Eintracht Frankfurt - Werder
Bremen |
Bundesliga 1973/1974 - 32. Spieltag
1:1 (0:0)
Termin: Sa 04.05.1974, 15:30 Uhr
Zuschauer: 8.000
Schiedsrichter: Walter Engel (Reimsbach)
Tore: 1:0 Uwe Kliemann (58.), 1:1 Volker Ohling (78.)
Eintracht Frankfurt | Werder Bremen |
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Mittelstürmer und Bankspieler Im Hamburger Volksparkstadion spielt die DFB-Auswahl gegen die Schwedens bei trüben, nassen Wetter. Die Schweden haben nach ihrer Winterpause erst drei Meisterschaftsrunden hinter sich und lassen in der zweiten Spielhälfte kräftemäßig entsprechend nach, doch trotz eines 2:0-Sieges müssen vor allem zwei deutsche Spieler heftige Publikumsreaktionen und Kritik der Presse einstecken: Günter Netzer und Gerd Müller. Dem Star von Real Madrid gelingt kaum etwas, er ist ein Schatten des Mannes, der die Nationalmannschaft vor zwei Jahren zum Europameistertitel führte. Netzers Pässe gehen ins Nichts und sein Gegenspieler Grahn kann gegen den unbeweglichen Spielmacher schalten und walten, wie es ihm beliebt. "Ich bin topfit", behauptet Netzer, der schon in der Halbzeitpause vom Hamburger Ex-Nationalspieler Jürgen Kurbjuhn kritisiert wurde: "Netzer ist nicht in der Verfassung in der deutschen Nationalelf zu spielen." "Mit Netzer bin ich nicht zufrieden", sagt auch DFB-Präsident Hermann Gösmann, während WM-Organisator Hermann Neuberger insgesamt unzufrieden mit der Leistung des deutschen Teams ist: "Eine schwache erste Spielhälfte." "Im Mittelfeld wird bei uns zuviel gestanden", lautet die Analyse von Gladbachs Trainer Weisweiler, die des verletzten Wolfgang Overath dagegen: "Kein Kommentar." Mittelstürmer Gerd Müller hat ebenfalls einen schwachen Tag erwischt und vergibt nicht weniger als fünf Torchancen. In der 63. Minute verpasst er das 3:0, nachdem er nach einem Pfostenschuss Beckenbauers den zurückprallenden Ball gegen den anderen Pfosten setzt. Neben Pfiffen bestraft das Hamburger Publikum den sonst so treffsicheren Schützen mit "Uwe, Uwe"-Rufen. Besser trifft an diesem Abend Heynckes, der von der Ersatzbank für den nach 26 Minuten wegen einer Oberschenkelverletzung ausgeschiedenen Erwin Kremers in die Partie gekommen ist und beide Tore erzielt. Bei seinem ersten Treffer in der 51. Minute hat er das Glück, das Müller in dieser Partie fehlt: Nach einem Anspiel von Jürgen Grabowski trifft der Gladbacher bei einer verunglückten Flanke aus 18 Metern Torentfernung ebenfalls den Pfosten, doch von dort springt der Ball knapp hinter dem anderen Pfosten ins Netz. Dem erkälteten Grabowski ergeht es trotz seiner Torvorlage wie so oft in Helmut Schöns Truppe: Er verhungert förmlich auf dem Flügel und wartet meist vergeblich auf brauchbare Anspiele. Seine Dribblings sind allerdings auch allzu oft von Erfolglosigkeit geprägt, so dass er sich wegen seiner Mitarbeit in der Abwehr nur eine gute Fleißnote verdienen kann. Überzeugen kann dagegen sein Vereinskamerad Bernd Hölzenbein, der in der 68. Minute für den schwachen Kölner Cullmann eingewechselt wird. Er fügt sich nahtlos in das deutsche Spiel ein, alles, was er macht, hat Hand und Fuß und ist geeignet, das Spiel schnell zu machen. Zurück in Frankfurt sind das Länderspiel und auch die unglückliche Niederlage der Eintracht in Schalke schnell abgehakt. Meister der Saison 73/74 kann Dietrich Weises Elf ohnehin nicht mehr werden. Der Pokalsieg ist aber weiterhin möglich und bei einem Sieg gegen Bremen können sich die Riederwälder bereits heute die Qualifikation für den UEFA-Cup der nächsten Saison sichern. Allerdings muss Trainer Weise bei dieser Aufgabe erstmals in dieser Saison auf seinen Kapitän und überragenden Spieler Grabowski verzichten. Der Kapitän hat sich im Länderspiel gegen Schweden einen Bluterguss im linken Oberschenkel zugezogen, der einen Einsatz des Frankfurter Spielgestalters unmöglich macht. Für Grabowski steht Thomas Rohrbach in der Anfangsformation der Frankfurter. Auch Roland Weidle, der bereits am letzten Spieltag für den jungen Wolfgang Kraus eingewechselt wurde, gehört heute wieder zu den ersten Elf. Die Eintracht beginnt mit folgender Mannschaft: im Tor Wienhold, in der Abwehr mit Trinklein, Kliemann sowie den beiden Außenverteidigern Reichel und Müller, im Mittelfeld mit Körbel, Rohrbach, Weidle und Nickel sowie im Sturm mit Hölzenbein und Krauth. Die Gastgeber stellen nach dem Anpfiff vom Schiedsrichter Engel sofort klar, wer Herr im Hause ist. Sofort rollt der erste Angriff auf das Bremer Tor. Dort wartet mit Dieter Burdenski allerdings ein Klassemann auf die Attacken der Eintracht. Nach vorne ist vom Tabellenzwölften von der Weser, der auswärts nicht ohne Grund nur zwei Siege, aber schon sechs Unentschieden geholt hat, nicht allzu viel zu erwarten. In der Innenverteidigung dagegen sind die Werderaner mit Höttges und Assauer beinhart besetzt. Hinter den rustikalen Innenverteidigern steht mit Burdenski ein Torwart, der es sich heute zur Aufgabe gemacht zu haben scheint, die offensive Abteilung der Frankfurter Elf alleine zur Verzweiflung zu bringen: Burdenski begräbt jeden noch so gut gemeinten Schuss sicher unter sich. Das ändert sich auch nicht, als der Himmel über dem Waldstadion seine Schleusen öffnet – aus Trauer über das Fehlen von Kapitän Grabowski oder über das neuerliche Versagen der restlichen Frankfurter Elf, die es zum wiederholten Male in dieser Spielzeit nicht schafft, aus ihren Chancen auch Tore zu machen? Die starken Regengüsse weichen den Boden auf, machen ihn rutschig und geben so der stürmenden Eintracht eine willkommene Hilfestellung. Doch Burdenski, der Teufelskerl, lässt sich vom glitschigen Untergrund so wenig beeindrucken wie von den Angriffen der Gastgeber. Selbst Schüsse schwersten Kalibers entschärft der Bremer Keeper mit einer Selbstverständlichkeit, als sei die Lederkugel eine Bombe und er abgestellt, um den Sprengkörper zu entschärfen, bevor er in seinem Tor einschlägt und detoniert. Bernd Hölzenbein und der längst stürmische Vorstopper Uwe Kliemann in seinem vorletzten Heimspiel für die Eintracht lassen sich nicht entmutigen und unterziehen Burdenskis Fähigkeiten den schwersten Prüfungen, doch der Torhüter der Norddeutschen scheint in diesem Spiel geradezu unbezwingbar zu sein. Hölzenbein ist dennoch stärkster Stürmer auf dem Platz, allerdings fehlt ihm mit Grabowski der Anspielpunkt und Partner. Kliemann versucht Grabowski zumindest als Ankurbler zu ersetzen. Aber seine langen Pässe zeichnen sich eher durch Kraft als durch Genauigkeit aus. Zur Pause macht Frankfurts Trainer Weise Burdenski schon Komplimente: "Ganz großartig. Er hat manches Tor verhindert." Zwei Aufsetzer, die von Kliemann aus der Distanz abgegeben wurden, bewältigte Burdenski mit blitzschneller Faustabwehr. Nach dem zweiten scharfen Schuss Kliemanns hielt sich der Torwart allerdings die Hand vor Schmerzen - so wuchtig hatte ihn der Ball getroffen.
Mit einer Fußabwehr stoppt Burdenski auch einen Kopfball von Krauth aus nur zwei Metern Entfernung. Am Beispiel von Mittelstürmer Raimund Krauth wird jedoch erneut deutlich, dass der Eintracht im Angriff ein Torjäger fehlt; Krauth kann auch heute seine Chance nicht nutzen. Gegen "Eisenfuß" Höttges kann sich der Frankfurter kaum einmal durchsetzen. Nach 55 Minuten hat Trainer Weise genug gesehen und holt seinen harmlosesten Angreifer vom Feld. Jürgen Kalb, der Amateur-Nationalspieler, ersetzt Krauth. Drei Minuten nach der Einwechslung von Kalb bringt Roland Weidle, dem heute nicht viel gelingt und dem so mancher Pass missrät, eine Ecke in den Bremer Strafraum. "Funkturm" Kliemann steigt hoch und köpft den Ball ins Bremer Tor. Endlich! Wem sonst außer Kliemann hätte dieser Treffer wohl gelingen können? Dieser Mann wird der Eintracht in der nächsten Saison fehlen. Nach diesem Führungstor lässt die Eintracht jedoch unverständlicherweise nach. Das Bollwerk der Werderaner ist geknackt und der Tausendsassa zwischen den Pfosten endlich bezwungen, doch die Gastgeber begnügen sich scheinbar mit diesem knappen Vorsprung. Werder-Trainer Josef Piontek reagiert auf die nachlassenden Frankfurter Angriffsbemühungen und bringt in der 72. Minute Ohling für Bracht. Volker Ohling ist so eine Art Geheimwaffe der Bremer: Am letzten Spieltag kam der 19-jährige Nachwuchsstürmer, der aus der A-Jugend Werders zum Profikader gestoßen ist, gegen den HSV in der 63. Minute zu seinem ersten Bundesligaeinsatz und erzielte fünf Minuten vor dem Ende den Ausgleichstreffer zum 3:3. Fünf Minuten nach seiner Einwechslung heute wird der Ohling vom aufgerückten Verteidiger Rudi Assauer im Strafraum bedient und Ohling spitzelt das Leder an Frankfurts Schlussmann Wienhold vorbei ins Netz. Auch wenn Wienhold in dieser Partie teilweise ein wenig nervös wirkt, beim Ausgleichstreffer hat er keine Chance. Für Ohling ist es natürlich traumhaft: sein zweites Bundesligaspiel und bereits sein zweites Tor. Nun geht es wie so oft: War die Eintracht bis hierhin die klar spielbestimmende Mannschaft mit den wesentlich besseren Chancen, bekommen die Bremer nun Oberwasser und sind dem zweiten Tor in den Schlussminuten näher als die Gastgeber. Am Ende bleibt es jedoch bei dem unter dem Strich glücklichen Punktgewinn für Werder. Nach dem Spiel beschäftigen die beiden Trainer unterschiedliche Dinge: Während Piontek bei Kliemanns Treffer ein Foul an seinem Keeper Burdenski gesehen haben will, mag Weise nicht den Schluss ziehen, dass es mit Jürgen Grabowski zwangsläufig zum Sieg gereicht hätte. Fest steht dagegen die "Elf des Tages" im "Kicker". Neben dem Bremer Assauer wird Bernd Hölzenbein vom "Kicker" schon zum fünften Mal nominiert. Trotz des vierten Punktverlustes im Waldstadion bleibt die Eintracht Tabellenvierter, während Werder sich auf Platz 11 verbessern kann. Am nächsten Spieltag sind die Frankfurter in Hannover zu Gast, wo die 96er um ihre letzte Chance auf den Klassenerhalt kämpfen. Ob die Hessen in der in der Rückrunde ungeliebten Fremde die Qualifikation für den UEFA-Cup klarmachen können? Klargemacht haben die Frankfurter aber schon jetzt einen Transfer, denn nachdem Unentschieden gibt Eintrachts Vizepräsident Ernst Berger bekannt: "Wir haben einen neuen Mittelstürmer. Wir haben Bernd Lorenz für die neue Saison verpflichtet." Lorenz stammt aus Hamburg, spielte bei Werder Bremen und zuletzt bei Rapid Wien. Dietrich Weise hat den neuen Mann im Spiel gegen Innsbruck gesehen: "Ein gradliniger Spieler, mit viel Druck nach vorn." Davon hat sich die Eintracht am 17.3.1970 in Bremen ein Bild machen können, als Lorenz beim 3:2-Sieg von Werder ein Tor erzielte. Und beim 2:0-Auswärtssieg der Bremer in Frankfurt in der folgenden Saison bereitete er den ersten Treffer des zweifachen Torschützen Bernd Windhausen vor. Trainer Piontek erinnert sich an seinen früheren Mitspieler: "Lorenz ist ein athletischer Typ, kopfballstark, begann als Linksaußen. Er kann aber auch Mittelstürmer spielen." Am Wochenende gehörte Lorenz beim 2:1-Sieg von Rapid über Vienna Wien zu den Besten seiner Mannschaft und köpfte auch das 1:0 in der 9. Minute: "Ich habe allerdings noch nicht bei Frankfurt unterschrieben", sagt er. "Über Geld sprechen wir nicht", will Berger die Höhe der Ablösesumme nicht preis geben. Dabei nehmen sich die in der Presse kolportierten 100.000 Mark Ablöse an Rapid im Vergleich zu den 800.000 Mark, die der Hamburger SV für Willi Reimann an Hannover 96 zahlen muss, sehr bescheiden aus. Lorenz ist ein "Bankspieler" der besonderen Art, denn er – so berichtet zumindest die "Bild" - sei der einzige Spieler der Welt gewesen, der einem Bankhaus gehörte. Vor drei Jahren hatte die Wiener Bank Brüll und Kalmus KG Lorenz von Werder Bremen gekauft und ihn an Rapid Wien "vermietet". Auseinander gehen die Meldungen darüber, an wen die Eintracht nun die Ablöse zahlen muss. Es bleibt unklar, ob Rapid den Spieler vor einem Jahr von der Bank erworben hat oder nicht. (rs)
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