Eintracht Frankfurt - Schalke 04

Bundesliga 1973/1974 - 14. Spieltag

2:1 (0:0)

Termin: Sa 03.11.1973, 15:30 Uhr
Zuschauer: 27.000
Schiedsrichter: Ferdinand Biwersi (Bliesransbach)
Tore: 1:0 Bernd Hölzenbein (54.), 1:1 Erwin Kremers (58.), 2:1 Bernd Hölzenbein (88.)

 

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Eintracht Frankfurt Schalke 04

 


  • Norbert Nigbur
  • Jürgen Klein
  • Jürgen Sobieray
  • Ulrich van den Berg
  • Hartmut Huhse
  • Klaus Fischer
  • Klaus Beverungen
  • Erwin Kremers
  • Paul Holz
  • Klaus Scheer
  • Peter Ehmke

 

Wechsel Wechsel
Trainer Trainer

 

 

 

Die einzigen guten Fußballer

Am Vormittag des 30. Oktober wird Grabowski gebeten, einen Tag später in Barcelona in der Europa-Elf gegen Südamerika mitzuspielen. Nach den Absagen von Beckenbauer und Müller soll unter allen Umständen ein Deutscher mitspielen. Doch Grabowski sagt ab: "Wir haben dieses Jahr mit unserem Verein die große Chance, vorn mitzumischen. Deshalb kann ich nicht eine Verletzung riskieren." Der Kapitän der Eintracht denkt dabei auch an das nächste Bundesligaspiel in vier Tagen, wenn die Schalker zu Gast im Frankfurter Waldstadion sind und die Punkte am Main lassen sollen.

Die Elf aus Gelsenkirchen ist noch immer eine gebeutelte Truppe. Nachdem die letzte Saison für den Vizemeister der Spielzeit 71/72 beinahe den Abstieg gebracht hätte, sind die Auswirkungen des Bestechungsskandals aus der Saison 70/71 auch in dieser Saison zu spüren. Vom DFB wurden wegen der absichtlichen 0:1-Niederlage der Schalker gegen Bielefeld am 17. April 1971 gegen insgesamt 12 Spieler schwere Strafen in Form von langen Spielsperren verhängt. Ein hoher Preis, den die Akteure zahlen müssen – nicht nur angesichts der geradezu lächerlich gering anmutenden Bestechungssumme in Höhe von 2.400 DM, die jeder Spieler für das manipulierte Spiel erhalten hat.

Gesperrt wurden u. a. ab 18. März 1973 Klaus Fichtel, der zu Gladbach gewechselte Hans-Jürgen Wittkamp, Rolf Rüssmann und Herbert Lütkebohmert sowie bereits ab 30. September 1972 Reinhard "Stan" Libuda. Libuda erhielt sogar eine Sperre auf Lebenszeit (Libuda wird allerdings am 5. Januar 1974 begnadigt), während Fichtel bis 17. März 1975 und die anderen drei genannten Spieler bis 28. Februar 1974 gesperrt wurden. Im Gegensatz zu Libuda erhielten jedoch die vier keine Freigabe für einen Wechsel ins Ausland. (Am Ende werden übrigens auch diese vier Spieler vorzeitig begnadigt – am 24. Januar 1974). Ebenfalls gesperrt wurden ab 5. August 1972 bzw. ab 30. September 1972 Jürgen Sobieray und Klaus Fischer. Bei beiden ist die Sperre am 30. September 1973 abgelaufen und der gebeutelte Klub aus dem Ruhrpott kann zumindest auf diese beiden Spieler wieder zurückgreifen.

Fischer erzielte gleich im ersten Spiel nach seiner Sperre drei Tore und kam in den ersten vier Spielen auf bereits sechs Treffer. So haben sich die Schalker mit Fischers torkräftiger Unterstützung durch drei Siege in den letzten vier Spielen aus dem Tabellenkeller, in den sie bereits wieder gerutscht waren, etwas befreien können. Dieses kleine Punktepolster benötigen die Gäste wahrscheinlich auch: In Frankfurt haben die Männer aus Gelsenkirchen bisher noch nie gewinnen können.

Die Eintracht beginnt mit folgender Aufstellung: im Tor Wienhold, in der Abwehr mit Vorstopper Kliemann, Libero Trinklein, die beiden Außenverteidiger Andree und Reichel, im Mittelfeld Hölzenbein, Körbel, Kalb und im Sturm Rohrbach, Grabowski und Parits im Zentrum. Gegenüber dem Auswärtsspiel in Wuppertal verändert Trainer Weise seine Elf also nur auf einer einzigen Position: Für Roland Weidle kommt Thomas Rohrbach als Außenstürmer neu ins Team.


Die Kapitäne Grabowski und Kremers
vor dem Anstoß

Die Eintracht beginnt mit einem wahren Feuerwerk. Offensichtlich will die Elf beweisen, dass sie es auch in der ersten Halbzeit versteht, Tore zu schießen. In den ersten zehn Minuten ergeben sich auch zwei erstklassige Einschussmöglichkeiten, die jedoch beide nicht genutzt werden können. Auch Rohrbach nutzt seine Chance in der Startelf erst einmal nicht und drängt in der ersten Halbzeit zu sehr in die Mitte. So bietet sich dem Stürmer zwar die eine oder andere Torchance, doch nutzen kann er keine. Zudem fehlt den Gastgebern die wichtige Anspielstation auf einer Außenposition. Jürgen Grabowski, dessen schlechte Spiele für die Eintracht ohnehin an einer Hand abzuzählen sind, hat dagegen heute wieder einen prächtigen Tag erwischt. Wie gewohnt ist der Kapitän die zentrale Figur der Frankfurter Offensive, nahezu jeder erfolgversprechende Angriff wird von ihm inszeniert. Unterstützung erhält der Eintracht-Kapitän von Gert Trinklein. "Schoppe-Gert" ist als Libero nicht nur stark in der Abwehr, sondern findet auch immer wieder Zeit und Gelegenheit, sich ins Angriffsspiel seiner Mannschaft einzuschalten und manchen gescheiten und maßgerechten Pass zu servieren.


Ehmke gegen Hölzenbein

Neben diesen beiden weiß noch Bernd Hölzenbein zu gefallen, ansonsten herrscht allzu viel Mittelmaß im Spiel des Tabellenzweiten. Der Schalker Keeper Norbert Nigbur ist zudem glänzend aufgelegt und nicht geneigt, ein Gegentor zuzulassen. Kein Wunder, Nigbur ist zurzeit in bestechender Form, wird von einigen für den besten deutschen Torwart gehalten und so natürlich auch für die Nationalelf vorgeschlagen. In seinem vierten Punktspiel nach einer mehrmonatigen Pause wegen einer Meniskusoperation überzeugt Nigbur allerdings nicht durch seine Fürsprecher in den Sportredaktionen, sondern durch seine Leistung auf dem Platz. Im letzten Ligaspiel wehrte er beim 3:1 der Schalker gegen Hannover gar einen Strafstoß von Hannovers Damjanoff ab und sieht die DFB-Auswahl in Reichweite: "Ich hoffe, dass Helmut Schön mir eine Chance gibt."

Keine Chance geben die Schalker einem schönen Fußballspiel. Immer wieder strapazieren sie durch überflüssige Rückgaben zu Torwart Nigbur die Nerven der Frankfurter Spieler und der Zuschauer. In der 33. Minute hat dann selbst Schiedsrichter Biwersi die Nase voll und entscheidet nach mehreren – völlig unbedrängt gespielten - Rückpässen auf Zeitspiel und gibt einen Freistoß für die Eintracht im Schalker Strafraum. Einen Vorteil können die Hausherren aus dieser seltenen Schiedsrichterentscheidung nicht ziehen – der Ball geht über das Tor. Das torlose Unentschieden zur Halbzeit ist die Konsequenz aus dem mediokren Spiel der Männer vom Main und dem beherzten Kampf der Gäste, die durch Beverungen und Scheer ebenfalls zu Chancen kommen, doch Beverungen verfehlt das Tor ebenso knapp wie Scheer den Ball.

Parits fungierte im ersten Durchgang nur als Prellbock, der fast jeden Ball postwendend zurück an den Absender adressierte. Da ist der Österreicher für Nickel, bei dem die Fußverletzung wieder aufgebrochen ist, wieder als Mittelstürmer zum Zuge gekommen und versteht erneut seine Chance nicht zu nutzen. Trainer Weise ist das nicht entgangen und er wechselt zur Halbzeit Wolfgang Kraus für Parits ein. Dem jungen Kraus gelingt es diesmal allerdings nicht, so frisch und unbekümmert aufzuspielen wie man es nach seinen letzten Einsätzen hätte erwarten können. Der Nachwuchsspieler wirkt in seinen Aktionen gehemmt und kann dem Spiel nicht die erhofften neuen Impulse geben, was sich aber nicht entscheidend auswirkt.

Wie zu Beginn der Partie kommt die Eintracht auch zur zweiten Halbzeit mit Macht aus der Kabine und spielt die Gäste an die Wand. Und in der 54. Minute schlägt Hölzenbein zu und erzielt auf Vorlage von Trinklein den Führungstreffer. Die Freude der Eintrachtfans währt jedoch nur kurze Zeit, denn nur vier Minuten später entwischt Erwin Kremers seinem Gegenspieler Reichel und köpft eine Flanke von Holz zum 1:1 ein. Mit Kremers als Torschützen war nun nicht unbedingt zu rechnen, da ihn Reichel bisher kaum zum Zuge kommen ließ. Andererseits muss man Kremers immer auf der Rechnung haben. Immerhin war der Zwillingsbruder von Helmut schon in der letzten Saison mit 10 Treffern gemeinsam mit Nico Braun erfolgreichster Schalker Schütze. Nico Braun könnten die Schalker in diesem Spiel auch gut gebrauchen, aber der Stürmer aus Luxemburg ist bereits "Geschichte".

Braun kam unter kuriosen Umständen nach Gelsenkirchen: Der erste Kontakt entstand über einen Schalker Anhänger, der einerseits mit Brauns Jugendtrainer bei Union Luxemburg befreundet war, andererseits den damaligen Schalker Präsidenten Günter Siebert sehr gut kannte. Siebert wiederum hatte den Luxemburger Stürmer bei einem Spiel gegen die deutsche Olympiaauswahl gesehen, in dem Nico zwei Tore gelungen waren. Brauns Kontakte waren damals eigentlich zu Mönchengladbach besser. Als Siebert jedoch hörte, dass der 20-Jährige dort dienstags ein Probetraining machen sollte, sagte er ihm: "Dann kannst Du ja am Montag zu uns zum Vorspielen kommen!" Nach diesem Vorspielen bekam Braun seinen Vertrag "auf Schalke" ...

Dieser Vertrag hätte eigentlich noch ein Jahr Gültigkeit und doch steht der Stürmer Schalke nicht mehr zur Verfügung. Braun wechselte zu Saisonbeginn zum FC Metz nach Frankreich, weil er zu Recht fürchtete, dass ihm Klaus Fischer nach dessen abgelaufener Sperre wieder als Mittelstürmer vor die Nase gesetzt werden würde. Klaus Fischer indes gelingt es heute nicht, seinen bisher sechs Treffern einen weiteren hinzuzufügen.

Aber ob Braun nun in Frankreich kickt und Fischer in Frankfurt nicht trifft – Grabowski sorgt dafür, dass seine Elf - anders als im ersten Durchgang - die Oberhand behält. Der Druck auf die Abwehr um Libero Sobieray lässt nicht nach. Bei ihren Angriffsbemühungen muss die Eintracht aber stets auf der Hut vor einem weiteren Schalker Gegentreffer sein, zumal Klaus Scheer sich auf Schalker Seite als ein Meister des gepflegten Konterspiels beweist. Im Mittelfeld macht den Gastgebern der bienenfleißige Beverungen das Spielen und damit das Leben schwer und haben sich die Riederwälder endlich einmal bis in den Strafraum der Schalker durchgekämpft, treffen sie auf einen überragenden Nigbur, der seine Ansprüche auf die Nationalmannschaft auch in den zweiten 45 Minuten eindrucksvoll untermauert.


Der Siegtreffer zum 2:1 durch 'Holz'

Dabei müssten allein die Pässe und Flanken, die Grabowski in den Schalker Strafraum serviert, für drei Siege ausreichen. Doch keiner kann die mustergültigen Vorlagen von Grabowski verwerten; allein Linkaußen Rohrbach verpasst vier klare Chancen. Moment! Keiner? Doch: einer! Zwei Minuten vor dem Ende des Spiels und der von allen Seiten erwarteten, scheinbar unvermeidlichen Punkteteilung schlägt er wieder zu: Hölzenbein ist zum zweiten Mal zur Stelle und trifft auf Vorlage von Reichel aus spitzem Winkel in der 88. Minute zum wegen des späten Zeitpunktes glücklichen, aber auch sehr verdienten Sieg der Eintracht.

Kein Frage, der Erfolg hätte höher ausfallen müssen. Selbst die 13:3 Eckbälle sagen nicht viel über den Druck aus, den die Eintracht auf die Schalker ausübte. Unter dem Strich sind die Hausherren jedoch mit dem knappen Erfolg einverstanden, denn die zwei Punkte bleiben in Frankfurt. Trotzdem ist Trainer Weise nicht rundum glücklich, denn es "wurden zu viele Chancen ausgelassen." Schalkes Trainer Horvat ist natürlich enttäuscht: "Mit der guten Leistung sollte man eigentlich zufrieden sein", klagt Schalkes Trainer Horvat, "aber das kann man natürlich nicht, wenn man noch zwei Minuten vor Schluss verliert." Horvat lässt keinen Zweifel daran, dass die Eintracht als verdienter Sieger vom Platz gegangen ist, stellt seinem Ex-Verein aber dennoch lediglich ein mittelmäßiges Zeugnis aus: "Grabowski und Hölzenbein waren die einzigen guten Fußballer Eintrachts." Dabei unterschlägt er allerdings Trinklein und Reichel. Grabowskis famose Leistung ist natürlich dem "Kicker" nicht entgangen: Der Eintracht-Kapitän steht bereits zum dritten Mal in dieser Saison in der "Elf des Tages".

Frankfurt springt durch diesen Sieg von Platz 2 auf den Platz an der Sonne und ist damit zum dritten Mal in dieser Spielzeit Tabellenführer. Dabei profitieren die Hessen von der Niederlage des bisherigen Spitzenreiters Gladbach beim HSV. Schalke rutscht zwar von Rang 14 auf 15 ab, wird aber in dieser Verfassung mit dem Abstieg nichts zu tun haben. (rs)


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