Betis Sevilla - Eintracht Frankfurt

Trofeo Ciudad de La Línea de la Concepción 1973/1974 - Halbfinale

4:2 n.E. (0:0)

 

Termin: 04.08.1973 in La Linea
Zuschauer: 17.000
Schiedsrichter: Martinez Banegas
Tore: Elfmeterschießen: Jürgen Grabowski, Roland Weidle verschießt, Uwe Kliemann, Bernd Nickel verschießt

 

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Betis Sevilla Eintracht Frankfurt

  • Esnaola
  • Bizcocho
  • Biosca
  • Telechia
  • Sabaté
  • Jenaro
  • Del Pozo
  • Olmedo
  • Nebot
  • Rogelio
  • Benítez

 


 

Wechsel
  • Orife für Jenaro (55.)
  • Aramburu für Nebot (76.)
Wechsel
Trainer
  • Ferenc Szusza
Trainer

 

Geisterstunde in Gibraltar

Es ist nach Mitternacht. Geisterstunde in Gibraltar. Im nahe gelegenen La Linea de la Concepcion gehen elf Männer aus Hessen immer noch ihrer schweißtreibenden Arbeit nach, die sie sich allerdings erheblich leichter vorgestellt haben. Dabei müssten sie nach den Erfahrungen des letzten Jahres gewarnt gewesen sein. Damals waren sie einer Einladung nach Galicien gefolgt und hatten in der Hafenstadt La Coruna festgestellt, dass einer freundlichen Einladung eine erbitterte Auseinandersetzung mit dem Gastgeber folgen kann, die von fanatisierten Zuschauern begleitet wird. In Andalusien ergeht es ihnen in dieser Nacht nicht besser, doch im Gegensatz zum vergangenen August sind die Hessen heute nicht bereit, der Kampfesansage der Gastgeber Folge zu leisten.

Möglicherweise hat die Elf von Dietrich Weise den Turniergegner unterschätzt, weil er in der letzten Meisterschaftsrunde aus der ersten spanischen Division abgestiegen ist. Doch Betis Sevilla begegnet der Eintracht in dieser Partie mit einem Kampfgeist, als könnten sie durch einen Sieg gegen den Bundesligisten den Abstieg rückgängig machen. Von der ersten bis zur letzten Minute spüren die Gäste aus Deutschland den wilden, unbeugsamen Siegeswillen des Gegners, der die 17.000 Zuschauer dem Spiel begeistert folgen lässt. Ein Konzept, die Spanier zu stoppen, findet die Eintracht während der gesamten Partie nicht.

Am Ende bleibt die Begegnung dennoch auf beiden Seiten torlos, was auch der famosen Leistung des Frankfurter Torhüters Wienhold zu verdanken ist. Das 0:0 darf allerdings keinen Bestand haben, weil der Finalgegner von Belenenses Lissabon ermittelt werden muss. Die Portugiesen haben in der anderen Turnierpartie Malaga mit 2:1 geschlagen. Die Entscheidung über den zweiten Endspielteilnehmer muss nun im Elfmeterschießen fallen.

Die jeweils fünf Schützen der beiden Mannschaften werden nicht abwechselnd, sondern nacheinander antreten. Das Los bestimmt, dass die Spanier beginnen und sie beweisen gute Nerven. Vier der fünf Elfmeter verwandeln sie, zum Ärger von Eintracht-Torhüter Wienhold alle vier in dieselbe Ecke.

Nun kommt die Eintracht an die Reihe. Um ins Finale einzuziehen, dürfen sich die Frankfurter keinen Fehlschuss erlauben, bei deren zwei bleibt ihnen nur das Spiel um den dritten Platz. Eine halbe Stunde nach Mitternacht zeigt die Uhr mittlerweile an, als der erste Schütze der Eintracht zum Duell gegen den Torwart, das Geschrei von 17.000 Südländern und die eigenen Nerven antritt. Grabowski erledigt diese Aufgabe ohne sichtbare Gefühlsregung – sein Schuss sitzt. Roland Weidle ist der Nächste in der Reihe, doch ihm spielen die Nerven einen Streich – er drischt den Ball am Tor vorbei.

Die Frankfurter können sich nun keinen weiteren Fehlschuss mehr erlauben, doch Nummer 3, Kliemann, lässt sich davon nicht beeindrucken: Kaltschnäuzig schießt er das Leder ins Tor. Nickel ist der nächste und der ausgewiesene Scharfschütze der Eintracht sollte kein Problem haben, mit einem seiner gefürchteten harten Schüsse, dem ihn nachfolgenden Kameraden, die Möglichkeit zum Gleichziehen mit den Spaniern zu geben. Doch der Elfmeterspezialist der Frankfurter, Jürgen Kalb, muss nicht mehr antreten. Nickels Schuss wird dem Ruf des Schützen nicht gerecht, weder hart noch platziert kommt der Ball aufs Tor, so dass der spanische Torwart in die richtige Ecke tauchen und den Ball unter dem ohrenbetäubenden Jubel seiner Landsleute an sich reißen kann.

"Das war der einzige Punkt, den man Trainer Weise vorwerfen könnte, aber warum hat ihm das niemand gesagt, dass Kalb einer der treffsichersten Elfmeterschützen der Bundesliga ist", fragt der berichtende Journalist der Abendpost/Nachtausgabe seine Leser und schließt: "Der Unterliederbacher hätte unmittelbar nach Grabowski schießen müssen. Nun, nachher ist man immer klüger als zuvor." Zweifellos.

Diese Klugheit nutzt der Eintracht nun aber nichts mehr, zerknirscht verlassen die Spieler das Spielfeld. Nach dieser Niederlage muss die Eintracht bereits am heutigen Abend gegen den FC Malaga um den dritten Turnierplatz spielen. Die Heimfahrt im Omnibus verläuft sehr still. Trainer Weise, das haben seine Spieler registriert, ist mit der Einstellung und dem Auftritt seiner Mannschaft nicht zufrieden. "Die Spanier haben uns den bedingungslosen Kampf angeboten, aber nicht alle meine Spieler haben ihn akzeptiert", stellt Weise sachlich fest. Vizepräsident Ernst Berger ist von der Vehemenz des Auftritts der Spanier immer noch überrascht. "Die trennen ja von der Verbissenheit zu urteilen Welten gegenüber unseren Regionalligisten", zieht er einen Vergleich zum 5:0-Sieg der Eintracht beim ebenfalls zweitklassigen SV Darmstadt 98 vor knapp einer Woche.

Bis zum 1. Spieltag bleibt für Trainer Weise und seine Mannschaft noch eine ganze Menge zu tun. Möglicherweise kann er aber bald wieder auf den österreichischen Nationalspieler Parits zurückgreifen. In der Woche vor dem Bundesligastart in Köln will der wegen eines Zehenbruchs fehlende Mittelstürmer wieder mit dem Training beginnen, kündigt Parits bei der Telefonfragstunde einer Tageszeitung an. Die WM-Qualifikation der ÖFB-Auswahl hält er dagegen nicht für realistisch: "Wenn ein Wunder geschieht …"

Die Aktion "Club 20.000" hat kein Wunder vollbracht, aber immerhin einen Einnahmen-Vorschuss auf die neue Saison in Höhe von knapp 50.000 DM in die Kassen der Eintracht gespült. Für 50 DM bekommen die Mitglieder dieses "Clubs" eine Stehplatz-Dauerkarte für alle 17 Heimspiele oder eine Ermäßigung auf eine Sitzplatzkarte um 3 DM. Die Aktion erwartet in diesen Tagen ihr tausendstes Mitglied.

Nur ein neues Mitglied aus einem anderen Verein hat wegen des schmalen Budgets der Eintracht der Profi-Kader erhalten. Der Ex-Dortmunder Hans-Joachim Andree wohnt übrigens zurzeit im Haus des Schatzmeisters Gerd Jakobi in Seulberg. Mit Jakobi abgestimmt sind die Spieler-Prämien, die an die Zuschauerzahlen gekoppelt sind. "Durch gute Leistungen können die Spieler viele Zuschauer anlocken und dann viel verdienen", lautet die Botschaft des Vizepräsidenten Berger dazu.

Achaz von Thümen, der neue Präsident der Frankfurter Eintracht, hält sich bislang in der Öffentlichkeit zurück. So ergriff er Ende Juli erst ganz am Schluss der Pressekonferenz zum ersten Male das Wort: "Darf ich fragen, waren Sie schon einmal bei einer solchen Sitzung dieses Klubs, in der der Präsident nichts sagte?" Andere können besser als er über Fußball reden, meint von Thümen, der sich nur als Fußballfan, aber nicht als -fachmann sieht. Befragt antwortet der wohlerzogene Akademiker aber natürlich auch zu Fußballfragen. So ist Bayern München sein Meisterschaftsfavorit, die Frankfurter Eintracht aber erwartet er auch auf einem Tabellenplatz "im ersten Drittel". "Am Ball haben wir ausgezeichnete Könner", sagt der Kanzler der Frankfurter Universität über die Stärke des Bundesligisten und beschreibt auch die Schwäche: "Wenn unsere Mannschaft Bayern München geschlagen hat, glaubt sie, den nächsten Gegner schon in der Tasche zu haben." Auf die letzte Frage, wie das erste Punktspiel der Saison in Köln ausgehen wird, antwortet von Thümen: "Wenn es auch frech klingt: Unentschieden."

Der Präsident hat natürlich ebenso eine Meinung zum Umbau des Waldstadions, der zu einem großen Teil bereits erfolgt ist. "Schon jetzt haben die Zuschauer dort einen erheblich größeren Komfort", meint von Thümen. Der neue Präsident steht der Eintracht in der Öffentlichkeit gut zu Gesicht, auch wenn der Gelehrte in Fußballerkreisen wie erwartet nicht nur wohlwollende Aufnahme findet. Werner Ebert bemüht sich im "Kicker" um eine sachliche Betrachtung der Veränderungen am Riederwald: "Akademisch" sei die Eintracht neuerdings, schreibt er, "von der Spitze bis zum Schlussmann, dem Torwart Dr. Kunter. Dazu passt der neue Trainer: Dietrich Weise eilt der Ruf voraus, ein "Seelenprofessor" zu sein. Acht Tage lang trimmte er die Mannschaft im Taunus ohne jede Fußball-Berührung - aber er führte lange Gespräche mit jedem einzelnen Spieler."

In der Tat ist Weise dieser Umgang mit seinen kickenden Mitarbeitern besonders wichtig. So nahm er auch bereits seine beiden Torhüter Dr. Kunter und Günter Wienhold beiseite, um ihnen seine Vorgehensweise zu erläutern: "In der Vorbereitungszeit werde ich euch abwechselnd aufstellen, am 11. August beim Punktspiel aber ernenne ich einen zum Torwart Nummer eins für die ganze Saison. Ich weiß schon jetzt, das wird menschlich eine schwere Entscheidung - auch für mich", machte der Fußballlehrer aus seinem Herzen keine Mördergrube. Die Eintracht scheint, mit ihrem neuen Trainer einen guten Griff getan zu haben. Ob er mit seiner Art und seiner Arbeit auch Erfolg haben wird, ob es ihm gar gelingen kann, die Elf aus dem jahrelangen Dornröschenschlaf des Bundesligamittelmaßes zu erwecken und in das vom Präsidenten gewünschte erste Drittel der Tabelle zu führen, wird man aber abwarten müssen. (rs)

 

 


 

 

Verfehltes Arrangement der Eintracht beim Elfmeterschießen

Weidle und Nickel trafen ins Leere • Eintracht Frankfurt — Betis Sevilla 0:0

Für die Frankfurter Eintracht schlug der erste Auftritt der neuen Saison auf internationalem Parkett fehl. Nach einem 0:0 gegen Betis Sevilla unterlag sie beim Elfmeterschießen in La Linea mit 2:4 und erreichte damit nicht das angestrebte Finale im Stadtpokal. Das Endspiel am Fuße des Gibraltarfelsenmassivs bestreiten der portugiesische Vizemeister Belenenses Lissabon und Betis Sevilla.

Der FC Malaga und die Eintracht, die als Favoriten galten, kämpfen nun um den dritten Platz. Der aus der spanischen Ersten Division abgestiegene Klub aus Sevilla hatte nicht nur die zielsicheren Schützen bei der Elfmeterzelebration, sondern auch das Glück des Loses für sich. Entgegen den internationalen Bestimmungen traten zunächst fünf Spieler aus Sevilla, dann fünf Frankfurter zur Exekution an. Nur einer der Spanier verfehlte, so daß die Eintracht mit einem 0:4-Rückstand begann. Nach dem vierten Frankfurter Schützen, Nickel, der zu unplaciert schoß, war das aufregende Schauspiel zu Ende. Kalb als letzter vorgesehen, kam nicht mehr zum Zuge. Vorher hatten für die Eintracht Grabowski und Kliemann sicher verwandelt, dazwischen aber Weidle seinen Strafstoß verschossen.

Später wurde über viele Dinge diskutiert, die man hätte besser machen können, auch über die Einteilung beim Elfmeterschießen, auf das man offensichtlich nicht vorbereitet war. Es wirkte wie ein billiger Trost für die Verlierer, daß aus dem Lissaboner Lager die Meinung kam, die Eintracht hätte spielerisch besser gefallen. Der dunkelhäutige Brasilianer und Belenenses-Mittelstürmer Carlos: „Betis ist doch nur gerannt." Das stimmt nur bedingt. Die Spanier auf heimischem Boden und in der Fremde sind offensichtlich zweierlei Paar Schuhe.

Das mußten auch die Frankfurter erkennen. Die Beweglichkeit, die Kampfkraft und die Perfektion am Ball erlebte man schon am Vortage in gleichem Umfange beim FC Malaga, der bei seinem 1:2 gegen Lissabon lange wie der Sieger ausgesehen hatte.

Trainer Weise imponierte dieser unerhörte Einsatz: „Bei uns konnte man höchstens bei vier oder fünf Leuten diese Hingabe beobachten." Wen er damit meinte, war nicht schwer festzustellen. Die Dinge in der Abwehr scheinen für die kommende Zeit geordnet. Reichel, Kliemann und Trinklein vor einem absolut sicheren Wienhold im Rücken waren auch beim Dauerdruck in der ersten Halbzeit durch Betis nicht aus der Balance zu kippen. Die schwerste Aufgabe stellte sich für Andree gegen den quirligen Rechtsaußen Del Poro, einem neuen Mann bei Sevilla, der zum Kreis der Nationalmannschaft zählt und davonzog wie Weiland Richard Kress.

Zu Betis-Star Rogelio, einen Nationalspieler, hatte Weise den jungen Müller zur Bewachung gestellt. Mit dieser Aufgabe schien der Amateur überfordert. Nach der Pause kam Kalb für ihn, und das Eintrachtspiel lief gleich um soviel besser, daß sich innerhalb von einer Viertelstunde drei große Chancen zum Sieg einstellten. Die erste in der 57. von Rohrbach eingeleitet, war zugleich die größte im ganzen Spiel. Rohrbach spielte Grabowski völlig frei. Doch dieser ließ den Ball zu weit vom Fuß prallen, und der Betis-Torhüter war wie der Blitz herausgeschossen.

Gerade um diese Zeit hätte der stärker werdenden Eintracht ein offensiver Hölzenbein gut getan. Aber dessen Vorstöße fielen im zweiten Teil, in dem auch Rohrbach energischer zur Sache ging, fast aus. Auf der rechten Seite forcierten Reichel und Körbel aus dem Hintergrund ihre Vorstöße. Doch die Unterstützung durch Weidle blieb schwach. Wahrscheinlich ist das Betätigungsfeld des Ex-Stuttgarters inzwischen längst nicht mehr am Flügel zu suchen. Wer soll künftig die Tore schießen?, bleibt die Frage nach dem ersten spanischen Abenteuer. Trainer Weise will gegen Malaga in der Sonntagnacht Nickel über 90 Minuten einsetzen. Dafür erhält Körbel, dem dickes Lob gespendet wurde, eine Verschnaufpause. Er soll nicht verheizt werden. Die Sache mit Grabowski als Mittelstürmer, gegen Darmstadt 98 noch ein Volltreffer, kann nur eine Notlösung bedeuten. „Es ist zu dumm, daß Parits ausgefallen ist", meinte Trainer Weise, „gerade die Spiele in Spanien sollten als Test für die kommende Sturmformation dienen."

Ohne den Österreicher kann nur improvisiert werden, zumal Nickels Neigungen für das Mittelfeld größer sind, als für die Sturmmitte. Verletzt ist von den Spanien-Fahrern niemand, sieht man von den Schmerzen ab, die Hölzenbein nach dem Samstagspiel am rechten Fuß verspürt, die leichte Lädierung stammt noch aus dem ersten Spiel in Seulberg.

Gegen Malaga gibt es wieder offensichtlich die Änderung im Tor mit Dr. Kunter für Wienhold. Die Partie ist jene, die sich Trainer Weise überhaupt nicht wünschte. („Lieber hätten wir gegen Lissabon gespielt.") Malaga geht zudem mit einem Tag Pause ins Spiel, während der doch stark veränderte Tagesablauf mit den Spielen um Mitternacht den Frankfurtern ohnehin genügend Schwierigkeiten bereitet. ('Frankfurter Rundschau' vom 06.08.1973)


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