Eintracht Frankfurt - Fortuna Köln

Bundesliga 1973/1974 - 10. Spieltag

4:2 (0:1)

Termin: Sa 06.10.1973, 15:30 Uhr
Zuschauer: 25.000
Schiedsrichter: Peter Gabor (Berlin)
Tore: 0:1 Rolf Kucharski (6.), 0:2 Rolf Kucharski (62.), 1:2 Bernd Hölzenbein (66.), 2:2 Gert Trinklein (73.), 3:2 Bernd Nickel (77.), 4:2 Jürgen Kalb (87., Foulelfmeter)

 

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Eintracht Frankfurt Fortuna Köln

 


  • Wolfgang Fahrian
  • Peter Boers
  • Gerd Zimmermann
  • Karl-Heinz Struth
  • Hans-Günter Neues
  • Rolf Kucharski
  • Noel Campbell
  • Wolfgang Thier
  • Wolfgang Glock
  • Julio Baylon
  • Helmut Bergfelder

 

Wechsel Wechsel
  • Günter Schwaba für Wolfgang Thier (64.)
  • Friedhelm Otters für Julio Baylon (75.)
Trainer Trainer
  • Volker Kottmann

 

 

Das Tor auf der Ostseite

Nach neun Spieltagen ist die Eintracht als einzige Mannschaft der Bundesliga noch unbesiegt. In acht Spielen – das Spiel in Offenbach fiel aus – erzielte die Eintracht 13:3 Punkte, schlug den Pokalsieger aus Gladbach und holte beim amtierenden Meister in München ein Unentschieden nach 0:2-Rückstand. Keine Frage: Die Frankfurter sind in dieser Saison mit Gladbach und den Bayern die dritte Kraft in der Eliteliga.

Diese dritte Kraft bekommt offensichtlich in der zweiten Halbzeit regelmäßig ihre zweite Luft: Brach man noch unter Trainer Ribbeck oft in der zweiten Halbzeit ein, erzielten die Hessen 16 ihrer bisher 17 Tore im zweiten Durchgang. Erst am 9. Spieltag gelang es Bernd Nickel im Spiel bei den Bayern, das erste Frankfurter Tor dieser Spielzeit in der ersten Halbzeit zu erzielen.

Gegen den Bundesliganeuling, der Fortuna aus Köln, sollte es der Eintracht doch möglich sein, auch im Waldstadion einmal ein Tor in der ersten Hälfte zu erzielen. Die Kölner Auswärtsbilanz liest sich jedoch für einen Aufsteiger, der sich an die raue Luft des Oberhauses erst gewöhnen muss, nicht so schlecht: Nach vier Auftritten in der Fremde haben die Fortunen 3:5 Toren und Punkte erzielt. Eine Schießbude scheint die Abwehr der Domstädter jedenfalls nicht zu sein.

Trainer Weise vertraut auf die Elf, die gegen die Bayern so stark aufspielte und ersetzt lediglich Rohrbach durch Parits. So spielt die Eintracht mit Dr. Kunter im Tor, in der Abwehr mit Vorstopper Kliemann, Libero Trinklein, den beiden Außenverteidigern Andree und Reichel, im Mittelfeld mit Hölzenbein, Körbel, Nickel und im Sturm mit Weidle, Grabowski und Parits im Zentrum.


Früher Rückstand: das 0:1 durch Kucharski

Schiedsrichter Gabor aus Berlin pfeift die Partie an und die Eintracht lässt es gegen den Neuling gemächlich angehen. Doch die Fortuna hat auf das übliche Geplänkel wenig Lust und geht ohne Prolog in medias res. Hans-Günther Neues lässt seinen Gegenspieler Grabowski links liegen, während der Kölner Verteidiger auf eben dieser Seite einen Ausflug Richtung Frankfurter Strafraum unternimmt. Neues wird für diese ungeheure Respektlosigkeit gegenüber dem Kapitän der Eintracht auch noch belohnt: Seine Flanke von der linken Seite findet in der Mitte den wartenden Kölner Sturmführer Kucharski, der die Kugel mit dem rechten Fuß Volley in das lange Ecke des Frankfurter Tores befördert, derweil Torwart Kunter das kurze Ecke hütet und Kucharskis Gegenspieler Andree den rechten Pfosten des Eintracht-Tores anstelle von Kucharski bewacht ... 0:1 nach nur 6 Minuten.

Die Frankfurter zeigen sich von diesem Treffer der Gäste gänzlich unbeeindruckt. Die Gastgeber sind sich ihrer spielerischen Überlegenheit so sehr bewusst, dass sie das Gegentor als unbedeutenden Zwischenfall verbuchen, der im Laufe des Spiels mit Sicherheit mehr als ausgeglichen wird. Und in der Tat: Körbel hat im Mittelfeld alle Freiheiten, ist immer anspielbar, während Nickel ihm in nichts nach steht. Hölzenbein übertrifft seine beiden Partner im Mittelfeld sogar noch und so ist es kein Wunder, dass die Eintracht die spielbestimmende Mannschaft ist.

Die Kölner spielen jedoch einen cleveren Ball und gestehen der Eintracht, die gefällig kombiniert, zwar Räume, aber kaum klare Torchancen zu. Die Gelegenheiten, die der wenig druckvolle Sturm der Hessen bekommt, sind zudem sichere Beute des ehemaligen Nationaltorhüters Wolfgang Fahrian. Bis zur Pause ist es ein ereignisarmes Spiel, in dem die Auswechslung von Kalb für Andree in der 37. Minute noch die erwähnenswerteste Szene wäre, wenn nicht Trinklein und Schiedsrichter Gabor noch für ein wenig Aufregung sorgen würden: Wir schreiben die 41. Minute und Gert Trinklein köpft zum Ausgleich ein. Ausgleich? Nein, denn Herr Gabor aus Berlin will einen Rempler des anderen Berliners auf dem Platz - Uwe Kliemann - gesehen haben und verweigert Trinkleins Treffer die Anerkennung.


Fahrian und Neues klären
vor Grabowski

„Wir führen verdient 1:0“, stellt Kölns Trainer Kottmann mit einiger Berechtigung fest, während Trainer Weise seine Elf auffordert, jetzt aufs Ganze zu gehen: „Alles auf eine Karte!“ Er bringt wie gegen die Bayern den jungen Nachwuchsspieler Wolfgang Kraus. Für Kraus muss Thomas Parits das Feld räumen, dem in dieser Saison kaum etwas gelingt und der einfach nicht mehr treffen will. „Scheppe“ Kraus kann jedoch anfangs weder seiner Mannschaft neue Impulse geben noch verhindern, dass die Gäste in der 62. Minute sogar mit 2:0 in Führung gehen. Kucharski schlägt nach einem Schrägschuss von Neues aus sechs Metern Torentfernung zu, es ist sein vierter Saisontreffer. Fortuna-Präsident Löring ist zufrieden: „Jetzt glaube ich, schaffen wir wenigstens ein Unentschieden. Wir müssen nur vorsichtig genug weiterspielen.“

In früheren Zeiten hätte sich manch Zuschauer bei solch einem Spielstand – dazu noch gegen einen Aufsteiger – beizeiten auf den Nachhauseweg gemacht. Aber „the times they are-a-changing“ und in Frankfurt in dieser Spielzeit ganz besonders: Schließlich haben die Gastgeber vor wenigen Wochen gegen den VfB sogar einen 0:3-Rückstand in der Schlussphase noch in einen Sieg verwandelt. Kölns Trainer Kottmann ist die damalige Schlussoffensive der Eintracht natürlich in Erinnerung geblieben - zumal seiner Truppe am 5. Spieltag gegen die Hertha ein ähnliches Kunststück glückte, als nach 0:3-Rückstand noch ein 3:3 gelang - und er will die Schotten rechtzeitig dicht machen: Zwei Minuten nach dem 2:0 bringt er für seinen Stürmer Wolfgang Thier mit Günther Schwaba einen Abwehrspieler.


Der Anschlusstreffer durch Hölzenbein

Nur zwei Minuten nach dieser Auswechslung rückt der lange Kliemann, der heute nur eine durchwachsene Partie spielt, mit auf, um die Fortunen-Abwehr unter Druck zu setzen. Und das gelingt: Bernd Hölzenbein, das Schlitzohr, taucht nach einem Kopfball von Kliemann zwischen drei Kölner Abwehrspielern wie ein Phantom auf und spitzelt den Ball aus kürzester Distanz an Fahrian vorbei, der den Ball gerade aufnehmen wollte. 1:2 in der 66. Minute. Der beste Mann der Eintracht und der beste Mann auf dem Platz, eröffnet mit diesem typischen Hölzenbein-Treffer die wilde, verwegene Jagd auf die bereits verloren geglaubten Heimpunkte und im Waldstadion wird die Krimistunde eingeläutet.

Jürgen Grabowski, der in der ersten Halbzeit für seine Verhältnisse eher zurückhaltend agierte, kommt nun in Fahrt und wirbelt die Deckung der Fortuna ein ums andere Mal durcheinander. Oft gelingt es den Gästen nur im allerletzten Moment und mit vereinten Kräften den Ausnahmefußballer zu stoppen und das Schlimmste zu verhindern. In der 73. Minute kommen aber alle Kölner Rettungsversuche zu spät: Gert Trinklein, den es schon lange nicht mehr hinten hält, markiert den Ausgleichstreffer zum 2:2 und macht so doch noch sein in der ersten Halbzeit vom Schiedsrichter verwehrtes Tor.

Wieder reagiert der Gästetrainer umgehend und nimmt nur zwei Minuten später mit Baylon den schwächsten und bereits mit Gelb verwarnten Mittelfeldspieler seiner Mannschaft aus dem Match. Der peruanische Nationalspieler Julio Baylon hat auch in seinem zweiten Pflichtspiel für die Kölner nicht überzeugen können, nun darf sein stürmischer Kollege Otters sein Glück probieren. Ob Friedhelm Otters gerne eingewechselt wird, ist schwer zu sagen, dass er oft eingewechselt wird, zeigt dagegen die Statistik der bisherigen Saison: Es ist sein neuntes Spiel und seine sechste Einwechslung. Was sich sein Trainer von der Einwechslung des Stürmers verspricht, ist ebenfalls nicht überliefert – denn der Joker Otters stach bislang in keiner Partie.

Auch heute bleibt Otters ein Erfolgserlebnis versagt. Dagegen belohnt sich zwei Minuten nach Otters’ Einwechslung der starke Nickel für seine prächtige Leistung und erzielt in der 77. Minute mit einem Kopfball aus 15 Metern den Führungstreffer zum 3:2. Längst haben die tapferen Gäste, die sich vor 11 Minuten mit einem komfortablen Vorsprung ausgestattet noch auf der Siegerstraße befanden, die Übersicht verloren. Zimmermann legt den eingewechselten Kraus im Strafraum und Jürgen Kalb setzt mit seinem verwandelten Elfmeter in der 87. Minute den Schlusspunkt hinter ein weiteres Kapitel Frankfurter „Fußballwunder“.

Natürlich ist auch dem „Kicker“ Bernd Hölzenbeins Gala-Vorstellung nicht verborgen geblieben. Das Sportmagazin beruft „Holz“ zum zweiten Mal in dieser Saison in die „Elf des Tages“. Ein Kuriosum am Rande: Die Frankfurter haben von ihren 21 Toren nun 20 nach der 48. Minute geschossen – so etwas gab es in der Bundesliga noch nie. Fortuna Köln rutscht durch die Niederlage von Platz 13 auf 15 ab. Frankfurt bleibt auf Platz 2, einen Punkt hinter dem Tabellenführer aus Gladbach und einem Punkt vor dem Meister Bayern München - die Eintracht hat allerdings ein Spiel weniger als diese beiden Kontrahenten.

„Wir sind noch zu grün“, bedauert Kölns Trainer Kottmann die verpasste Überraschung beim Favoriten. „Wir wurden überrumpelt“, gibt Trainer Weise zu: „Aber das 0:2 war dann der Anreiz für die tolle Steigerung.“ „Ich rätsele herum, wieso meine Mannschaft erst dann immer so richtig in Schwung kommt, wenn schon alles rettungslos verloren zu sein scheint. Vielleicht liegt es daran, dass wir nicht 90 Minuten lang gegen das Tor auf der Ostseite spielen. Bisher fielen nur dort unsere Treffer. Beim nächsten Spiel muss ich mal beim Schiedsrichter fragen, ob wir nicht die ganze Spielzeit über gegen das eine Tor spielen dürfen“, frozzelt Weise, um dann ernst hinzuzufügen: „Die Kampfmoral meiner Mannschaft war großartig und genauso großartig war die Unterstützung durch das Publikum.“ Die Wende, das sieht auch Trinklein so, sei „mit Hilfe der Zuschauer“ gelungen. (rs)


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