Eintracht Frankfurt - Kickers Oxxenbach

Bundesliga 1973/1974 - 24. Spieltag

2:2 (1:0)

Termin: Sa 02.03.1974, 15:30 Uhr
Zuschauer: 42.000
Schiedsrichter: Gerd Hennig (Duisburg)
Tore: 1:0 Uwe Kliemann (16.), 1:1 Manfred Ritschel (53., Foulelfmeter), 1:2 Josef Hickersberger (86.), 2:2 Jürgen Grabowski (88., Foulelfmeter)

 

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Eintracht Frankfurt Kickers Oxxenbach

 


  • Fred-Werner Bockholt
  • Herbert Meyer
  • Amand Theis
  • Hans Schmidradner
  • Nikolaus Semlitsch
  • Erwin Kostedde
  • Winfried Schäfer
  • Siegfried Held
  • Josef Hickersberger
  • Peter Enders
  • Manfred Ritschel

 

Wechsel Wechsel
Trainer Trainer

 

 

Dramatisches Derby: Geschenkt und gestohlen

Wer Fans und Journalisten fragt, was der Eintracht, die unter Trainer Weise innerhalb kürzester Zeit in die Bundesligaspitzengruppe vorgestoßen ist, zu einer Deutschen Meisterschaft fehlt, bekommt überwiegend eine Antwort: ein Torjäger. Eine Erkenntnis, die auch für Trainer Weise nicht neu ist: "Zugegeben, wir haben keinen typischen Mittelstürmer. Dafür aber besitzen wir so viele Spieler, die auf verschiedenen Posten eine gute Rolle spielen", gibt Weise zu bedenken, der nicht bestreitet, dass die Eintracht mit dem Gedanken spielt, einen Torjäger zu verpflichten: "Aber die laufen ja nicht in Scharen umher. Wir haben uns längst umgehört: Von den interessanten Leuten wird mit Saisonende nur Reimann aus Hannover frei. Als Trainer stellt man sich natürlich vor: Passt dieser oder jener in deine Mannschaft? Das sieht in der Praxis manchmal ganz anders aus als in der Theorie. Es passt nicht jeder Deckel auf jeden Topf. Ein Torjäger ist er (Reimann) schon. Dass er in Hannover im Augenblick nicht so erfolgreich ist, muss nicht seine Schuld sein. Ein Mittelstürmer lebt von seinen Nebenleuten und deren Vorlagen. Bei ihm gelten nur die Tore. Schießt er sie nicht, spricht man kaum von ihm."

Gesprochen wird in diesen Tagen von Bernd Hölzenbein, der drei Tore gegen den 1. FC Köln erzielt hat. Kein Wunder also, dass sich das Sportmagazin "Kicker" fragt, ob Hölzenbein nicht auch zukünftig Mittelstürmer spielen sollte? "Warum eigentlich nicht?" antwortet Trainer Weise mit einer Gegenfrage: "Dass er Verwirrung stiften kann, hat er oft genug bewiesen. Dass er Tore schießen kann, auch. Aber Tore machte er nur, wenn er - wie gegen Köln - in vorderer Linie spielte. Als Mittelfeldspieler, der er ja von Hause aus ist, kann er vor dem Tor nach den langen Läufen zwangsläufig nicht mehr die Kraft aufbringen wie in jener Position, auf der gegen Köln - aber nicht nur erst hier - so großartig ein- und zuschlug." Dass er Mittelstürmer spielen kann, weiß er sicherlich auch, dass er ihn weiterhin spielen soll, muss er erst verkraften, schreibt der "Kicker" und der Trainer stimmt zu: "Das ist unser beider Problem, über das wir in den nächsten Tagen oft reden müssen." Hölzenbein als Mittelstürmer "ist eine von vielen Möglichkeiten und sicher nicht die schlechteste", gibt Weise schon einmal die Richtung für diese Gespräche vor, von der Hölzenbein nicht begeistert ist: "Das ist nicht mein Posten. Ich brauche Spielraum und den habe ich nur im Mittelfeld."

Ein Mittelstürmer ist Ottmar Hitzfeld und den zitiert die "Bild" am 1. März: "Bei der Eintracht würde ich sofort spielen." Der angehende Lehrer steht allerdings bis 30. Juni 1975 in Basel unter Vertrag. "Aber das braucht kein Hindernis zu sein. Durch unsere miese Tabellenlage ist der Verein in eine Finanzkrise geraten", sagt Hitzfeld. Unter einer halben Million Mark ist der Torjäger jedoch angeblich nicht zu haben. Trainer Weise hat Hitzfeld beim vorgezogenen Europacupspiel der Landesmeister gegen Celtic Glasgow bereits beobachtet und ist angetan von dessen Qualitäten: "Hitzfeld spielte als Stürmer sehr eindrucksvoll und schoss zwei Tore zum sensationellen 3:2-Sieg vor 25.000 Zuschauern. Das erste war ein 18-m-Schuß zum 1:1. das zweite ein Elfmeter zum Siegestreffer. Dabei bewies er sehr große Nervenstärke." "Natürlich sind wir an Hitzfeld interessiert, aber da müssen sich erst mal die Vereine einigen, denn der Mann steht ja noch unter Vertrag", gibt Weise der voreiligen Presse mit auf den Weg.

Einen Tag später berichtet die "Bild" bereits von einem weiteren Problem: Hitzfeld wurde bei der vierten Musterung für "tauglich" befunden und soll am 1. April seinen Wehrdienst antreten. Dreimal war der Olympiateilnehmer schon gemustert worden, zweimal wurde er als beschränkt tauglich zurückgestellt, einmal war er untauglich. "Wie ist es da möglich, dass ich mich nun beim vierten Mal plötzlich für den Wehrdienst eignen soll?", ist Hitzfeld überrascht und verweist auf Gelenkveränderungen im Knie, Bänderdehnungen, einen Leistenkanalriss, ein schräges Hüftgelenk und Beckenschmerzen. Prof. Morscher aus Basel soll nun die Ärzte der Bundeswehr überzeugen, dass ein Mann mit diesen Beschwerden unmöglich für die Bundeswehr taugt. Für den Fall, dass dies nicht gelingen sollte, hat Hitzfeld laut "Bild" bereits einen Plan: "Dann gehe ich eben nach Berlin zur Hertha, die schon lange an mir interessiert ist. Da brauche ich dann ganz bestimmt nicht zur Bundeswehr."

Während Hitzfeld aus der Schweiz zurück nach Deutschland will, zieht es den in dieser Saison in der Bundesliga so erfolglosen Eintracht-Mittelstürmer Thomas Parits zurück nach Österreich. Dem Nationalspieler missfällt der Platz auf Reservebank und die biologische Uhr tickt für den 27-Jährigen auch: "Wenn ich bei einem österreichischen Klub meine Laufbahn beschließen will, dann wird’s jetzt Zeit. Mit 30 wäre es zu spät." Auch im heutigen Bundesligaspiel steht Parits nicht in der ersten Elf. Die Eintracht tritt gegen eine Mannschaft an, die wegen der räumlichen Nähe als Nachbar bezeichnet werden könnte, die jedoch spielerisch von der Eintracht so weit entfernt ist wie der Mond von der Erde. Es gibt diese Spiele gegen Gegner, die keiner mag, und die am Ende doch von unzähligen Zuschauern gesehen werden: Es ist Derbyzeit.

Die ungebetenen Gäste aus Offenbach blieben dreimal in Folge ungeschlagen und holten dabei auswärts 3:1 Punkte. Die Eintracht erlitt dagegen in Stuttgart und am vorangegangenen Spieltag in Hamburg zwei Niederlagen. Mit drei Punkten Abstand zum Tabellenführer aus München rangiert die Eintracht, die wochenlang selbst an der Tabellenspitze stand, nur noch auf Rang 3. Es wird aber wider Erwarten nicht das ganz große Fest für den Frankfurter Kassierer, denn das Spiel ist nicht ausverkauft. Statt der erhofften 63.000 sind 42.000 Zuschauer gekommen, fein säuberlich in Kickers- und Eintracht-Blöcke aufgeteilt. Der schwarz-weiße Frankfurter Fahnenwald überflutet die Westkurve, die rot-weißen Offenbacher Fahnen füllen die Ostkurve.

"Zum ersten Mal steht der volle 17-Mann-Kader zur Verfügung", freut sich Trainer Weise. Auch der in Barcelona beim Länderspiel am Oberschenkel verletzte und zur Pause ausgewechselte Nationalspieler Grabowski kann spielen: "Ganz fit bin ich nicht, aber ich will es versuchen!" Eine schmerzstillende Spritze lehnt der Frankfurter Kapitän ab. Trainer Weise kehrt zur gegen den VfL Bochum zwar nicht überzeugenden, jedoch siegreichen Formation zurück: im Tor Wienhold, in der Abwehr mit Trinklein, Kliemann sowie den beiden Außenverteidigern Müller und Reichel, im Mittelfeld Körbel, Weidle, Kalb und im Sturm Rohrbach, Grabowski und Hölzenbein im Zentrum. Gegenüber dem Pokalspiel gegen Köln ist Kalb für Kraus in die Mannschaft gekommen.

Wie von Weise gewünscht, beherrscht seine Elf die Kickers aus Offenbach nach Belieben. Jürgen Grabowski ist zu Beginn seine in Barcelona erlittene Verletzung nicht anzumerken. Wie eh und je ist Grabowski der Dirigent seiner Elf, der zudem läuferisch wie kämpferisch mit gutem Beispiel vorangeht. Grabowski und Körbel reiten auch die ersten Attacken, aber die Schüsse von Weidle und Kliemann kommen eher aus der Hüfte, es mangelt noch an der Präzision. Die Kickers reagieren lediglich, legen ihren Schwerpunkt auf die Defensive und wie gewohnt auf eine Gangart, die es an Härte nicht fehlen lässt: Da lässt Held Reichel über die Hüfte fallen, dort stößt Semlitsch Grabowski um.


Kliemann köpft das 1:0

Nach einer Viertelstunde Frankfurter Sturmlauf geht Hölzenbein nach einem Pass von Kliemann auf und davon, trifft aber nur den Pfosten. Rohrbachs Nachschuss findet ebenfalls nicht den Weg ins Offenbacher Tor und bleibt in der Abwehr hängen. Eine Minute später steigt Kliemann dann nach einer Ecke von Grabowski im gegnerischen 5-Meter-Raum zum Kopfball hoch. Bewacher Kostedde ist zum Zuschauen verurteilt und Torhüter Bockholt zum Statisten, gegen den menschlichen Funkturm Kliemann ist kein Kraut gewachsen. Bockholt liegt geschlagen vor der Torlinie und der Ball dahinter im Netz. 1:0 für die Eintracht.

Die Kickers werden durch diesen Treffer aufgescheucht und kommen nun überhaupt zum ersten Mal in den Frankfurter Strafraum. Die Abwehr der Eintracht wirkt allerdings bei diesen ersten Versuchen der Gäste nicht so sattelfest, wie man es sich wünschen würde. Es bleibt jedoch nicht viel Zeit, um sich darüber Gedanken zu machen, denn schon wieder ist Weises Elf im Angriff. Weidle nimmt sich ein Herz und schießt aus dem Rückraum, doch der sprunggewaltige Bockholt ist auf dem Posten.

Kurz darauf dürfen die Eintrachtfans zum zweiten Mal jubeln, als der schnelle Rohrbach Meyer aussteigen lässt und einnetzt. Doch der Jubel ist aber nur von kurzer Dauer, weil der Linienrichter – und nur er! – eine Abseitsposition erkannt haben will. Gegen Ungerechtigkeiten wehrt man sich am besten, in dem man sich wehrt, könnte man meinen, doch die Proteste der Frankfurter bleiben vergebens, wenn auch nicht folgenlos: Kalb erhält wegen Reklamierens die Gelbe Karte.


Semlitsch vor Hölzenbein am Ball

Die Eintracht dominiert aber weiterhin den Gegner. Grabowski kurbelt das Spiel an und wird dabei vom fleißigen Weidle und Kalbs geschickten Pässen unterstützt. Die Kickers wirken ausgesprochen harmlos, doch die Zuschauer haben ein sattsam bekanntes Lied auf den Lippen: "Sag´ mir, wo die Tore sind?" Nun, zwei stehen im Waldstadion, doch fallen wollen keine, obwohl die Eintrachtspieler wieder einmal über allerbeste Einschussmöglichkeiten verfügen. Weidle scheitert mit Fernschüssen, Müllers flacher Ball wird von Bockholt unter sich begraben und Kliemanns Kopfbälle werden ebenfalls die Beute des Kickers-Keepers.

Körbel kann sich zwar nicht wie sonst ins Angriffsspiel einbringen, weil er mit der Bewachung des Offenbacher Spielmachers Hickersberger beschäftigt ist, aber dafür schaltet sich Trinklein immer wieder mit Doppelpässen in die Offensive mit ein. Kurz vor der Pause legt Grabowski eine solche vorzeitig ein, was Rohrbach am anderen Flügel die Gelegenheit gibt, sich stärker in Szene zu setzen. Bei der nächsten Frankfurter Chance ist aber wieder Grabowski der Ausgangspunkt, doch nach seiner Freistoßflanke in den Strafraum wehrt Schmidradner auf der Linie Kliemanns Kopfball ab. Erwin Kostedde, in den letzten Begegnungen der Schrecken der Eintracht, ist heute nur damit beschäftigt, im eigenen Strafraum Kliemann an torgefährlichen Kopfstößen zu hindern, wie eben allerdings meist vergebens. Es gibt kein zweites Tor, nur eine weitere Gelbe Karte, die Semlitsch für das Wegschlagen des Balles vor dem Freistoß kassiert.

Zu Beginn der zweiten Halbzeit erleben die Zuschauer einen wunderbaren Angriff der Eintracht, bei dem Grabowski nach Doppelpass mit Hölzenbein Volley abzieht, aber den Kasten der Kickers knapp verfehlt. Die Hausherren bleiben angriffslustig und überlegen, doch in diese Drangphase hinein, kontern die Offenbacher. Plötzlich ist Schäfer durch, Wienhold - erstmals in Gelb-Blau spielend - kann sich den Ball fischen, aber nicht festhalten und angelt dann nach Schäfer, der zu Fall kommt. Ohne Zögern deutet Schiedsrichter Hennig auf den Elfmeterpunkt. Manfred Ritschel tritt den fälligen Strafstoß humorlos in die Maschen. Es steht 1:1 nach 53 Minuten und die Eintracht sieht sich ein weiteres Mal um die Früchte ihrer Arbeit gebracht.


Theis bremst Hölzenbein
unfair im Strafraum

Als Hölzenbein wenig später im anderen Strafraum von Theis umgestoßen wird, kann sich Hennig nicht zu einem Elfmeterpfiff durchringen. Natürlich gellen jetzt erboste "Schieber"-Rufe durch das Stadion, was eher die Eintracht zu verunsichern scheint. Es ist jedenfalls Kalb, der nun Nerven zeigt und Hickersberger mit einem Fehlpass den Marsch aufs Frankfurter Tor ermöglicht. Trinklein kann zum Glück für Kalb und die Eintracht noch einmal klären.

Trainer Weise reagiert und wechselt fünf Minuten nach dem Ausgleich den lange verletzten Nickel ein, für den Kalb weichen muss. "Dr. Hammer" wird von den Eintrachtfans freudig begrüßt und alle hoffen auf einen ähnlichen Geniestreich wie Nickels Seitfallzieher gegen denselben Gegner vor knapp drei Jahren. Natürlich ist diese Hoffnung übertrieben, denn der fast frisch genesene Nickel kann beim besten Willen noch nicht wieder der Alte sein, dennoch wird mit ihm das Frankfurter Spiel steil und gefährlich.

Bei den Kickers gehen jetzt die meisten Impulse von Schäfer aus, der unermüdlich rackert, was ihm zunehmend erfolgreicher gelingt, weil sein Gegenspieler Weidle Zeichen von Ermüdung erkennen lässt. Dennoch ist es Weidle, der das 2:1 auf dem Schlappen hat, aber den erneuten Führungstreffer verpasst, als er Schäfer aussteigen lässt und aus spitzem Winkel knapp vorbei zielt. Das Pech ist heute ein treuer Freund der Eintracht, was nach einer raffinierten Kombination von Nickel, Hölzenbein und Rohrbach erneut unter Beweis gestellt wird, denn der Schuss des Linksaußen klatscht nur an den Pfosten.

Im Strafraum der Kickers könnte man nun den Ausnahmezustand ausrufen, doch die Verwirrung wäre auch dadurch nicht mehr zu steigern. Doch was nutzt es? Weidle, Kliemann und Nickel haben bei ihren Versuchen einfach kein Glück und Rohrbach, der durch eine Grippe geschwächt ist, scheitert an Bocholt. Außerdem schwinden der Eintracht nach und nach die Kräfte, was sicher auch dem erfolglosen Anrennen geschuldet ist. Mittlerweile haben die Frankfurter zwei Pfostentreffer gelandet, aber immer noch kein zweites Tor erzielt. Irgendwann werden eben die Beine schwer, wenn die Kugel sich beharrlich weigert, im Netz des Gegners einzuschlagen. Die Gäste profitieren dagegen kräftemäßig vom harten Trainingsprogramm ihres Coachs Gyula Lorant.

Das Bollwerk um Schmidradner und Theis wankt, aber es fällt eben kein zweites Mal. Held kommt dagegen in der Schlussphase erstmalig zu seinen gefürchteten Attacken. Einen Schuss des Nationalspielers kann Wienhold nur mit Mühe zur Ecke lenken. Vier Minuten vor dem Ende eines Spiels, das wegen des Auslassens bester Torchancen auf Frankfurter Seite eigentlich nur Unentschieden enden kann, liegt die Eintracht dann sogar in Rückstand. Hickersberger hat im Strafraum Kliemann ausgespielt und überlegt eingeschossen. Der Spielverlauf ist auf den Kopf gestellt und die Gefühlswelt des Eintrachtanhangs ebenfalls. Man kann dem Gegner nur empfehlen, ab heute kein Lotto mehr zu spielen. Herausgeworfenes Geld, denn so viel Glück hat man – wenn überhaupt – nur einmal im Leben. Mit diesem Treffer haben die Gästespieler ihren Teil des Glücks mehr als reichlich eingestrichen.

Die Eintracht ist nach dem 24. Februar 1973 zu Hause ungeschlagen geblieben und gab in dieser Zeit im Waldstadion nur einen einzigen Punkt ab. Und nun ausgerechnet wieder gegen diese Truppe soll man eine Heimniederlage kassieren? Trainer Weise nutzt die letzte Möglichkeit von außen in das Spielgeschehen einzugreifen und bringt den jungen Wolfgang Kraus für den entkräfteten Dauerrenner Weidle. Und nur 120 Sekunden später macht sich die Einwechslung des Youngsters bereits bezahlt. Kraus zwingt den ansonsten vorzüglichen und besten Gästespieler Schmidradner im Strafraum zu einem Zweikampf und Schiedsrichter Hennig entscheidet sofort auf Strafstoß.


Grabowskis Elfmeter zum 2:2

Doch mit Kalb ist der sicherste Elfmeterschütze der Eintracht nicht mehr auf dem Platz. Wer übernimmt in der 88. Minute diese Verantwortung? Wer hat jetzt die Nerven, zum Elfmeterpunkt zu gehen und den fälligen Strafstoß auszuführen? Wer hat keine Furcht vor einem möglichen Scheitern? Grabowski bleibt der Fels in der Brandung, der Kapitän, auf den sich seine Mannschaft in höchster Not verlassen kann, er ist zugleich der sichere Hafen und der rettende Anker. Und Grabowski ist Sekunden später der Bezwinger des Gästetorhüters Bockholt. 2:2, der Kapitän hat es mal wieder geschafft!


Nickel und Kliemann am Boden:
Die letzte Chance des Spiels ist vergeben

Die Frankfurter aber wollen mehr, werfen noch einmal alles nach vorne. Der Ball fliegt durch den Offenbacher Strafraum, in dem Kostedde sowie Torhüter Bockholt und der von Theis bewachte Hölzenbein keine Chance haben, das Leder zu erreichen. Nickel und Kliemann aber hechten dem Ball ein letztes Mal entgegen, um in den letzten Sekunden den Sieg noch zu erzwingen, doch vergebens – sie hechten vorbei. Das Spiel ist aus.

"Das Spiel war aufregend. Die erste Halbzeit beherrschte die Eintracht, die zweite wir. Als die Frankfurter Mittelfeldspieler müde geworden, waren, kamen wir besser ins Spiel", bilanziert Kickers-Trainer Lorant, der seine Spieler kritisiert: "Wenn man fünf Minuten vor Schluss führt, darf man den Ausgleich nicht mehr zulassen. Meine Spieler waren zu früh zufrieden." "Mit unserer Taktik und noch mehr mit unserer Kraft haben wir den einen Punkt gewonnen", schließt er, "jetzt wollen wir noch Sechster in der Tabelle werden." "Wir sind enttäuscht über das 2:2", stellt Dietrich Weise klar: "Wir beherrschten 75 Minuten klar das Spiel, hatten die besseren Chancen und mussten am Schluss doch noch froh sein, zum 2:2 zu kommen. Pech und Unvermögen im Ausnutzen der Torchancen waren die Ursache. Meiner Mannschaft muss ich aber bescheinigen, sie hat gekämpft und nicht schlecht gespielt." "Taktische Mängel traten zutage, als wir beim 1:1 die Abwehr entblößten, bedingungslos stürmten und so dem Gegner die Chance zum Kontern gaben", kritisiert Weise, der besonders mit seinem Libero ins Gericht geht, dem er entgegen seiner sonstigen Gepflogenheiten von der Bank aus angeschrien hatte, um Trinkleins Offensivdrang zu bremsen: "Da liefert er ein derart gutes Spiel und ist dann so unvernünftig", kreidet er Trinklein das Gegentor vier Minuten vor Schluss an.

"Den Kostedde-Komplex bin ich los", stellt "Funkturm" Kliemann zufrieden fest, "der hat doch in diesem Spiel nichts anderes gemacht, als nur sein Trikot spazieren getragen." Auf der anderen Seite blieb auch der Mittelstürmer der Eintracht, Hölzenbein, trotz einer guten Partie ohne Torerfolg. "Theis hat in dem ganzen Spiel nur eines interessiert, mich hautnah zu beschatten. Ein einziges Mal ist er nach vorn gegangen", nennt der "Holz" den einen Grund für seine Torflaute, um gleich den nächsten hinterher zu schieben: "Um mich von ihm zu lösen, hätte es daher langer Pässe bedurft. Doch die kamen nicht." "Bei der Eintracht wird jetzt das Mittelstürmerproblem wieder auftauchen. Ich habe mich zwar redlich bemüht, aber leider kein Glück gehabt", sagt er, um dann dem Gegner Respekt zu zollen: "Die Kickers haben stark gespielt und haben das Unentschieden wohl auch verdient."

Das sieht auch Torhüter Bockholt so: "Das war ein echtes Lokalderby. Ich glaube, das 2:2 ist gerecht. Die erste Halbzeit ging klar an die Eintracht, in der zweiten Halbzeit hatten wir, glaube ich, die besseren Vorteile." Sein Torwartkollege Wienhold grämt sich über seinen Schnitzer, der zum Ausgleich führte: "Ein unverzeihlicher Fehler." Doch auch Bockholt sah bei den hohen Flanken in seinen Strafraum nicht gut aus. "Da standen doch immer Hölzenbein und ein paar andere um mich herum und schirmten mich ab, so dass der lange Kliemann ungehindert köpfen konnte", rechtfertigt sich der Keeper, was Kliemann trocken kommentiert: "Was kann ich denn dafür, wenn der Bockholt nicht hochkommt?" "Es mag jetzt vielleicht wie eine Entschuldigung klingen, aber die Verletzung hat mich wirklich stark behindert", erklärt unterdessen Grabowski. "Wir haben leider viel zu viele Chancen ausgelassen", bemängelt er und gesteht, dass er sich vor dem Strafstoß schon Gedanken gemacht habe: "Bei dem Elfmeter war ich leicht nervös, und ich glaube, in dieser Situation wäre es verständlich gewesen, wenn ich ihn nicht verwandelt hätte."

"Nach dem 2:1 habe ich natürlich auf den Sieg gehofft. Es wäre zu schön gewesen, wenn wir auch das vierte Derby gewonnen hätten", sagt Kickers-Spieler Held, während Eintrachts Trainer-Assistent Dieter Stinka in die Kerbe seines Chefs schlägt: "Wir haben 75 Minuten überlegen gespielt und hätten schnell das 2:0 machen müssen." Thomas Rohrbach legt aber Wert darauf, dass dieses Tor ja erzielt worden sei: "Der Schiedsrichter hat mir das 2:0 gestohlen. Ich war nie abseits, denn Meyer versuchte vor mir durch ein langes Bein noch an den Ball zu kommen, war also viel näher am Ball als ich. Schade, dass diese Szene im Fernsehen nicht festgehalten wurde." Die Diskussionen in der Kabine und im VIP-Raum des Waldstadions drehen sich in der Tat vor allem um die Schiedsrichterentscheidungen. Der Elfmeter für die Eintracht sei ein Geschenk des Schiedsrichters gewesen, hört man. "Das war nie und nimmer ein Elfmeter. Ich habe klar den Ball gespielt. Erst als ich das Bein weggezogen habe, ist Kraus darüber gestolpert", schwört Schmidradner, während Held diplomatisch meint: "Über die Elfmeterentscheidung in der 86. Minute kann man geteilter Meinung sein." Theis schließlich macht eine überraschende Rechnung auf: "Natürlich hatte Schmidradner den Ball schon gespielt, ehe Kraus zu Fall kam, aber zusammengenommen mit der Situation in der zweiten Halbzeit, als Hölzenbein gegen mich zu Boden ging, war die Entscheidung schon zu vertreten."

Da der Tabellenführer aus München zeitgleich Unentschieden in Bremen spielt, bleibt der Rückstand der Eintracht auf Rang drei liegend bei drei Punkten. Am nächsten Spieltag geht es zum Tabellenzweiten nach Gladbach, der gegen die Eintracht in den letzten acht Jahren nur zwei Heimsiege erringen konnte und dem seit dem 13. Mai 1971 kein Punktspieltor mehr gegen die Eintracht gelang. "Wir geben das Rennen um die Meisterschaft noch nicht auf", kündigt Weise fast ungewohnt offensiv an und erhält Unterstützung vom scheidenden Vorstopper Kliemann: "Noch sind wir nicht weg vom Fenster, dürfen dann aber in Mönchengladbach keinesfalls verlieren." (rs)

 


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