Kickers Oxxenbach - Eintracht
Frankfurt |
Freundschaftsspiel 1976/1977
1:3 (0:3)
Termin: 17.10.1976
Zuschauer: 5.000
Schiedsrichter: Dreher (Darmstadt)
Tore: 0:1 Roland Weidle (17.), 0:2 Rüdiger Wenzel (22.), 0:3 Roland Weidle (42.), 1:3 Bastrup (56.)
Kickers Oxxenbach | Eintracht Frankfurt |
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Wie Schnellinger und Facchetti Der 10:2-Kantersieg gegen die Amateure von Hertha Zehlendorf im DFB-Pokal kam gerade recht, nachdem die Eintracht in der Bundesliga nach der unglücklichen 3:4-Niederlage beim MSV Duisburg auf den 14. Tabellenplatz abgerutscht ist. Gegen die Berliner kam der gerade verpflichtete Neuzugang Dragoslav Stepanovic zu seinem ersten Pflichtspieleinsatz. Und an Stepanovic hat der Trainer von Kickers Offenbach, „Tschik“ Cajkovski, schlechte Erinnerungen, die aber einer Lobeshymne auf seinen Landsmann gleichkommen. In der Pressekonferenz vor dem 111. Derby zwischen der Eintracht und den Kickers plaudert der Coach über vergangene Tage in Jugoslawien: „Steppi war in Hochform und schuld, dass ich mit meiner Mannschaft Dinamo Zagreb 1971 gegen OFK Belgrad 0:2 und damit die Meisterschaft verlor. Stepanovic ist ein Klassefußballer, ein Typ wie Schnellinger und Facchetti. Die Eintracht hat einen guten Fang gemacht. Steppi wird einschlagen wie Popivoda in Braunschweig und Oblak bei Schalke.“ Während Cajkovski der 1971 und damit längst verpassten Meisterschaft hinterher trauert, datiert der letzte Sieg der Eintracht auf dem Bieberer Berg aus eben diesem Jahr. Der damalige 2:0-Erfolg der Frankfurter am vorletzten Spieltag war im Nachhinein gleichbedeutend mit dem eigenen Klassenerhalt und dem Abstieg der Offenbacher. Den bitteren Gang in die 2. Liga haben die Kickers auch in diesem Sommer zu ihrem 75-jährigen Vereinsjubiläum wieder einmal antreten müssen und so geht es an diesem Sonntag im 111. Main-Derby nicht mehr um Punkte, sondern lediglich um das Ablösespiel für den Anfang der Saison von Offenbach nach Frankfurt gewechselten Egon Bihn. Angesichts der Verletzungsmisere in dieser noch jungen Spielzeit verzichtet Trainer Roos auf seine angeschlagenen Stammspieler Grabowski, Reichel und Müller und nutzt die Gelegenheit der sportlich bedeutungslosen Begegnung zum Experimentieren und bietet den Nachwuchsmann und ehemaligen Jugendnationalspieler Ronald Borchers als Libero auf. Roos’ Kollege Cajkovski will nicht nachstehen und gibt dem ebenfalls 19-jährigen Nathmann als Rechtsaußen die Möglichkeit, auf sich aufmerksam zu machen. Das gelingt dem Talent, das zu Saisonbeginn vom FK Pirmasens kam, zu Beginn auch, doch es mangelt dem jungen Mann doch sichtlich an der Ruhe und Konzentration beim Abschluss. Die beiden Male, die er seinem Gegenspieler Neuberger entwischt, bleiben somit Muster ohne Wert. Wie Toreschießen geht, macht in der 17. Minute Roland Weidle vor, der zwar ebenfalls kein ausgewiesener Torjäger ist, aber eben weitaus mehr Erfahrung besitzt als der „grüne Junge“ Nathmann im Kickerssturm. Nach einem Freistoß von Nickel legt Hölzenbein per Kopf überlegt auf Weidle ab, der mit seinem Volleyschuss Torhüter Helmschrot keine Chance lässt. Fünf Minuten später beweist der Erstligist gegen den Tabellenführer der 2. Liga Süd, der am letzten Spieltag im Heimspiel gegen die Stuttgarter Kickers die erste Saisonniederlage hinnehmen musste, dass das Glück nicht nur mit den Doofen, sondern auch dem Tüchtigen ist. Neuberger hat einen seiner Flankenläufe auf der linken Seite mit einem Solo und einem mächtigen Schuss abgeschlossen, der den Pfosten des Offenbacher Kastens erzittern lässt. Der nachsetzende Rüdiger Wenzel hat wohl auf einen Abpraller spekuliert, doch wohl kaum damit gerechnet, dass er dem Ball weder ausweichen kann noch auszuweichen braucht, denn von Wenzels Körper prallt das Leder zum zweiten Mal ab und liegt kurz darauf im Tor der Offenbacher. An die heiß umkämpften Duelle aus der Bundesliga erinnern heute nur die Anhänger beider Mannschaften, die sich auf den Rängen mit Sprechchören eine Auseinandersetzung liefern, wobei im gewohnten Stil jeweils die anderen die Schweine sind. Bedenklicher als der verbale Schlagabtausch ist, dass es bereits vor dem Spiel zu heftigen Prügeleien gekommen ist. Vor einer Gaststätte an der Bieberer Straße mussten blutig geschlagene Anhänger aus beiden Lagern mit dem Notarztwagen abtransportiert werden. „Alle unsere Beschwichtigungen waren wohl vergebens“, resigniert Eintracht-Präsident von Thümen und Waldemar Klein von den Offenbacher Kickers ist besorgt: „Diese Sprechchöre schaden dem mainischen Fußball ungeheuer, denn sie halten alle jene Zuschauer von den Stadien in Frankfurt und Offenbach fern, die dieses skandalöse Benehmen als widerwärtig empfinden. Ich weiß nicht, ob wir mit unserer Mannschaft unter diesen Voraussetzungen nach Frankfurt zum Hallenturnier gehen sollen. Denn dort sind wohl Äußerungen zu erwarten, die noch weiter unter der Gürtellinie liegen werden.“ Weit oberhalb der Gürtellinie wird Siegfried Held getroffen. Der ehemalige Nationalspieler, der gegen Stepanovic kein Durchkommen findet und von den Rängen als „Rollstuhl-Siggi“ tituliert wird, bekommt einen der vielen Eierwürfe an den Kopf. Auf dem Spielfeld dagegen ist weder Gift und Galle noch gesundsheitsgefährdende Dummheit zu Gast, im Gegenteil, es ist eine ausgesprochen fair geführte Partie. Im ersten Durchgang erhält lediglich Körbel eine Gelbe Karte, weil er sich beim Darmstädter Schiedsrichter Dreher gar zu engagiert beschwert. Als Skala in der 42. Minute gegen Bihn unmittelbar an der Strafraumgrenze die Reißlinie zieht und den ehemaligen Kameraden unsanft zu Fall bringt, wird es vor allen auf den Rängen erneut hitzig. Weidle sorgt für die nötige Abkühlung, in dem er den folgenden Freistoß direkt durch die Mauer zum 0:3 ins Offenbacher Tor drischt. Die Eintracht ist in dieser ersten Halbzeit drückend überlegen gewesen und kommt mit nicht erwarteter Leichtigkeit zur angemessenen 3:0-Pausenführung. Der Klassenunterschied ist unübersehbar, obwohl die Eintracht in der Bundesliga in einer Krise steckt. Die Offenbacher mögen im ersten Durchgang ihren beinharten Vorstopper Theis besonders vermissen, aber es wird auch so deutlich, dass die Kickers die Abgänge von Bihn, Hickersberger (Düsseldorf), Janzon (KSC) und Ritschel (Kaiserslautern) nicht annähernd kompensieren konnten - zu überlegen ist die Eintracht in den Punkten Spielanlage und Schnelligkeit. Nickel leistet sich leider zu Beginn der zweiten Halbzeit ein ebenso unschönes wie überflüssiges Foul an Bastrup und bekommt dafür völlig zu Recht die zweite Gelbe Karte des Spiels. Neun Minuten nach Wiederbeginn hat dann der Egon Bihn die große Chance, auf 4:0 zu erhöhen. Es gelingt ihm nicht und er bezahlt den misslungenen Versuch teuer. Helmschrot hat gegen den allein durchlaufenden Angreifer den Winkel verkürzt und den Ball zur Ecke abgewehrt, doch ist dabei mit dem Linksaußen auch heftig zusammen gestoßen. Bihn, im Pokalspiel gegen Zehlendorf noch dreifacher Torschütze, wird noch an der Torauslinie behandelt und in der 57. Minute gegen Stradt mit einem Verdacht auf einen Muskelriss ausgewechselt. „Er wird mindestens für die nächsten beiden Bundesligaspiele ausfallen“, beklagt Roos den abermaligen Ausfall. Während die Eintracht nur mit zehn Mann auf dem Rasen steht, gelingt Bastrup nach einem langen Pass von Bitz mit einem trockenen Flachschuss der Offenbacher Ehrentreffer, die das in der ersten Hälfte sehr einseitige Derby danach ausgeglichener gestalten können. Großen Anteil daran hat der zuvor von den Eintrachtfans so geschmähte Held, der Stepanovic jetzt weitaus größere Mühe zu bereiten versteht. Die klareren Chancen hat freilich weiterhin die Eintracht, für die der von Hölzenbein glänzend frei gespielte Stradt an dem 20 Meter aus seinem Tor heraus geeilten Helmschrot scheitert. Auf der Gegenseite hat Trainersohn Zlatan Cajkovski eine weitere Möglichkeit, nachdem ihn Held glänzend bedient hat, doch der zur Pause für Koitka ins Frankfurter Tor gekommene Wienhold wehrt ab. Es bleibt beim 3:1 für die Eintracht. „Dies war immerhin ein Sieg gegen die Spitzenmannschaft der 2. Liga Süd“, will Roos den ersten Erfolg auf dem Bieberer Berg seit fünf Jahren von den Journalisten richtig eingeordnet wissen. Besonders erfreut ist der Eintracht-Trainer über die Vorstellung, die Borchers als Libero gegeben hat. Aber auch Stepanovic konnte vor 5.000 Zuschauern in seinem zweiten Einsatz erneut überzeugen und gewinnt die Wette gegen seinen Trainer, der Stepanovic nun ein Essen spendieren muss, weil dessen Gegenspieler Held kein Tor erzielt hat. Die zweite Halbzeit nimmt indes Offenbachs Trainer Cajkovski zum Anlass für eine ungewöhnliche Sicht der Dinge: „Haben wir zweite Hälfte gegen starke Eintracht 1:0 gewonnen.“ Wie auch immer – der neue Lizenzspieler-Obmann Bodo Grunert gibt sich vor dem Spitzenspiel am nächsten Samstag beim FC Homburg optimistisch: „Mit einer so guten und klugen Leistung wie während der zweiten 45 Minuten gegen die Eintracht haben wir in Homburg eine gute Siegchance.“
Kickers Offenbach verliert das Spiel beim FC Homburg und die Tabellenführung. Einige Tage nach der Niederlage ist Trainer Cajkovski am Bieberer Berg Geschichte. Kickers-Legende Hermann Nuber springt ein, siegt gegen den FSV Frankfurt 2:1, kassiert aber bei Röchling Völklingen in der nächsten Begegnung eine 2:5-Niederlage. Nun ist Udo Klug an der Reihe, aber am Ende werden die Offenbacher nur Dritter und verpassen den angestrebten Aufstieg in die 1. Liga. Der soll ihnen erst 1983 gelingen, doch das einjährige Gastspiel ist gleichzeitig ihre endgültige Abschiedstournee aus der Erstklassigkeit. Egon Bihn kommt in dieser Saison nur noch auf zwei Einwechslungen mit insgesamt 26 Spielminuten. Nachdem er in der folgenden Spielzeit über fünf kurze Einsätze nicht hinaus kommt, wechselt er im Sommer 1978 in die Zweite Liga zu Wormatia Worms. Er spielt dort mit Dragoslav Stepanovic, der zur Wormatia kommt, weil er bei der Eintracht den zweiten Ausländerplatz für den neu verpflichteten Bruno Pezzey räumen muss. (rs)
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