MSV Duisburg - Eintracht Frankfurt |
Bundesliga 1973/1974 - 19. Spieltag
1:1 (0:1)
Termin: Sa 12.01.1974, 15:30 Uhr
Zuschauer: 30.000
Schiedsrichter: Dietrich Basedow (Hamburg)
Tore: 0:1 Uwe Kliemann (32.), 1:1 Theo Bücker (90.)
MSV Duisburg | Eintracht Frankfurt |
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Im Westen nichts Neues Der Rückrundenstart gegen Köln ist gelungen, zumindest stimmte das Ergebnis. Heute geht es für den Tabellenführer zum Tabellenletzten an die Wedau. In der Vorrunde war der MSV bei drückender Hitze und Grabowski-Gala mit einem 0:3 noch bestens bedient. Der Tabellenplatz der Zebras sollte aber nicht über ihre augenblickliche Verfassung hinwegtäuschen: Der MSV bestritt die letzten drei Partien ohne Niederlage und erzielte 6:3 Tore sowie 5:1 Punkte. Die Männer von Trainer Kremer scheinen sich im Aufwind zu befinden. Zudem scheint sich die Eintracht in dieser Spielzeit bei ihren 1:1-Unentschieden in der Fremde auf den Westen der Republik festgelegt zu haben, denn nur im Westen - in Köln, Bochum und Wuppertal - endeten die Auswärtspartien der Frankfurter bisher jeweils 1:1. Ob es heute im Westen mal etwas Neues für die Hessen gibt? Die Eintracht wird von ihrem Trainer Weise in einem 4-4-2-System aufs Feld geschickt: im Tor Wienhold, in der Abwehr mit Vorstopper Körbel, Libero Kliemann, die beiden Außenverteidiger Müller und Reichel, im Mittelfeld Grabowski, Weidle, Kalb und Kraus und im Sturm Parits und Hölzenbein, der aber mit Weidle rochieren soll. Die Eintracht hat in Duisburg also nicht nur den Ausfall von Trinklein, Nickel und Andree zu verkraften, auch Thomas Rohrbach, der sich beim Training eine Oberschenkelzerrung zugezogen hat, kann lediglich auf der Reservebank Platz nehmen. Die Eintracht trifft von Beginn an auf ein kämpferisches Tabellenschlusslicht. Der MSV kämpft zwar nicht ums Überleben, aber doch um den Klassenerhalt, und das merkt man der Truppe von Willibert Kremer auch bei jeder Aktion an. Doch die Hessen lassen sich von den wild entschlossenen Duisburgern nicht beeindrucken. Besonnen spielen die Gäste ihre technische Überlegenheit aus und lassen so Ball und Gegner laufen. Dem Ball ist das egal und die Duisburger nehmen diese Herausforderung an. Einen Schuss von Lehmann aus 18 Metern muss Wienhold aus dem Torwinkel fischen, ein weiterer Versuch von Dietz scheitert daran, dass der Meidericher den Ball nicht richtig trifft. Bei der nächsten Chance behindert Bella seinen Kameraden Wunder, der Ball geht über die Latte ins Aus. Nach zehn Minuten stabilisiert sich das Spiel der Eintracht, ihre Aktionen werden sicherer. Im Strafraum blocken Körbel und der lange Kliemann alles, was in die Mitte kommt. Und das Meiste kommt in die Mitte, denn der MSV vernachlässigt das Flügelspiel. Nach 13 Minuten scheint es so, als ob Kampf- und Laufbereitschaft über die Spielintelligenz die Oberhand gewinnen könnte: Klaus Wunder, den die Eintracht vor einiger Zeit gerne verpflichtet hätte, schießt ins Gehäuse von Wienhold ein. Doch Schiedsrichter Basedow aus Hamburg winkt ab - Wunder war eine Idee zu früh gestartet und ins Abseits gelaufen. Das war knapp. Die Duisburger erlaufen sich eine optische Überlegenheit, doch der Eindruck, die Eintracht sei heute lauffaul, soll hier nicht entstehen – dieser Eindruck wäre falsch. Das 4-4-2-System, das die Hessen hier praktizieren, ist zwar variabel, aber es verlangt Grabowski und Weidle läuferisch alles ab. Hölzenbein, der kaum genesen ist, kann die beiden an dieser Stelle verständlicherweise kaum unterstützen.
Die Partie wird hektischer, vor allem seitens der Westdeutschen, die immer wieder mit der Brechstange durchzukommen versuchen. Die klareren Chancen haben die Gastgeber, doch sie scheitern immer wieder an ihren eigenen Schiesskünsten und an Wienhold, dessen Gegenüber Linders nicht einmal ernsthaft gefordert wird. In der 23. Minute hat die Eintracht Glück, als nach einem Freistoß wegen gefährlichen Spiels von Kalb – er hatte den Kopf bei einem Abwehrversuch zu tief - Worm den Ball im Nachschuss an die Latte donnert. Dann darf der Schiedsrichter zwei Mal eingreifen: Erst erhält Kraus die Gelbe Karte, nach dem er Lehmann mit einer Grätsche gelegt hat, und dann bekommt auch Pirsig den gelben Karton unter die Nase gerieben, weil er den fast enteilten Parits an der Strafraumgrenze zu Fall gebracht hat. Den folgenden Freistoß tippt Grabowski nur kurz an und Kliemann donnert das Leder durch die Mauer des MSV und ins Tor. 1:0 für die Eintracht nach 32 Minuten. "Na also, da haben, wir diese Situation im Training also nicht umsonst immer wieder durchgespielt", freut sich Grabowski: "Ich wusste nicht einmal, dass es ein direkter Freistoß war, so sehr hatten wir uns auf diese Variante festgelegt." Die Duisburger dagegen haben mit ihren Freistößen weniger Glück. Dietz hämmert einen Freistoß an die Latte des Frankfurter Tores und Rudi Seliger, der Mann mit dem härtesten Schuss im gestreiften Trikot, scheitert mit seinem Nachschuss an Eintracht-Torhüter Wienhold. Wienhold hält heute wieder einmal glänzend und pariert alle Duisburger Versuche sicher. Das ist bemerkenswert, denn nach einem böse aussehenden Zusammenprall mit Wunder, schien es zunächst nicht sicher, ob Wienhold würde weiterspielen können. Mit aller Macht versuchen die Gastgeber, den Ausgleich zu erreichen, aber die Führung hat die Eintracht sicherer gemacht. Clever und mit viel Geschick spulen die Frankfurter ihr Programm ab. Aber es bedarf einer weiteren großen Tat von Torwart Wienhold, um den Ausgleich zu verhindern: Worms Kopfball aus kurzer Distanz in der 43. Minute bekommt der Keeper im Nachfassen in den Griff. Zur Pause wundert sich Klaus Wunder über Schiedsrichter Basedow: "Als ich in der 13. Minute ein Tor gemacht habe, stand ich nie und nimmer abseits." Sein Präsident Wilhelm Tiefenbach, früher einmal Hockey-Schiedsrichter, weist ihn zurecht: "Ich saß günstig auf der Tribüne - es war abseits." Wunders größeres Problem ist ohnehin Wienhold und der sichere Keeper tut bei der Eintracht dringend Not, denn die Dynamik der Duisburger erfährt auch in der zweiten Halbzeit keine Unterbrechung. Im Gegenteil, der MSV legt noch eine Schippe drauf und kämpft und rennt bis zur völligen Erschöpfung, allein ohne zählbaren Erfolg. Die Eintracht indes kontert mit dem Rezept der ersten Halbzeit. Sie lässt den Ball geschickt durch die eigenen Reihen laufen und geht kein Risiko ein. Ständig sind die Gäste in Bewegung, was dem MSV zunehmend Probleme bereitet. Sie bekommen den Gegner nicht zu fassen, können ihn nicht stellen und ihr Spiel leidet unter den Fehlpässen, die sich nun häufen. Die Eintracht zeigt sich gefestigt und abgeklärt. Auch wenn sie den über ein Dutzend Ecken der Zebras nur wenige entgegenzusetzen hat, ist der Spitzenreiter meist Herr der Situation und agiert im Stile einer Meistermannschaft abgeklärt. Durch die Missfallenskundgebungen der Duisburger Zuschauer, die gerne ein schnelleres Spiel sehen würden, lässt sich Weises Elf nicht beeindrucken und spielt weiter gekonnt aus der Defensive. Ganz verhindern können die Frankfurter Einschussmöglichkeiten der Duisburger freilich nicht. So muss gegen Wunder in der 66. Minute einmal der Pfosten retten und das andere Mal das Knie von Helmut Müller auf der Torlinie bei einem Bücker-Schuss herhalten – Wienhold hat nach einer Ecke den Ball unterlaufen.
Wunders Gegenspieler Peter Reichel hat gegen den pfeilschnellen Stürmer des MSV keinen leichten Stand, obwohl Reichel selbst bestimmt nicht der langsamste Spieler ist. Reichel spielt dennoch in der Abwehr eine gute Partie, ebenso wie Kliemann und Körbel. Helmut Müller, der am letzten Spieltag sein Debüt und sein erstes Tor feiern konnte, bewährt sich nicht nur wegen seiner Rettungstat gegen Wunder auch heute. Im größten Sturm und Drang der hektischen Gastgeber bietet sich der Eintracht dann plötzlich eine Konterchance durch eben jenen Hölzenbein, der alleine auf den MSV-Keeper Linders zuläuft. Linders, der bisher nicht übermäßig beschäftigt wurde, bereinigt die gefährliche Situation jedoch souverän. Ein gesunder Hölzenbein hätte wahrscheinlich eingenetzt und die Vorentscheidung herbei geführt. So heißt es weiterzittern ... Doch das Zittern hat bald ein Ende. Es läuft bereits die letzte Spielminute. Der MSV, der in der Schlussphase alles nach vorne geworfen hat, ist allerdings noch einmal vor dem Frankfurter Tor – Duisburg wurde gerade die 18. Ecke zugesprochen. Die Eintracht ist gewarnt: Am letzten Spieltag gelang den MSV bereits in Hannover durch Theo Bücker der späte Ausgleich in der 90. Minute. Andererseits werden die Meidericher dieses Glück ja nicht unbedingt zweimal hintereinander haben, oder? Seliger läuft an und der Ball fliegt in den Strafraum. Hannes Linßen steigt hoch, verlängert mit der Stirn zum lauernden Bücker, der den Ball wuchtig aufs Tor köpft. Müller versucht noch hinter der Torlinie den Ball mit der Hand herauszuschlagen, doch der Schiedsrichter entscheidet auf Tor. Unfassbar! Wieder Bücker, wieder in der letzten Minute. Dass Borussia Dortmund Bücker nicht mehr bezahlen konnte, entwickelt sich für den MSV Duisburg zum Glücksfall. Es ist keine Frage: Der MSV hat sich dieses Unentschieden in diesem mitreißenden Spiel redlich verdient, der späte Ausgleich schmerzt die Eintracht dennoch sehr. Ein Trost: Das vierte 1:1-Unentschieden der Hessen im Westen bietet zwar nichts Neues, kostet die Frankfurter aber zumindest nicht die Tabellenführung. Auch die Zebras haben Grund zur Freude: Sie geben die rote Laterne ab und belegen nun Platz 17. "Wir sind nicht so traurig, dass wir nur einen Punkt geholt haben. Wir sind mit dem 1:1 zufrieden. Wir werden den Ausgleich in letzter Minute einstecken, ohne dass es uns etwas ausmacht. Der MSV hatte, nimmt man den gesamten Spielverlauf, ein Unentschieden doch verdient. Wir haben erstmals im 4-4-2-System gespielt, bedingt durch den Ausfall von Rohrbach, und wir haben das recht und schlecht getan. Diese Duisburger steigen nicht ab", meint Frankfurts Trainer Weise, "dafür sind sie zu kampf- und auch zu spielstark." "Diese Frankfurter stehen zu Recht da oben, sie spielen kalt und clever", lobt Willibald Kremer: "Es ist ganz klar, dass man glücklich sein muss, wenn man in der 90. Minute noch zum Ausgleich kommt. Ich glaube, er war aufgrund der Spielanteile verdient, und wenn man die Torchancen wertet, dann hätten wir sogar gewinnen können. Die Frankfurter Mannschaft hat gezeigt dass sie eine echte Spitzenmannschaft ist. Wenn sie von Verletzungen verschont bleibt, dann ist sie in der Lage, beim Titelgewinn ein ernsthaftes Wort mitzureden. Meine Mannschaft hat alles gegeben. Sie zeigte guten Willen und viel Ehrgeiz." Kremer vermisste lediglich die Unterstützung "von oben" - anstelle der Sonne, die den feuchten Rasen abtrocknen ließ, hätte er sich einen ordentlichen Regenguss gewünscht. "Schwerer Boden wäre für meine schnellen Kämpfer bestimmt besser gewesen als für die Techniker aus Frankfurt." In der "Elf des Tages" im "Kicker" stehen ein Zebra und zwei Adler: Torschütze Theo Bücker sowie der wieder einmal überragende Jürgen Grabowski mit seiner vierten Nominierung und Keeper Wienhold mit seiner zweiten. Wienhold ist für den "Kicker" außerdem der "Mann des Tages". Eine schöne nachträgliche Bestätigung für den Amateurnationaltorhüter Wienhold, der einst aus Duisburg auszog, weil er an Manglitz nicht vorbei kam. Wienhold hat die Chance, die sich ihm durch Dr. Kunters Verletzung bot, genutzt. Dr. Peter Kunter, der als Hauptdarsteller des Kurzfilms "No 1" von Joachim Kreck als Vorprogramm zum Film "Der Mann mit der Todeskralle" in den Kinos gezeigt wird, ist zurzeit nur die Nummer 2 hinter Wienhold. Kunter nimmt seinen aktuellen Status aber sportlich fair: "Es stimmt, es ist eine Bank der Leiden, auf der man sitzt. Derzeit bin ich verletzt. Ich habe den Finger gebrochen und leide an einer Fersenprellung. Aber ich will wieder in die Mannschaft. Ich kämpfe um meinen Posten. Günter Wienhold? Ich muss ihn bewundern. Wie der alles nervlich verkraftet hat, ist erstaunlich. Ich kenne derzeit keinen besseren Torwart. Freilich - Glück gehört dazu. Ein Beispiel? In Wuppertal rutschte ihm der Ball durch die Beine und - am Tor vorbei. Das Glück des Tüchtigen also", erkennt Dr. Kunter neidlos an und lobt seinen Rivalen: "Er trainiert heute ebenso hart und eifrig wie früher. Toll, wie er seine Chance wahrgenommen hat. Die Praxis hat ihn sicherer, selbstbewusster gemacht." Im Vergleich der Trainer Ribbeck und Weise erkennt er dagegen deutliche Unterschiede: "In der Trainingsmethode sind die Trainer heute fast gleich. Ribbeck litt nach Niederlagen zu lange, zu intensiv mit uns. Weise gewinnt auf seine Art jeder Niederlage etwas Positives ab. Er denkt und plant sofort weiter. Diese Einstellung überträgt sich auf uns. Für Ribbeck brach nach einer besonders schmerzlichen Niederlage eine Welt zusammen. Anders Weise. Ich denke beispielsweise daran, wie er in der Pause beim 0:3 gegen den VfB Stuttgart reagierte. (Anmerkung: Hier irrt Dr. Kunter allerdings, denn zur Pause stand es gegen den VfB noch 0:0.) Er sprach nicht von einer drohenden Niederlage. Er trieb an, munterte auf, gab Ratschläge, weckte Impulse. Das Ende: 4:3 für uns." "Viele reden vom Meister Eintracht, wir nicht. Von uns Spielern glaubt im Moment niemand an dieses hohe Ziel, doch wir streben ohne falschen Ehrgeiz, aber mit doppelten Kräften einen günstigen Tabellenplatz an", sagt Kunter: "Wir besitzen eine hervorragende Deckung, sind gleichmäßig besetzt, der eine schafft für den anderen. Und wenn jetzt Nickel wieder kommt …" Die Meisterschaft ist noch kein Thema, die Nationalmannschaft nicht mehr: "So ehrgeizig war ich nicht. Freilich hätte ich dort gern gespielt. Dieses Ziel haben aber schließlich viele nicht erreicht. Mich beschäftigen außerdem noch andere Interessen. Dennoch denke ich nicht vorzeitig ans Aufhören." Und die pauschale Kritik an Fußballprofis und ihren finanziellen Forderungen kann er nicht teilen: "Ich kenne etwa 20 bis 25 Spieler, die zu Recht Forderungen stellen können. Wenn zuviel gefordert und bezahlt wird, sind die Vereine schuld. Sie sollten sich untereinander absprechen, aber wem sage ich das ..." (rs)
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