Eintracht Frankfurt - Rot-Weiß Essen

Bundesliga 1973/1974 - 28. Spieltag

6:0 (2:0)

Termin: Sa 30.03.1974, 15:30 Uhr
Zuschauer: 12.000
Schiedsrichter: Karl-Heinz Picker (Hamburg)
Tore: 1:0 Bernd Nickel (8.), 2:0 Jürgen Kalb (19.), 3:0 Bernd Nickel (57.), 4:0 Jürgen Kalb (58.), 5:0 Thomas Rohrbach (64.), 6:0 Thomas Parits (90.)

 

>> Spielbericht <<

Eintracht Frankfurt Rot-Weiß Essen

 


  • Heinz Blasey
  • Eberhard Strauch
  • Gerd Wörmer
  • Wolfgang Rausch
  • Werner Lorant
  • Dieter Bast
  • Klaus Senger
  • Willi Lippens
  • Willibald Weiss
  • Günter Fürhoff
  • Harry de Vlugt

 

Wechsel Wechsel
  • Horst Gecks für Klaus Senger (59.)
  • Alfons Sikora für Harry de Vlugt (65.)
Trainer Trainer
  • Diethelm Ferner

 

In doppelter Weise

Ausverkauftes Haus im Frankfurter Waldstadion, obwohl die Gäste im Länderspiel der DFB-Auswahl gegen die Schottlands längst nicht in Bestbesetzung antreten können. "Das Wichtigste ist, dass wir gegen diese schottische Reservetruppe ein schnelles Führungstor erzielen", impft Bundestrainer Schön in der Mannschaftssitzung seiner Elf deshalb ein. Verlassen kann er sich dabei auf Lokalmatador Jürgen Grabowski. So flankt der Kapitän der Eintracht in der 17. Minute nach einem herrlichen Doppelpass mit Gerd Müller gefühlvoll vor die lange Ecke des Schotten-Tores, wo "Hacki" Wimmer mit einem Kopfball aber nur die Latte trifft. Und in der 35. Minute ist es auch Grabowski, der Breitners Elfmetertor das nächste folgen lässt und auf 2:0 erhöht: Beckenbauer hat Hoeneß steil geschickt, der aus vollem Lauf quer zu Grabowski passt und "Grabi" schießt aus sieben Metern rechts an Keeper Allan vorbei unhaltbar ein. Um ein Haar hätte Grabowski fünf Minuten vor dem Halbzeitpfiff auch noch das 3:0 vorbereitet, doch Wimmer schießt nach dem Rückpass des Frankfurters aus sieben Metern so schwach, dass Allan halten kann. Größere Mühe hat Allan zwei Minuten nach Wiederanpfiff: Grabowskis gefährlichen Schuss aus spitzem Winkel kann der Schlussmann gerade noch zur Ecke lenken. In der 68. Minute hat der beste deutsche Stürmer an diesem Abend dann Pech: Grabowski zieht aus halblinker Position aus etwa 20 Metern ab, doch der Ball streicht knapp am linken Pfosten vorbei. Dass die Schotten in der 79. Minute durch Kenny Dalglish auf 2:1 verkürzen können, stört weniger als der schottische Schlachtenbummler, der drei Minuten vor Spielende aufs Feld rennt und für eine Unterbrechung sorgt.


Grabowskis 2:0 gegen Schottland

Es war trotz des knappen Ergebnisses eine gute Leistung der deutschen Auswahl mit einem überragenden Grabowski. "Ich hatte ja den Eindruck, als habe Deutschland acht Klasseleute im Mittelfeld", sagt Jugoslawiens Nationaltrainer Milanic, während Spaniens Coach Kubala bemängelt: "Deutschland hätte bei dieser Überlegenheit schon bei Halbzeit mit 4:0 führen müssen." "Ich habe in meiner Berliner Zeit viele Spiele gesehen", hatte Bundeskanzler Willy Brandt bereits im Laufe der Partie bemerkt: "Dies ist ein flottes Spiel. Wer die besten Spieler sind, möchte ich aus erklärlichen Gründen nicht sagen." Wer sich die Zurückhaltung des Politikers nicht auferlegen muss, kommt natürlich an Jürgen Grabowski nicht vorbei, der vom begeisterten Frankfurter Publikum bereits während der Partie gefeiert wurde: Das Spiel gegen die Schotten war zweifellos eines der besten, das Grabowski in der Nationalelf zeigte. Schwungvoll, ideenreich und dribbelstark ließ er seine Gegner mit eleganten, fast tänzerischen Bewegungen gleich reihenweise stehen und verstand sich prächtig im Zusammenspiel mit Hoeneß am rechten Flügel. Das größte Lob erhält Grabowski aber von einem ehemaligen Fußballer Europas, dem schottischen Stürmerstar Denis Law, dessen glanzvolle Karriere zu Ende geht und mit der Teilnahme an der Weltmeisterschaft im Sommer einen letzten Höhepunkt erfährt: "Man muss in Europa lange suchen, bis man einen Stürmer findet wie Grabowski."

Während Grabowski bei der WM im eigenen Lande mit von der Partie sein wird, ist der Meisterschaftszug für die Frankfurter Eintracht endgültig abgefahren, nachdem die Eintracht am Bahnhof in Köln mit einem 2:3 aufgehalten wurde und entscheidenden Boden gegenüber den Bayern verloren hat, die mit fünf Punkten Vorsprung enteilt sind. Die unnötige Niederlage beim heimschwachen Neuling Fortuna, der bis zum letzten Spieltag das Tabellenende zierte, hat die Hessen um die letzten Hoffnungen auf die zweite Deutsche Meisterschaft gebracht.

Es scheint so, als ob das Publikum die Hessen für die verpasste Meisterschaftschance mit Liebesentzug bestrafen will. Die 12.000 unverdrossenen Fans, die den Weg ins Waldstadion gefunden haben, bedeuten für die Gastgeber den bisher schwächsten Besuch in dieser Spielzeit. Vielleicht beantwortet die Elf von Trainer Weise den mageren Zuschauerzuspruch auf dem Platz mit einem überzeugenden Sieg, um das Publikum für das nächste Spiel wieder ins Stadion zu locken. Eigentlich sollte aber bereits die 3:6-Hinrundenniederlage gegen den Aufsteiger aus Essen für ausreichend Motivation aufseiten der Gastgeber sorgen.

Im Hinblick auf das Debakel in Essen und die peinliche Niederlage beim Aufsteiger Köln sagt Trainer Weise auch: "Wir haben in doppelter Weise etwas wieder gutzumachen." Dietrich Weise, der es auswärts gerne mit einem verstärkten Mittelfeld und einem 4-4-2-System versucht, setzt zu Hause weiterhin auf die offensivere Variante des 4-3-3. Anstelle von Außenverteidiger Reichel läuft heute Jürgen Kalb auf. Der in dieser Saison lange ausgefallene Bernd Nickel und der bisher enttäuschende Thomas Parits kommen außerdem für den schwäbischen Dauerläufer Roland Weidle und den Nachwuchsmann Wolfgang Kraus in die erste Elf. Parits bekommt von Trainer Weise wegen seines Trainingsfleißes wieder eine Chance als Mittelstürmer. Im Einzelnen sieht die Aufstellung wie folgt aus: im Tor Dr. Kunter, in der Abwehr mit Trinklein, Kliemann sowie den beiden Außenverteidigern Müller und Kalb, im Mittelfeld mit Körbel, Hölzenbein und Nickel sowie im Sturm Rohrbach, Grabowski und Parits.


Das 1:0 durch Bernd Nickel

Tatsächlich starten die Eintrachtspieler in einem Tempo, das den Eindruck erweckt, sie wollten die Hinrundenniederlage bereits in der ersten Viertelstunde egalisieren. Fast gelingt ihnen das auch: Bereits in der achten Minute trifft Bernd Nickel mit einem Freistoß aus 20 Metern Torentfernung zur Führung und nach 19 Minuten steht es bereits 2:0 für die Gastgeber. Jürgen Kalb rechtfertigt seine Aufstellung nicht nur mit einer überzeugenden Leistung, sondern auch mit seinem vierten Saisontor. Nach einem Alleingang schließt Kalb vor dem Strafraum souverän im Stile eines Klassemanns ab.

Danach geht es allerdings nicht wie erhofft weiter. Die Elf der Hessen nimmt das Tempo aus dem Spiel und lässt die Zügel derart schleifen, dass das Schleifgeräusch bis zum Frankfurter Flughafen zu hören ist. Gegen die harmlosen Essener kann man sich diesen Schlendrian zwar erlauben, doch schön ist das für die 12.000 Zuschauer nicht anzusehen.

Nach der Pause versuchen die Gäste mitzuhalten. Aber auch das, was sie in diesen, ihren besten, zehn Minuten zu Wege bringen, ist kaum mehr als braver Durchschnittsfußball. Dietrich Weise hat die Vorstellung seiner Elf nach dem 2:0 wahrscheinlich auch missfallen und offensichtlich hat er die Halbzeitpause zu einer wirksamen Ansprache genutzt: Kaum auf den Platz spielen seine Jungs wieder mit dem Tempo und der Ernsthaftigkeit, die ihnen in den ersten 20 Minuten zwei Tore eingebracht haben. Mit einem Doppelschlag in der 57. Minute drücken wiederum Nickel und Kalb den Klassenunterschied zur überforderten Truppe aus dem Ruhrpott endlich auch in Toren aus. Nickel trifft nach einer Flanke Hölzenbeins und Kalb auf Vorlage Grabowskis. Es ist übrigens Nickels neuntes Tor im 16. Spiel. Wenn Nickel in der gesamten Saison zur Verfügung gestanden hätte, wäre die Deutsche Meisterschaft vielleicht doch zu erringen gewesen ...


Rohrbach zum 5:0

Hätte, wäre ... Was soll´s? Zu ändern ist es nicht mehr und ins vergossene Bier zu weinen, macht die Sache doch nur schlimmer. Freuen wir uns lieber über das 5:0, das Thomas Rohrbach, der von zwei Essenern im Fünfmeterraum sträflich allein gelassen wird, nach einem Freistoß von Hölzenbein aus kurzer Distanz erzielt. Blasey wirft sich dem flinken Frankfurter Stürmer zwar noch entgegen, verhindern kann er das fünfte Gegentor aber nicht mehr.

Die Essener kommen nun zwar zu einigen Chancen, doch diese entspringen nicht der eigenen Stärke, sondern sind der Tatsache geschuldet, dass sich die Abwehrreihen der Frankfurter mehr und mehr ins Angriffsspiel ihrer Mannschaft einschalten und darüber die Deckungsarbeit vernachlässigen. Die Versuchung, sich beim munteren Scheibenschiessen zu beteiligen, ist aber auch einfach zu groß, frei nach dem Motto: "Wer hat noch nicht, wer will noch mal?"

Der zuweilen auf sich allein gestellte Dr. Kunter "rächt" sich auf seine Weise für die sechs Gegentore aus dem Hinspiel, zu denen er eines per Eigentor selbst beigetragen hatte: Die Bälle, die auf seinen Kasten kommen, werden zu seiner sicheren Beute. Ein Tor wird dieser Essener Sturm, der heute allerdings eher einem Darmwind gleicht, nicht gegen den fliegenden Zahnarzt erzielen. Die Torschützen aus dem Hinspiel - Harry de Vlugt, Willi Lippens, Willibald Weiss und Günter Fürhoff – sind bei der Frankfurter Defensive bestens aufgehoben. Besonders de Vlugt, der beim 6:3 mit Lippens die gesamte Frankfurter Hintermannschaft ins Schwitzen brachte, macht gegen Helmut Müller keinen Stich. Auch Essens gefürchteter Stürmer Willi Lippens zeigt nur zweimal, was in ihm steckt. Einmal hält Dr. Kunter, das zweite Mal klatscht der Schuss von Lippens gegen die Querlatte. Lippens ist sonst so harmlos, dass Verteidiger Kalb sich fast ausschließlich dem Angriff zur Verstärkung zur Verfügung stellen kann. Und die wenigen Male, die Lippens den Ball bekommt, eilt der aufmerksame Hölzenbein von vorne zurück und klärt, bevor die "Ente" zur Gefahr werden kann,

Den Schlusspunkt setzt dann in der letzten Spielminute Parits auf Vorlage von Nickel mit seinem zweiten Saisontor in seinem 16. Ligaspiel. Seine Tore im DFB-Pokal gegen Hessen Kassel haben die Eintracht in Wettbewerb gehalten, doch in der Liga bleibt der Österreicher auch in dieser Saison eine Enttäuschung. Die guten Leistungen der ersten Spielzeit konnte Parits in den beiden letzten Jahren ebenso wenig wiederholen wie die 12 Tore aus dem ersten Jahr in Frankfurt.

Wie dem auch sei – Endstand 6:0! Der bedauernswerte Essener Keeper Heinz Blasey, der erst seit zwei Spielen wieder im Kasten der Elf von der Hafenstrafe steht, wird sich wahrscheinlich wünschen, seine Auszeit hätte drei Spieltage länger gedauert. Spaß hat ihm sein Platz in der Schießbude der Rot-Weißen heute sicher nicht gemacht. Größeren Spaß hatte dagegen bestimmt der zweifache Torschütze Nickel, der gleichzeitig der beste Frankfurter Spieler in dieser Partie war. Das sieht auch der "Kicker" so, der "Dr. Hammer" in die "Elf des Tages" beruft. Es ist Nickels erste Nominierung in dieser Saison.

Für großes Hallo sorgten während der Begegnung Grabowski und Hölzenbein mit einem dreifachen Doppelpass. "Als dann die Zuschauer Beifall klatschten, obwohl kein Tor gefallen war", berichtet Hölzenbein, "wurde mir eigentlich erst bewusst, dass dies wohl was Besonderes gewesen sein musste." "Nur schade", bedauert Grabowski, "dass das i-Tüpfelchen noch fehlte. Um 20 Zentimeter verpasste ich den letzten Abpraller. Wenn das ein Tor gegeben hätte, dann wäre aus unserem Doppelpass ein Doppelspaß geworden. Dann hätten wir die ganze Mannschaft zum Schlückchen Sekt eingeladen. Aber Spaß beiseite: Unser Doppelpass-Spaß war mehr als eine Spielerei. Blitzschnell hatten wir 60 m überbrückt und fast eine Torchance erspielt." "Bei Trainingsspielchen lassen wir tunlichst Grabowski, Hölzenbein und Nickel nicht zusammenspielen. Die treiben’s sonst zu oft mit dem Doppelpass", meint Co-Trainer Dieter Stinka.

"Erfreulich, dass wir den Ausfall von Reichel gut verkraften konnten", lobt Trainer Weise: "Wir haben endlich wieder einmal zu Null gespielt und das, obwohl jeder in der Mannschaft nur daran dachte, Essen genauso viele Tore einzuschenken, wie die uns damals." Selbst Vizepräsident Ernst Berger strahlt mit der Sonne um die Wette: "Endlich haben wir etwas für unser Torverhältnis getan." "Auch in der Höhe ist der Sieg der Frankfurter völlig verdient", ist Essens junger Trainer Ferner ehrlich, der seine Elf defensiv eingestellt hatte. "Aber nach den frühen Frankfurter Toren war das nicht mehr möglich", klagt Ferner.

Der Aufsteiger aus Essen bleibt trotz der Niederlage auf dem 13. Platz, während sich die Eintracht an Fortuna Düsseldorf vorbei wieder auf den dritten Rang schieben kann. Am nächsten Wochenende reist die Eintracht zur Hertha nach Berlin, eine Woche später steigt dann das Halbfinale im DFB-Pokal gegen die Bayern im Waldstadion. (rs)

 


Interview von Werner Ebert mit Jürgen Grabowski

Werner Ebert: Na, bitte, Herr Grabowski. Der Knoten scheint ja geplatzt zu sein.

Jürgen Grabowski: Mir fällt auch ein Stein vom Herzen. Immer habe ich gedacht: Spielst du denn in der Nationalmannschaft nur noch unter ferner liefen?

Ebert: Und das hat Sie belastet?

Grabowski: Ja, es hat mich sehr bedrückt. Zumal ich bei meinem Verein immer bessere Spiele gezeigt habe als in der Nationalelf.

Ebert: Und diesmal?

Grabowski: Da habe ich mir vorgenommen, gerade in Frankfurt ein großes Spiel zu machen, wo ich wusste, hier bekomme ich vom Publikum jede Unterstützung.

Ebert: Haben Sie jetzt Ihre Selbstsicherheit wiedergefunden?

Grabowski: Ja, denn ich weiß für die Zukunft, dass ich das Waldstadion nicht mehr brauche.

Ebert: Aber den Uli Hoeneß brauchen Sie?

Grabowski: Wir haben uns fantastisch ergänzt. Vielleicht liegt es daran, dass wir unterschiedliche Spielertypen sind.

Ebert: War dieses Zusammenspiel geplant?

Grabowski: Uli und ich haben uns vor dem Spiel abgesprochen. Wir wollen genauso spielen wie beim Länderspiel gegen Frankreich.

Ebert: Und alles ohne Netzer und Overath?

Grabowski: Ja, obwohl ich gerade mit Netzer gerne gespielt hätte.

Ebert: Warum?

Grabowski: Weil ich bisher nur 20 Minuten mit ihm spielte.

Ebert: Gab es nicht eine Kontroverse, als Netzer sagte, er könne nicht mit Ihnen spielen?

Grabowski: Davon habe ich auch gehört. Aber das kann ich mir nicht vorstellen, denn sonst hätten wir schon darüber gesprochen.


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