Eintracht Frankfurt - Eintracht
Braunschweig |
Bundesliga 1978/1979 - 2. Spieltag
3:1 (2:0)
Termin: Sa 19.08.1978, 15:30 Uhr
Zuschauer: 24.000
Schiedsrichter: Wolf-Dieter Ahlenfelder (Oberhausen)
Tore: 1:0 Wolfgang Kraus (2.), 2:0 Rüdiger Wenzel (14.), 3:0 Bernd Hölzenbein (55.), 3:1 Harald Nickel (82.)
Eintracht Frankfurt | Eintracht Braunschweig |
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Spielmacher und Sprinter Bei der vom „Kicker Sportmagazin“ unter den Mitgliedern des Verbandes Deutsche Sportpresse durchgeführten Abstimmung zum Fußballspieler des Jahres 1978 sind von 559 Stimmen auf „Sepp“ Maier 252 entfallen. Der 34-jährige Torwart von Bayern München ist damit nach 1975 und 1977 zum dritten Mal gewählt worden. Bester Feldspieler ist der mit 66 Stimmen auf Platz 2 liegende Kapitän der Frankfurter Eintracht Jürgen Grabowski, auf den Hans Müller (VfB Stuttgart) mit 35 und Paul Breitner (Eintracht Braunschweig/FC Bayern München) mit 23 Stimmen folgen. „Ich freue mich für den Sepp und darüber, dass zwei so alte Kerle wie er und ich da noch mitmischen können“, kommentiert Grabowski das Abstimmungsergebnis und findet den deutlichen Abstand zu Maier nur allzu verständlich: „Wir Frankfurter haben eine verkorkste Bundesliga-Saison hinter uns und sind im UEFA-Cup zu früh ausgeschieden.“ Bei aller Bescheidenheit hat „Grabi“ aber allen Grund auf seinen zweiten Platz stolz zu sein, denn seit der Einführung der Abstimmung im Jahr 1960 hat kein Spieler der Frankfurter Eintracht so gut abgeschnitten wie er. Die aber hat aktuell andere Probleme. Das 0:4 zum Saisonauftakt bei Schalke 04, bei dem sich zu allem Überfluss auch noch der gestern aus dem Höchster Krankenhaus entlassene Bernd Nickel mit einem Achillessehnenriss schwer verletzte, hat die Stimmung getrübt. „Mit Bruno Pezzey wäre dies nicht passiert“, glaubt Karl-Heinz Körbel. Doch das Warten auf Pezzey hat ein Ende: Der Libero hat am Mittwoch in der Türkei beim 6:1-Sieg der Frankfurter im Spiel zum 75. Jubiläum von Besiktas Istanbul seinen ersten Einsatz für die Hessen absolviert und wird im Heimspiel gegen Eintracht Braunschweig für den reamateurisierten Peter Reichel in die Elf rücken. Allerdings hat der Neuzugang noch einigen Trainingsrückstand aufzuarbeiten. Das tut er mit Trainer-Assistent Dieter Schulte, den der bereits wieder verabschiedete Dettmar Cramer zu Jahresbeginn mit an den Riederwald gebracht hat und auf dessen Dienste auch der neue Trainer Otto Knefler baut. Zurückgreifen kann Knefler heute ebenso auf Willi Neuberger, dessen Lähmungserscheinungen im Unterschenkel abgeklungen sind. Die stärkste Mannschaft wird wohl auch notwendig sein, denn die Braunschweiger haben zwar in den letzten fünf Duellen im Waldstadion ausschließlich Niederlagen kassiert, aber zum Saisonauftakt mit dem 1. FC Köln den amtierenden Deutschen Meister mit 1:0 geschlagen. Neuzugang Werner Lorant ist das egal: „Gegen Braunschweig macht‘s Peng und wir gewinnen – irgendwie!“ „Ab sofort lassen wir uns nichts mehr gefallen“, stimmt Pezzey ein: „Es gibt Feuer.“ Da will Rudolf „Ruedi“ Elsener, der Dritte im Bunde der Neuen bei den Hessen, nicht zurückstehen: „Man soll nicht denken, ich als Schweizer sei keine Härte gewöhnt. Ich habe gegen die Bergbauern von Sion gespielt. Da gibt‘s auch auf die Knochen.“ „Anders geht‘s doch heute nicht mehr“, meint Knefler: „An Frankfurt konnte man sich als Gegner doch immer aufbauen. Da musste man nur draufgehen, dann zog die Eintracht den Schwanz ein. Das muss anders werden.“ Anders und besser werden soll alles mit Pezzey, könnte man glauben, wenn man sich rund um die Eintracht umhört. „Was die von mir verlangen, is a Wahnsinn“, sagt der WM-Teilnehmer vor dem Spiel zu den in ihn gesetzten Erwartungen, die durch die sich lang hinziehenden Verhandlungen mit seinem alten Verein angeheizt wurden: „Ich weiß, daß das Frankfurter Publikum sehr kritisch ist. Aber ich werde mich durch einen eventuellen Patzer nicht verrückt machen lassen. Ich bin ja nicht nur wegen einem Spiel nach Frankfurt gekommen.“ Das wäre auch schade, denn die Sympathien der Fans in der Kurve sind ihm bereits gewiss, bevor er das erste Mal für die Eintracht in einem Pflichtspiel gegen den Ball getreten hat: Groß ist der Beifall, als er den Rasen des Waldstadions betritt und er mit „Bruno, Bruno“-Sprechchören empfangen wird: „Es gibt einem gleich Mut, wenn man vom Publikum von Anfang an akzeptiert und angefeuert wird.“ Das tut der Großteil der anwesenden 24.000 Zuschauer und sieht auf dem neuen Rasen des Waldstadion eine Frankfurter Elf, die im Vergleich zur Niederlage in Gelsenkirchen wie verwandelt auftritt. Die allzu sorglos agierenden Gäste werden schon nach zwei Minuten von den entschlossen nach vorn spielenden Hausherren überrumpelt und Wolfgang Kraus, der morgen seinen 25. Geburtstag feiern wird, macht sich vorab schon einmal selbst ein Geschenk. Nach einem wunderbaren Doppelpass mit Außenverteidiger Willi Neuberger schießt er seine Elf mit 1:0 in Führung. Bei den Frankfurtern, die augenscheinlich wieder zu der bereits unter Gyula Lorant praktizierten Raumdeckung zurückgekehrt sind, bringt der andere Außenverteidiger ebenfalls Schwung nach vorne: Helmut Müllers Flanke in der 14. Minute findet Mittelstürmer Rüdiger Wenzel, der hochsteigt und den Ball kraftvoll ins Netz köpft. Wieder hat Schlussmann Uwe Hain keine Abwehrchance, denn wie zuvor Kraus kommt auch Wenzel unbedrängt zum Abschluss. Hain vertritt Bernd Franke, den langjährigen Stammkeeper der Niedersachen. Der hat sich noch längst nicht von dem Knöchelbruch erholt, den er sich am 17. Mai im letzten Testspiel der DFB-Auswahl vor der Abreise zur WM nach Argentinien gegen eine Hessenauswahl am Darmstädter Böllenfalltor zugezogen hat.
Angesichts der brütenden Hitze und der einigermaßen beruhigenden Führung drosseln die von Grabowski gelenkten und von Hölzenbein angetriebenen Frankfurter in der Folge das Tempo, um dann immer wieder zu überraschenden Angriffen überzugehen. Die Chancen, das Ergebnis nach oben zu schrauben, bleiben dabei allerdings vorerst ungenutzt. In der 22. Minute geht ein Kopfball von Hölzenbein knapp über die Latte und sechs Minuten später vergibt Wenzel in aussichtsreicher Position die nächste Gelegenheit. Nach etwas mehr als einer halben Stunde knickt Kraus mit dem rechten Knöchel um und muss gegen Norbert Nachtweih ausgetauscht werden. Dem zielstrebigen Offensivspiel der Eintracht tut das keinen Abbruch, wenngleich sich bei Nachtweih Aktionen, die an Grabowski erinnern, mit unkonzentrierten Abspielen und übertriebenem Eigensinn abwechseln. Entscheidend für diese Partie ist aber, dass die Gäste nach der Abwanderung von Breitner zu Bayern München über keinen Spielmacher verfügen, die Frankfurter mit Grabowski und Hölzenbein heute aber über zwei. Und die sorgen für weitere Tormöglichkeiten: In der 39. Minute verfehlt Grabowski, den Hölzenbein und Neuberger schön in Szene gesetzt haben, das Gästegehäuse nur knapp, und sechzig Sekunden danach kann Hollmann auf der Linie retten, nachdem der von Grabowski maßgerecht in Schussposition gebrachte Wenzel den Ball nicht voll getroffen hat. „Die Hitze macht uns schwer zu schaffen“, fürchtet Otto Knefler zur Pause: „Das Spiel ist noch nicht gewonnen, denn es fehlt das dritte Tor.“ Für das sorgt Hölzenbein in der 55. Minute mit einem Freistoß aus 20 Metern. Wie an einer Schnur gezogen fliegt der Ball über die Mauer und vorbei an dem konsternierten Hain in den Torwinkel -ganz ohne Zweifel der schönste Treffer der Begegnung, der die Zuschauer von den Sitzen reißt und sie den vortrefflichen Schützen im Chor feiern lässt. Das ist der Auftakt der großen zehn Minuten des Bernd Hölzenbein, der sich immer wieder durch die Braunschweiger Abwehrreihen fintiert. Ein brillantes Solo kann Hasse Borg nur mit einem rüden Bodycheck bremsen, wofür der Schwede die Gelbe Karte erhält. Ein anderes klares Foul verhindert in der 65. Minute das sichere 4:0. Nach einem Pass von Neuberger quer vors Tor braucht Grabowski den Ball nur noch mit der Fußspitze über die Linie zu drücken, wird aber kurz zuvor von Hollmann mit einem Stoß von hinten zu Fall gebracht. Ahlenfelders Pfeife bleibt jedoch überraschenderweise stumm. Erfreulicher als die Leistung des Schiedsrichters ist für den Frankfurter Anhang der vielversprechende Auftritt von Elsener, der für seine spektakulären Sprints mit dem prasselnden Beifall der Zuschauer belohnt wird. Dem Schweizer tut es offensichtlich gut, dass er nicht wie im ersten Spiel gegen Schalke seinem Bewacher bis an die Eckfahne in der eigenen Spielfeldhälfte folgen muss. Von zwei Gegenspielern bewacht, ist er aber nicht nur bisweilen zu schnell für die Augen den Linien- und Schiedsrichter, sondern auch für seine Mitspieler, die nicht immer hinterher kommen, so dass Elseners Flanken im Braunschweiger Strafraum vergeblich auf einen Abnehmer hoffen. Außerdem scheint der schnelle Stürmer bei allen Vorschusslorbeeren des Publikums nicht der einer der Torgefährlichsten zu sein. Einmal allerdings hat er Pech, als Hain seinen Rückzieher gerade noch mit den Fingerspitzen ums Tor lenkt. Aufseiten der Gäste ist Dribbelkünstler Danilo Popivoda, der permanent die Flügel wechselt, ebenso wirkungslos wie Elsener. Das liegt beim Jugoslawen aber daran, dass er in der Offensive der Gäste den Alleinunterhalter geben muss. Langsam geht bei den hohen Temperaturen aber auch den Hessen die Luft aus. Besonders bei Pezzey, der immer wieder mit nach vorne gegangen ist, macht sich jetzt der Konditionsrückstand bemerkbar. Zuvor hat er sich aber den Beifall des ihm wohlwollenden Publikums abgeholt, als er beispielsweise in der Braunschweiger Hälfte mit einer Grätsche Handschuh den Ball abgejagt hat oder in ärgster Bedrängnis zwischen zwei Braunschweigern den Ball zur Ecke klärte. Glück hat der Bundesligadebütant, dass Torwart Koitka nach einer allzu riskanten Rückgabe seines Liberos dessen Fehler ausbügelt. Koitka, der von den Braunschweigern mit strammen Weitschüssen geprüft wird, hätte es heute verdient, seinen Kasten bis zum Schluss sauber zu halten, doch dann entwischt Harald Nickel acht Minuten vor dem Ende erstmals seinem Schatten Körbel. Der neuverpflichtete Torjäger der Niedersachsen lässt sich diese Gelegenheit nicht entgehen und verkürzt auf 3:1. Dabei bleibt es, auch wenn Braunschweigs Trainer Werner Olk in der Schlussphase Bruns für Grobe und Aumeier für Erler einwechselt. „Frankfurts Sieg geht völlig in Ordnung, doch so leicht wollten wir es der Eintracht nicht machen“, kritisiert Olk nach dem Schlusspfiff seine Truppe: „Spielerisch haben wir nicht schlecht ausgesehen, doch in der ersten Halbzeit ließ meine Mannschaft Grabowski und Hölzenbein viel zu viel Spielraum. Und diese routinierten Spieler nutzten das weidlich aus. Erst zum Schluss haben wir dann gezeigt, dass wir noch zusetzen können. Darauf will ich in den nächsten Wochen aufbauen.“ „Braunschweig ist in der Abwehr nicht mehr so stark wie früher und hatte seinen überragenden Mann in Popivoda“, lautet die Einschätzung Kneflers, der erleichtert ist: „Wir wollten gewinnen, egal wie. Das war unser erstes Ziel. Als Trainer freut man sich dann besonders, wenn am Anfang alles so gut läuft.“ „Doch wir haben vor der Pause das dritte Tor verpasst“, moniert der Fußballlehrer, zeigt aber auch Verständnis für die nachlassende Kraft: „Am Schluss waren wir müde, die Hitze und die Reise in die Türkei waren schuld daran. Zumindest eine Stunde lang hatten wir aber guten Fußball gespielt und sind auf hohes Tempo gegangen.“ „Du bist heute viel gerannt, bei der Hitze. Ich finde, du hast gut gespielt“, lobt Jutta Hölzenbein ihren Mann, als der aus der Kabine kommt. „Er war eine echte Entlastung für Grabowski“, lobt gleichfalls sein Trainer, der seit seinen Amtsantritt fordert: „Kinder – habt doch mal selbst Mut und sucht nicht immer den Jürgen.“ „Grabowski bleibt weiterhin die zentrale Figur, aber unter Spiel wird gefährlicher, wenn auch andere initiativ werden“, meint Manager Udo Klug, der eine „Explosion nach vorn“ gesehen hat. Hölzenbein bleibt angesichts der Hymnen auf ihn bescheiden und wünscht sich: „Nach meinem Rücktritt aus der Nationalmannschaft hoffe ich, bei der Eintracht genauso befreit aufspielen zu können wie der Grabi seit seinem Rücktritt vor vier Jahren.“ „Wenn es weiter so gut läuft, dann bekomme ich in Frankfurt, wo ich mich schon bestens eingelebt habe, kein Heimweh nach der Schweiz. Der Beifall des Publikums hat mich sehr erfreut. Der Applaus des Publikums ist der Lohn des Fußballspielers“, findet Elsener, bleibt aber trotz der Begeisterung des Anhangs über seine rasanten Sprints selbstkritisch: „Ich wünsche mir eben nur, dass ich auch bald ein Tor schieße, denn da waren zwei, drei Chancen, aus denen ich eines hätte machen müssen.“ „In Istanbul hat das schon ganz gut geklappt, und hier war‘s heute die Fortsetzung, und ich glaube, ich kann noch mehr leisten“, sagt Elsener, der für den augenzwinkernden Manager Klug „ein heißer Tipp als Sprinter für die Leichtathletik-Europameisterschaften“ ist. Angesichts der Lobgesänge auf Elsener ist das Debüt von Pezzey insgesamt natürlich bescheidener ausgefallen, was den Libero aber nicht weiter stört: „Mir fehlte über 90 Minuten ganz einfach die Kraft. Ich muss den konditionellen Rückstand so schnell wie möglich aufholen und schone mich deshalb im Training nicht. Dabei nehme ich natürlich in Kauf, dass ich im Spiel dann ziemlich kaputt bin. Doch anders ist es nicht zu schaffen, in zwei Wochen hoffe ich, alles überstanden zu haben.“ (rs)
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