Schalke 04 - Eintracht Frankfurt |
Bundesliga 1973/1974 - 31. Spieltag
3:1 (1:0)
Termin: Di 23.04.1974, 20:00 Uhr
Zuschauer: 70.000
Schiedsrichter: Klaus Ohmsen (Hamburg)
Tore: 1:0 Klaus Scheer (8.), 1:1 Bernd Hölzenbein (73.), 2:1 Rüdiger Abramczik (88.), 3:1 Jürgen Sobieray (90.)
Schalke 04 | Eintracht Frankfurt |
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Beverungens Zehen und Nagel
So schnell ändern sich die Zeiten: Nach dem Hinrundensieg gegen die Schalker übernahm die Eintracht die Tabellenführung und die Knappen rutschten auf Platz 15 ab, heute können die Schalker bei einem Sieg mit dem Tabellenvierten vom Main punktemäßig gleichziehen. Gegen Schalke hatte die Eintracht am 14. Spieltag 27.000 Zuschauer, gegen Wuppertal verloren sich am letzten Spieltag gerade einmal 12.000 im Waldstadion, in Gelsenkirchen wollen dagegen 70.000 Besucher im Park-Stadion die Schalker weiter in Richtung UEFA-Cup-Qualifikation marschieren sehen. "Und dazu brauchen wir auf jeden Fall einen Sieg über Frankfurt", erklärt Schalkes Präsident Siebert. Ob die Schalker heute die gewünschten zwei Punkte verbuchen werden können, wird sich noch zeigen – 700.000 DM Einnahmen aus dem Kartenverkauf sind ihnen bereits sicher. Das Spiel findet wegen der Endrunde der Europameisterschaft der Amateur-Nationalmannschaften bereits am heutigen Dienstagabend statt. In Rijeka wird die DFB-Auswahl mit den Eintrachtspielern Wienhold, Kalb, Körbel und Müller gegen Holland um den Einzug ins Finale kämpfen. Thomas Rohrbach, der immer noch an der Prellung laboriert, wegen der er gegen Wuppertal aus dem Spiel genommen werden musste, hat nach harten Verhandlungen seinen Vertrag mit den Riederwäldern um ein Jahr verlängert – "in aller Freundschaft", wie Eintracht-Vizepräsident Ernst Berger versichert. Einen anderen Vertrag hätte Dietrich Weise am Wochenende auch gerne unter Dach und Fach gebracht, dafür versäumte er am Samstag sogar das Spiel gegen Wuppertal. Weises Dienstreise führte ihn nach Österreich zum 21-jährigen österreichischen Nationalstürmer Hans Krankl, der bei Rapid Wien unter Vertrag steht und in der Staatsliga mit 29 Treffern auf Platz 2 der Torjägerrangliste liegt: "Krankl ist ein guter Spieler, und man sieht, dass seine vielen Tore nicht aus Zufällen resultieren." Doch der Wechsel Krankls, für den Rapid eine Ablöse von einer Million DM erzielen wollte, zerschlug sich am Sonntag, als der Österreichische Fußballverband einen Beschluss fasste, der – weil er eigens wegen Krankl gefasst worden sein soll – bei Kennern der österreichischen Fußballszene "Lex Krankl" genannt wird. Nach diesem Beschluss dürfen Fußballer, die das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht für das Ausland freigegeben werden. Außer Spesen also nichts gewesen. Kontakte zum Stürmer von Hannover 96, Willi Reimann, räumt Dietrich Weise zwar ein, erklärt jedoch die Gespräche mit Reimann für beendet, obwohl dieser beim HSV noch nicht unterschrieben hat: "Nachdem Reimann Hamburg mündlich zugesagt hat, verhandeln wir nicht mehr mit ihm." Auch um den Kölner Gerd Zimmermann und um den Dänen Ulrik le Fevre, der bis vor zwei Jahren in Gladbach spielte, bemüht man sich nicht mehr. Die Suche nach einem Mittelstürmer für die nächste Saison geht weiter. In dieser Spielzeit muss Weise mit dem auskommen, was er hat und dazu nimmt er im Vergleich zum Heimspiel gegen den WSV einige Änderungen vor: Für Kalb spielt heute Helmut Müller wieder auf der Position des Außenverteidigers und Krauth erhält im Sturmzentrum eine erneute Bewährungschance. Außerdem spielt anstelle des verletzten Flügelstürmers Rohrbach der junge Wolfgang Kraus im Mittelfeld. Die Eintracht läuft also in folgender Formation auf: im Tor Wienhold, in der Abwehr mit Trinklein, Kliemann sowie den beiden Außenverteidigern Reichel und Kalb, im Mittelfeld mit Körbel, Hölzenbein, Nickel und Kraus sowie im Sturm mit Grabowski und Krauth. Diese Elf wird von einem starken Gegner erwartet, ein Gegner, der seit dem 19. Spieltag nur eine einzige Partie verloren hat – beim amtierenden Meister in München. Ein Gegner, der zudem vor Selbstbewusstsein nur so strotzt und der sich der Unterstützung fast aller 70.000 "auf Schalke" Zuschauer sicher sein kann. Ob die auf der Fahrt zum Stadion demonstrativ zur Schau gestellte Siegesgewissheit von Eintrachttrainer Weise die möglichen Bedenken seiner Mannschaft zerstreuen sollte? Wenn ja, ist dem feinfühligen Psychologen Weise diesmal der Schachzug nicht geglückt. Wie das Kaninchen vor der Schlange wirken die Hessen in den Anfangsminuten. Das erste Schalker Tor ist bei so überschaubarer Gegenwehr und dem völligen Fehlen eigener stürmischer Aktivitäten nur eine Frage der Zeit. Diese Frage beantwortet der Knappe Klaus Scheer in der 8. Spielminute mit seinem achten Saisontor. Klaus Fischer entzieht sich seinem Bewacher Kliemann durch einen langen Spurt an den Flügel erfolgreich und schlägt eine Flanke hoch vor das Frankfurter Tor. Scheer kann die Flanke fast ungehindert ins Frankfurter Tor verlängern, weil Körbel als Bewacher von Scheer am Boden klebenbleibt, als habe er Sekundenkleber an den Schuhen. Für die Schalker ein Auftakt nach Maß, für die Frankfurter der Beginn eines Alptraumes, der immer schlimmer wird. Die Schalker bekommen reichlich Chancen, um das Ergebnis höher zu schrauben, allein der Mannschaftskapitän und frischgebackene Papa Helmut Kremers vergibt zwei klare Torchancen. Vielleicht behindert ihn doch die Knöchelverletzung, mit der er ins Spiel gegangen ist. Doch verletzt oder nicht - ein Schuss landet an der Latte des Frankfurter Tores, springt wieder heraus und Peter Reichel kann in höchster Not klären. Aber auch der Torschütze Scheer scheitert in der 20. Minute mit einem weiteren Kopfball an der Latte des Eintracht-Gehäuses. Klaus Fischer ist indes von Uwe Kliemann kaum zu halten. Doch wen wundert das? Fischer hat nach dem Ende der Sperre wegen seiner Beteiligung am manipulierten Spiel der Schalker gegen Bielefeld am 17. April 1971 in 21 Spielen 21 Tore geschossen – ein fantastischer Wert. Und die Frankfurter? Außenverteidiger Helmut Müller bietet sich nach einem präzisen Zuspiel von Bernd Hölzenbein eine Einschussmöglichkeit, doch er verfehlt knapp. Dann zieht Jürgen Grabowski an der Außenbahn einen seiner Sprints an und flankt anschließend wunderbar auf Krauth, der einen saftigen Schuss vom Stapel lässt, damit aber keine Änderung des Ergebnisses herbeiführen kann. Das war´s aus Sicht der Eintracht in den ersten 45 Minuten.
Trainer Weise wirkt denn auch in der Pause verständlicherweise betroffen: "Wir wollten in Gelsenkirchen keinesfalls defensiv spielen, aber der Druck der Schalker zwang uns dazu." Sein Gegenüber, Ivica Horvat, der die Eintracht selbst in den 60ern trainierte und als Spieler bei den Hessen nur durch eine Erkrankung, die sein Karriereende bedeuten sollte, um seine Mitwirkung beim Erringen des deutschen Meistertitels im Jahr 1959 gebracht wurde, ist ebenfalls nicht zufrieden: "Ein gutes Spiel mit vielen Höhepunkten, aber wir hätten schon eindeutig führen müssen; das Spiel müsste schon gelaufen sein." Müsste, ist es aber nicht. Und es bleibt trotz bester Schalker Chancen knapp: Klaus Fischer vergibt nach dem Seitenwechsel die Chance zum 2:0, als er einen Kopfball neben das Frankfurter Tor setzt. Danach verhindert Wienhold gegen Sobieray mit einer Glanztat den möglichen zweiten Schalker Treffer. Es ist Jürgen Grabowski zu verdanken, dass es der Eintracht in der Folge nach und nach gelingt, sich aus der Umklammerung der Gastgeber zu befreien, und selbst gefährliche Angriffe zu inszenieren. In der 54. Minute überwindet der Frankfurter Kapitän Haken schlagend das halbe Spielfeld, um dann Nigbur mit einem Schuss aus 17 Metern auf eine ernsthafte Probe zu stellen. Nigbur meistert diese Prüfung, in dem er das Leder gerade noch zur Ecke lenken kann. Hölzenbein und Nickel unterstützen die offensiven Aktivitäten ihres Mannschaftsführers nun und auch Krauth platziert sich jetzt in der Sturmmitte, wo er jede sich bietende Gelegenheit zu einem Schuss zu nutzen versucht – ohne Erfolg. Nach 72 Minuten reagiert Horvat und nimmt Reinhard "Stan" Libuda vom Feld. Es ist Libudas vierte Auswechslung im 10. Spiel nach seiner Begnadigung und Aufhebung seiner Sperre wegen seiner Beteiligung am manipulierten Spiel gegen die Arminen. "Stan" Libuda ist nach seiner "Flucht" zu Racing Straßburg und seiner Rückkehr nach Gelsenkirchen nicht mehr der Stürmer, der er einmal war. Für Libuda kommt Abramczik. Rüdiger Abramczik gab am 11. August des vergangenen Jahres sein Debüt in der ersten Liga als der bis dahin jüngster Spieler seit Einführung der Bundesliga. Sein erstes Tor in der Eliteliga schoss er wenige Wochen vor seinem 18. Geburtstag und ließ kurz darauf gegen den Vizemeister von 1959 sein zweites folgen. Doch in der 73. Minute ist es nicht der hoffnungsvolle Nachwuchsstürmer, der sein drittes Saisontor schießt, sondern Bernd Hölzenbein, der seinen 12. Saisontreffer markieren kann. Der bis dahin tadellos spielende Klaus Fichtel – ein weiterer Schalker, der in den Bundesligaskandal verwickelt war – vertändelt den Ball gegen Grabowski, der die Schalker Abwehrspieler nach Belieben stehenlässt und Bernd Hölzenbein so prächtig bedient, dass der "Holz" nur noch einzuschieben braucht. Ein schöner Lohn für den in den letzten Tagen durch einen Bluterguss in der Kniekehle im Training gehandicapten Hölzenbein.
Der Ausgleich ist zugleich Startsignal für verstärkte Bemühungen der Eintracht hier doch noch als Sieger vom Platz zu gehen. Auch Uwe Kliemann schaltet sich nun in den Angriff ein und es scheint, als könne die Eintracht die Schalker am Ende des Spiels, das schon längst zugunsten der Knappen hätte entschieden sein müssen, doch noch in die Knie zwingen könnte. Es scheint jedoch nur so: Zwei Minuten vor dem Ende der Partie schaffen die Frankfurter mit einer ihrer Nachlässigkeiten die Voraussetzung für das dritte Bundesligator von Rüdiger Abramczik und somit für die erneute Schalker Führung. Jürgen Sobieray – ein anderer Beteiligter am Bundesligaskandal – sorgt dann mit seinem dritten Saisontor in der Schlussminute für die endgültige Entscheidung. Nach dem Schlusspfiff ist der erleichterte Ivica Horvat ehrlich: "Ich hatte mich schon mit einem Unentschieden abgefunden, doch plötzlich haben mich meine Jungs überrascht." Dietrich Weise bekennt unter dem Eindruck der beiden späten Gegentore: "Mir wird diese Siegesserie der Schalker direkt unheimlich." Karl-Heinz Körbel trauert ein wenig der ersten Halbzeit nach: "Wir waren in der Phase nach dem 1:1 sogar von einem Sieg nicht weit entfernt. Als wir nach vorne marschierten, hatte Schalke echt Mühe mit uns. Vielleicht haben wir anfangs etwas zu vorsichtig operiert." Torhüter Wienhold legt in seiner Betrachtung dagegen den Schwerpunkt auf die Schlussphase: "So kurz vor Schluss zu verlieren, und dann noch ausgerechnet zwei Treffer zu kassieren, ist schon ärgerlich, zumal beide Tore im Ansatz zu verhindern waren." Jürgen Grabowski mag nach dem Schlusspfiff nicht in den vergossenen Äppler weinen und zieht bereits heute eine positive Bilanz der ersten Saison unter Dietrich Weise, der die Eintracht aus dem Mittelfeld der Bundesliga in die Spitze führte: "Nimmt man alle Spiele der Saison im Durchschnitt, dann kann man uns in der vordersten Reihe der attraktiven Mannschaften einstufen. Ich bin auch fest davon überzeugt, dass wir sowohl unter den ersten Fünf landen wie auch das Pokalendspiel gewinnen." Gewonnen hat die Eintracht heute auch: Sie nimmt zwar keine Punkte mit zurück an den Main, dafür aber einen neuen Spieler: Klaus Beverungen, auf Schalke kurz "Beve" genannt. Der 20-Jährige half in der letzten Spielzeit, als die wegen des Bundesligaskandals gesperrten Spieler fehlten, mit zwei Toren in 18 Spielen den Klassenerhalt zu sichern. In dieser Saison traf er in bislang 20 Spielen zweimal, doch nach der Rückkehr der Sünder war ab dem 21. Spieltag für ihn in der Schalker Mannschaft kein Platz mehr, zudem warfen ihn eine Blinddarmoperation und die Entfernung der Nägel an den großen Zehen zurück. Sein Wechsel zur Eintracht steht im Grunde jetzt fest, nur über die Ablöse wird noch gestritten: Die Gelsenkirchener wollen 250.000 DM für den 13-maligen deutschen Jugendnationalspieler, so viel will die Eintracht nicht bezahlen. Klaus Beverungen ficht das nicht an, zumal in der Schalker Vereinszeitung bereits Abschied von ihm genommen wurde. Beverungen hat ein klares Ziel: "Ich hoffe, dass das Pokalendspiel gegen Hamburg meine erste große und gelungene Amtshandlung für die Eintracht sein wird." Auch an seiner Entschlossenheit lässt er keinen Zweifel: "Wenn ich es bei der Eintracht nicht packe, dann hänge ich die Fußballschuhe an den Nagel." Na dann: Willkommen in Frankfurt, Beve! Der Austragungsort für das Finale um den DFB-Vereinspokal zwischen der Eintracht und dem Hamburger SV, steht nun auch endgültig fest: Es wird wie geplant am 17. August im Düsseldorfer Rheinstadion ausgetragen. Der DFB lehnt am 25. April eine Beschwerde des HSV ab, der als Endspielort Hannover haben wollte. Und während die Amateurnationalmannschaft des DFB in Jugoslawien um den Europameistertitel spielt, unterschreibt Beverungen einen Zweijahresvertrag bei der Frankfurter Eintracht, die sich mit Schalke auf eine Ablöse von 200.000 DM geeinigt haben soll. Raimund Krauth will die Hessen dagegen verlassen und sich dem Zweitligisten FK Pirmasens anschließen, die auch Bernd Hoss, den bisherigen Trainer des FSV Mainz 05 verpflichtet haben. Allerdings hat sich die Eintracht noch nicht zu einer Freigabe von Krauth entschließen können. Beim Endturnier in Rijeka stehen die Schützlinge des DFB-Trainers Jupp Derwall gegen die Niederländische Auswahl vor einer Niederlage. 118 Minuten sind gespielt und der Gegner führt seit der 92. Minute durch einen Treffer von Hanssen mit 1:0, nachdem die reguläre Spielzeit torlos endete. Zwei Minuten vor Schluss der Verlängerung trifft dann aber doch noch der Ex-Offenbacher Walter Krause, der in der nächsten Saison vom HSV zu Rot-Weiß Oberhausen wechseln und somit nicht im DFB-Pokalfinale gegen die Eintracht spielen wird. Nach Krauses Tor zum 1:1 geht es ins Elfmeterschießen, wo der deutsche Ersatztorwart Franz-Josef "Jupp" Koitka von Wattenscheid 09 zum entscheidenden Spieler wird. Erst in der 31. Minute für den verletzten Jürgen Muche ins Tor gekommen pariert Koitka beim Elfmeterschießen zwei Strafstöße holländische Elfmeter. Bei der DFB-Auswahl beweisen dagegen alle vier Schützen Nervenstärke, auch Jürgen Kalb von der Frankfurter Eintracht. Damit darf sich Kalb – wie seine im Spiel gegen die Niederlande ebenfalls eingesetzten Vereinskameraden Körbel und Müller - bereits Europameister nennen. Die DFB-Auswahl muss sich diesen Titel aber mit Gastgeber Jugoslawien teilen, das im anderen Halbfinale Spanien mit 2:1 besiegt hat: Nach schweren Regenfällen steht der Platz in Rijeka mehrere Zentimeter unter Wasser, das Endspiel wird nach einer Platzbesichtigung kurz vor Spielbeginn abgesagt und beide Mannschaften zum Sieger erklärt. (rs)
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