1. FC Köln - Eintracht Frankfurt |
Bundesliga 1973/1974 - 1. Spieltag
1:1 (0:0)
Termin: Sa 11.08.1973, 15:30 Uhr
Zuschauer: 16.000
Schiedsrichter: Dietrich Basedow (Hamburg)
Tore: 1:0 Hennes Löhr (68., Foulelfmeter), 1:1 Wolfgang Weber (71., Eigentor)
1. FC Köln | Eintracht Frankfurt |
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Ohne Mauseloch In den meisten Freundschaftsspielen vor dem Saisonstart haben die Riederwälder ordentliche Leistungen abgeliefert, erst in Hessen und dann auch in Spanien: Gegen Sevilla mussten zwar die Segel erst im Elfmeterschießen gestrichen, Malaga und Cadiz sogar mit jeweils 2:0 geschlagen. Dennoch ist es zu Saisonbeginn naturgemäß schwer, die wahre Leistungsstärke der Mannschaft einzuschätzen. Thomas Rohrbach hat beispielsweise in den Testspielen angedeutet, dass er mit seiner Schnelligkeit im Sturm besser aufgehoben ist als in der Abwehr, wohin ihn der frühere Trainer Ribbeck in der jüngeren Vergangenheit beorderte. Wird er diese Einschätzung im Bundesligaalltag bestätigen können? Gegen
den heutigen Gegner verlor die Eintracht im letzen Jahr in Köln mit
1:3, davor aber hieß es aus Kölner Sicht 1:1, 0:0 und 1:2.
Obwohl die Domstädter also in den letzten Jahren immer wieder Probleme
mit den Frankfurtern hatten und auch zum Ende der letzten Saison mit 0:5
am Main untergegangen sind, gehen die FC-Spieler von einem Erfolg aus.
"Wir gewinnen 2:1", verkündet Wolfgang Weber und auch Torwart
Welz ist siegesgewiss: "2:0 für uns!" Trainer Weise lässt
sich vom Kölner Selbstbewusstsein nicht beeindrucken und rät
seiner Elf, sich "nicht im Mausloch (zu) verkriechen". Die Eintracht beginnt mit Dr. Kunter im Tor, Trinklein als Libero, Kliemann als Stopper und Reichel und Neuzugang Andree als Außenverteidiger, im Mittelfeld mit Hölzenbein neben Kalb und Körbel sowie im Sturm neben Rohrbach und Grabowski mit Nickel im Zentrum. Von Anfang an setzen die Riederwälder auf ihre stärkste Waffe und das ist die technische Grundausstattung der Elf. Ohne dass ein Kölner an den Ball zu kommen vermag, läuft der Ball nach dem Anstoß zwei Minuten durch die Reihen der Gäste. Das kommt einer Vorführung gleich, die sich zum Leidwesen der Gastgeber in der Folge mehr als einmal wiederholt und die Kölner zusehends aus dem Konzept bringt. Die überfallartigen Angriffe, mit denen die Elf im Pokalfinale gegen Gladbach geglänzt hatte, gelingen der Truppe von Trainer Schlott nicht ein einziges Mal. Die Kölner können auch im weiteren Verlauf des Spiels die positiven Eindrücke aus den Vorbereitungsspielen nicht wiederholen. Als sie nach 20 Minuten versuchen, eine erste Drangperiode zu inszenieren, erfahren die Kölner auch noch eine personelle Schwächung: Konopka muss den Platz verlassen; er hat sich ohne Einwirkung des Gegners den Knöchel verstaucht. Damit ist der Versuch, die Frankfurter unter Druck zu setzen, auch schon wieder vorüber. Die Mängel im Kölner Mannschaftsspiel überraschen zwar, sind jedoch unübersehbar. Keiner der Spieler drängt sich für ein Sonderlob auf, am allerwenigsten der Kölner Kapitän und Regisseur Wolfgang Overath. Dieses Spiel verlangt förmlich nach den millimetergenauen Pässen des Nationalspielers, doch es bleibt ein ungestilltes Verlangen. Overath hat genug mit sich selbst und seinem Frankfurter Gegenspieler Kalb zu tun, als dass er sich auch noch um das Spiel seiner Elf kümmern könnte. Zudem engt Körbel mit enormem Radius effektvoll Flohes Kreise ein, während Hölzenbein Simmet in eine Privatfehde hinein treibt, die dem Kölner in der 37. Minute eine Gelbe Karte einbringt. Die Gastgeber können sich glücklich schätzen, dass Bernd Nickel im Frankfurter Sturmzentrum einen schwächeren Tag erwischt hat und enttäuscht. Offensichtlich hat er noch immer keine positive Einstellung zur von ihm ungeliebten Mittelstürmerposition gefunden. Das macht es den Abwehrrecken Cullmann und Hein zusammen mit dem in vielen Szenen glänzend reagierenden Welz einfacher, den Kasten der Gastgeber sauber zu halten. Die drei besten Kölner stehen in der Defensive, keine Frage. Der Kölner Torwart hat sich für diese Saison auch einiges vorgenommen: Er hat hart trainiert und sieben Pfund Gewicht verloren, um seinen Anspruch auf einen Platz im WM-Kader der DFB-Auswahl zu untermauern. Leichtgewichtig kommt zum Verdruss von Trainer Schlott auch sein angriff daher: Von den beiden Außenstürmern Löhr und Glowacz kommen so gut wie keine Flanken. Dem 19-jährigen Mittelstürmer Dieter Müller geht in seinem 3. Bundesligaspiel manches daneben, aber er bemüht sich eifrig und gleicht seine Schwächen mit vorbildlichem Einsatz aus. Ein durchschnittliches, aber kein schlechtes Debüt für den Youngster. Der zweite Kölner Neuling Reinhard Schmitz ist dagegen mangels Grundschnelligkeit im Duell mit seinem Widersacher Thomas Rohrbach deutlich überfordert. Schmitz wirft bereits in seinem ersten Bundesligaspiel die Frage nach seiner Eignung für die oberste Spielklasse auf. Die Antwort fällt negativ aus. Dass Trainer Weise Thomas Rohrbach als Linksaußen wiederentdeckt hat, ist eine Entscheidung mit positiven Folgen. Thommy Rohrbach weiß mit seinem kessen Auftreten zu gefallen, er hat die Marschroute seines neuen Trainers verinnerlicht und lebt sie vorbildlich aus. Nicht nur einmal gibt er auch den gegenüber Schmitz weitaus routinierteren Kölnern Spielern das buchstäbliche Nachsehen. Der schnelle Frankfurter ist bei seinen Ausflügen kaum zu stoppen. Doch so sehenswert seine Läufe auch sind, Rohrbach kann der Eintracht nicht zur Führung verhelfen. Der Frankfurter Wirbelwind wird zwar zum gefährlichsten Stürmer auf dem Platz, im entscheidenden Augenblick fehlt noch die letzte Kaltschnäuzigkeit vor des Gegners Kasten. Aus der ersten Halbzeit ist deshalb nur noch die Gelbe Karte für Andree aus der 34. Minute erwähnenswert. In der zweiten Halbzeit geht es dann gleich wie gehabt weiter – mit einer Gelben Karte für Gert Trinklein (55.). Die Eintracht versteht es weiterhin glänzend, das Tempo zu drosseln und trumpft mit schnellen Kontern auf. Mit dieser Taktik wissen die Kölner auch im zweiten Abschnitt nichts anzufangen. Ob es daran liegt, dass Overath und Simmet an den Folgen einer fiebrigen Darmerkrankung leiden? Für Spielmacher Overath ist seit der 54. Minute der Argentinier Ricardo-Horacio Neumann im Spiel. Neumann, der seit letzter Saison in Kölner Diensten steht, hat bisher bei den Domstädtern den Durchbruch nicht geschafft und startet heute einen neuen Versuch. Jürgen Kalb, der vorher bereits Overath neutralisierte, sorgt dafür, dass es bei einem Versuch des Südamerikaners bleibt. In der Abwehr der Frankfurter kauft "Funkturm" Kliemann den Kölner Spitzen den Schneid ab, ohne mit seinem Einsatz die Grenzen des Erlaubten zu überschreiten. Kliemann, der bereits in der letzten Saison von Oberhausen an den Main kam, ist die wahrscheinlich beste Neuverpflichtung der Hessen in den letzten Jahren.
In der Schlussphase lassen die Geißböcke kräftemäßig auffallend nach. Wie ein Geschenk des Himmels muss es den Gastgebern demnach vorkommen, als Schiedsrichter Basedow in der 68. Minute auf Strafstoß entscheidet, weil dem Ex-Dortmunder Andree bei seinem ersten Punktspiel im Frankfurter Trikot ein Foul an Simmet unterlaufen ist. Wer übernimmt nun die Verantwortung? In der letzten Saison waren Hennes Löhr mit vier und Jupp Kapellmann mit drei verwandelten Elfmetern die sichersten Kölner Schützen vom ominösen Punkt. Kapellmann spielt nun für Bayern München, also tritt Löhr zur Vollstreckung an. Löhr - in der letzten Saison mit lediglich 10 Treffern erfolgreichster Kölner vor Flohe, Kapellmann und Simmet mit je 8 Treffern - hat seine Nerven eisern im Griff und verwandelt zum 1:0 für die Gastgeber. Eine glückliche Führung, aber was ändert das schon? Nur drei Minuten später hat Wolfgang Weber seinen Auftritt. Einen Auftritt, auf den der Vize-Weltmeister von 1966 und WM-Dritte von 1970 gerne verzichten würde. Denkwürdige Auftritte hatte der Schütze des 2:2 in der 90. Minute im WM-Endspiel 1966 in seiner Karriere ja auch bereits genug: Weber - bekannt für seine Härte gegen den Gegner und legendär für seine Härte gegen sich selbst – brach sich im Viertelfinale des Europapokals der Landesmeister am 24. März 1965 gegen Liverpool das Wadenbein, spielte aber bis zum Ende weiter, weil man damals noch nicht auswechseln durfte. Das Spiel ging in die Verlängerung, endete wie im Hinspiel unentschieden, doch aller Einsatz Webers nutze am Ende nichts. Denn die Entscheidung wurde damals weder nach auswärts mehr erzielten Toren noch durch Elfmeterschießen herbeigeführt, sondern durch – das Los. Und das entschied für Liverpool ... Etwas von diesem Pech aus den Anfangstagen seiner Karriere scheint Weber heute eingeholt zu haben. Schon in der ersten Halbzeit hat er sich nach einem Zusammenprall mit Trinklein eine Rippe gebrochen und den verdienten Ausgleichstreffer erzielt in der 71. Minute kein Frankfurter Stiefel, sondern ein Kölner: Wolfgang Weber! Grabowski, der bisher als zurückhängende Spitze im Spielaufbau unter anderem mit sehenswerten Pässen auf Rohrbach imponierte, hat sich auf seine Stürmerqualitäten besonnen, zieht auf der linken Seite los und schießt aus spitzem Winkel. Welz reagiert reflexartig, aber seine Faustabwehr trifft Webers Körper, von dem der Ball in den eigenen Kasten abprallt. Es ist das erste Eigentor Webers in der Bundesliga, in der er seit deren Gründung mitspielt. Hölzenbein, der lange mit guten Läufen und den ersten gefährlichen Schüssen aufwartete, ist mit seinen Kräften am Rande. Weise hat das bemerkt und bringt nach 78 Minuten mit Wolfgang Kraus einen ebenso frischen wie bissigen jungen Spieler. Dass die Eintracht in der Schlussphase versucht, mit Ballhalten und Hin- und Hergeschiebe das 1:1 zu halten, will Trainer Weise aber überhaupt nicht zusagen. Statt selbst das zweite Tor zu erzielen, läuft seine Elf so Gefahr, den zweiten Gegentreffer zu bekommen. Energisch winkt Weise seine Mannschaft nach vorne. Er hat erkannt, dass die Kölner am Ende ihrer Kräfte sind. Nur zögerlich folgt ihm seine überraschte Elf, die von Weises Vorgänger auf fremden Platz meist andere Vorgaben gewohnt waren. Wertvolle Minuten verschenkt die Eintracht, bevor sie der Aufforderung ihres Trainers folgt. Und die Gastgeber haben in der Schlussphase unverschämtes Glück, dass wenigstens ein Punkt am Rhein bleibt: In der 85. Minute hat Reichel die Siegchance auf dem Fuß, doch er trifft nur die Innenkante des Pfostens – der Ball springt ins Feld zurück. Reichel, bei dem Hennes Löhr nichts zu bestellen hat, wäre das Tor zu gönnen gewesen, denn er liefert eine famose Partie. Zuvor hatte er in der Abwehr den Rückstand verhindert, als er einen Schuss des für Overath eingewechselten Ricardo Neumann mit dem Körper auf der Torlinie stoppte.
Es bleibt beim 1:1 und 16.000 überwiegend enttäuschte Zuschauer bleiben zurück. Mit Pfiffen begleiten viele die Kölner Mannschaft in die Kabine. Die Eintracht kann mit diesem erspielten und erkämpften Unentschieden zweifellos besser leben als die Gastgeber, die sich einen besseren Start in die neue Saison erhofft haben. Mit solchen Leistungen in der Fremde dürfte die Auswärtsschwache der Frankfurter bald zu den Akten gelegt werden können. Trainer Weise ist jedoch trotz des Unentschiedens nicht ganz zufrieden, ihm war das Spiel seiner Elf nicht offensiv genug: "Die Verteidiger marschieren nicht mit nach vorn." Die Kölner haben für ihren missglückten Start einige Erklärungen parat. "Overath hatte Grippe, deshalb musste ich ihn auswechseln", weist Trainer Schlott die Journalisten auf seine geschwächte Elf hin: "Und Simmet spielte ebenfalls mit Fieber." "Es fehlte halt an Kondition, und die Hitze machte uns schwer zu schaffen", fügt Overath hinzu. Nun, gegen die Hitze kann man nichts machen, aber ab Montag soll der neue Konditionstrainer Rolf Hering den Kölner zu mehr und neuen Kräften verhelfen. Kölns Präsident Oskar Maaß hat indes nur einen Wunsch: "Hoffentlich sehen wir solche Spiele nicht häufiger." (rs)
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