Kickers Oxxenbach - Eintracht
Frankfurt |
Bundesliga 1973/1974 - 7. Spieltag
5:2 (3:1)
Termin: Di 23.10.1973
Zuschauer: 31.500
Schiedsrichter: Jan Redelfs (Hannover)
Tore: 1:0 Winfried Schäfer (9.), 1:1 Hans-Joachim Andree (36.), 2:1 Nikolaus Semlitsch (38.), 3:1 Manfred Ritschel (45., Foulelfmeter), 4:1 Lothar Skala (46.), 5:1 Erwin Kostedde (76.), 5:2 Bernd Nickel (84.)
Kickers Oxxenbach | Eintracht Frankfurt |
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Trainer | Trainer |
Adler unter Geiern Die 3:6-Niederlage an der Hafenstraße hat die Eintracht gut verdaut und am vergangenen Samstag der Hertha zum ersten Mal seit dem 17. August 1968 wieder beide Punkte abknöpfen können. Bernd Nickel erzielte beide Tore beim 2:0-Sieg, der den sechsten Heimsieg im sechsten Heimspiel bedeutete. Nun hat man jedoch die nächste Auswärtspartie vor der Brust und es ist wie bei der Niederlage in Essen kalt, regnerisch und ein Flutlichtspiel. Kein gutes Omen für den Frankfurter Keeper Dr. Kunter, der Haftschalen trägt, und dem man deswegen Schwächen bei Flutlichtspielen nachsagt. An einigen der sechs Essener Treffer war Dr. Kunter in der Tat nicht ganz schuldlos, sogar ein Eigentor unterlief ihm. Der Gegner heute Abend ist nicht der Rede wert oder besser gesagt wäre nicht der Rede wert, wenn er sich nicht ständig als ewig zu kurz gekommen und benachteiligt ins Gespräch bringen würde. Ob es der Elfmeter im Endspiel um die Deutsche Fußballmeisterschaft war oder die Nichtberücksichtigung bei Entstehung der Bundesliga – immer wurde man benachteiligt. So geht jedenfalls die Sage beim Vizemeister von 1959 ... Das Mitleid mit den selbsternannten Opfern, die hinter dem Gejammer doch nur ganz gewöhnliche Verlierer sind, hält sich bundesweit in deutlich überschaubaren Grenzen, in Frankfurt sucht man es verständlicherweise gar vollends vergebens. Wen will das wundern? Die "Klagemauern" des Vizemeisters von 1959 stehen ja direkt vor den Toren Frankfurts und das Gezeter sägt auch dem langmutigsten Frankfurter mit der Zeit an den Nerven. Aktuell versucht der Verwaltungsratsvorsitzende des 59er Vizemeisters, Schaub, sich als Anwalt der "nicht bevorteilten" Bundesligavereine zu profilieren, dem es um "Wettbewerbsgleichheit" geht. Dabei geht es dem Robin Hood für sehr Arme doch eher darum, bei den "staatlichen Institutionen" Steuermittel für seinen Verein locker zu machen. Der hat sich an der Süd-Ost-Seite seines Stadions für 1,8 Millionen DM eine neue Tribüne gebaut, das allerdings auf Pump und die Zinsen an die Banken betragen 180.000 DM. Dreimal im Jahr muss die neue Tribüne ausverkauft sein, damit man wenigstens die Zinsen abtragen kann, sagt Vereinspräsident Hans Leo Böhm. Warum der Steuerzahler sich an diesem finanziellen Abenteuer beteiligen soll, sagen die Herren Böhm und Schaub freilich nicht. Immerhin steht in Frankfurt doch bereits ein umgebautes Stadion, und ein schönes noch dazu, das die Investitionskosten zudem durch die WM im nächsten Jahr wieder hereinholen wird. Lassen wir das, es gibt Wichtigeres. Die Einberufung von Wolfgang Kraus zur Bundeswehr beispielweise. Gestern bekam der junge Mann ein Telegramm, dass er sich heute bei der Bundeswehr in Fritzlar vorstellen muss. Die Bemühungen der Eintracht um eine Freistellung des Nachwuchsmannes waren gescheitert. Geschäftsführer Gerhardt fuhr daraufhin mit dem Rekruten nach Fritzlar, um wenigstens eine Freistellung für die Bundesligaspiele zu erwirken, doch heute wird Wolfgang Kraus leider fehlen. Körbel, Andree und Krauth waren dagegen die ersten Spieler, die heute im Frankfurter Esso-Motor-Hotel eintrafen, wo die Mannschaft um 13.00 Uhr mit Vizepräsident Ernst Berger und Trainer Dietrich Weise gemeinsam zu Mittag aß. Nach einem Nickerchen auf den Zimmern blühte vor der Mannschaftsbesprechung beim Kaffeetrinken um 17.00 Uhr der Flachs: Bernd Hölzenbein ernannte Neuzugang Andree zum Glücksbringer, weil der bei der einzigen Niederlage in Essen fehlte: "Wir können ja gar nicht verlieren, wir haben ja unseren Talisman dabei." Des Talismans Gegenspieler wird heute wahrscheinlich Manfred Ritschel sein, mit dem Andree zwei Jahre bei Dortmund spielte: "Den Manni kenne ich aus dem Effeff; mit dem habe ich ihm Training manchen Strauß ausgefochten. Das weiß ich: Er kann seine Ellenbogen gebrauchen."
Die Eintracht benötigt einige Minuten, um den Rückstand zu verdauen, gibt dann aber ordentlich Gas: In der 15. Minute - etwa 30 Meter vor dem gegnerischen Tor - überlässt der aufgerückte Trinklein seinem Kapitän dem Ball. Der Mann mit der Nummer 8 geht einige Meter und zieht dann einen Spurt einige Meter nach rechts an, nur um plötzlich das Leder mit der Sohle zu stoppen und wieder nach innen zu ziehen. Semlitsch hat Mühe auf den Beinen zu bleiben und eine weitere Finte später hat Grabowski sich den Ball unbedrängt von seinem Gegenspieler auf den linken Fuß gelegt und schlägt den Ball mit Effet hoch auf den Elfmeterpunkt. Dort hat sich Weidle wunderbar freigelaufen, doch die große Chance zum Ausgleich vergibt er leichtfertig: Er trifft den Ball nicht mit der Stirn und sein Kopfball geht weit über das Tor. Wieder ist es Grabowski, der Hickersberger attackiert, als dieser versucht, den Ball in Höhe des 16ers nach vorne zu treiben. Hickersberger sieht Grabowski kommen und versucht, den Ball an ihm vorbei zu legen. Grabowski aber hat seinen Gegner durchschaut und ändert die Richtung. Sekundenbruchteile später bringt er seinen Körper vor Hickersberger und hat den Ball erobert. Am rechten Flügel geht er an Hickersberger vorbei, dessen unbeholfen wirkender Versuch eines Klammergriffs ins Leere geht. Auch der nächsten Gegenspieler kann Grabowski nicht an der Flanke hindern, doch Helmschrot kann sich den abgefälschten Ball am kurzen Pfosten pflücken wie eine reife Frucht. Schade, die beherzte Aktion des großartigen Frankfurter Kapitäns hätte einen besseren Lohn verdient gehabt. Danach ist es Rohrbach, der einige Meter hinter der Mittelinie in halblinker Position den Ball mit dem Rücken zum Gegner annimmt. Er läuft einige Meter zurück, dreht sich dann und spielt den Ball auf Weidle – die mit beiden Beinen angesetzte Grätsche seines Gegenspielers nimmt ein Stück des Rasens mit, verfehlt aber den schnellen Eintrachtstürmer. Weidle passt inzwischen den Ball auf Rohrbach zurück, der im Spurt 20, 25 Meter zurücklegt und dann aus gut 18 Metern abzieht. Die Kugel ist auf dem Weg ins linke untere Eck, doch Helmschrot pariert, lässt den Ball dabei jedoch nach vorne prallen. Ärgerlich, dass die Frankfurter nicht über einen typischen Mittelstürmer mit Abstauberqualitäten verfügen. Ein Gerd Müller hätte jetzt mit einem Lächeln zugeschlagen. In der 32. Minute ist es erneut Grabowski, der auf rechts einen Angriff einleitet. Kurz vor der Mittellinie verspringt ihm der Ball, doch sein Gegenspieler kann den Vorteil nicht nutzen, weil er selbst ausrutscht und Grabowski nachsetzt. Grabowski gibt den Ball auf Hölzenbein, der rechts vor den gegnerischen Strafraum zieht, um dann 25 Meter vor dem Tor wieder auf seinen Kapitän abzugeben. Grabowski dreht sich elegant, läuft einige Meter parallel zum Tor, um dann auf Trinklein zu passen. Trinklein spurtet links auf den Strafraum zu, legt den Ball aber dann überraschend mit der Hacke zurück. Nickel kommt aus dem Hintergrund und lässt eine seiner gefürchteten Fackeln ab. Helmschrot kann von Glück reden, dass der abgefälschte Ball - während er geschlagen am Boden liegt - ins Tor-Aus geht. Die Eintracht bleibt am Drücker. Nach einem Einwurf von Grabowski kommt der Kapitän sofort wieder an den Ball. Wieder kann sein Gegenspieler die Flanke nicht verhindern, die der Nationalspieler erneut mit viel Effet schlägt. Es ist kaum auszumachen, ob Helmschrot den Ball noch abklatschen kann oder ob die Kugel vom Gehäuse in den Fünfmeterraum zurückprallt. Wie auch immer: Thommy Rohrbach kann die glänzende, aber auch ein wenig überraschende Chance nicht nutzen. Jürgen Grabowski wird übrigens bei jedem Ballkontakt ausgepfiffen. Der Sportjournalist Hans Fiederer fragt das lärmende und pöbelnde Volk vor und neben ihm nach dem Grund für dieses Verhalten gegenüber dem Ausnahmefußballer und fairen Sportsmann. Er bekommt zur Antwort: "Ach, diese Nationalspieler wirken so verweichlicht und glauben, etwas Besseres zu sein." Herr, wirf Hirn vom Himmel – und nicht zu knapp! Perlen vor die Säue, mehr fällt einem dazu nicht ein. Es ist, als singe die Callas heute Abend nicht an der Met in New York, sondern vor der Mettwurst in Hermann Nubers Metzgerei. Grabowski ist das – um beim vorhergehenden Bild zu bleiben – Wurst. Er ist hier, um Fußball zu spielen. Und das tut er wie fast immer auf eindrucksvolle Art und Weise, wie in der nächsten Szene. Kliemann spielt den Ball Mitte der eigenen Hälfte halbrechts auf Weidle, der 10 Meter hinter der Mittellinie den Ball mit dem Rücken zum Gegner annimmt. In diesem Moment spritzt Grabowski von rechts dazwischen und nimmt Weidle den Ball vom Fuß und läuft parallel zur Mittellinie. Den Gegner, der ihn angreift, nimmt er erst im vollen Lauf mit, stoppt dann kurz ab, um den überforderten Mann mit einer Körpertäuschung aussteigen zu lassen. Grabowski nimmt wieder Fahrt auf, während der Bewacher des mitgelaufenen Andree seinem Kollegen in der Not zu Hilfe eilen will. Grabowski erkennt die Situation sofort und spielt zwischen den beiden Gegnern den Ball auf den linken Flügel genau in den Lauf von Andree. Andree geht einige Meter, spielt auf Hölzenbein, der links im 16er - umringt von drei Gegnern - das Leder auf den Elfmeterpunkt legt. Helmschrot kommt heraus gelaufen und von rechts springt ein weiterer Gegner hinzu, doch Andree ist nicht aufzuhalten. Der Ball prallt an den linken Innenpfosten, von dem die Kugel ins Tor geht. Der "Talisman", der am nächsten Montag heiraten wird, erzielt mit dem hochverdienten Ausgleich auch sein erstes Ligator für die Eintracht. Mitten in diese Frankfurter Drangperiode kann Meyer nach einem Ballverlust Rohrbachs einen Konter über rechts starten. Grabowski befindet sich in der Vorwärtsbewegung, während sein Gegenspieler Semlitsch auf der linken Seite die Gelegenheit nutzt und unvermutet antritt. In der Mitte spielt Kostedde den Ball auf Höhe des Strafraums unbedrängt weiter und Grabowski kann Semlitsch, der links in den Strafraum eingedrungen ist, nicht mehr aufhalten: Ein unhaltbarer Schuss ins rechte Eck, wieder ist Dr. Kunter machtlos. Die Chance zum erneuten Ausgleich lässt indes nicht lange auf sich warten. Weidle zieht aus halbrechter Position aus gut 20 Metern beherzt ab und der Ball macht sich auf den Weg in den linken Winkel des Tores. Helmschrot ist jedoch auf dem Posten und wehrt den Ball ab. Nickel erwischt den Abpraller an der linken Spitze des Fünfmeterraumes und schießt sofort – ohne Erfolg. Selbst der geforderte Eckball wird ihm verweigert. Kurz vor der Pause läuft dann Hickersberger im Strafraum der Frankfurter einem Ball hinterher, der ihn vom Tor wegtreibt. Dr. Kunter kommt dennoch heraus und Hickersberger fällt über die ausgestreckten Arme des Torhüters, als hätte ihn ein Heckenschütze aufs Korn genommen. Schiedsrichter Redelfs entscheidet zur Freude derjenigen, die nach eigener Aussage immer benachteiligt werden, auf Strafstoß. Dr. Kunter ist entsetzt: "Ich schwöre Stein und Bein – ich habe ihn nicht berührt. Das war kein Elfmeter." Ritschel ist das gleichgültig; er setzt den Ball in die linke untere Ecke, während Dr. Kunter sich für die andere Ecke entschieden hat. Dietrich Weise bringt zur zweiten Halbzeit Thomas Parits und wechselt dafür Thommy Rohrbach aus, mit dem er gar nicht zufrieden ist: "Er war der Ausgangspunkt für das zweite Tor. Durch seine Lässigkeit kam Meyer an den Ball und konnte die Flanke ziehen." Der Jungnationalspieler Bernd Hölzenbein wirkt heute etwas gehemmt, darf jedoch im Spiel bleiben. Hölzenbein erklärt seine Leistung so: "Bei uns im Haus war eine Party, die war so laut, dass ich bis drei Uhr kein Auge zu tun konnte." Ob seine Mitspieler im selben Haus wohnen? Auf jeden Fall sind sie direkt nach der Pause ebenso schläfrig, wie ihr Mannschaftskamerad sich fühlt. Skala ist dagegen hellwach, unternimmt einen seiner seltenen Ausflüge in die Frankfurter Hälfte und kann 22 Meter vor dem Frankfurter Tor nahezu unbedrängt abziehen. Dr. Kunter hechtet ins bedrohte linke Eck, doch der Ball springt direkt vor seinen ausgestreckten Händen auf und der fliegende Zahnarzt ist ein weiteres Mal geschlagen. Das Spiel ist entschieden, diese Nackenschläge so kurz vor und nach der Pause verkraftet wohl keine Mannschaft der Welt. Es ehrt die Eintrachtspieler, dass sie sich dennoch nicht aufgeben. Einen Pfostenschuss von Kostedde, der nach einem Ballverlust durch Reichel von Held bedient wird, können sie in der 53. Minute zwar nicht verhindern, aber ihre eigenen Angriffe stellen sie auch nicht ein. Semlitsch bleibt nichts anderes übrig als Grabowski wieder einmal zu foulen. Redelfs gibt ihm endlich die Gelbe Karte, um die er sich so eifrig beworben hat. Grabowski legt sich den Ball in Höhe des Strafraums nahe der Torauslinie zurecht, was dem heimischen Publikum wieder Gelegenheit gibt, den Frankfurter Kapitän ausgiebig auszupfeifen. Die Adler sind unter Geiern. Doch was stört es die Eiche, wenn sich eine Wildsau an ihr schabt? Jürgen Grabowski, der Mann von Welt, lässt sich von einem Provinzpublikum nicht beeindrucken: Er schlägt den Freistoß von der rechten Seite wunderbar auf den langen Pfosten, wo Kliemann das Kopfballduell für sich entscheidet. Helmschrot kann den Ball zwar parieren, doch dadurch kommt Körbel fünf Meter vor dem Tor zum Kopfstoß – der Ball streicht jedoch knapp über die Latte. Es ist das alte, etwas traurige Lied: Die Eintracht macht aus ihren Chancen zuwenig Tore. Auch "Dr. Hammer" bleibt vorerst ein Torerfolg verwehrt: Bernd Nickel knallt einen Freistoß aus 21 Metern auf den Kasten von Helmschrot. Der hat große Mühe und kann das Leder nicht festhalten, Helmschrot läuft dem Ball aber hinterher und kann ihn sich vor dem heranstürmenden Grabowski sichern. Dann geht wieder Reichel auf links durch, spielt auf Grabowski, der den Ball nach einer Körperdrehung elegant und gekonnt in den gegnerischen Strafraum lupft, wo ihn Parits etwa acht Meter vor dem Tor im Fallen direkt auf das Tor zieht – knapp am rechten Pfosten vorbei. Die Frankfurter stürmen und die Hausherren kontern: Ex-Nationalspieler Held geht auf der linken Seite am wesentlich jüngeren Reichel vorbei, zieht die Flanke hoch nach innen, Trinklein verschätzt sich und Kostedde köpft freistehend aus sieben Metern das nächste Tor. Solche Tage gibt es, dagegen ist noch kein Kraut gewachsen und auch ein "Talisman" wie Andree vermag nicht schützend einzugreifen. Doch auch wenn das gegnerische Tor wie vernagelt erscheint: Aufgeben ist für die Riederwälder immer noch keine akzeptable Option. Körbel setzt kurz hinter der Mittellinie Außenverteidiger Reichel ein, der auf der rechten Seite auf und davon zieht. Seine Flanke verfehlt ein gegnerischer Abwehrspieler im Hechtsprung und Nickel kommt im Strafraum halblinks zum Schuss und lässt sich nicht zweimal bitten. Rechts neben dem Pfosten schlägt der Ball wuchtig zum zweiten Frankfurter Tor ein. Dabei bleibt es, wenige Minuten später pfeift Redelfs ab. Kaum sind die beiden Punkte auf dem Konto, bewegen zwei Verantwortliche der Offenbacher schon wieder andere Zahlen. "Wenn ihr auch den HSV besiegt, zahlen wir 2.500 DM für beide Spiele", schlagen Geschäftsführer Konrad und Präsident Böhm den Kickers-Spielern vor: "Wenn ihr verliert, gibt es statt 1.800 nur 1.500 Mark." "Jetzt stimmt unser Zuschauerschnitt von 15.000 und damit auch unsere Kalkulationen wieder", ist Konrad erleichtert und gibt die Sicht frei auf das dünne Eis, auf dem die Offenbacher in der 1. Bundesliga finanziell gesehen tanzen: " Ohne diesen Sieg wäre es düster geworden. Jetzt werden auch die Fans wieder kommen." Spieler der Partie ist ein weiteres Mal Erwin Kostedde, der das 5:1 "mit dem Kopfball des Jahres" besorgte, wie er selbst sagt. Kostedde ist nicht nur ein Schreckgespenst für Uwe Kliemann, sondern für die gesamte Eintracht, wie Achaz von Thümen bestätigt: "Dieser Mann ließ uns die Haare zu Berge stehen!" Dass Trainer Lorant der teuersten Kickers-Verpflichtung vor einiger Zeit schwache Form vorgeworfen hat, weiß Kostedde und wehrt sich in der Stunde des Erfolges: "Aber es lag nicht an mir. Ich wurde von allen Seiten zum Sündenbock gestempelt, weil ich beim besten Willen das Tor nicht mehr traf." Warum einige Zuschauer nach dem Spiel ihre verständliche Enttäuschung an fremdem Eigentum auslassen müssen und so ein ganz schwaches Bild hinterlassen, wissen nur sie selbst. An parkenden Autos werden Antennen abgerissen, Außenspiegel zertrümmert und Türen mit Tritten demoliert. Sechs vorläufige Festnahmen notiert die Polizei außerdem. Wie man mit einer sportlichen Niederlage umgeht, zeigt wieder einmal der Trainer der Eintracht. Weise trägt das Ergebnis dieses Spiels nach der Partie wie seine Mannschaft vorher auf dem Platz: vornehm, nobel und vorbildlich. Weise gratuliert zuerst dem Trainer der Hausherren. Die beiden kennen und schätzen sich. Kein Wunder: Vor wenigen Jahren war Weise bei Kaiserslautern noch Co-Trainer unter Gyula Lorant. "Es war gar nicht so schwer", jubelt der Offenbacher Coach, "wir brauchten nur Grabowski und Hölzenbein auszuschalten, und das ist uns ja auch weitgehend gelungen." "Dieses Spiel war eine Werbung für die Bundesliga. Es hätte 80.000 Zuschauer verdient gehabt. Kämpferisch war es unser stärkstes Saisonspiel, wenn wir auch bei unserem Sieg in Schalke technisch besser aussahen. Kein Zweifel, wir haben verdient gewonnen", stellt Lorant fest. "Kein Zweifel, der Sieg der Kickers war verdient", bestätigt auch Weise: "Sie haben die weitaus größere Zahl von Zweikämpfen gewonnen. Sie waren bissiger und spielten mit mehr Elan." "Die Konterschläge, mit denen uns die Kickers trafen, kamen, wie so oft schon in den letzten Spielen, immer im unrechten Moment. Gerade, als wir aufgeholt hatten und meine Mannschaft glaubte aufatmen zu können, folgte schon der nächste", fügt Weise an. "Ein unberechtigter Strafstoß und das schnelle Tor kurz nach Wiederanpfiff haben uns das Genick gebrochen", meint Dietrich Weise, der dem Unparteiischen aber nicht die Verantwortung an der Niederlage zuschreibt: "Der Schiedsrichter hat eine Entscheidung getroffen, wir müssen sie hinnehmen. Noch schlimmer aber ist, dass meine Mannschaft das 1:1 nicht halten konnte. Hier müssen wir etwas tun." Weise, der in den letzten Wochen nicht müde wurde, darauf hinzuweisen, dass die Eintracht von der Presse besser gemacht werde, als sie es wirklich sei, sieht sich nun mit der Frage konfrontiert, ob der Höhenflug schon wieder beendet sei. Weise bleibt auch in diesen Stunden gewohnt gelassen: "Ich wiederhole: Wir sind als Team noch zu grün, wir sind noch nicht so weit, um ganz oben eingestuft zu werden. Lasst uns doch Zeit. Uns fehlt etwas zum echten Meister. Was es ist, kann ich nicht sagen. Noch nicht." Eine
Schuld bei seinem erfahrenen Torhüter zu suchen, den der Wiesbadener
Regisseur Joachim Kreck gerade in den Mittelpunkt seines beeindruckenden
Kurzfilms "No 1" gestellt hat, ist Dietrich Weise zu billig:
"Kunter ist doch kein unerfahrener junger Mann. Er versicherte mir,
dass er die undankbare Aufgabe bewältigen könnte. Ich glaubte
ihm, also deshalb keine Vorwürfe, nach keiner Seite."
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