Eintracht Frankfurt - Hannover 96

Bundesliga 1973/1974 - 16. Spieltag

1:1 (1:1)

Termin: Fr 16.11.1973, 20:00 Uhr
Zuschauer: 16.000
Schiedsrichter:Wolfgang Dittmer (Mutterstadt)
Tore: 0:1 Peter Anders (20.), 1:1 Thomas Parits (25.)

 

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Eintracht Frankfurt Hannover 96

 


  • Franz-Josef Pauly
  • Rainer Stiller
  • Peter Anders
  • Georg Damjanoff
  • Karlheinz Höfer
  • Willi Reimann
  • Roland Peitsch
  • Roland Stegmayer
  • Ludwig Denz
  • Hans Siemensmeyer
  • Bernd Wehmeyer

 

Wechsel Wechsel
  • Jürgen Bandura für Rainer Stiller (51.)
Trainer Trainer
  • Hannes Baldauf

 

Freiwild

Hannover 96 ist heute zu Gast in Frankfurt, ein Gegner gegen den es in den letzten drei Spielzeiten jeweils einen Heimsieg zu beklatschen galt. Allerdings waren die Hessen in den Jahren zuvor gegen die Niedersachsen im heimischen Waldstadion nicht sonderlich erfolgreich gewesen: einem einzigen Sieg standen vier Unentschieden und eine Heimniederlage gegenüber, die allerdings vom 5. Februar 1966 datiert. Bemerkenswert: drei der vier Unentschieden endeten mit 3:3! Eine ähnlich torreiche Begegnung würde den 16.000 Zuschauern an diesem Freitagabend sicher Freude bereiten. Allzu große Hoffnung auf ein Fußballfest hat die Eintrachtfans jedoch ganz sicher nicht ins Waldstadion getrieben. Nur zu gut sind die letzten Auftritte der 96er in Frankfurt in Erinnerung, bei denen die Elf von der Leine eher wie ein Maurertrupp agierte und weniger wie eine Fußballmannschaft.

Auch heute steht Schlimmes zu befürchten: Nachdem die Hannoveraner bis zur Mitte der Hinrunde einen Mittelfeldplatz inne hatten, sind sie mittlerweile dort angekommen, wo sie sich auch in den beiden vorangegangenen Spielzeiten aufgehalten haben – im Tabellenkeller. Nachdem man in den letzten beiden Jahren den Klassenerhalt mit dem jeweils 16. Rang in der Schlusstabelle gerade so schaffen konnte, steht man jetzt auf einem Abstiegsplatz und schon wieder mit dem Rücken zur Wand. Ein einziger Punkt aus den letzten 6 Spielen ist zu wenig, das weiß auch 96-Trainer Hannes Baldauf, der im März 1973 Hans Hipp ablöste und Hannover am letzten Spieltag vor dem Abstieg bewahrte. Ein Jahr vorher konnte sich Hipp noch als "Retter" feiern lassen. Die Luft wird bei solchen negativen Serien rasch dünner, selbst für gerade noch umjubelte "Helden". Baldauf, der es in Hannovers erster Bundesligasaison 64/65 als Spieler immerhin noch auf fünf Partien brachte, ist sich dessen bewusst.

Seine Spieler wissen es offensichtlich auch, denn von der ersten Minute an zeigen sie eine Vorstellung, die man ohne Bedenken mit dem Attribut "rustikal" belegen kann, die aber nicht einmal entfernt an eine Sportart namens Fußball erinnert. "Zuerst den Gegner, unter Umständen danach den Ball" ist das Motto der Gäste, die auf diese Art und Weise den zu Hause verlustpunktfreien Tabellenführer beeindrucken wollen. Höfer, Peitsch und Kapitän Siemensmeyer treten gegen alles, was sich bewegt. Als Zeichen, dass sich die Niedersachsen sich mit ihrem unfairen Spiel die möglicherweise bei Spielbeginn vorhandenen Sympathien endgültig verscherzt haben, werden sie vom Publikum ausgepfiffen.

Mehr als einmal wälzen sich die Außenstürmer Grabowski und Rohrbach unter Schmerzen auf dem Rasen, nachdem Stiller und Höfer sie bearbeitet haben. Auf Jürgen Grabowski haben es die technisch arg limitierten Niedersachsen dabei besonders abgesehen, der Kapitän der Frankfurter Eintracht "genießt" eine Sonderbehandlung. Der Hannoveraner Verteidiger Stiller ist trotz seines Namens kein Leisetreter: Er tritt Grabowski ohne nennenswerte Unterbrechung in die Knochen, dass es kracht. Die Schläge sind jedes Mal bis auf die Tribüne zu hören. Nur Schiedsrichter Dittmer scheint nichts zu hören – und zu sehen schon gar nicht. Stiller bleibt vorerst unverwarnt.

In der 18. Minute kann die Eintracht die lustigen Holzhackerbuam kurz unterbrechen, als Kliemann und Weidle mit Kopfbällen ihr Ziel verfehlen und auch Trinklein anschließend den Ball über die Latte des Gästetores tritt. Wie so oft im Leben, ist das Glück dann auch noch mit den Doofen: Nach 20 Minuten schießt Anders zur überraschenden und unverdienten Führung für die Treter von der Leine ein. Nach Doppelpass mit Reimann rutscht er an der Strafraumecke beim Schuss weg und bringt so eine Bogenlampe aufs Frankfurter Tor, aus dem Wienhold gerade herauseilt. "Dahin wollte ich den Ball gar nicht schießen, der ist mir abgerutscht, aber drin ist drin", sagt der Torschütze ehrlich. Es ist Anders erstes Saisontor und eine kleine Entschädigung für sein Eigentor am 9. Spieltag bei Fortuna Köln, das die Gastgeber noch einmal heran brachte und den 96ern am Ende einen Punkt kostete. Ein seltener Feiertag für Anders zudem, es ist erst sein vierter Bundesligatreffer für Hannover in acht Jahren.


Parits erzielt das 1:1

Acht Jahre lang aktiv ist auch der auffälligste (Ver-)Treter der 96er in Hannover: Stiller, der immer noch nach Herzenslust auf den Frankfurter Spielführer eintritt, sobald dieser nur in Nähe des Spielgerätes kommt. Von den Pfiffen der Zuschauer zeigt sich der grobe Keil ebenso unbeeindruckt wie vom Ausgleichtreffer. In der 25. Spielminute ist wieder einmal Rohrbach gelegt worden, der abgewehrte Freistoß kommt zu Körbel, der passt zu Parits, der sich dreht und aus dem Gewühl flach und hart einschießt.

Fünf Minuten später schöpfen die Zuschauer dann auch etwas Hoffnung für die malträtierten Knochen ihres Kapitäns: Dittmer zeigt Stiller endlich die längst überfällige Gelbe Karte. Indes es ändert sich nichts: Die Eintracht hat nach wie vor große Probleme mit der destruktiven Spielweise und überharten Gangart der Gäste und Stiller scheint die Verwarnung durch den Schiedsrichter nicht besonders ernst zu nehmen. Sofort widmet er sich wieder seiner Lieblingsbeschäftigung und testet die Belastbarkeit der Knochen und Nerven des Ausnahmefußballers Jürgen Grabowski.

Einer harten Prüfung wird auch Hannovers Torwart Pauly unterzogen, der in der ersten halben Stunde zwei Mal nur mit letztem Einsatz gegen Weidle retten kann. Pauly hat vor dem Spiel Reinhard Dittel abgelöst, der in den ersten 15 Ligaspielen zwischen den Pfosten stand. "Drückt mir die Daumen", hat der "Jumbo" vor dem Anpfiff in der Kabine seine Mitspieler aufgefordert: "Ich will doch meinen Stammplatz zurückerobern." Die Eintracht holt nun Ecke auf Ecke heraus, schafft auch einige brenzlige Situationen vor dem Hannoveraner Tor, in dem aber Pauly eine fehlerlose Partie liefert und seine Vorderleute Anders und Damjanoff immer wieder klärend eingreifen.

Zur Pause schimpft Eintracht-Vizepräsident und Lizenzspielerobmann Ernst Berger: "Ich bin total enttäuscht. Unser schwächstes Spiel - nichts passt zusammen." Hannes Baldauf ist dagegen fürs Erste zufrieden: "Es kommt jetzt alles auf die nächste Viertelstunde an." Sechs Minuten nach der Pause erfährt dann Grabowski endlich den Schutz, den er von Beginn an gegen die rüden Attacken des Hannoveraners hätte genießen sollen: Stiller muss vom Platz. Allerdings nicht, weil der Herr Dittmer das x-te Umsäbeln von Grabowski zwar viel zu spät, aber letztendlich doch noch geahndet hätte, sondern weil der Gästetrainer Baldauf, sich nach einem weiteren groben Foul am Frankfurter Kapitän nicht länger darauf verlassen mag, dass der Schiedsrichter seine Rote Karte vielleicht doch zu Hause vergessen hat – Baldauf wechselt Stiller endlich aus. Für den Treterkönig kommt Bandura, der die ersten 13 Spiele zur ersten Elf gehörte, nun jedoch ins zweite Glied abgerutscht ist.


Hözenbein, Anders
und Grabowski

Hölzenbein geht jetzt immer öfter in den Angriff vor und sucht - wie so oft in den letzten Spielen - seine Chance. Die Partie ist nun aber zerfahren, die Gäste haben der Eintracht mit der Lust am Spiel auch den Spielwitz genommen. So primitiv wie es die Mittel der Hannoveraner sind, so spielt auch die Frankfurter Elf. Trainer Weise reagiert und tauscht Mittelfeldspieler Weidle, der heute ohne rechte Orientierung über das Spielfeld irrte, gegen den jungen Kraus aus. Er hätte ebenso gut auch Rohrbach aus dem Spiel nehmen können, der keine klare Linie findet und der schwächste Frankfurter Stürmer an diesem Tag ist. Parits im Sturmzentrum kann wenigstens sein erstes Tor im neunten Ligaspiel als Arbeitsnachweis vorlegen. Im Sturm fehlt die Durchsetzungskraft, im Mittelfeld die Ideen und im Spielaufbau trennen sich Körbel und Kliemann zu spät vom Ball. Kein Wunder, dass sich Grabowski und Hölzenbein, beim Versuch mit einer Einzelaktion die Entscheidung herbeizuführen, immer wieder festlaufen und hängen bleiben. Die größte Chance hat Kliemann mit einem Kopfball, der aber von der Oberkante der Latte ins Toraus springt.

Zu allem Überfluss ist die Abwehr der Eintracht bei den wenigen Kontern der 96er offen wie ein Scheunentor. Bereits nach dem Ausgleich hatten die Gastgeber großes Glück als Denz, der aus der zweiten Reihe zuweilen gefährlich aufrückt, das Leder gegen den Pfosten und nicht ins Tor trat. Gut auch, dass Willi Reimann - in der letzten Saison mit 14 Toren gefährlichste Niedersachse - zwar ein Unruheherd ist, aber seinen bisher neun Saisontreffern keinen weiteren hinzufügen kann. Vor Reimanns aktueller Form hat man Respekt, immerhin gelang ihm beim 3:1-Heimsieg gegen Bayern München ein Hattrick.


Damjanoff und Pauly im
Glück - Hölzenbeins
Schuss verfehlt das Ziel

In der 73. Minute bringt Trainer Weise für den Torschützen Parits Jürgen Kalb, doch auch der kann nicht den entscheidenden Stich setzen. Was auf das Tor der Gäste kommt ist sichere Beute von Franz-Josef Pauly. Trainer Baldauf kann sich freuen: Pauly, der 1971 von 1860 München an die Leine kam und rasch zum Stammtorwart wurde, hält Mitte November wie einst im Mai und verdient sich die Bestnote. So nehmen die Gäste am Ende nicht nur einen Punkt mit, sondern vom Sportmagazin "Kicker" auch die Berufung des überragenden Pauly in die "Elf des Tages".

Der erste Punktverlust im Waldstadion nach neun Monaten - die 1:3-Niederlage im Juni gegen Duisburg kassierte man in Offenbach - sorgt dafür, dass in dieser Saison keine Erstligamannschaft mehr zu Hause eine weiße Weste hat. Außerdem geht eine weitere Serie zu Ende: Zum ersten Mal seit einem Jahr erzielte die Eintracht im Waldstadion in der zweiten Halbzeit keinen Treffer. In der Tabelle bleibt dagegen alles beim Alten: Frankfurt bleibt 1., Hannover auf Rang 17.

Trotz des Abstiegsranges ist bei Hannover das Thema Trainerwechsel vorerst vom Tisch. "Auch wenn wir hier noch 1:2 verloren hätten, könnte niemand die Mannschaft kritisieren, so großartig war ihr kämpferischer Einsatz", sagt Präsident Ferdinand Bock anerkennend, schickt jedoch eine Kritik in Richtung der Spieler hinterher: "Ich wünschte nur, die Mannschaft hätte sich schon immer so eingesetzt." "Die Jungs haben für mich gespielt", darf sich Trainer Baldauf freuen, "sie haben sogar mehr gehalten, als sie mir versprochen haben."

Bei den Fans der Eintracht, die auf das fast schon übliche Siegtor in der Schlussphase gehofft haben, hat sich nach dem Schlusspfiff eine Art Schockstarre breit gemacht. "Auch ich bin enttäuscht", bekennt Trainer Weise, "doch es musste einmal so kommen: Wir gaben den ersten Heimpunkt ab." Den tiefen Boden, die mehr als harte Manndeckung der Gäste und auch die schwache Schiedsrichterleistung lässt Weise jedoch nicht als Entschuldigung gelten: "Damit muss man fertig werden." "Hannover bot eine starke kämpferische Leistung, es wurden aber auch unsere Mängel heute aufgedeckt", kehrt Weise lieber vor der eigenen Tür: "Wir haben eben noch Schwächen. Was uns noch fehlt: Wir können uns die spielerische Linie nicht im Spiel erarbeiten, sondern sie ist entweder da oder nicht. Entweder läuft unser Spiel oder es läuft nicht. Einen Mann, der das Steuer herumreißen kann, haben wir nun einmal nicht. Gewiss hat meine Mannschaft gekämpft, aber es fehlte ein echter Kopf, und deshalb sind wir auch noch keine große Elf." (rs)


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