Fortuna Düsseldorf - Eintracht
Frankfurt |
Bundesliga 1973/1974 - 17. Spieltag
1:0 (1:0)
Termin: Sa 08.12.1973, 15:30 Uhr
Zuschauer: 22.500
Schiedsrichter: Gert Meuser (Ingelheim)
Tore: 1:0 Dieter Brei (33.)
Fortuna Düsseldorf | Eintracht Frankfurt |
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Leib und Seel
Am Ende einer großartigen Hinrunde gelingt es der Eintracht nicht mehr mit dem Schwung zu überzeugen, der sie noch zu Beginn der Saison ausgezeichnet hatte. Die gegnerischen Mannschaften haben sich zudem auf die Stärken der Frankfurter eingestellt oder begegnen ihr – in Ermangelung spielerischer Mittel - mit übertriebener Härte. Böse wird es dann, wenn man wie Jürgen Grabowski im letzten Heimspiel der Hatz des Gegners schutzlos ausgeliefert ist, weil der Schiedsrichter offensichtlich seine Rote Karte zu Hause vergessen hat. Die Düsseldorfer Fortuna ist dagegen im Aufwind und hat die letzten drei Bundesligabegegnungen für sich entscheiden können. Zum Abschluss der ersten Halbserie wollen die Rheinländer natürlich gerne den vierten Sieg in Folge einfahren. Die Frage ist nur, ob die Kraft bei den Gastgebern reichen wird – es ist ihr neuntes Spiel in den letzten drei Wochen, die beiden letzten Spiele gegen Hertha Berlin dauerten je 120 Minuten und endeten mit dem Ausscheiden aus dem DFB-Pokal. Drei Tage nach dem Treffen gegen die Frankfurter droht zudem in Leipzig das Ausscheiden aus dem UEFA-Pokal, die Düsseldorfer haben aber keinen Grund gegen die Eintracht auf Sparflamme zu schalten. Eintracht-Trainer Weise befürchtet gar: "Die wollen uns die Halbzeitmeisterschaft vermiesen." "Nach dem unglücklichen Pokal-Aus gegen Hertha haben wir Wut im Bauch", bestätigt Weises Kollege Lucas, der nach dem Ausfall von Hesse mit Kriegler bei den Fortunen eine zweite tragende Abwehrsäule ersetzen muss. Der Tabellenführer aus Frankfurt muss weiterhin auf Nickel verzichten und Kalb erhält den Vorzug vor Andree, der sich mit einem Hexenschuss herumgeplagt hat, nun aber wieder einsatzfähig ist. Die Eintracht beginnt also mit folgender Elf: im Tor Wienhold, in der Abwehr Vorstopper Kliemann, Libero Trinklein, die beiden Außenverteidiger Kalb und Reichel, im Mittelfeld Hölzenbein, Körbel, Weidle und im Sturm Rohrbach, Grabowski und Parits im Zentrum.
Auch wenn man sich wünschen würde, dass der verletzte Nickel endlich wieder den glücklosen Parits ablösen könnte, beginnt die Eintracht mit der nahezu bestmöglichen Aufstellung. Trotzdem tun sich die Gäste vom Main am Rhein so schwer, wie der Boden des Düsseldorfer Rhein-Stadions an diesem Tag beschaffen ist. Der tiefe Boden ist in der Tat kräfteraubend, doch überraschenderweise scheinen die Gastgeber - trotz der vielen Spiele der vergangenen Wochen - leichtfüßiger als die Hessen zu sein. Es fällt der Fortuna erschreckend leicht, das Kommando im eigenen Haus zu übernehmen. Im Mittelfeld sind die Düsseldorfer durch ihren Einsatzwillen überlegen und über ihr Flügelspiel erzwingen sie ein deutliches Übergewicht gegen die in der Offensive unerklärlich harmlosen Frankfurter. In der 33. Minute ist es dann soweit, die Fortuna geht hochverdient in Führung. In diesem Fall stimmt der alte Spruch, dass viele Köche den Brei verderben nicht. Dieses Mal verdirbt der Brei mit dem Vornamen Dieter vorerst die Hoffnung der Eintracht, hier mit einem Punkt davon kommen zu können. Nach einer Flanke von legt Budde den Ball per Kopf auf den nachrückenden Brei ab und eröffnet diesem eine Schusschance, die der ehemalige Bielefelder zum Führungstreffer für die Gastgeber nutzt. Trainer Lucas ist zur Pause verständlicherweise sehr zufrieden und voll des Lobes: "Ein tolles Spiel. Ich bin begeistert." Dietrich Weise hat weniger Grund zur Freude, bleibt jedoch wie gewohnt ehrlich: "Düsseldorf führt völlig verdient." In der Tat können die Gäste aus Hessen froh sein, dass sie nicht weitaus deutlicher in Rückstand geraten sind. Ein 2:0 oder 3:0 wäre durchaus möglich gewesen, wenn die Fortuna ihre Chancen besser genutzt oder Wienhold nicht so einen überragenden Tag erwischt hätte. Trainer Wiese reagiert und bringt Andree für den schwachen Kalb, der mit Geye nicht zu recht gekommen ist. Hölzenbein, Rohrbach, Parits und auch Körbel, dem Weise prophezeit hat: "Nach der Weltmeisterschaft ist er der kommende Nationalspieler", sind auch nicht viel besser. Nicht viel, sondern gar nicht besser wird das Spiel der Eintracht. Bemerkenswert ist lediglich die Gelbe Karte, die Trinklein in der 56. Minute kassiert. Drei Minuten später ist Trinklein nach Ansicht des Schiedsrichters erneut die Hauptperson. Schiedsrichter Meuser glaubt gesehen zu haben, dass Trinklein im Strafraum mit der Hand zum Ball gegangen ist und entscheidet auf Strafstoß. Mit dieser Sicht der Dinge steht Meuser jedoch allein und es hagelt Proteste von Frankfurter Seite. Die Proteste bewegen den Unparteiischen Rücksprache mit seinem Linienrichter zu halten und – tatsächlich - nimmt er seine Entscheidung zurück. Und das aus gutem Grund, den ihm sein Linienrichter verraten hat: Nicht Trinklein, sondern der Düsseldorfer Herzog hat das Handspiel begangen!
In der 63. Minute versucht Weise, der fröstelnd auf der Bank im nasskalten Rheinstadion sitzt, noch einmal von draußen Einfluss auf das Spiel zu nehmen. Der Frankfurter Trainer bringt Kraus für Parits, der von seinem Gegenspieler Zewe in prächtiger Manier aus dem Spiel genommen wurde. Seine Rolle als Vorstopper spielt Zewe übrigens auch sonst wieder einmal souverän, was bei seiner brillanten Technik keine besondere Überraschung ist. Sein Mitspieler Wolfgang Seel ist bereits seit Wochen in länderspielreifer Form. Zum Leidwesen der Eintracht-Abwehr gönnt er sich heute keine Pause. Im Gegenteil: Leichtfüßig und mit beeindruckender Ballbeherrschung geht er immer wieder im Mittelfeld auf und davon und dringt ein ums andere Mal in den Frankfurter Strafraum ein, um dort für Verwirrung und Gefahr zu sorgen. Die Krönung seiner Leistung und seines unbändigen Einsatzes bleibt ihm allerdings versagt – ein Tor will ihm nicht gelingen. Fürs Toreschießen sind bei der Fortuna ohnehin eher Geye und Herzog zuständig. Doch auch ihnen will und will das erlösende zweite Tor nicht gelingen und so müssen die Düsseldorfer weiter damit rechnen, dass der Eintracht wie ein angeschlagener Boxer doch noch ein "lucky punch" in Form des Ausgleichstores gelingen könnte. Was auf Düsseldorfer Seite besonders imponiert, ist die bemerkenswerte Kondition auf dem schweren Boden. "Ihr müsst Tempo bolzen - bis ihr nicht mehr könnt", hat Fortuna-Trainer Heinz Lucas von seinen Spielern vor dem Spiel verlangt. Das scheint sich nun auszuzahlen, die Fortuna ist mit Leib und Seele dabei und holt die letzten Reserven aus sich heraus.
In der 80. Minute hat Schiedsrichter Meuser vielleicht etwas Mitleid mit den überlegenen, aber im Abschluss glücklosen Düsseldorfern, denn er entscheidet recht großzügig auf Elfmeter. Seine Großzügigkeit geht jedoch nicht zulasten der Eintracht. Denn Herzog läuft an und knallt den Ball an die Querlatte. Den Nachschuss meistert der phantastisch aufgelegte Wienhold. Wieder ist es nichts mit der Vorentscheidung. Warum musste sich auch gerade Herzog den Ball nehmen, fragen sich die Fortunafans? Immerhin hat er bereits am 14. Spieltag einen Elfmeter vergeben.
In der 84. Minute gelingt es dann Meuser doch noch, eine Vorentscheidung herbeizuführen. Der Unparteiische stellt den verwarnten und ob der Fehlentscheidungen des Schiedsrichters mittlerweile erbosten Trinklein vom Platz. Trinklein kann es nicht fassen, doch auch Kapitän Jürgen Grabowski gelingt es natürlich nicht, den Schiedsrichter umzustimmen. "Trinklein hat ihn absichtlich zu Fall gebracht. Baltes war im Begriff davonzulaufen, da hat er ihm die Beine weggezogen", erklärt Meuser die harte Strafe für das Allerweltsfoul aus seiner Sicht: "Da Trinklein bereits verwarnt worden war, musste ich ihn vom Platz stellen." Das sehen einige anders, wie der Journalist Wolfgang Ley: "Würden alle Schiedsrichter derart strenge Maßstäbe anlegen und dabei den schmierigen Boden unberücksichtigt lassen, bräche bei den Bundesligaklubs bald der Personalnotstand aus." Wie auch immer - die Partie ist nun endgültig gelaufen. Gegen die nach Gegentoren gemessen zweitstärkste Abwehr der Liga, fand die Eintracht schon in voller Mannschaftsstärke kein probates Mittel, mit nur noch neun Feldspielern ist das Unternehmen Ausgleichstreffer ein schier hoffnungsloses Unterfangen, das der heute schon des Öfteren mit seiner Barmherzigkeit aufgefallene Herr Meuser mit seinem Schlusspfiff gnädig beendet. Zum ersten Mal seit dem 24. März bleibt die Eintracht ohne Torerfolg. Die Eintracht verliert durch diese Niederlage auch die Tabellenführung und rutscht auf Platz 2 ab, ein Unentschieden hätte zur "Herbstmeisterschaft" genügt. Die Düsseldorfer bleiben auch im sechsten Spiel hintereinander ungeschlagen und festigen durch den vierten Sieg in Folge ihren vierten Rang. Der überragende Seel steht natürlich außerdem im "Kicker" in der "Elf des Tages". "Ich bin stolz auf meine Klasse-Jungs", strahlt Trainer Lucas, und nennt seine Spieler "lauter gestandene Kerle." "Das war die beste Fortuna, die es in dieser Saison gab", freut sich auch Düsseldorfs Präsident Bruno Recht. "Düsseldorfs Sieg geht vollauf in Ordnung", bestätigt Weise, bevor selbst der immer besonnene Fußballlehrer einmal einen Unparteiischen hart kritisiert. "Ich bin vom Schiedsrichter enttäuscht. Bei diesen Platzverhältnissen war diese Entscheidung lächerlich", ist ihm besonders der Platzverweis von Trinklein ein Dorn im Auge, vergessen ist aber ebenso wenig der zurückgenommene Elfmeterpfiff: "Ich stehe sonst immer aufseiten der Schiedsrichter, auch wenn die Spieler sich beschweren. Aber bei solchen Fehlern wird es einem Trainer doch unmöglich gemacht, erzieherisch zu wirken. Hier kann man nur Verständnis für den Unmut der Spieler haben." Aber der Trainer ärgert sich heute auch über sich selbst: "Ich hätte damals Seel leicht überreden können, mit zur Eintracht zu kommen. Aber ich war da gegenüber Kaiserslautern eben zu anständig. Ich wollte mir nicht nachsagen lassen, meinem alten Verein die Spieler auszuspannen." "Hätte Seel heute bei uns gespielt, hätten wir gewonnen", glaubt Weise und meint ungewohnt forsch: "Mit Seel wären wir auch für die Bayern ein echter Konkurrent im Kampf um den Titel. Sein Laufpensum ist einmalig." Beim Gedanken an Seel könnte sich Weise "manchmal vor Wut zerreißen", doch die Einsicht, dass er gegenüber Kaiserslautern in diesem Fall "brutaler" hätte sein müssen, kommt zu spät: "Was Fortuna für Seel ausgegeben hat, wäre auch die Eintracht bereit gewesen zu zahlen." "Es hätte damals nur eines Wortes bedurft, und ich wäre mit zur Eintracht gegangen", bestätigt Seel Weises Worte und schwärmt: "Er ist der beste Trainer, den man sich wünschen kann. So aber bin ich in Düsseldorf gelandet und fühle mich hier auch sehr wohl." "Wir sind über unser Ziel eigentlich schon hinausgeschossen", erklärt Trainer Weise versöhnlich und rückt damit den 2. Platz zum Schluss der Bundesliga-Vorrunde ins rechte sachliche Licht: "Zu Beginn der Runde war unser Ziel: den Abstand zu den Großen zu vermindern. Jetzt haben wir mehr erreicht, als wir uns vorgenommen hatten. So gesehen müssten wir jetzt glücklich und zufrieden sein." Aber Weise gesteht ein: "Jetzt sind unsere Ansprüche gewachsen. Jetzt wollen wir in der Spitzengruppe bleiben." "Und uns ärgert halt doch, dass uns die Herbstmeisterschaft entgangen ist", meint Spielführer Jürgen Grabowski, während Bernd Hölzenbein rechnend in die Zukunft schaut: "Die Rückrunde beginnt günstig für uns: Bayern und Gladbach sind auswärts, wir spielen zu Hause gegen den 1. FC Köln. Vielleicht holen wir uns am ersten Spieltag schon die Spitze zurück." Nicht dabei helfen können wird Trinklein, der klagt: "Jetzt bin ich zum zweiten Mal für nichts vom Platz gestellt worden." Sollten DFB-Kontrollausschuss bei seinen Ermittlungen und DFB-Sportgericht bei der Verhandlung mit der Ansicht des Eintracht-Liberos sympathisieren, könnte Trinklein im günstigsten Fall mit einer Sperre von 14 Tagen oder zwei Pflichtspielen davonkommen. Ohne bereits ein Werturteil zum vorliegenden Fall abzugeben, erklärt Werner Kirsch, der Vorsitzende des Sportgerichts, der Abendpost/Nachtausgabe: "Liegt als Tatbestand Unsportlichkeit für einen Platzverweis vor, der nach einer vorangegangenen Verwarnung zwangsläufig wurde, so ist dies ein geringeres Vergehen, das mit einer Mindestsperre von zwei Wochen oder für zwei Pflichtspiele bestraft werden kann." Ob Zeit- oder Pflichtspielsperre, das hänge vom Terminplan ab, sagt Kirsch: "Einen Spieler mit zwei Wochen Sperre zu bestrafen, wenn in dieser Zeit keine Spiele stattfinden, wäre ebenso unsinnig wie ihn für 14 Tage zu sperren, in denen dann auch noch Mittwochspiele stattfinden. Da muss man anhand des Terminplans abwägen." Fehlen wird Trinklein der Eintracht am Samstag beim Pokalspiel in Kassel und dann am 5. Januar zum Beginn der Rückrunde gegen den 1. FC Köln. "Dass Trinklein vom Platz gestellt wurde, war für uns schlechter als der doppelte Punktverlust von Düsseldorf", stellt Weise fest. Weise hat sich bereits den Kopf zerbrochen, wie er diese Lücke in seiner Abwehr zu schließen gedenkt: "Fest steht, dass Kliemann Libero wird. Wer Vorstopper spielt, darüber bin ich mir noch nicht schlüssig." Vielleicht bringt das nächste Testspiel eine Lösung: Am Mittwochvormittag um 11 Uhr spielt eine kombinierte Eintrachtmannschaft im Waldstadion gegen die deutsche Jugendnationalmannschaft. Zum ersten Male nach seiner Verletzung wird dort Dr. Kunter wieder im Tor stehen. (rs)
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