Eintracht Frankfurt - Borussia
Dortmund |
Bundesliga 1976/1977 - 12. Spieltag
1:4 (1:1)
Termin: Sa 06.11.1976, 15:30 Uhr
Zuschauer: 23.000
Schiedsrichter: Jan Redelfs (Hannover)
Tore: 1:0 Rüdiger Wenzel (6.), 1:1 Manfred Burgsmüller (42.), 1:2 Erwin Kostedde (53.), 1:3 Manfred Burgsmüller (69.), 1:4 Lothar Huber (87.)
Eintracht Frankfurt | Borussia Dortmund |
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Die Herrlichkeit währt nur zwanzig Minuten Der erhoffte „goldene November", wie die Vereinszeitung (wenn auch mit Fragezeichen) verkündete, begann für die Frankfurter Eintracht tief schwarz. In einem bis auf die ersten zwanzig Minuten von der Eintracht konfus und verzagt geführten Spiel verlor sie gegen Borussia Dortmund vor 25.000 Zuschauern auch in dieser Höhe verdient mit 1:4 (1:1) Toren. Anstatt sich zusammenzuraufen, fiel die Eintracht völlig auseinander und sieht nach dem sechsten Spiel ohne Sieg einer ganz düsteren Zukunft entgegen. Düster sieht nun wohl auch die persönliche Zukunft von Trainer Hans-Dieter Roos in Frankfurt aus, dem erst zu Beginn dieser Woche vom Präsidium noch das volle Vertrauen ausgesprochen worden war. Denn mit taktischen Fehlern trug er zu dem Debakel bei. Sein schwerster Fehler: anstatt den routinierten Willi Neuberger stellte er den unbedarften Helmut Müller zu dem großen Trickkünstler Willi Lippens, der denn auch prompt zum umjubelten Star des Spiels wurde, die beiden ersten Borussen-Tore und damit die endgültige Wende für Dortmund einleitete. In dem Eintracht-Torso waren allein Trinklein durch seine guten Nerven und Hölzenbein durch seinen Fleiß noch die Besten. Entscheidend für die Überlegenheit der Rehhagel-Recken war ihr enormes läuferisches und konditionelles Plus. Rehhagel: „Ich wußte, daß man hier frech und selbstbewußt auftrumpfen und die ersten zwanzig Minuten überstehen muß. Dann würde unsere Laufarbeit von selbst zum Tragen kommen." Nach dem zunächst hoffnungsvollen Frankfurter Führungstor von Wenzel besiegelten Burgsmüller, Kostedde, abermals Burgsmüller und Huber die Eintracht-Niederlage. Das war die groß angekündigte personelle Veränderung bei der Eintracht: Dragoslav Stepanovic mußte nach gerade l 2/3 Bundesligaspielen zuschauen. Doch nicht Form, sondern Nerven gab Trainer Hans-Dieter Roos als Begründung für die Maßnahme an: „Er hatte in dieser Woche mit Wohnungssuche und Behördenkram so yiel um die Ohren, daß ich ihm keinen Gefallen getan hätte, wenn ich ihn hätte spielen lassen. Ich brauche in diesem wichtigen Spiel nervenstarke Leute, und Gert Trinklein hat ja in Duisburg bewiesen, daß er gute Nerven hat." Ursprünglich wollte Roos auch noch Karl-Heinz Körbel pausieren lassen, doch der Youngster hatte in einem langen Gespräch um die Chance gebeten, sich nach dem schwachen Spiel in Bochum rehabilitieren zu können. Roos: „Er hat versprochen, ein gutes Spiel zu liefern." Körbel zum langen Dauerrenner Segler, Müller zum trickreichen Lippens, Reichel zum kopfballstarken Kostedde und Kraus zum wieselflinken Burgsmüller — so verteilte Roos die wichtigsten Aufgaben für dieses Spiel. Mit wilder Entschlossenheit und geballter Energie ging die Eintracht das Spiel an und führte schon nach sechs Minuten 1:0, als Nickel einen seiner angeschnittenen Freistöße vehement vors Dortmunder Tor drosch und Wenzel seinen Kopf in die Flugbahn des Balles streckte. Ein ermutigender Auftakt, wie es schien. Grabowski, obwohl von Meyer gehalten und geschoben, erkämpfte sich die Bälle schon am Dortmunder Strafraum. Hölzenbein, ungemein fleißig, versuchte mit schnellem und direktem Abspiel das Sturmspiel zu beschleunigen. Nickel schoß aus allen Rohren. Kraus war unberechenbar und stiftete stets Unruhe. Doch diese Herrlichkeit währte nur zwanzig Minuten. Ein raffinierter Kopfballaufsetzer, den Koitka gerade noch mit einer schnellen Reaktion vereiteln konnte, von Lippens nach 17 Minuten setzte das Signal für die Dortmunder Gegenoffensive. Die schnellen Burgsmüller und Vöge, mit dem Neuberger seine Last hatte, stießen immer wieder blitzschnell und brandgefährlich aus dem Mittelfeld nach vorn. Und so sehr sich Trinklein und Reichel dem Ansturm der Borussen auch entgegenwarfen, die Eintracht ließ sich immer mehr in die Defensive drängen. Unsicherheit machte sich breit. Keiner traute sich etwas zu. Willi Lippens, der scheinbar teilnahmslos herumstand und gemütlich von einer Seite zur anderen wanderte, sorgte immer wieder für große Gefahr. Müller ließ sich ein ums andere Mal von ihm überlisten. Glück hatte die Eintracht, als Nickel in der 30. Minute den durchgebrochenen Vöge knapp hinter der Strafraumgrenze umsäbelte, Schiedsrichter Redelfs jedoch den Ort des Fouls auf die Strafraumgrenze legte und Freistoß statt Elfmeter gab. Die Eintracht versäumte es, zwischendurch aus ihren Kontern- Kapital zu schlagen. So standen einmal Hölzenbein, Grabowski und Wenzel allein nur noch zwei Dortmunder Abwehrspielern gegenüber, doch Wenzel drosch den Ball nach Grabowskis Zuspiel neben das Tor. Das Unheil für die Eintracht und der Ausgleich für die Borussia kam in der 42. Minute. Von wem anderes vorbereitet, als von Willi Lippens, der völlig frei auf der rechten Seite stand (wo war Müller?). Statt der allseits erwarteten hohen Flanke zog Lippens den Ball halbhoch raffiniert vors Eintracht-Tor. Koitka wurde völlig überrascht, Burgsmüller brauste heran und drosch den Ball aus nur einem Meter Entfernung unter die Latte ins Eintracht-Tor. Kurz vor Schluß der ersten Halbzeit erhielt Huber nach einem Foul an Wenzel die gelbe Karte. Selbstbewußt stürmten die Rehhagel-Recken auch in die zweite Halbzeit und gingen in der 53. Minute auch prompt 2:1 in Führung. Und wer leitete das Tor ein? Natürlich Willi Lippens: ein Einwurf, Müller trat an der Torauslinie über den Ball, Lippens schlug blitzschnell eine Flanke vors Eintracht-Tor über Koitka und Reichel hinweg zu Erwin Kostedde, der mit seinem Wuschelkopf den Ball nur noch ins Tor zu stoßen brauchte. Die Dortmunder hatten von diesem Zeitpunkt an das Spiel endgültig in der Hand. Ihr großer Vorteil: blitzschnell schwärmten sie aus ihrer eigenen Hälfte aus, wenn sie die Eintracht-Angriffe abgefangen hatten. Libero Nerlinger war hier der überragende Mann. Im Lauftempo unterschieden sich die Dortmunder von den Frankfurtern wie pfeilschnelle Sprinter von kurzatmigen Mittelstrecklern. Seglers lange Schritte wurden immer länger und Körbel kam einfach nicht mehr mit. Er mußte in der 67. Minute Roland Weidle das Feld räumen. Weidles erster Ball war ein Fehlpaß, Segler zog allein auf und davon. Seinen raffiniert angeschnittenen Schuß ins lange Toreck konnte Koitka zwar mit einer Faust noch bravourös abwehren, doch Burgsmüller stürmte heran und schoß den Ball aus vollem Lauf zum 3:1 ins leere Tor. Mit wenig Mut und viel Verzweiflung versuchte die Eintracht gegen eine bravourös kämpfende Dortmunder Hintermannschaft das Spiel doch noch umzubiegen. Doch bald machte sich Resignation breit. Das Unterfangen war hoffnungslos, denn die Brechstange ist nun einmal ein Werkzeug, mit dem die Eintracht nicht umgehen kann. Stepanovic kam für Müller, der mit der Aufgabe, die Tricks des Willi Lippens zu durchschauen, hoffnungslos überfordert war. Doch auch dieser Wechsel änderte nichts mehr. Mit ihren blitzschnellen Kontern waren die Dortmunder dem vierten Tor stets sehr nahe. Am nähesten in der 81. Minute, als Lippens am Fünfmeterraum zum Torschuß kam. Doch der Liebling der Zuschauer, oft mit Beifall auf offener Szene bedacht, schoß eine Nuance zu lässig, und Weidle konnte den Ball auf der Linie klären. Bemerkenswert bei der Eintracht war in dieser Phase allein, daß Jürgen Grabowski seine schon fast obligatorische gelbe Karte wegen Meckerns erhielt. Drei Minuten vor Schluß rundete dann Jupp Koitka die konfuse Vorstellung der Eintracht an diesem Tag ab, als er eine Huber-Flanke, anstatt zu fangen ins eigene Tor faustete ...
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