Fortuna Köln - Eintracht Frankfurt

Bundesliga 1973/1974 - 27. Spieltag

3:2 (2:0)

Termin: Sa 23.03.1974, 15:30 Uhr
Zuschauer: 9.000
Schiedsrichter: Heinz Quindeau (Ludwigshafen)
Tore: 1:0 Lothar Wesseler (35.), 2:0 Friedhelm Otters (39.), 2:1 Bernd Hölzenbein (54.), 2:2 Bernd Hölzenbein (63.), 3:2 Wolfgang Glock (83.)

 

>> Spielbericht <<

Fortuna Köln Eintracht Frankfurt

  • Wolfgang Fahrian
  • Peter Boers
  • Gerd Zimmermann
  • Hans-Günter Neues
  • Günter Schwaba
  • Lothar Wesseler
  • Karl-Heinz Struth
  • Friedhelm Otters
  • Günter Oleknavicius
  • Wolfgang Glock
  • Wolfgang Thier

 


 

Wechsel
  • Julio Baylon für Wolfgang Thier (77.)
  • Rolf Kucharski für Julio Baylon (84.)
Wechsel
Trainer
  • Willi Holdorf
Trainer

 

 

Fortunas Glock im Glück

Karl-Heinz Körbel ist bei der Eintracht am Riederwald und im Frankfurter Waldstadion trotz seiner Jugend schon eine feste Größe, in seinem Geburtsort Dossenheim jedoch ist Körbel fast ein König. "Hier ist Körbel der bekannteste Bürger", sagt Bürgermeister Heinrich Schumacher, der bekennt: "Ich bin eigentlich kein Fußball-Fan. Doch wegen Karl-Heinz Körbel werde ich mir bald mein erstes Bundesligaspiel ansehen." "Die Leute in Dossenheim freuen sich riesig. Zum letzten Spiel gegen die Bayern kamen sogar der gesamte Gemeinderat und der Pfarrer mit einem gecharterten Bus nach Frankfurt", berichtet Körbel, der trotz der großen Aufmerksamkeit bescheiden bleibt. Immerhin antwortete selbst Gladbachs Trainer Hennes Weisweiler auf die Frage, welcher Spieler der Frankfurter für ihn interessant sei: "Von der Eintracht? Da würde ich mir den Körbel für die Borussia holen." "Natürlich träume ich auch davon, einmal in der Nationalelf zu spielen", gibt Körbel ehrlich zu, "aber noch ist bis dahin wohl ein weiter Weg." "Mit der Eintracht an der Spitze bleiben und mit der Amateurnationalelf Europameister werden, das wäre schön und ein guter Abschluss meiner Karriere als Amateur", findet der junge Mann, der für die nächste Saison bei der Eintracht einen Lizenzspielervertrag unterschreiben will.

Einen neuen Vertrag unterschreiben will auch Uwe Kliemann, allerdings - wie seit einigen Wochen bekannt ist – nicht bei der Eintracht. Aus diesem Grund taucht sein Name auch auf der neuesten DFB-Transferliste auf. "Ich habe bereits am 1. März gekündigt", erklärt Kliemann: "Ich will zu Hertha BSC Berlin in meine Heimat zurück. Ich selbst bin mit Hertha einig." "Wir bedauern Kliemanns Weggang außerordentlich" sagt Eintracht-Trainer Weise: "Nun werden wir aber erst mit Berlin wegen der Ablösesumme verhandeln müssen."

Bei diesen Verhandlungen sollte die Eintracht tunlichst ein besseres Ergebnis erzielen als in den letzten Bundesligabegegnungen: Kein Sieg in den letzten vier Spielen, 3:5 Punkte – diese Bilanz ist bestenfalls mittelmäßig. Wenn die Eintracht noch eine Chance auf die Deutsche Meisterschaft haben will, dann muss sie heute beim Aufsteiger Fortuna Köln beide Punkte mitnehmen. Unmöglich erscheint das nicht, denn die Fortuna ist nicht nur Tabellenletzter, sondern auch die schwächste Heimmannschaft der ersten Bundesliga. Erst 12 Punkte konnten die Kölner auf eigenem Platz einfahren und dabei nur zwei Siege erringen. Dass die Fortuna mit bereits 64 Gegentreffern auch noch die schwächste Abwehr in der höchsten deutschen Spielklasse stellt, passt in das Bild des Abstiegskandidaten Nummer eins. Der Sturm der Domstädter ist nur geringfügig besser als die Defensive - lediglich vier Teams haben weniger Tore erzielt.

Nach der Trennung von Volker Kottmann zum 31.12. des Vorjahres übernahm der Präsident und Mäzen der Fortuna, Hans "Jean" Löring, für drei Spiele das Traineramt. Die Bilanz von "de Schäng", der sich von 1958 bis 1960 selbst als Fußballer verdingte, war ernüchternd: 0:6 Punkte sowie 5:15 Tore. Doch auch mit dem aktuellen Übungsleiter Willi Holdorf gab es in sechs Spielen nur vier magere Punkte, der Klassenerhalt rückt in immer weitere Ferne. An Holdorfs Seite steht übrigens mit Martin Luppen der Trainer, der mit der Fortuna in der letzten Saison den Aufstieg schaffte, doch dann für Kottmann den Platz räumen musste.

Die Eintracht ist nach dem 1:1 gegen Bayern München am letzten Spieltag dennoch gewarnt. Die "Diva vom Main" hat bereits im Herbst 1972 nach einem 2:1-Sieg gegen die Münchner schlechte Erfahrungen mit einem Tabellenletzten gemacht, als man eine Woche später beim späteren Absteiger Rot-Weiß Oberhausen mit 0:1 unterlag. "Der Trainer des Riederwald-Vereins sieht in dieser Woche in erste Linie seine Aufgabe darin, seiner Truppe klarzumachen, dass die um ihre Existenz kämpfende Kölner Fortuna am Samstag kein zu unterschätzender Gegner sein wird. Gerade diese Gefahr aber ist bei der launischen Dame Eintracht ständig gegeben", schreibt Herbert Hoffmann denn auch im "Kicker".

Dietrich Weise versucht es auswärts wieder mit einem geänderten System, anstelle des im Waldstadion praktizierten 4-3-3 stellt er seine Elf auf 4-4-2 um. Dies bedeutet, dass Wolfgang Kraus, der Bernd Nickel gegen die Bayern in der Schlussphase bereits ersetzte, heute anstelle von Nickel in der Startelf steht. Im Einzelnen sieht die Aufstellung wie folgt aus: im Tor Dr. Kunter, in der Abwehr mit Trinklein, Kliemann sowie den beiden Außenverteidigern Müller und Reichel, im Mittelfeld mit Körbel, Weidle, Hölzenbein und Kraus sowie im Sturm Rohrbach und Grabowski.

Die Heimmannschaft beginnt abwartend und überraschend defensiv. Die Eintracht ist überlegen, doch die letzte Entschlossenheit in den Aktionen der Hessen scheint zu fehlen. Ob die Frankfurter den Tabellenletzten unbewusst vielleicht doch unterschätzen? Der aufmerksamste Eintrachtler ist Trainer Dietrich Weise, der die Kölner Defensivtaktik schnell durchschaut hat und dem nicht entgangen ist, dass Helmut Müller als Bewacher des zurückhängenden Thier den freien Raum nicht zu nutzen versteht. Schon nach 28 Minuten bringt Weise deshalb Nickel für Müller.


Wesselers 1:0

Den erhofften Erfolg erzielen jedoch die Gastgeber sieben Minuten nach Nickels Einwechslung. Dr. Kunter kann im Fünfmeterraum den Ball nicht festhalten und Lothar Wesseler trifft aus kürzester Distanz zur Führung für die Fortuna. Dr. Kunter bleibt am Boden liegend im wahrsten Sinne des Wortes nur das Nachsehen. Das zweifelhafte Vergnügen dieses Nachsehens hat der Frankfurter Keeper vier Minuten später erneut. Es ist Friedhelm Otter, der die Kölner mit seinem zweiten Saisontor bereits mit 2:0 in Front bringt. Es ist nicht zu fassen – der Meisterschaftskandidat holt sich beim Aufsteiger und Tabellenletzten bisher eine blutige Nase.

Nach vorne geht bei der Eintracht gegen die vom schussgewaltigen Gerd Zimmermann umsichtig organisierte Abwehr zunächst nicht viel. Gerd Zimmermann mutet sich nach seiner langen Verletzungspause mit seinen Vorstößen in die gegnerische Hälfte allerdings kräftemäßig zu viel zu. Von diesem Kräfteverschleiß profitiert die nun aggressivere Elf der Hessen in der zweiten Halbzeit, in der die Frankfurter endlich ihr wahres Können zeigen und unter Beweis stellen, dass sie den Titel noch nicht gänzlich abgeschrieben haben.

Nun werden die Erinnerungen an das Hinspiel wach, als die Eintracht das Spiel nach einem 0:2-Rückstand mit drei Toren innerhalb von 11 Minuten drehen konnte. Damals traf Bernd Hölzenbein in der 66. Minute zum Anschlusstreffer, heute erzielt der Gegenspieler von Zimmermann bereits in der 63. Minute den Ausgleich, nachdem er in der 54. zum ersten Mal zugeschlagen hat.

Wolfgang Fahrian, der es in jungen Jahren immerhin auf 10 Länderspieleinsätze brachte, muss bei Hölzenbeins 2:2 übrigens zum 66. Mal in dieser Saison hinter sich greifen. Mit 20 Lenzen verdrängte er bei der WM in Chile den späteren Frankfurter Keeper Tilkowski aus dem Tor, führt mit 32 Jahren sein Weg nach nur einer Saison wieder zurück in die Zweitklassigkeit, die er nur 64/65 bei der Hertha und 66/67 bei den Münchner Löwen kurzzeitig verlassen konnte? Die Frankfurter stört das natürlich nicht, sie haben nun Chancen am laufenden Band und könnten das Spiel schon längst entschieden haben, doch es ist das alte Lied – die Hessen nutzen ihre Chancen zu selten. Außerdem kommt heute noch Pech dazu: Trinklein trifft nur den Pfosten des Kölner Tores.


Fahrian rettet vor Bernd Nickel

Mitten in die Drangperiode der Gäste setzen die Kölner plötzlich einen Konter, bei dem Glock nach einem Pass von Oleknavicius auf und davon geht. Die Frankfurter reklamieren Abseits, doch der Linienrichter hat Glock zum Zeitpunkt der Ballabgabe vor der Mittellinie starten sehen. Wolfgang Glock lässt sich diese Chance nicht nehmen. Der Mann, der auch Fortunas erstes Bundesligator erzielte, schafft mit seinem fünften Saisontreffer die erneute Führung für die Südstädter.

Glocks erst vor wenigen Minuten eingewechselten Mannschaftskameraden Baylon ereilt wegen dieses Tores allerdings die "Höchststrafe" – er wird gegen Kucharski ausgewechselt. Die Zuschauer reagieren auf diese Entscheidung des Trainergespanns Holdorf/Luppen mit Unverständnis. Trainer Holdorf rechtfertigt die Herausnahme des zweifachen peruanischen Nationalspielers nach nur sieben Minuten mit folgenden Worten: "Baylon ist für ein Tor gut, kann aber kein Tor verhindern." Diese Aussage muss man jedoch nicht widerspruchslos hinnehmen: Ob Baylon, der in nun 12 Einsätzen lediglich auf einen Torerfolg zurückblicken kann, tatsächlich "für ein Tor gut" ist und Kucharski, der mit neun Treffern in 19 Spielen der erfolgreichste Fortunastürmer ist, bisher als "Torverhinderer" aufgefallen ist, darf bezweifelt werden.

Am Ende hat jedoch immer der recht, der erfolgreich ist: Die Fortuna bringt den knappen Sieg über die Zeit und die Kritik am Trainerduo fällt entsprechend moderat aus. Den Vorwurf, dass man die defensive Spielweise angeordnet habe, kontert Luppen so: "Die Frankfurter haben uns ihr Spiel aufgezwungen." Wie dem auch sei - der "Kicker" stört sich nicht an der Taktik und beruft den Schützen des Siegtores erstmals in die "Elf des Tages". Wichtiger für die Fortuna dürfte aber die Hoffnung sein, die man daraus schöpft, dass man zum ersten Mal seit dem 19. Spieltag die rote Laterne der Tabelle abgeben kann. Sollte der Fortuna der Klassenerhalt am Ende doch noch gelingen?

Eintracht Frankfurt bleibt trotz der Niederlage auf Platz vier, doch mit nunmehr fünf Punkten Rückstand auf den Spitzenreiter Bayern München ist der Traum von der zweiten Deutschen Meisterschaft endgültig ausgeträumt. Das Halbfinale des DFB-Pokals wird der Eintracht aber Gelegenheit geben, den Münchnern das mögliche Double zu verderben und selbst noch die Chance auf einen Titelgewinn in dieser Saison zu wahren. (rs)

 


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