der Abwehr heraus. Ronald Borchers leistete im Mittelfeld ein phantastisches Pensum, hielt nicht nur Ohlicher in Schach, sondern tat selbst etwas für den Angriff. Bernd Nickel, zum erstenmal seit langen Wochen wieder dabei, schlug einen 40-Meter-Paß nach dem anderen. Jürgen Grabowski schlich sich ein ums andere Mal an Hadewicz vorbei und konnte so Ruhe ins Spiel bringen. Besonderes Plus der Frankfurter: ihre Abwehrspieler, allen voran Libero Neuberger, schalteten sich immer wieder mit in den Angriff ein. Nach gefährlichen Schüssen auf beiden Seiten, die jeweils knapp vorbeigingen, brachte Ronald Borchers die Eintracht in der 39. Minute in Führung. Bernd Nickel schlug von der Mittellinie einen weiten, hohen Paß genau auf Borchers. Der nahm den Ball im Strafraum auf und ließ Roleder aus zehn Metern mit einem plazierten Flachschuß keine Abwehrmöglichkeit. Der VfB stürmte nun doch energischer, damit aber auch immer hektischer. Und fast wäre der Schuß zum zweitenmal nach hinten losgegangen. Zwei Minuten vor der Pause lief wieder ein schulbuchmäßiger Konter der Frankfurter über Bernd Hölzenbein, Jürgen Grabowski und Willi Neuberger. Erst Roleder stoppte Neubergers scharfen Flachschuß aus spitzem Winkel. Als Schiedsrichter Eschweiler zur Pause gepfiffen hatte, bekamen die Frankfurter ein dickes Lob von DFB-Trainer Dietrich Weise: „Die Eintracht spielt ganz clever, besonders Bernd Nickel imponiert mir. Über ihn läuft jeder Konter.“ Dreizehn Minuten nach der Halbzeit sah alles ganz anders aus. Mit einer Mischung aus Glück, eigener Wucht und Schwäche des Gegners machte der VfB Stuttgart bis zur 58. Minute aus dem 0:1 ein 4:1. Für den ehemaligen Stuttgarter Klaus Funk im Frankfurter Tor wurde es ein rabenschwarzer Tag. Zur Chronologie: der Ausgleich in der 48. Minute. Zweimal kam Rechtsaußen Walter Kelsch zum Schuß, zweimal warfen sich Frankfurter Abwehrspieler dazwischen. Schließlich traf Hansi Müller noch einmal den Ball, den Körbel leicht von der Linie hätte schlagen können. Doch sein Torwart Klaus Funk wollte es anders und schlug den Ball selbst ins Netz. Nun brachen bei der Eintracht alle Dämme, vor allem aber Klaus Funk war völlig entnervt. Willi Neuberger verlor beim zweiten Tor im Mittelfeld den Ball an Hansi Müller, der schickte Klotz steil, und der hatte keine Mühe, an Funk vorbei die Führung für den VfB zu schießen. Wieder vier Minuten später folgte gar ein Stuttgarter Doppelschlag. Gegen Klotz konnte Funk noch retten, doch der Ball sprang Kelsch vor die Füße und der hatte keine Mühe, zum 3:1 einzuschießen. Kaum 30 Sekunden später das gleiche Bild. Wieder war es Kelsch, der aus der Drehung ins verlassene Tor schoß. Da spielte es auch keine Rolle, daß Nationalspieler Karlheinz Förster ungestraft Bum Kun Cha ein ums andere Mal foulen durfte. Alle Proteste der Frankfurter nutzten nichts. Schiedsrichter Eschweiler ließ Försters unsauberes Spiel während der gesamten 90 Minuten zu. Da nutzte auch Bum Kun Chas Treffer zum 2:4 in der 79. Minute nichts mehr. Borchers hatte den Koreaner steil geschickt, der zog davon und schob ins Tor. Die Proteste der Stuttgarter, die eine Abseitsstellung gesehen haben wollten, fruchteten nicht. Trainerstimme Friedel Rausch (Eintracht Frankfurt): „In der Pause war ich zuversichtlich. daß wir hier etwas holen könnten. Doch dann haben wir uns innerhalb von zehn Minuten selbst geschlagen. Wenn einige meiner Spieler unkonzentriert sind, ist alles andere für die Katz. Ich bin darüber sehr böse und werde einige harte Worte sprechen müssen. Keine glückliche Figur hat auch unser Torwart Funk heute gemacht, auch wenn das für ihn hier in Stuttgart besonders traurig ist.“
Es sollte Klaus Funks größter Tag werden. Es wurde der schwärzeste Tag seiner Laufbahn. Nach fünf Jahren Reservistendasein beim VfB Stuttgart wechselte der 26jährige zu Beginn dieser Saison zur Frankfurter Eintracht und wurde dort prompt die Nr. 1. Neunzehnmal stand er seinen Mann im Eintracht-Tor, mit Schwächen zwar, aber insgesamt doch recht zuverlässig. Ausgerechnet gegen seine alten Kameraden vom VfB Stuttgart, ausgerechnet im Neckarstadion, verlor Klaus Funk seinen Stammplatz zwischen den Pfosten. Mindestens an drei Toren bei der 2:4-Niederlage war Funk direkt oder indirekt beteiligt, so daß Trainer Friedel Rausch als erste Konsequenz aus dem Debakel von Stuttgart einen Torwartwechsel ankündigte. „Gegen Braunschweig bekommt Jürgen Pahl seine Chance“, sagte Rausch. Der Abgang des Torwarts und der Untergang der Eintracht nahmen in der 48. Minute ihren Lauf. Hansi Müllers Schuß aus kurzer Distanz, hätte Karl-Heinz Körbel leicht mit dem Kopf aus dem Tor stoßen können, wenn nicht Klaus Funk den Ball in einer Art Übereifer mit der linken Hand vor ihm ins eigene Tor geschlagen hätte. Was danach kam, kann nur noch als totaler Blackout bezeichnet werden. Nicht nur Funk verlor völlig die Nerven, auch der vorher so souveräne Willi Neuberger und Norbert Nachtweih schienen völlig weggetreten. Die Kritik schlug denn auch über diesen drei Spielern nieder. Trainer Rausch: „Ich habe in der Halbzeit extra noch mal von unkontrolliertem Kleinkleinspiel gewarnt. Doch was passiert? Genau die befürchteten Fehler werden von Nachtweih und Neuberger begangen.“ Innerhalb von dreizehn Minuten hatte sich die Eintracht „selbst geschlagen“, wie es ihr Trainer formulierte. Kapitän Jürgen Grabowski schüttelte den Kopf. „Sicher, es verliert immer die ganze Mannschaft, aber diesmal waren sieben, acht Mann völlig schuldlos. Die entscheidenden Fehler wurden von drei Spielern begangen.“ Klaus Funk, Sündenbock Nummer eins, versuchte erst gar nicht, seine Fehler zu beschönigen. „Ich bin sprachlos“, hielt er den fragenden Journalisten entgegen. Norbert Nachtweih war da schon gesprächiger. „Auf meiner Seite waren die Stuttgarter immer in der Überzahl“, verteidigte er sich, „manchmal wußte ich gar nicht, wen ich angreifen sollte.“ Nachtweih vergaß, daß es sein direkter Gegenspieler, Walter Kelsch, war, der an drei Gegentoren beteiligt war, zwei davon selbst schoß. Wie sagte doch Stuttgarts Trainer Lothar Buchmann: „Die Eintracht hat mir in der ersten Halbzeit imponiert. Aber ich wußte, daß ihre Stärke gleichzeitig ihre große Schwäche ist. Die Frankfurter werden nun mal überheblich, wenn es gut läuft. Auch diesmal fühlten sie sich zu sicher.“ Für den Trainer auf der Bank und den Kapitän auf dem Spielfeld gab es bei dem viertelstündigen Chaos in der eigenen Mannschaft nicht viel zu retten. „Ich hatte gar keine Zeit zu reagieren“, entschuldigte sich Trainer Rausch, „die Tore fielen zu schnell hintereinander.“ Und Jürgen Grabowski: „Bei solchen Fehlern ist nicht mehr viel zu machen. Wenn wir uns rumgedreht haben, hat es hinten schon wieder geklingelt.“ Friedel Rausch kündigte nach dem Spiel nicht nur den Wechsel im Tor, sondern auch einige andere Konsequenzen an. „Ich muß und ich werde harte Worte sprechen“, nahm sich Rausch vor. „So geht es nicht weiter.“ Die Hoffnungen für das Spiel gegen Braunschweig faßte Rausch in einem Satz zusammen: „Wir warten auf Pezzey.“ Doch selbst Bruno Pezzey kann in einer Mannschaft, für die Disziplin ein Fremdwort bedeutet, nichts retten. Da muß der Hebel, vielleicht auch der Hobel angesetzt werden. (Abendpost-Nachtausgabe)
|